RIS - L504 2282614-1 - Entscheidungstext (2024)


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei [kurz: bP] stellte am XXXX 2023 nach nicht rechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz. Es handelt sich dabei um einen Mann, der seinen Angaben nach türkischer Staatsangehöriger ist. Die beschwerdeführende Partei [kurz: bP] stellte am römisch XXXX 2023 nach nicht rechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz. Es handelt sich dabei um einen Mann, der seinen Angaben nach türkischer Staatsangehöriger ist.

In der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte die bP an, dass sie die Regierungspartei AKP nicht unterstütze, weswegen sie Probleme bekomme. Bei einer Rückkehr werde es der bP in der Türkei schlecht gehen.

Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [kurz: BFA] brachte die bP zu ihrer persönlichen Problemlage im Herkunftsstaat vor, dass sie bemerkt habe, dass sie in der Türkei nichts erreichen könne und sich gezwungen gefühlt habe, zu flüchten. Sie müsse für ihre Familie sorgen, seit der Vater gestorben sei. Das fluchtauslösende Ereignis für die bP sei gewesen, als Erdogan die Wahlen wieder gewonnen habe.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (I.). Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (römisch eins.).

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (II.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (römisch II.).

Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wurde der bP nicht erteilt (III.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. Paragraph 57, AsylG wurde der bP nicht erteilt (römisch III.).

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist (V.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die bP gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist (römisch fünf.).

Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gem. § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (VI.) und festgestellt, dass gem. § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (VII.).Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gem. Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer 4, BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (römisch VI.) und festgestellt, dass gem. Paragraph 55, Absatz eins a, FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (römisch VII.).

Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass sich aus dem Vorbringen der bP eine aktuelle, gegen sie gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr nicht ableiten lasse. Sie habe keine Furcht vor Verfolgung aus einem Konventionsgrund geltend gemacht und vermögen wirtschaftliche Gründe alleine eine Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu rechtfertigen.

Gegen diese Entscheidung wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wird ausgeführt, dass die bP im Zuge ihrer Einvernahme vor dem BFA angegeben habe, dass sie nicht glaube, dass sie jemals als freier Mensch in der Türkei gelebt habe. Hierzu hätte die bP jedenfalls näher befragt werden müssen. Das Ermittlungsverfahren stelle sich daher als mangelhaft dar.

Aus den angeführten Länderberichten gehe zudem hervor, dass Kurden Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen sowohl seitens der türkischen Regierung, als auch von gesellschaftlicher Seite ausgesetzt seien. Es stehe jedenfalls fest, dass, wenn die türkische Regierung erfahre, dass die bP in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und dadurch den türkischen Staat in Misskredit gebracht habe, die bP jedenfalls damit rechnen müsse, umgehend am Flughafen festgenommen und inhaftiert zu werden. Die Verhältnisse in den türkischen Gefängnissen seien katastrophal.

Die gegenständliche Entscheidung greife zudem unzulässigerweise in das Privat- und Familienleben der bP ein.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2023 wurde der Beschwerde gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2023 wurde der Beschwerde gem. Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Am XXXX 2023 wurde die bP festgenommen und am XXXX 2023 auf dem Luftweg ohne Vorfälle in die Türkei/Istanbul abgeschoben. Am römisch XXXX 2023 wurde die bP festgenommen und am römisch XXXX 2023 auf dem Luftweg ohne Vorfälle in die Türkei/Istanbul abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Name und Geburtsdatum der bP (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen fest.

Die bP ist der Volksgruppe der Kurden und der islamischen Religion zugehörig.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Die bP ist in Gaziantep geboren und aufgewachsen. Die bP hat in der Türkei 12 Jahre lang die Schule und 2 Jahre lang die Universität besucht und war vor der Ausreise aus der Türkei in einer Teppichfabrik bzw. als Bautechniker tätig.

Die bP ist ledig und hat keine Sorgepflichten.

1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

In der Türkei leben nach wie vor die Mutter und die Schwester der bP bzw. weitere Verwandte. Der Vater der bP ist im Jahr 2020 verstorben.

1.4. Ausreisemodalitäten:

Sie reiste Mitte September 2023 mit ihren Reisepass via Flugzeug legal aus der Türkei nach Serbien aus, wo sie sich wenige Tage aufhielt. Anschließend begab sie sich über Ungarn nach Österreich wo sie erstmals einen Asylantrag stellte.

1.5. Aktueller Gesundheitszustand:

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich:

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes

Die bP begab sich ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels am 21.09.2023 in das Bundesgebiet.

Mit der am selben Tag erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise gem. § 120 Abs. 1 iVm Abs. 7 FPG als rechtswidrig. Wer als Fremder nicht rechtmäßig einreist, begeht eine Verwaltungsübertretung, die als Offizialdelikt von der Verwaltungsstrafbehörde mit einer Geldstrafe von 100 bis 1000 Euro, im Wiederholungsfall mit 1000 bis 5000 Euro zu ahnden ist. Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise gem. Paragraph 120, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 7, FPG als rechtswidrig. Wer als Fremder nicht rechtmäßig einreist, begeht eine Verwaltungsübertretung, die als Offizialdelikt von der Verwaltungsstrafbehörde mit einer Geldstrafe von 100 bis 1000 Euro, im Wiederholungsfall mit 1000 bis 5000 Euro zu ahnden ist.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich

Die bP gab an, in Österreich mit ihrem Cousin, einem österreichischen Staatsangehörigen und dessen Familie in gemeinsamen Haushalt zu leben. Ebenso leben noch die Tante und weitere entfernte Verwandte der bP in Österreich.

Grad der Integration

Die bP kann keine relevanten Sprachkenntnisse in Deutsch vorweisen und hat in Österreich keine integrativen Kurse besucht. Auch sonst konnte die bP keine Umstände darlegen, die auf eine relevante Integration in Österreich hindeuten würden.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienlebens; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Die bP hat diese Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war.

Bindungen zum Herkunftsstaat

Die bP ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat – im Gegensatz zu Österreich – problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie wurde somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Es leben dort auch noch insbesondere ihre Mutter und Schwester bzw. weitere Verwandte.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die bP als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG von der Polizei bzw. den Verwaltungsstrafbehörden einschließlich dem BFA nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt der belangten Behörde.

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG). Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar vergleiche Paragraph 120, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 7, FPG).

Die bP verletzte – trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre gesetzlich auferlegte Mitwirkungs- und Verfahrensförderungsverpflichtung im Asylverfahren (vgl. §15 Abs 1 Z1 AsylG; § 39 Abs 2a).Die bP verletzte – trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre gesetzlich auferlegte Mitwirkungs- und Verfahrensförderungsverpflichtung im Asylverfahren vergleiche §15 Absatz eins, Z1 AsylG; Paragraph 39, Absatz 2 a,).

Sie hat ihre Mitwirkungsverpflichtung im Hinblick auf die Verpflichtung nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen in zentralen Punkten verletzt und versuchte dadurch die entscheidenden staatlichen Instanzen zur Erlangung von internationalen Schutz zu täuschen

Verfahrensdauer

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 21.09.2023 gestellt und erging der Bescheid des BFA am 03.11.2023. Nach eingebrachter Beschwerde erging mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet:

a)Betreffend ihrer persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP in Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft zu erachtenden Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Gaziantep, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der bP als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht.

b)Betreffend ihrer Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse im Herkunftsstaat:

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln auch vor ihrer Ausreise in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern und kam nicht hervor, dass dies bei ihrer Rückkehr nicht mehr der Fall wäre.

Es ist daher davon auszugehen, dass sie auch im Falle ihrer Rückkehr wieder in ihrem Beruf, oder auch Beschäftigungen, die nicht ihrer Ausbildung entsprechen, nachgehen könnte, zumal die bP jung und gesund ist und über eine mehrjährige Schulausbildung, sowie Berufserfahrung verfügt. Nachdem sich nach wie vor die Mutter und Schwester, sowie weitere Verwandte der bP in der Türkei befinden, besteht somit auch ein familiäres Netzwerk, das bei einer Rückkehr hilfreich sein kann.

c)Betreffend ihrer aktuellen Versorgungssituation im Hinblick der notwendigen Erlangung medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat:

Die bP ist gesund und gehört keiner Risikogruppe in Bezug auf COVID-19 an. Die medizinische Versorgung ist in der Türkei ausreichend gesichert.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Aus nachfolgend genannten Quellen (einschließlich darin zitierter Berichte) ergeben sich nachfolgende Feststellungen über die relevante Lage:

COVID-19-Pandemie

Letzte Änderung: 20.06.2023

Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/ emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität:

https://gisanddata.maps.arcg is.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6.

Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seineAufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, S. 21).

Mit Stand Ende Dezember 2022 verzeichnete die Türkei offiziell rund 101.200 Menschen, die an den Folgen von COVID-19 verstarben, wobei für die letzten vier Wochen des Jahres 2022 kein einziger Todesfall verzeichnet wurde (JHU 29.12.2022). Bereits MitteApril 2022 sah die türkische Ärztekammer (TTB) die Zahl der COVID-19-Toten nach zwei Jahren Pandemie, im Widerspruch zu den zu jenem Zeitpunkt offiziell vermeldeten rund 98.000 Verstorbenen (bei insgesamt circa 14,78 Millionen Fällen), bei geschätzten 274.000. Die Berechnungen der Ärztekammer erfolgten anhand der Übersterblichkeitsrate (Ahval 14.4.2022). Angesichts der erneuten Sommerwelle im Juli 2022, zurückzuführen auf das Ende fast aller Maßnahmen, erneuerte die Ärztekammer den Vorwurf falscher COVID-19-Infektionszahlen. Die tatsächliche Infektionszahl wäre mit 235.000 demnach doppelt so hoch wie die vom Gesundheitsministerium angegebene (Ahval 16.7.2022). Beginnend mit 1.6.2022 wurde das Tragen von Masken sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen sowie im öffentlichen Verkehr aufgehoben. In Gesundheitseinrichtungen wird das Tragen von Masken aber weiterhin empfohlen. Seit 1.6.2022 wird für die Einreise aus Österreich in die Türkei kein Nachweis über eine Impfung oder Genesung bzw. kein negativer PCR-Test oder negativer Antigen-Schnelltest mehr verlangt (WKO 15.2.2023).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 23.8.2022
Ahval (16.7.2022): Turkey’s real COVID-19 figures twice the official numbers - top medical association, https://ahvalnews.com/pandemic/turkeys-real-covid-19-figures-twice-official-numbers-top -medical-association, Zugriff 12.8.2022 Ahval (14.4.2022): More than a quarter of a million Turks killed by COVID-19, medical group saysTurkey, https://ahvalnews.com/turkey-covid-19/more-quarter-million-turks-killed-covid-19-m edical-group-says, Zugriff 15.4.2022
JHU - Johns Hopkins University & Medicine (29.12.2022): COVID-19 Dashboardby the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.

jhu.edu/map.html, Zugriff 29.12.2022 WKO – Wirtschaftskammer Österreich (15.2.2023): Coronavirus: Situation in der Türkei, https: //www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-tuerkei.html#heading_Schutzmassnahm en_und_Geschaeftsleben, Zugriff 17.2.2023

Politische Lage

Letzte Änderung: 20.06.2023

Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdoğan und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, S. 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023). Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdoğan und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, S. 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023).

Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, S. 3, 11; vgl. WZ 7.5.2023). Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, S. 3, 11; vergleiche WZ 7.5.2023).

Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, S. 6; vgl. DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 10.2022, S. 6; vgl. Esen/Gumuscu 19.2.2016). Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, S. 6; vergleiche DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 10.2022, S. 6; vergleiche Esen/Gumuscu 19.2.2016).

Trotz der Aufhebung des zweijährigen Ausnahmezustands im Juli 2018 wirkt sich dieser negativ auf Demokratie und Grundrechte aus. Einige gesetzliche Bestimmungen, die den Regierungsbehörden außerordentliche Befugnisse einräumen, und mehrere restriktive Elemente des Notstandsrechtes wurden beibehalten und ins Gesetz integriert (EC 12.10.2022, S. 11f.). Das Parlament verlängerte im Juli 2021 die Gültigkeit dieser restriktiven Elemente des Notstandsrechtes um weitere drei Jahre (DW 18.7.2021). Das diesbezügliche Gesetz ermöglicht es u. a., Staatsbedienstete, einschließlich Richter und Staatsanwälte, wegen mutmaßlicher Verbindungen zu „terroristischen“ Organisationen ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung zu entlassen (AI 29.3.2022). Nach dem Ende des Ausnahmezustandes am 18.7.2018 hatte das Parlament ein Gesetzespaket mit AntiTerrormaßnahmen, das vorerst auf drei Jahre befristet war, verabschiedet (NZZ 18.7.2018; vgl. ZO 25.7.2018). Die Gesetzgebung und ihre Umsetzung, insbesondere die Bestimmungen zur nationalen Sicherheit und zur Terrorismusbekämpfung, verstoßen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen andere internationale Standards bzw. gegen die Rechtsprechung des EGMR (EC 12.10.2022, S. 6). Trotz der Aufhebung des zweijährigen Ausnahmezustands im Juli 2018 wirkt sich dieser negativ auf Demokratie und Grundrechte aus. Einige gesetzliche Bestimmungen, die den Regierungsbehörden außerordentliche Befugnisse einräumen, und mehrere restriktive Elemente des Notstandsrechtes wurden beibehalten und ins Gesetz integriert (EC 12.10.2022, S. 11f.). Das Parlament verlängerte im Juli 2021 die Gültigkeit dieser restriktiven Elemente des Notstandsrechtes um weitere drei Jahre (DW 18.7.2021). Das diesbezügliche Gesetz ermöglicht es u. a., Staatsbedienstete, einschließlich Richter und Staatsanwälte, wegen mutmaßlicher Verbindungen zu „terroristischen“ Organisationen ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung zu entlassen (AI 29.3.2022). Nach dem Ende des Ausnahmezustandes am 18.7.2018 hatte das Parlament ein Gesetzespaket mit AntiTerrormaßnahmen, das vorerst auf drei Jahre befristet war, verabschiedet (NZZ 18.7.2018; vergleiche ZO 25.7.2018). Die Gesetzgebung und ihre Umsetzung, insbesondere die Bestimmungen zur nationalen Sicherheit und zur Terrorismusbekämpfung, verstoßen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen andere internationale Standards bzw. gegen die Rechtsprechung des EGMR (EC 12.10.2022, S. 6).

Eingriffe in die lokale Demokratie

Im September 2016 verabschiedete die Regierung ein Dekret, das die Ernennung von „Treuhändern“ anstelle von gewählten Bürgermeistern, stellvertretenden Bürgermeistern oder Mitgliedern von Gemeinderäten, die wegen Terrorismusvorwürfen suspendiert wurden, erlaubt. Dieses Dekret wurde im Südosten der Türkei vor und nach den Kommunalwahlen 2019 großzügig angewandt (DFAT 10.9.2020, S. 15). Bis April 2022 wurden auf der Basis dieses Dekrets in 65 Gemeinden, die die HDP bei den Kommunalwahlen 2019 gewonnen hatte, 48 gewählte Bürgermeister durch staatlich bestellte Treuhänder ersetzt, und weitere sechs gewählte Bürgermeister durch Bürgermeister der AK-Partei ersetzt. Seit der ersten Ernennung von Treuhändern im Juni 2019 wurden 83 Ko-Bürgermeister inhaftiert und 39 Bürgermeister verhaftet. Derzeit befinden sich acht Ko-Bürgermeister der HDP [Anm.: In HDP-geführten Gemeinden übt immer eine Doppelspitze - ein Mann, eine Frau - das Amt aus, deshalb der Begriff Ko-Bürgermeister bzw Ko-Bürgermeisterin. - Das gilt ebenso für Führungspositionen in der Partei.] in Haft (EC 12.10.2022, S. 12, 19). Die Kandidaten waren jedoch vor den Wahlen überprüft worden, sodass ihre Absetzung noch weniger gerechtfertigt war. Da zuvor keine Anklage erhoben worden war, verstießen laut Europäischer Kommission diese Maßnahmen gegen die Grundprinzipien einer demokratischen Ordnung, entzogen den Wählern ihre politische Vertretung auf lokaler Ebene und schadeten der lokalen Demokratie (EC 6.10.2020, S. 13).

Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats zeigte sich in seiner Resolution vom 23.3.2022 besorgt ob der „Weigerung der Wahlverwaltung der Provinzen, in Widerspruch zum Grundsatz der Fairness von Wahlen, mehreren Kandidaten, die in einigen Gemeinden im Südosten der Türkei die Bürgermeisterwahl gewonnen haben, die erforderliche Wahlbescheinigung mazbata) auszustellen, die Voraussetzung für das Antreten des Bürgermeisteramtes ist“, und „[d]ie Regierung […] weiterhin Bürgermeister/ Bürgermeisterinnen [suspendiert], wenn gegen sie Strafermittlungen (Artikel 7.1) auf Grundlage einer übermäßig breiten Definition von ”Terrorismus“ im Antiterrorgesetz eingeleitet werden, und […] sie durch nicht gewählte Beamte [ersetzt werden] (Artikel 3.2), wodurch die demokratische Entscheidung türkischer Bürger schwerwiegend unterminiert und das ordnungsgemäße Funktionieren der kommunalen Demokratie in der Türkei beeinträchtigt wird” (CoE-CLRA 23.3.2022, Pt. 4.a,b). Überdies forderte der Kongress, „die Praxis der Ernennung staatlicher Treuhänder in den Gemeinden einzustellen, in denen der Bürgermeister/die Bürgermeisterin suspendiert wurde“, und „der Gemeinderat die Gelegenheit erhält, in Einklang mit der im ursprünglichen Gemeindegesetz von 2005 (Art. 45) diesbezüglich vorgesehenen Möglichkeit, und bis zur verfahrensrechtlichen Klärung der Situation des/der suspendierten Bürgermeisters/Bürgermeisterin, eine/n kommissarische/n oder geschäftsführende/n Bürgermeister/in aus seinen Reihen zu ernennen“ (CoE-CLRA 23.3.2022, Pt. 5c). Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats zeigte sich in seiner Resolution vom 23.3.2022 besorgt ob der „Weigerung der Wahlverwaltung der Provinzen, in Widerspruch zum Grundsatz der Fairness von Wahlen, mehreren Kandidaten, die in einigen Gemeinden im Südosten der Türkei die Bürgermeisterwahl gewonnen haben, die erforderliche Wahlbescheinigung mazbata) auszustellen, die Voraussetzung für das Antreten des Bürgermeisteramtes ist“, und „[d]ie Regierung […] weiterhin Bürgermeister/ Bürgermeisterinnen [suspendiert], wenn gegen sie Strafermittlungen (Artikel 7.1) auf Grundlage einer übermäßig breiten Definition von ”Terrorismus“ im Antiterrorgesetz eingeleitet werden, und […] sie durch nicht gewählte Beamte [ersetzt werden] (Artikel 3.2), wodurch die demokratische Entscheidung türkischer Bürger schwerwiegend unterminiert und das ordnungsgemäße Funktionieren der kommunalen Demokratie in der Türkei beeinträchtigt wird” (CoE-CLRA 23.3.2022, Pt. 4.a,b). Überdies forderte der Kongress, „die Praxis der Ernennung staatlicher Treuhänder in den Gemeinden einzustellen, in denen der Bürgermeister/die Bürgermeisterin suspendiert wurde“, und „der Gemeinderat die Gelegenheit erhält, in Einklang mit der im ursprünglichen Gemeindegesetz von 2005 (Artikel 45,) diesbezüglich vorgesehenen Möglichkeit, und bis zur verfahrensrechtlichen Klärung der Situation des/der suspendierten Bürgermeisters/Bürgermeisterin, eine/n kommissarische/n oder geschäftsführende/n Bürgermeister/in aus seinen Reihen zu ernennen“ (CoE-CLRA 23.3.2022, Pt. 5c).

Hunderte von HDP-Kommunalpolitikern und gewählten Amtsinhabern sowie Tausende von Parteimitgliedern wurden wegen terroristischer Anschuldigungen inhaftiert (EC 6.10.2020, S. 13). Die Justiz geht weiterhin systematisch gegen Parlamentarier der Oppositionsparteien vor, insbesondere gegen jene der HDP, weil sie angeblich terroristische Straftaten begangen haben. Derzeit befinden sich 5.000 HDP-Mitglieder und -Funktionäre in Haft, darunter auch eine Reihe von Parlamentariern, und dies trotz Urteilen des EGMR zu deren Gunsten (EC 12.10.2022, S. 13).

[siehe auch die Kapitel: Rechtsschutz/Justizwesen, Sicherheitsbehörden, Opposition und Gülenoder Hizmet-Bewegung]

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28.07.2022.pdf, Zugriff am 17.8.2022
AAN – Al Arabiya News (17.3.2021): Turkey’s parliament strips pro-Kurdish deputy of seat in blow to third largest party, https://english.alarabiya.net/News/middle-east/2021/03/17/Turkey-s-parliam ent-strips-pro-Kurdish-deputy-of-seat-in-blowto-third-largest-party, Zugriff 10.2.2022
AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Türkei 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070315.html, Zugriff 30.3.2022
AJ – Al Jazeera (11.5.2023): Don’t take our votes for granted, warn Kurdish voters in Turkey, https://www.aljazeera.com/news/2023/5/11/dont-take-our-votes-for-granted-warn-kurdish-voter s-in-turkey, Zugriff 23.5.2023
AM – Al Monitor (17.3.2021): Lawsuit filed to close pro-Kurdish party after lawmaker stripped of parliamentary seat, https://www.al-monitor.com/originals/2021/03/lawsuit-close-pro-kurdish-party -lawmaker-parliament-seat.html, Zugriff 10.2.2022
Anadolu (29.5.2023): election 2023, https://secim.aa.com.tr/, Zugriff 30.5.2023
ARD / tagesschau.de (28.5.2023): Falsche Videos und die Macht der Medien, https://www.tagess chau.de/faktenfinder/tuerkei-wahldesinformation-100.html, Zugriff 7.6.2023
ARD-aktuell / tagesschau.de (11.5.2023): Bewerber Ince zieht Kandidatur zurück, https://www.ta gesschau.de/ausland/asien/tuerkeiwahl-ince-100.html, Zugriff 30.5.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.6.2023): Briefing Notes, KW 23, Finale Wahlergebnisse der Parlamentswahlen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Infor mationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw232023.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 6.6.2023
BBC – BBC News (22.5.2023): Turkish elections: Simple guide to Erdogan’s fight to stay in power, https://www.bbc.com/news/worldeurope-65239092, Zugriff 23.5.2023
BI - Balkan Insight(1.2.2022): Turkey ViolatedPro-KurdishMPs’ Rights, EuropeanCourtRules, https://balkaninsight.com/2022/02/01/turkey-violated-pro-kurdish-mps-rights-european-court-rules/, Zugriff 10.2.2022
BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI2022 Country Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2069612/country_report_2022_TUR.pdf, Zugriff 21.3.2022
CoE-CLRA- Congress of Localand RegionalAuthoritiesof the Council of Europe (23.3.2022): Monitoring of the applicationof the EuropeanCharter of LocalSelf-Governmentin Turkey, [CG(2022) 42-14final], https://search.coe.int/congress/pages/result_details.aspx?ObjectId=0900001680a5b1d3, Zugriff 28.3.2022 [Anmerkung: Das wörtliche Zitat stammte aus dem deutschen Entwurf vom 2.3.2022, der sich inhaltlich jedoch mit dem späteren englischen Originaltext der Resolution deckt. Siehe bei Bedarf: https://search.coe.int/congress/pages/result_details.aspx?ObjectId=0900001680a5db88] CoE-CoM- Council of Europe-Committeeof Ministers (2.12.2021): Interim Resolution CM/ ResDH(2021)428, Executionof the judgmentof the EuropeanCourtof HumanRights, Selahattin Demirtaşv. Turkey (No. 2), https://search.coe.int/cm/pages/result_details.aspx?objectid=0900001680a4b407, Zugriff 2.2.2022
DE - Democrativ Erosion [Aydas, Irem] (31.12.2022): Competitive Authoritarianism in Turkey, https: //www.democraticerosion.com/2022/12/31/competitive-authoritarianism-in-turkey/, Zugriff 23.5.2023
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pdf, Zugriff 11.11.2021 DS - Daily Sabah (24.5.2023): Erdoğan slams continued PKK support for Kılıçdaroğlu, https: //www.dailysabah.com/politics/elections/erdogan-slams-continued-pkk-support-for-kilicdaroglu, Zugriff 7.6.2023
Duvar (7.5.2023): President Erdoğan displays montage video to link CHP and PKK in Istanbul rally, https://www.duvarenglish.com/president-erdogan-displays-montage-video-to-link-chp-and-pkk-i n-istanbul-rally-news62356, Zugriff 7.6.2023
DW - Deutsche Welle (23.5.2023): Faktencheck: Erdogan zeigt Fake Video von Kilicdaroglu, https:

//www.dw.com/de/faktencheck-erdogan-zeigt-manipuliertes-video-von-kilicdaroglu/a-65562185, Zugriff 19.6.2023
DW - Deutsche Welle (18.7.2021): Hükümetin OHAL yetkileri uzadı [Verlängerung des Ausnahmezustands durch die Regierung], https://www.dw.com/tr/h%C3%BCk%C3%BCmetin-ohal-yetkileri -uzad%C4%B1/a-58305421, Zugriff 2.9.2022 EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 23.5.2023 EC – European Commission (6.10.2020): Turkey 2020 Report [SWD (2020) 355 final], https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/turkey_report_2020.pdf, Zugriff 11.11.2021
EC – European Commission (29.5.2019): Turkey 2019 Report [SWD (2019) 220 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2010472/20190529-turkey-report.pdf,Zugriff 21.10.2021
EP - Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019– 2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 10.2.2022
Esen, Berk/ Gumuscu, Sebnem (19.2.2016): Rising competitive authoritarianism in Turkey, Third World Quarterly, 37:9, 1581-16, https://www.swp-berlin.org/publications/products/fachpublikationen/Berk_Esen_Rising_competitive_authoritarianism_in_Turkey.pdf, Zugriff 30.5.2023
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 23.5.2023
Günay, Cengiz (10.2016): Die autoritäre Wende in der Türkei und die Schwächen des autoritären Systems, in: Institut G2W. Ökumenisches Forum für Glauben, Religion und Gesellschaft in Ost und West, RGOW 9-10/2016, https://g2w.eu/pdf/einzelartikel/D-Web_RGOW_2016-09-10_33_35.pdf, Zugriff 30.5.2023 HDN – Hürriyet Daily News (27.6.2018): 24. Juni 2018, Ergebnisse Präsidentschaftswahlen, Ergebnisse Parlamentswahlen, https://web.archive.org/web/20180730173700/http://www.hurriyetda ilynews.com:80/wahlen-turkei-2018, Zugriff 10.2.2022
HDN – Hürriyet Daily News (16.4.2017): Turkey approves presidential system in tight referendum, http://www.hurriyetdailynews.com/live-turkey-votes-on-presidential-system-in-key-referendum.as px?pageID=238&nID=112061&NewsCatID=338, Zugriff 10.2.2022
MEI - Middle East Institute [Korkmaz, Seren Selvin] (10.2022): THE STRATEGIES AND STRUGGLES OF THE TURKISH OPPOSITION UNDER AUTOCRATIZATION, https://www.mei.edu/sites/ default/files/2022-10/Turkish%20Views%20-%20Crisis%20and%20Opportunities%20for%20Tur key%20in%202023.pdf, Zugriff 23.5.2023
NZZ – Neue Zürcher Zeitung (18.7.2018): Wie es in der Türkei nach dem Ende des Ausnahmezustands weiter geht, https://www.nzz.ch/international/tuerkei-wie-es-nach-dem-ende-des-ausna hmezustands-weitergeht-ld.1404273, Zugriff 10.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 23.5.2023
OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights [Hrgs.] (29.5.2023): Türkiye, Presidential Election, Second Round, 28 May 2023: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/doc uments/7/c/544660.pdf, Zugriff 30.5.2023
OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights [Hrgs.] (15.5.2023): Türkiye, General Elections, 14 May 2023: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/6/2/543543.pdf, Zugriff 24.5.2023
OSCE – Organization for Security and Cooperation in Europe (22.6.2017): Turkey, Constitutional Referendum, 16 April 2017: Final Report, http://www.osce.org/odihr/elections/turkey/324816?dow nload=true, Zugriff 10.2.2022
OSCE/PACE – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Parliamentary Assembly of the Council of Europe (17.4.2017): INTERNATIONAL REFERENDUM OBSERVATION MISSION, Republic of Turkey – Constitutional Referendum, 16 April 2017 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/turkey/311721?download=true, Zugriff 10.2.2022
PACE – Parliamentary Assembly of the Council of Europe (22.4.2021): The functioning of democratic institutions in Turkey, Resolution 2376 (2021), https://pace.coe.int/files/29189/pdf, Zugriff 10.2.2022
Politico (29.5.2023): Turkey’s Erdoğan wins again, https://www.politico.eu/article/turkey-erdogan -set-for-election-victory/, Zugriff 30.5.2023
PRT - President of the Republic of Turkey (10.3.2023): „Our nation will go to the polls on May 14 for the presidential and parliamentary elections“, https://www.tccb.gov.tr/en/news/542/144172/-our -nation-will-go-to-the-polls-on-may-14-for-the-presidential-and-parliamentary-elections-, Zugriff 24.5.2023 Standard - Der Standard (19.5.2023): Offizielles Endergebnis der Türkei-Wahl: 49,52 Prozent für Erdoğan, https://www.derstandard.at/story/2000146576311/offizielles-endergebnis-der-tuerkei-w ahl49-52-prozent-fuererdogan, Zugriff 30.5.2023
SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik [Seufert, Günter/Adar, Sinem] (4.2021): Turkey’s Presidential System after Two and a Half Years.An Overview of Institutions and Politics, https://www.swp-ber lin.org/fileadmin/contents/products/research_papers/2021RP02_Turkey_Presidential_System.pdf, Zugriff 10.2.2022 taz (28.5.2023): Knapp über die Ziellinie, https://taz.de/Erdoan-gewinnt-Wahl-in-der-Tuerkei/!59 37087/, Zugriff 30.5.2023 taz (10.4.2023): Aus Grün mach HDP, https://taz.de/Wahl-in-der-Tuerkei/!5924917/, Zugriff 23.5.2023
TRT – TRT World (2023): 2023 Türkiye elections, https://www.trtworld.com/, Zugriff 23.5.2023
WZ - Wiener Zeitung (7.5.2023): Verzweifelter Ruf nach einem Wechsel, https://www.wienerze itung.at/nachrichten/politik/welt/2187684-Verzweifelter-Ruf-nach-einem-Wechsel.html, Zugriff 23.5.2023
ZO Zeit Online (22.5.2023): Ultranationalist Oğan gibt Wahlempfehlung für Erdoğan ab, https: //www.zeit.de/politik/ausland/2023-05/ultranationalist-ogan-kuendigt-unterstuetzung-erdogan-in-s tichwahl-an, Zugriff 30.5.2023
ZO – Zeit Online (11.5.2023): Muharrem İnce zieht Präsidentschaftskandidatur zurück, https: //www.zeit.de/politik/2023-05/tuerkeiwahl-muharrem-ince, Zugriff 30.5.2023
ZO – Zeit Online (25.7.2018): Türkei verabschiedet Antiterrorgesetz, https://www.zeit.de/politik/au sland/2018-07/tuerkischesparlament-verabschiedung-neue-gesetze-anti-terror-massnahmen, Zugriff 10.2.2022

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 20.06.2023

Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, S. 18).

Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 28.7.2022, S. 4) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die MarxistischLeninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, S. 16) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der „Terrorbekämpfung“ begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 28.7.2022, S. 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, S. 5).

Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtuluş Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SDZ 29.6.2016; vgl. AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 12.2022, S. 33). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. - Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, S. 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament „in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbakır und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen […] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind“ (EP 14.4.2016, S. 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz Şırnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht „Recht auf Leben“ siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage. Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtuluş Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SDZ 29.6.2016; vergleiche AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 12.2022, S. 33). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. - Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, S. 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament „in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbakır und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen […] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind“ (EP 14.4.2016, S. 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz Şırnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht „Recht auf Leben“ siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage.

Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (NL-MFA 18.3.2021, S. 12). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Berggebieten im Südosten des Landes (NL-MFA 2.3.2022, S. 13), was die dortige Lage weiterhin als sehr besorgniserregend erscheinen lässt (EC 12.10.2022, S. 5, 17). Allerdings wurde die Fähigkeit der PKK (und der TAK), in der Türkei zu operieren, durch laufende groß angelegte Anti-Terror-Operationen im kurdischen Südosten sowie durch die allgemein verstärkte Präsenz von Militäreinheiten der Regierung erheblich beeinträchtigt (Crisis24, 24.11.2022).

Gelegentliche bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften einerseits und der PKK und mit ihr verbündeten Organisationen andererseits führen zu Verletzten und Toten unter den Sicherheitskräften, PKK-Kämpfern, aber auch unter der Zivilbevölkerung. Diesbezüglich gibt es glaubwürdige Hinweise, dass die Regierung im Zusammenhang mit ihrem Kampf gegen die PKK zum Tod von Zivilisten beigetragen hat, auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren stetig abnahm (USDOS 20.3.2023, S. 3, 29). In den Grenzgebieten ist die Sicherheitslage durch wiederkehrende Terrorakte der PKK prekärer (EC 12.10.2022, S. 17). Die häufigenAnschläge der PKK richten sich hauptsächlich gegen die Sicherheitskräfte, können aber auch Zivilpersonen treffen. Die Sicherheitskräfte unterhalten zahlreiche Straßencheckpoints und sperren ihre Operationsgebiete vor militärischen Operationen weiträumig ab. Die bewaffneten Konflikte in Syrien und Irak können sich auf die angrenzenden türkischen Gebiete auswirken, zum Beispiel durch vereinzelte Granaten- und Raketenbeschüsse aus dem Kriegsgebiet (EDA 16.5.2023), denn die Türkei konzentriert ihre militärische Kampagne gegen die PKK unter anderem mit Drohnenangriffen in der irakischen Region Kurdistan, wo sich PKK-Stützpunkte befinden, und zunehmend im Nordosten Syriens gegen die kurdisch geführten, von den USA und Großbritannien unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) (HRW 12.1.2023). Die türkischen Luftangriffe, die angeblich auf die Bekämpfung der PKK in Syrien und im Irak abzielen, haben auch Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert (USDOS 20.3.2023, S.29). Umgekehrt sind wiederholt Anschläge gegen zivile Ziele verübt worden. Das Risiko von Entführungen durch terroristische Gruppierungen aus Syrien kann im Grenzgebiet nicht ausgeschlossen werden (EDA 16.5.2023).

Angaben der türkischen Menschenrechtsvereinigung (İHD) zufolge kamen 2021 346 Personen, innerhalb und außerhalb [Anmerkung: Grenzgebiete zu Irak und Syrien] der Türkei bei bewaffneten Auseinandersetzungen ums Leben, davon mindestens 69 Angehörige der Sicherheitskräfte 275 bewaffnete Militante und acht Zivilisten (İHD6.11.2022, S. 40). Die International CrisisGroup (ICG) zählte seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe 2015 6.561 Tote (4.310 PKK-Kämpfer, 1.414 Sicherheitskräfte - in der Mehrzahl Soldaten [983], aber auch 304 Polizisten und 127 sog. Dorfschützer - 611 Zivilisten und 226 nicht-zuordenbare Personen) im Zeitraum 20.7.2015 bis 3.3.2023. Betroffen waren insbesondere die Provinzen, Şırnak(1.185 Tote), Hakkâri(929 Tote), Diyarbakır (667 Tote), Mardin (444), die zentralanatolische Provinz Tunceli/Dersim(293) [Anm.: kurdisch-alevitisches Kernland] und Van (248 Tote), wobei 1.479 Opfer in diesem Zeitrahmen auf irakischem Territorium vermerkt wurden. Im Jahr 2022 wurden 434 Todesopfer (2021: 392, 2020: 396) registriert, was einem Zuwachs von mehr als 10 % im Vergleich zu den beiden Vorjahren ausmacht (ICG 3.3.2023). Es gab keine Entwicklungen hinsichtlich der Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Prozesses zur Erzielung einer friedlichen und nachhaltigen Lösung (EC 12.10.2022, S. 18). Hierzu betonte das Europäische Parlament im Juni 2022 „die Dringlichkeit der Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Prozesses unter Einbindung aller betroffenen Parteien und demokratischen Kräfte mit dem Ziel der friedlichen Lösung der Kurdenfrage“ (EP 7.6.2022, S. 18, Pt. 30).

Im unmittelbaren Grenzgebiet der Türkei zu Syrien und dem Irak, in den Provinzen Hatay, Gaziantep, Kilis, Şanlıurfa, Mardin, Şırnak und Hakkâri, besteht erhebliche Gefahren durch angrenzende Auseinandersetzungen (AA 12.5.2023; vgl. EDA 16.5.2023). Zu den türkischen Provinzen mit dem höchsten Potenzial für PKK/TAK-Aktivitäten gehören nebst den genannten auch Bingöl, Diyarbakir, Siirt und Tunceli/Dersim (Crisis24, 24.11.2022). Die Behörden verhängen Ausgangssperren von unterschiedlicher Dauer in bestimmten städtischen und ländlichen Regionen und errichten in einigen Gebieten spezielle Sicherheitszonen, um die Operationen gegen die PKK zu erleichtern, die den Zugang für Besucher und in einigen Fällen auch für Einwohner einschränkten. Teile der Provinz Hakkâri und ländliche Teile der Provinz Tunceli/Dersim blieben die meiste Zeit des Jahres (2022) „besondere Sicherheitszonen“. Die Bewohner dieser Gebiete berichteten, dass sie gelegentlich nur sehr wenig Zeit hatten, ihre Häuser zu verlassen, bevor die Sicherheitsoperationen gegen die PKK begannen (USDOS 20.3.2023, S. 29). Im unmittelbaren Grenzgebiet der Türkei zu Syrien und dem Irak, in den Provinzen Hatay, Gaziantep, Kilis, Şanlıurfa, Mardin, Şırnak und Hakkâri, besteht erhebliche Gefahren durch angrenzende Auseinandersetzungen (AA 12.5.2023; vergleiche EDA 16.5.2023). Zu den türkischen Provinzen mit dem höchsten Potenzial für PKK/TAK-Aktivitäten gehören nebst den genannten auch Bingöl, Diyarbakir, Siirt und Tunceli/Dersim (Crisis24, 24.11.2022). Die Behörden verhängen Ausgangssperren von unterschiedlicher Dauer in bestimmten städtischen und ländlichen Regionen und errichten in einigen Gebieten spezielle Sicherheitszonen, um die Operationen gegen die PKK zu erleichtern, die den Zugang für Besucher und in einigen Fällen auch für Einwohner einschränkten. Teile der Provinz Hakkâri und ländliche Teile der Provinz Tunceli/Dersim blieben die meiste Zeit des Jahres (2022) „besondere Sicherheitszonen“. Die Bewohner dieser Gebiete berichteten, dass sie gelegentlich nur sehr wenig Zeit hatten, ihre Häuser zu verlassen, bevor die Sicherheitsoperationen gegen die PKK begannen (USDOS 20.3.2023, S. 29).

Die Operationen der türkischen Sicherheitskräfte - einschließlich Drohnenangriffe - wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 im Nordirak, in Nordsyrien sowie in geringerem Umfang im Südosten der Türkei fortgesetzt (im April 2022 die sog. Operation „Claw Lock“). Ziele waren auch PKK-Führungskader (ICG 7.2022; vgl. ICG 5.2022). Prokurdische, regierungskritische Medien berichteten im Juni 2022 von mehrtägigen Bombardements in ländlichen Gebirgsregionen der Provinz Tunceli/Dersim [Zentralanatolien] im Zuge des Anti-Terrorkampfes, wobei der Zugang zu einigen Dörfern gesperrt wurde und mehrere Hektar Nutzwald abbrannten (Bianet 14.6.2022). Bei einer bemerkenswerten Eskalation wurden am 20.7.2022 in der Provinz Dohuk [aka Duhok] in der autonomen Region Kurdistan im Irak neun Touristen durch Artilleriebeschuss getötet und mehr als 20 verletzt. Die irakischen und kurdischen Regionalbehörden machten die Türkei für den Angriff verantwortlich und gaben scharfe und kritische Erklärungen ab, während Ankara diese Behauptungen zurückwies und die PKK dafür verantwortlich machte (ICG 7.2022). Im Zuge der Eskalation in Nordsyrien begann das türkische Militär mit Angriffen auf kurdisch geführte Kräfte, die sich zu Angriffen auf Armeeeinrichtungen in türkischen Grenzprovinzen bekannten, bei denen mehrere türkische Soldaten getötet wurden. Das Militär setzte auch seine Operationen gegen die PKK im Irak und im Südosten der Türkei fort. Die Operationen der türkischen Sicherheitskräfte - einschließlich Drohnenangriffe - wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 im Nordirak, in Nordsyrien sowie in geringerem Umfang im Südosten der Türkei fortgesetzt (im April 2022 die sog. Operation „Claw Lock“). Ziele waren auch PKK-Führungskader (ICG 7.2022; vergleiche ICG 5.2022). Prokurdische, regierungskritische Medien berichteten im Juni 2022 von mehrtägigen Bombardements in ländlichen Gebirgsregionen der Provinz Tunceli/Dersim [Zentralanatolien] im Zuge des Anti-Terrorkampfes, wobei der Zugang zu einigen Dörfern gesperrt wurde und mehrere Hektar Nutzwald abbrannten (Bianet 14.6.2022). Bei einer bemerkenswerten Eskalation wurden am 20.7.2022 in der Provinz Dohuk [aka Duhok] in der autonomen Region Kurdistan im Irak neun Touristen durch Artilleriebeschuss getötet und mehr als 20 verletzt. Die irakischen und kurdischen Regionalbehörden machten die Türkei für den Angriff verantwortlich und gaben scharfe und kritische Erklärungen ab, während Ankara diese Behauptungen zurückwies und die PKK dafür verantwortlich machte (ICG 7.2022). Im Zuge der Eskalation in Nordsyrien begann das türkische Militär mit Angriffen auf kurdisch geführte Kräfte, die sich zu Angriffen auf Armeeeinrichtungen in türkischen Grenzprovinzen bekannten, bei denen mehrere türkische Soldaten getötet wurden. Das Militär setzte auch seine Operationen gegen die PKK im Irak und im Südosten der Türkei fort.

Im Nordirak wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom 27.8.2022 neun PKKKämpfer getötet (ICG 8.2022). Auch im September und Oktober 2022 stand das irakischkurdische Dohuk im Fokus türkischer Militäroperationen. So kamen am 11.9.2022 bei Zusammenstößen mit der PKK vier türkische Soldaten ums Leben und am 1. Oktober ein weiterer (ICG 9.2022, ICG 10.2022). Im Südosten der Türkei startete das Militär am 8.8.2022 eine neueAnti-PKK-Operation in ländlichen Gebieten der Provinz Bitlis. Innenminister Süleyman Soylu erklärte am 19.8.2022, dass sich nur noch 124 PKK-Mitglieder innerhalb der Landesgrenzen aufhielten (ICG 8.2022). Nach einem Bombenanschlag in Istanbul begann das Militär am 20.11.2022 mit der „Operation Klauenschwert“, bei der Luftangriffe in Nordsyrien und im Irak gegen zahlreiche mutmaßliche PKK- und YPG-Ziele durchgeführt wurden. Am nächsten Tag kündigte Präsident Erdoğan mögliche Bodenangriffe in beiden Ländern an. Die grenzüberschreitenden Vergeltungsangriffe aus Nordsyrien nahmen zu: Bei einem Raketenangriff am 21.11.2022 wurden in der Provinz Gaziantep drei Zivilisten getötet (ICG 11.2022). Auch im Dezember 2022 hielten die türkischen Militäraktionen gegen die PKK bzw. YPG in Nordsyrien und dem Nordirak an, obgleich mit geringerer Intensität als im Vormonat (ICG 12.2022). Gleiches galt für den Jänner 2023, wobei sich die Militäroperationen in der Türkei gegen die PKK auf die Provinzen Diyarbakır, Bingöl, Muş und Batman konzentrierten, bei gleichzeitigen Luftangriffen auf deren Stellungen im Nordirak und Syrien (ICG 1.2023).

Die Operationen der Sicherheitskräfte gegen Zellen/Akteure des sog. IS (Daesh) wurden intensiviert. Die Polizei nahm zumindest 125 Personen mit angeblichen IS-Verbindungen fest, zumeist Ausländer (ICG 8.2022, ICG 7.2022), gefolgt von weiteren 90 Festnahmen im Oktober (ICG 10.2022) und rund ebenso vielen im November (ICG 11.2022) sowie 85 im Dezember 2022 (ICG 12.2022). Auch 2023 wurden die Verhaftungen vermeintlicher IS-Anhänger bzw. ISMitglieder fortgesetzt: - Von Jänner bis April wurde seitens der Behörden die Festnahme von in Summe rund 420 Personen vermeldet (ICG 4.2022). Für weitere Informationen und Daten siehe das Unterkapitel Terroristische Gruppierungen: sog. IS – Islamischer Staat (alias Daesh)

2022 kam es wieder zu vereinzelten Anschlägen, vermeintlich der PKK, auch in urbanen Zonen. - Bei einem Bombenanschlag in Bursa auf einen Gefängnisbus im April 2022 wurde ein Justizmitarbeiter getötet (SDZ 20.4.2022). Dieser tödliche Bombenanschlag, ohne dass sich die PKK unmittelbar dazu bekannte, hatte die Furcht vor einer erneuten Terrorkampagne der PKK aufkommen lassen. Die Anschläge erfolgten zwei Tage, nachdem das türkische Militär seine jüngste Offensive gegen PKK-Stützpunkte im Nordirak gestartet hatte (AM 20.4.2022). Innenminister Soylu sah allerdings die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP), die er als mit der PKK verbunden betrachtet, hinter dem Anschlag von Bursa (HDN 22.4.2022). In der südlichen Provinz Mersin eröffneten zwei PKKKämpfer am 26. September das Feuer auf ein Polizeigebäude, wobei ein Polizist ums Leben kam, und töteten sich anschließend selbst, indem sie Bomben zündeten (YR 30.9.2022; vgl. ICG 9.2022, Arab News 28.9.2022). Experten sahen hinter dem Anschlag von Mersin einen wohldurchdachten Plan von ortskundigen PKK-Kämpfern (Arab News 28.9.2022). Der wohl schwerwiegendste Anschlag ereignete sich am 13.11.2022, als mitten auf der Istiklal-Straße, einer belebten Einkaufsstraße im Zentrum Istanbuls, eine Bombe mindestens sechs Menschen tötete und 81 verletzte. Eine mutmaßliche Attentäterin sowie 40 weitere Personen wurden unter dem Verdacht der Komplizenschaft festgenommen. Die mutmaßliche Attentäterin soll aus der syrischen Stadt Afrin in die Türkei auf illegalem Wege eingereist sein und den Anschlag im Auftrag der syrischen Volksverteidigungseinheiten YPG verübt haben, die Gebiete im Norden Syriens kontrolliert. Die Frau soll den türkischen Behörden gestanden haben, dass sie von der PKK trainiert wurde. Die PKK erklärte, dass sie mit dem Anschlag nichts zu tun hätte (DW 14.11.2022; vgl. HDN 14.11.2022). Die PKK erklärte, dass sie weder direkt auf Zivilisten ziele noch derartige Aktionen billige (AM 14.11.2022). Die YPG wies eine Verantwortung für den Anschlag ebenfalls zurück (ANHA 11.2022; vgl. AM 14.11.2022). 17 Verdächtige, darunter die mutmaßliche Attentäterin, wurden am 18.11.2022 per Gerichtsbeschluss in Arrest genommen. Den Verdächtigen wurde „Zerstörung der Einheit und Integrität des Staates“, „vorsätzliche Tötung“, „vorsätzlicher Mordversuch“ und „vorsätzliche Beihilfe zum Mord“ vorgeworfen (Anadolu 18.11.2022). 2022 kam es wieder zu vereinzelten Anschlägen, vermeintlich der PKK, auch in urbanen Zonen. - Bei einem Bombenanschlag in Bursa auf einen Gefängnisbus im April 2022 wurde ein Justizmitarbeiter getötet (SDZ 20.4.2022). Dieser tödliche Bombenanschlag, ohne dass sich die PKK unmittelbar dazu bekannte, hatte die Furcht vor einer erneuten Terrorkampagne der PKK aufkommen lassen. Die Anschläge erfolgten zwei Tage, nachdem das türkische Militär seine jüngste Offensive gegen PKK-Stützpunkte im Nordirak gestartet hatte (AM 20.4.2022). Innenminister Soylu sah allerdings die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP), die er als mit der PKK verbunden betrachtet, hinter dem Anschlag von Bursa (HDN 22.4.2022). In der südlichen Provinz Mersin eröffneten zwei PKKKämpfer am 26. September das Feuer auf ein Polizeigebäude, wobei ein Polizist ums Leben kam, und töteten sich anschließend selbst, indem sie Bomben zündeten (YR 30.9.2022; vergleiche ICG 9.2022, Arab News 28.9.2022). Experten sahen hinter dem Anschlag von Mersin einen wohldurchdachten Plan von ortskundigen PKK-Kämpfern (Arab News 28.9.2022). Der wohl schwerwiegendste Anschlag ereignete sich am 13.11.2022, als mitten auf der Istiklal-Straße, einer belebten Einkaufsstraße im Zentrum Istanbuls, eine Bombe mindestens sechs Menschen tötete und 81 verletzte. Eine mutmaßliche Attentäterin sowie 40 weitere Personen wurden unter dem Verdacht der Komplizenschaft festgenommen. Die mutmaßliche Attentäterin soll aus der syrischen Stadt Afrin in die Türkei auf illegalem Wege eingereist sein und den Anschlag im Auftrag der syrischen Volksverteidigungseinheiten YPG verübt haben, die Gebiete im Norden Syriens kontrolliert. Die Frau soll den türkischen Behörden gestanden haben, dass sie von der PKK trainiert wurde. Die PKK erklärte, dass sie mit dem Anschlag nichts zu tun hätte (DW 14.11.2022; vergleiche HDN 14.11.2022). Die PKK erklärte, dass sie weder direkt auf Zivilisten ziele noch derartige Aktionen billige (AM 14.11.2022). Die YPG wies eine Verantwortung für den Anschlag ebenfalls zurück (ANHA 11.2022; vergleiche AM 14.11.2022). 17 Verdächtige, darunter die mutmaßliche Attentäterin, wurden am 18.11.2022 per Gerichtsbeschluss in Arrest genommen. Den Verdächtigen wurde „Zerstörung der Einheit und Integrität des Staates“, „vorsätzliche Tötung“, „vorsätzlicher Mordversuch“ und „vorsätzliche Beihilfe zum Mord“ vorgeworfen (Anadolu 18.11.2022).

Das türkische Parlament stimmte am 26.10.2021 einem Gesetzentwurf zu, das Mandat für grenzüberschreitende Militäroperationen, sowohl im Irak als auch in Syrien, um weitere zwei Jahre zu verlängern. Anders als in den Jahren zuvor stimmte nebst der pro-kurdischen HDP auch die größte Oppositionspartei, die säkular-republikanische CHP, erstmals gegen eine Verlängerung des Mandats (Anadolu 26.10.2021; vgl. Duvar 26.10.2021). Das türkische Parlament stimmte am 26.10.2021 einem Gesetzentwurf zu, das Mandat für grenzüberschreitende Militäroperationen, sowohl im Irak als auch in Syrien, um weitere zwei Jahre zu verlängern. Anders als in den Jahren zuvor stimmte nebst der pro-kurdischen HDP auch die größte Oppositionspartei, die säkular-republikanische CHP, erstmals gegen eine Verlängerung des Mandats (Anadolu 26.10.2021; vergleiche Duvar 26.10.2021).

Laut türkischem Innenminister hatten mit Ende November 2022 116 Personen infolge von Überzeugungsarbeit der Behörden 2022 freiwillig ihre Waffen niedergelegt (Anadolu 30.11.2022). Am 9.2.2023 trat der zwei Tage zuvor von Staatspräsident Erdoğan verkündete Ausnahmezustand nach Bewilligung durch die Regierung zur Beschleunigung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen in den von den Erdbeben betroffenen Provinzen der Türkei in Kraft, vorerst für drei Monate. Von den Erdbeben der Stärke 7,7 und 7,6 sowie Nachbeben, deren Zentrum in der Provinz Kahramanmaras lag, waren 13 Mio. Menschen in zehn Provinzen, darunter Adana, Adiyaman, Diyarbakir, Gaziantep, Hatay, Kilis, Malatya, Osmaniye und Sanliurfa, betroffen (BAMF 13.2.2023, S. 12; vgl. UNHCR 9.2.2023). Die Behörden hatten auf zentraler und provinzieller Ebene den Katastrophenschutzplan (TAMP) aktiviert. Für das Land wurde der Notstand der Stufe 4 ausgerufen, was einen Aufruf zur internationalen Hilfe nach sich zog, die sich zunächst auf Unterstützung bei der Suche und Rettung konzentrierte (UNHCR 9.2.2023). Laut türkischem Innenminister hatten mit Ende November 2022 116 Personen infolge von Überzeugungsarbeit der Behörden 2022 freiwillig ihre Waffen niedergelegt (Anadolu 30.11.2022). Am 9.2.2023 trat der zwei Tage zuvor von Staatspräsident Erdoğan verkündete Ausnahmezustand nach Bewilligung durch die Regierung zur Beschleunigung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen in den von den Erdbeben betroffenen Provinzen der Türkei in Kraft, vorerst für drei Monate. Von den Erdbeben der Stärke 7,7 und 7,6 sowie Nachbeben, deren Zentrum in der Provinz Kahramanmaras lag, waren 13 Mio. Menschen in zehn Provinzen, darunter Adana, Adiyaman, Diyarbakir, Gaziantep, Hatay, Kilis, Malatya, Osmaniye und Sanliurfa, betroffen (BAMF 13.2.2023, S. 12; vergleiche UNHCR 9.2.2023). Die Behörden hatten auf zentraler und provinzieller Ebene den Katastrophenschutzplan (TAMP) aktiviert. Für das Land wurde der Notstand der Stufe 4 ausgerufen, was einen Aufruf zur internationalen Hilfe nach sich zog, die sich zunächst auf Unterstützung bei der Suche und Rettung konzentrierte (UNHCR 9.2.2023).

Ebenfalls am 9.2.2023 verkündete der Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der KCK [Anm.: Die Union der Gemeinschaften Kurdistans - Koma Civakên Kurdistan ist die kurdische Dachorganisation unter Führung der PKK.], Cemil Bayık, angesichts des Erdbebens in der Türkei und Syriens via der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF News einen einseitigen Waffenstillstand: „Wir rufen alle unsere Streitkräfte, die Militäraktionen durchführen, auf, alle Militäraktionen in der Türkei, in Großstädten und Städten einzustellen. Darüber hinaus haben wir beschlossen, keine Maßnahmen zu ergreifen, es sei denn, der türkische Staat greift uns an. Unsere Entscheidung wird so lange gültig sein, bis der Schmerz unseres Volkes gelindert und seine Wunden geheilt sind.“ (ANF 9.2.2023; vgl. France24 10.2.2023). Nachdem die PKK im Februar 2023 angesichts des Erdbebens zugesagt hatte, „militärische Aktionen in der Türkei einzustellen“, behaupteten türkische Sicherheitskräfte, im März in den Provinzen Mardin, Tunceli, Şırnak, Şanlıurfa und Konya zahlreiche PKK-Kämpfer getötet und gefangen genommen zu haben (ICG 3.2023). Obschon sich die PKK Ende März 2023 erneut zu einem einseitigen Waffenstillstand bis zu den Wahlen am 14. Mai verpflichtet hatte, führte das Militär Operationen in den Provinzen Van, Iğdır, Şırnak und Diyarbakır sowie in Nordsyrien und Irak durch (ICG 4.2023). Ebenfalls am 9.2.2023 verkündete der Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der KCK [Anm.: Die Union der Gemeinschaften Kurdistans - Koma Civakên Kurdistan ist die kurdische Dachorganisation unter Führung der PKK.], Cemil Bayık, angesichts des Erdbebens in der Türkei und Syriens via der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF News einen einseitigen Waffenstillstand: „Wir rufen alle unsere Streitkräfte, die Militäraktionen durchführen, auf, alle Militäraktionen in der Türkei, in Großstädten und Städten einzustellen. Darüber hinaus haben wir beschlossen, keine Maßnahmen zu ergreifen, es sei denn, der türkische Staat greift uns an. Unsere Entscheidung wird so lange gültig sein, bis der Schmerz unseres Volkes gelindert und seine Wunden geheilt sind.“ (ANF 9.2.2023; vergleiche France24 10.2.2023). Nachdem die PKK im Februar 2023 angesichts des Erdbebens zugesagt hatte, „militärische Aktionen in der Türkei einzustellen“, behaupteten türkische Sicherheitskräfte, im März in den Provinzen Mardin, Tunceli, Şırnak, Şanlıurfa und Konya zahlreiche PKK-Kämpfer getötet und gefangen genommen zu haben (ICG 3.2023). Obschon sich die PKK Ende März 2023 erneut zu einem einseitigen Waffenstillstand bis zu den Wahlen am 14. Mai verpflichtet hatte, führte das Militär Operationen in den Provinzen Van, Iğdır, Şırnak und Diyarbakır sowie in Nordsyrien und Irak durch (ICG 4.2023).

Auswirkungen des Erdbebens vom Februar 2023

Im Nachgang an die Erdbeben gilt in folgenden Provinzen der Ausnahmezustand (Stand Ende Mai 2023): Kahramanmaraş, Gaziantep, Malatya, Diyarbakır, Kilis, Sanlıurfa, Adiyaman, Hatay, Osmaniye, Adana (EDA 16.5.2023; vgl. GOV.UK 20.4.2023). Die türkische Regierung hat erklärt, dass nur Fahrzeuge, die Hilfsteams und Hilfsgüter transportieren, in die Städte fahren dürfen, die im Katastrophengebiet liegen (GOV.UK 20.4.2023). Im Nachgang an die Erdbeben gilt in folgenden Provinzen der Ausnahmezustand (Stand Ende Mai 2023): Kahramanmaraş, Gaziantep, Malatya, Diyarbakır, Kilis, Sanlıurfa, Adiyaman, Hatay, Osmaniye, Adana (EDA 16.5.2023; vergleiche GOV.UK 20.4.2023). Die türkische Regierung hat erklärt, dass nur Fahrzeuge, die Hilfsteams und Hilfsgüter transportieren, in die Städte fahren dürfen, die im Katastrophengebiet liegen (GOV.UK 20.4.2023).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.5.2023): Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.au swaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/tuerkei-node/tuerkeisicherheit/201962#content_1, Zugriff 19.1.2023
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), ,https://www.ecoi.net/en/fi

le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28.

07.2022.pdf, Zugriff am 23.8.2022
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: April 2021), https://www.ecoi.net/en/fi

le/local/2053305/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieb ungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_April_2021%29%2C_03.06.2 021.pdf, Zugriff 23.8.2022
AJ – Al Jazeera (12.12.2016): Turkey detains pro-Kurdish party officials after attack, https://www. aljazeera.com/news/2016/12/12/turkey-detains-pro-kurdish-party-officials-after-attack/, Zugriff

10.2.2022
AM - Al Monitor (14.11.2022): Turkey points to Kurdish militants for deadly Istanbul bombing, TurkeypointstoKurdishmilitantsfordeadlyIstanbulbombing, Zugriff 24.11.2022
AM - Al Monitor (20.4.2022): Bus bombing brings trauma of past terror back to Turkish cities, https://www.almonitor.com/originals/2022/04/bus-bombing-brings-trauma-past-terror-back-turki sh-cities, Zugriff 12.10.2022
Anadolu – Anadolu Agency [Türkei] (30.11.2022): 3 more terrorists surrender to Turkish security forces, https://www.aa.com.tr/en/politics/3-more-terrorists-surrender-to-turkish-security-forces/27 52305, Zugriff 14.11.2022 Anadolu – Anadolu Agency [Türkei] (18.11.2022): 17 suspects linked to Istanbul terror attack arrested by court order, https://www.aa.com.tr/en/turkiye/17-suspects-linked-to-istanbul-terror-att ack-arrested-by-court-order/2741670, Zugriff 18.11.2022
Anadolu – Anadolu Agency [Türkei] (26.10.2021): Turkish parliament extends troop deployment in Iraq, Syria for 2 years, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkish-parliament-extends-troop-deploym ent-in-iraq-syria-for-2-years/2403689, Zugriff 10.2.2022
ANHA - Hawar News Agency (14.11.2022): YPG denies any connection with Istanbul bombing, https://www.hawarnews.com/en/haber/ypg-denies-any-connection-with-istanbul-bombing-h3367 1.html, Zugriff 18.11.2022
ANF - ANF News (9.2.2023): Cemil Bayık: We won’t carry out military actions unless the Turkish state attacks us, https://anfenglishmobile.com/kurdistan/cemil-bayik-we-have-decided-not-to-tak e-action-unless-the-turkish-state-attacks-us65431, Zugriff 13.2.2023
Arab News (28.9.2022): PKK blamed for deadly police guesthouse attack in Turkey, https://www.arabnews.com/node/2171341/middleeast, Zugriff 12.10.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.2.2023): Briefing Notes, KW 7, Ausrufung des Notstands, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/Bri efingNotes/2023/briefingnotes-kw072023.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 5.6.2023
Bianet (14.6.2022): Warplanes bombard rural areas in Dersim, https://bianet.org/english/politics/ 263267-warplanes-bombard-ruralareas-in-dersim, Zugriff 20.6.2022
BICC - Bonn International Centre for Conflict Studies (12.2022): Länderinformation - Türkei, https:

//www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/tuerkei/2022_Tuerkei.pdf, Zugriff 18.4.2023
Crisis24 (24.11.2022): Syria, Iraq: Additional Turkish airstrikes remain likely in northern regions of both countries through at least early December, https://crisis24.garda.com/alerts/2022/11/syria-ira q-additional-turkish-airstrikes-remain-likely-in-northernregions-of-both-countries-through-at-lea st-early-december, Zugriff 20.1.2023
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pd f,Zugriff 10.2.2022
Duvar (8.7.2022): Top Turkish court finds no rights violation in death of Cizre curfew victims, https: //www.duvarenglish.com/topturkish-court-finds-no-rights-violation-in-death-of-cizre-curfew-victi ms-news-61010, Zugriff 9.11.2022
Duvar (26.10.2021): In an unusual move, CHP refuses to back extending troop deployment in Iraq, Syria, https://www.duvarenglish.com/in-an-unusual-move-chp-refuses-to-back-extending-troop-d eployment-in-iraq-syria-news59341, Zugriff 10.2.2022
DW - Deutsche Welle (14.11.2022): Nach Bombenanschlag in der Türkei steht Regierung in Kritik, https://www.dw.com/de/nachbombenanschlag-in-der-t%C3%BCrkei-steht-regierung-in-kritik/a-6 3753228, Zugriff 18.11.2022 EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae50c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 24.10.2022
EC – European Commission (9.11.2016): Turkey 2016 Report [SWD(2016) 366 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1156617/1226_1480931038_20161109-report-turkey.pdf, Zugriff 11.8.2022
EDA– Eidgenössisches Departement für auswärtigeAngelegenheiten [Schweiz] (16.5.2023) [gültig am 26.5.2023]: Reisehinweise für Türkiye, spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin. ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/tuerkei/reisehinweise-fuerdietuerkei.html#edab1 d7a0, Zugriff 26.5.2023
EP – Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/TA-9-20220222_DE.pdf, Zugriff 29.6.2022
EP – Europäisches Parlament (14.4.2016): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. April 2016 zu dem Bericht 2015 über die Türkei (2015/2898(RSP)), https://www.europarl.europa. eu/doceo/document/TA-8-2016-0133_DE.pdf, Zugriff 11.8.2022
France24 (10.2.2023): Kurdish militants suspend ’operations’ after Turkey quake, https://www.france24.com/en/live-news/20230210kurdish-militants-suspend-operations-after-tur key-quake, Zugriff 13.2.2023
GOV.UK (20.4.2023) [gültig am 26.5.2023]: Foreign travel advice Turkey, https://www.gov.uk/forei gn-travel-advice/turkey, Zugriff 26.5.2023
HDN - Hürriyet Daily News (14.11.2022): Perpetrator behind deadly Istanbul bombing arrested, ht

tps://www.hurriyetdailynews.com/suspect-arrested-in-deadly-istanbul-bombing-minister-says-178 493, Zugriff 18.11.2022
HDN - Hürriyet Daily News (22.4.2022): PKK affiliated group carried out attacks in Istanbul, Bursa: Soylu, https://www.hurriyetdailynews.com/pkk-affiliated-group-carried-out-attacks-in-istanbul-bur sa-soylu173207?utm_source=Facebook&utm_medium=post&utm_term=post, Zugriff 12.10.2022
HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2085506.html, Zugriff 19.1.2023

https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/database?location[]=58, Zugriff 8.2.2023
ICG – International Crisis Group (12.2022): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Türkiye,

https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/database?location%5B%5D=58&date_range=latest&fro m_month=01&from_year=2022&to_month=01&to_year=2022, Zugriff 19.1.2023
ICG – International Crisis Group (11.2022): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Türkiye, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/database?location[]=58, Zugriff 14.12.2022
ICG – International Crisis Group (10.2022): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Türkiye, https://www.crisisgroup.org/sites/default/files/crisiswatch/CrisisWatch%20October%202022%20E urope%20and%20Central%20Asia.pdf, Zugriff 8.11.2022
ICG – International Crisis Group (9.2022): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Türkiye, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch, Zugriff 12.10.2022
ICG – International Crisis Group (8.2022): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Türkiye, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch, Zugriff 27.9.2022
ICG – International Crisis Group (7.2022): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Türkiye, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/august-alerts-and-july-trends-2022, Zugriff 5.9.2022
ICG – International Crisis Group (3.3.2023): Turkey’s PKK Conflict: A Visual Explainer, https: //www.crisisgroup.org/content/turkeys-pkkconflict-visual-explainer, Zugriff 26.5.2023
ICG – International Crisis Group (5.2022): CrisisWatch - Tracking Conflict Worldwide: Türkiye, https: //www.crisisgroup.org/crisiswatch/june-alerts-and-may-trends-2022, Zugriff 5.9.2022
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association (6.11.2022): Human Rights Association

2021 Report on Human Rights Violations in Turkey, https://ihd.org.tr/en/wp-content/uploads/2022/ 11/SR2022_2021-Turkey-Violations-Report.pdf, Zugriff 18.11.2022
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march2022.pdf,Zugriff 27.9.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (18.3.2021): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/r eports/2021/03/18/general-country-of-origin-information-reportturkey/vertaling-aab-turkije.pdf, Zugriff 10.2.2022
OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights [Hrgs.] (15.5.2023): Türkiye, General Elections, 14 May 2023: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/6/2/543543.pdf, Zugriff 26.5.2023
SDZ – Süddeutsche Zeitung (20.4.2022): Bombenanschlag in Bursa, https://www.sueddeutsche.d e/politik/tuerkei-anschlag-bursa1.5569449, Zugriff 12.10.2022
SDZ – Süddeutsche Zeitung (29.6.2016) [ANM.: Ohne ein Aktualisierungsdatum zu nennen, sind Ereignisse bis Jän. 2017 hinzugefügt]: Chronologie des Terrors in der Türkei, https://www.suedde utsche.de/politik/tuerkei-der-terror-begann-in-suruc-1.3316595, Zugriff 10.2.2022
TM - Turkish Minute (4.11.2022): Top court finds no rights violations of victims of 2015 curfew in Kurdish-majority city, https://www.turkishminute.com/2022/11/04/rights-violations-of-victims-of-2 015-curfew-in-kurdish-majority-city/, Zugriff 9.11.2022
UNHCR (9.2.2023): UNHCR TÜRKİYE - EMERGENCY RESPONSE TO EARTHQUAKE, https: //reliefweb.int/attachments/fe740f86-ba7b-4a23-831e-fc09b4da5508/2023%2002%2009%20UNH CR%20T%C3%9CRK%C4%B0YE%20%20Emergency%20Response%20to%20Earthquake.pdf,

Zugriff 14.2.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/

03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 22.3.2023
YR - Yetkin Report (30.9.2022): PKK attack in Mersin tangles as details unveil, https://yetkinreport

.com/en/2022/09/30/pkk-attack-in-mersin-tangles-as-details-unveil/, Zugriff 12.10.2022

Schrittweise Kriminalisierung durch den Staat: von der kriminellen Vereinigung zur Terrororganisation

Im Dezember 2013 kam es zum offenen politischen Zerwürfnis zwischen der AKP und der Gülen-Bewegung, als Gülen-nahe Staatsanwälte und Richter Korruptionsermittlungen gegen die Familie Erdoğans (damals Ministerpräsident) sowie Minister seines Kabinetts aufnahmen (AA 24.8.2020, S. 4). Erdoğan beschuldigte daraufhin Gülen und seine Anhänger, die AKPRegierung durch Korruptionsuntersuchungen zu Fall bringen zu wollen, da mehrere Beamte und Wirtschaftsführer mit Verbindungen zur AKP betroffen waren, und Untersuchungen zu Rücktritten von AKP-Ministern führten (MEE 25.7.2016). In der Folge versetzte die Regierung die an den Ermittlungen beteiligten Staatsanwälte, Polizisten und Richter (bpb 1.9.2014) und begann schon seit Ende 2013 darüber hinaus, in mehreren Wellen Zehntausende mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung in diversen staatlichen Institutionen zu suspendieren, zu versetzen, zu entlassen oder anzuklagen. Die Regierung hat ferner, unter dem Vorwand der Unterstützung der Gülen-Bewegung, Journalisten strafrechtlich verfolgt und Medienkonzerne, Banken sowie andere Privatunternehmen durch die Einsetzung von Treuhändern zerschlagen und teils enteignet (AA 24.8.2020, S. 4).

Ein türkisches Gericht hatte im Dezember 2014 einen Haftbefehl gegen Fethullah Gülen erlassen. Die Anklage beschuldigte die Gülen- bzw. die Hizmet-Bewegung, wie sie sich selber nennt, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Zur gleichen Zeit ging die Polizei gegen mutmaßliche Anhänger Gülens in den Medien vor (Standard 20.12.2014). Türkische Sicherheitskräfte waren landesweit mit einer Großrazzia gegen Journalisten und angebliche Regierungsgegner bei der Polizei vorgegangen (DW 14.12.2014). Am 27.5.2016 verkündete Staatspräsident Erdoğan, dass die Gülen-Bewegung auf Basis einer Entscheidung des Nationalen Sicherheitsrates vom 26.5.2016 als terroristische Organisation registriert wird (HDN 27.5.2016). Mitte Juni 2017 definierte das Oberste Berufungsgericht, i.e. das Kassationsgericht (türk. Yargıtay), die GülenBewegung als terroristische Organisation. In dieser Entscheidung wurden auch die Kriterien für die Mitgliedschaft in dieser Organisation festgelegt (UKHO 2.2018; vgl. Sabah 17.6.2017). Ein türkisches Gericht hatte im Dezember 2014 einen Haftbefehl gegen Fethullah Gülen erlassen. Die Anklage beschuldigte die Gülen- bzw. die Hizmet-Bewegung, wie sie sich selber nennt, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Zur gleichen Zeit ging die Polizei gegen mutmaßliche Anhänger Gülens in den Medien vor (Standard 20.12.2014). Türkische Sicherheitskräfte waren landesweit mit einer Großrazzia gegen Journalisten und angebliche Regierungsgegner bei der Polizei vorgegangen (DW 14.12.2014). Am 27.5.2016 verkündete Staatspräsident Erdoğan, dass die Gülen-Bewegung auf Basis einer Entscheidung des Nationalen Sicherheitsrates vom 26.5.2016 als terroristische Organisation registriert wird (HDN 27.5.2016). Mitte Juni 2017 definierte das Oberste Berufungsgericht, i.e. das Kassationsgericht (türk. Yargıtay), die GülenBewegung als terroristische Organisation. In dieser Entscheidung wurden auch die Kriterien für die Mitgliedschaft in dieser Organisation festgelegt (UKHO 2.2018; vergleiche Sabah 17.6.2017).

Es ist wichtig anzumerken, dass man nicht formell Mitglied der Gülen-Bewegung werden kann. Eine Person, die sich dieser Bewegung anschließt, erhält keine Mitgliedskarte. In der Vergangenheit umfasste die Gülen-Bewegung in der Türkei verschiedene Einrichtungen wie Schulen, Studentenhäuser, Krankenhäuser sowie kulturelle und karitative Einrichtungen, welche infolge ihres guten Rufes auch Nicht-Gülenisten anzogen. Folglich ist es durchaus möglich, dass jemand an einer Gülen-Einrichtung studiert, für diese gearbeitet, oder etwa ein Konto bei der Asya Bank (galt als Hausbank der Gülen-Bewegung) gehabt hat, ohne Gülenist im ideologischen Sinne zu sein. Eine solche Person kann dennoch mit der GülenBewegung in Verbindung gebracht werden und infolgedessen persönliche Probleme mit den türkischen Behörden bekommen. Umgekehrt konnten in einigen Fällen wohlhabende tatsächliche oder angebliche Gülenisten persönliche Probleme mit den türkischen Behörden vermeiden, indem sie korrupte Beamte bestachen. Diese Praxis ist als FETÖ Borsası (wörtlich „FETÖ-Börse“) bekannt. Durch die Zahlung von Bestechungsgeldern oder die Übergabe eines Unternehmens konnte ein (mutmaßlicher) Gülenist erreichen, dass sein erzwungener beruflicher Rücktritt rückgängig gemacht oder er von der Fahndungsliste gestrichen wurde. Zudem gab es Fälle von AKPPolitikern, die Verbindungen zur Gülenbewegung hatten, aber durch ihren politischen Einfluss einer strafrechtlichen Verfolgung entrannen (NL-MFA 2.3.2022, S. 36, 38).

Die türkische Regierung beschuldigt die Gülen-Bewegung, hinter dem Putschversuch vom 15.7.2016 zu stecken, bei dem mehr als 250 Menschen getötet wurden. Für eine Beteiligung gibt es zwar zahlreiche Indizien, eindeutige Beweise aber ist die Regierung in Ankara bislang schuldig geblieben (DW 13.7.2018). Die Gülen-Bewegung wird von der Türkei als „Fetullahçı Terör Örgütü – (FETÖ)“, „Fetullahistische Terror Organisation“, tituliert, meist in Kombination mit der Bezeichnung „Paralel Devlet Yapılanması (PDY)“, die „Parallele Staatsstruktur“ bedeutet (AA 28.7.2022, S. 4; vgl. UKHO 2.2018). Die EU stuft die GülenBewegung weiterhin nicht als Terrororganisation ein und steht auf dem Standpunkt, die Türkei müsse substanzielle Beweise vorlegen, um die EU zu einer Änderung dieser Einschätzung zu bewegen (Standard 30.11.2017; vgl. Presse 30.11.2017). Auch für die USA ist die Gülen- bzw. Hizmet-Bewegung keine Terrororganisation (TM 2.6.2016). Die türkische Regierung beschuldigt die Gülen-Bewegung, hinter dem Putschversuch vom 15.7.2016 zu stecken, bei dem mehr als 250 Menschen getötet wurden. Für eine Beteiligung gibt es zwar zahlreiche Indizien, eindeutige Beweise aber ist die Regierung in Ankara bislang schuldig geblieben (DW 13.7.2018). Die Gülen-Bewegung wird von der Türkei als „Fetullahçı Terör Örgütü – (FETÖ)“, „Fetullahistische Terror Organisation“, tituliert, meist in Kombination mit der Bezeichnung „Paralel Devlet Yapılanması (PDY)“, die „Parallele Staatsstruktur“ bedeutet (AA 28.7.2022, S. 4; vergleiche UKHO 2.2018). Die EU stuft die GülenBewegung weiterhin nicht als Terrororganisation ein und steht auf dem Standpunkt, die Türkei müsse substanzielle Beweise vorlegen, um die EU zu einer Änderung dieser Einschätzung zu bewegen (Standard 30.11.2017; vergleiche Presse 30.11.2017). Auch für die USA ist die Gülen- bzw. Hizmet-Bewegung keine Terrororganisation (TM 2.6.2016).

Ausmaß der Verfolgung

Im Zuge der massiven Verfolgung nach dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 wurden - die Zahlen variieren - über 20.300 Armeeangehörige, darunter 150 der 326 Generäle und Admirale, 4.145 Richter und Staatsanwälte, mehr als 33.000 Polizeibeamte und mehr als 5.000Akademiker entlassen. Über 540.000 Personen wurden (zeitweise) festgenommen. Über 160 Medien, mehr als 1.000 Bildungseinrichtungen und fast 2.000 NGOs wurden ohne ordentliches Verfahren geschlossen (SCF 5.10.2020). 150.000 öffentlich Bedienstete, inklusive Wissenschaftler, wurden entlassen (MEI 20.10.2022; vgl. SCF 5.10.2020). NachAngaben des türkischen Innenministers, Süleyman Soylu, vom Februar 2021 wurden seit dem Putschversuch vom Sommer 2016 gegen 622.646 Personen Ermittlungen durchgeführt (SCF 4.3.2021). Laut der regierungstreuen Zeitung Sabah wurden zwischen dem 15.7.2016 und dem 15.11.2022 339.247 Verdächtige festgenommen. Über 102.000 von ihnen wurden formell verhaftet und befinden sich nun in Haft, wo sie entweder auf das Urteil in ihrem Prozess warten oder verurteilt wurden und ihre Strafe verbüßen. Mit Stand Mitte November 2022 waren 17.787 Personen formell inhaftiert, während nach 23.969 Gülen-Anhänger noch gefahndet wurde (DS 20.11.2022). Im Zuge der massiven Verfolgung nach dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 wurden - die Zahlen variieren - über 20.300 Armeeangehörige, darunter 150 der 326 Generäle und Admirale, 4.145 Richter und Staatsanwälte, mehr als 33.000 Polizeibeamte und mehr als 5.000Akademiker entlassen. Über 540.000 Personen wurden (zeitweise) festgenommen. Über 160 Medien, mehr als 1.000 Bildungseinrichtungen und fast 2.000 NGOs wurden ohne ordentliches Verfahren geschlossen (SCF 5.10.2020). 150.000 öffentlich Bedienstete, inklusive Wissenschaftler, wurden entlassen (MEI 20.10.2022; vergleiche SCF 5.10.2020). NachAngaben des türkischen Innenministers, Süleyman Soylu, vom Februar 2021 wurden seit dem Putschversuch vom Sommer 2016 gegen 622.646 Personen Ermittlungen durchgeführt (SCF 4.3.2021). Laut der regierungstreuen Zeitung Sabah wurden zwischen dem 15.7.2016 und dem 15.11.2022 339.247 Verdächtige festgenommen. Über 102.000 von ihnen wurden formell verhaftet und befinden sich nun in Haft, wo sie entweder auf das Urteil in ihrem Prozess warten oder verurteilt wurden und ihre Strafe verbüßen. Mit Stand Mitte November 2022 waren 17.787 Personen formell inhaftiert, während nach 23.969 Gülen-Anhänger noch gefahndet wurde (DS 20.11.2022).

Die systematische Verfolgung mutmaßlicher Anhänger der Gülen-Bewegung im Rahmen des sog. „Kampfes gegen den Terrorismus“ dauert an (AA 28.7.2022, S. 7; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 22). Zwar wurde der größte Teil der Gülen-Aktivisten mittlerweile bereits verhaftet und verurteilt, doch kommt es weiterhin zu Festnahmen, insbesondere unter Lehrkräften, Soldaten und Polizisten. Die Verhaftungen erfolgen in Wellen und können sich über das ganze Land erstrecken. Oft genügen zur Einleitung einer Strafverfolgung schon Informationen von Dritten, dass eine angeführte Person der Gülen-Bewegungangehört oder ihr nahesteht. Betroffen sind auch österreichische Staatsbürger sowie türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Österreich (ÖB 30.11.2022, S. 22f.). Allein in Ankara kamen laut Meldung der Polizei über 1.200 vermeintliche Unterstützer der Gülen-Bewegung in den Genuss einer Amnestie, da aufgrund der Aussagen von Verdächtigen 19.856 weitere GülenMitglieder identifiziert werden konnten. Darüber hinaus identifizierte die Polizei in der Hauptstadt aufgrund der Informationen insgesamt 4.780 bislang unbekannte GülenMitglieder (Anadolu 17.2.2022). Die systematische Verfolgung mutmaßlicher Anhänger der Gülen-Bewegung im Rahmen des sog. „Kampfes gegen den Terrorismus“ dauert an (AA 28.7.2022, S. 7; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 22). Zwar wurde der größte Teil der Gülen-Aktivisten mittlerweile bereits verhaftet und verurteilt, doch kommt es weiterhin zu Festnahmen, insbesondere unter Lehrkräften, Soldaten und Polizisten. Die Verhaftungen erfolgen in Wellen und können sich über das ganze Land erstrecken. Oft genügen zur Einleitung einer Strafverfolgung schon Informationen von Dritten, dass eine angeführte Person der Gülen-Bewegungangehört oder ihr nahesteht. Betroffen sind auch österreichische Staatsbürger sowie türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Österreich (ÖB 30.11.2022, S. 22f.). Allein in Ankara kamen laut Meldung der Polizei über 1.200 vermeintliche Unterstützer der Gülen-Bewegung in den Genuss einer Amnestie, da aufgrund der Aussagen von Verdächtigen 19.856 weitere GülenMitglieder identifiziert werden konnten. Darüber hinaus identifizierte die Polizei in der Hauptstadt aufgrund der Informationen insgesamt 4.780 bislang unbekannte GülenMitglieder (Anadolu 17.2.2022).

Exemplarisch sind wegen der schieren Anzahl hier nur die umfangreichsten Operationen gegen vermeintliche Gülen-Mitglieder seit Anfang 2022 angeführt [Anm.: Weiter zurückliegende Beispiele finden sich in älteren Länderinformationen zur Türkei]:Am 4.1.2022 wurden bei Razzien in zahlreichen Provinzen zunächst 80 Personen wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung verhaftet, die meisten unter dem Verdacht, ein Netzwerk innerhalb der Gendarmerie aufgebaut zu haben (BAMF 10.1.2022, S. 15; vgl. DS 4.1.2022). Eine Woche später, am 11.1.2022, wurde die Verhaftung von 113 von insgesamt 185 gesuchten Gülen-Mitgliedern, insbesondere in den Reihen des Militärs, bei Razzien in über 40 Provinzen vermeldet (Anadolu 11.1.2022), gefolgt von über 50 Festnahmen am 14.1.2022 (BAMF 24.1.2022, S. 14). In der zweiten Februarhälfte wurden in Ankara und Balıkesir 123 (Ahval 22.2.2022) und am 1.3.2022 weitere 96 Verdächtigte bei landesweiten Operationen festgenommen, wobei die Generalstaatsanwaltschaft 19 Personen einem mutmaßlichen Netzwerk der Gruppe unter dem Kommando der Luftstreitkräfte zuordnete (BAMF 7.3.2022, S. 9; vgl. DS 1.3.2022). Bereits eine Woche später wurden 105 von 127 gesuchten Verdächtigen in den Streitkräften in rund 50 Städten festgenommen (DS 8.3.2022). Der April 2022 sah mehrere Verhaftungswellen (DS 13.4.2022; DS 26.4.2022). Bei der größten Operation wurden 133 Personen, insbesondere in Izmir, verhaftet, darunter sowohl Beamte als auch ehemalige und aktive Mitglieder der Streitkräfte (DS 19.4.2022). Nachdem am 17.5.2022 35 Personen, darunter Lehr- und Krankenhauspersonal, festgenommen wurden (DS 17.5.2022; vgl. BAMF 23.5.2022, S. 13f.), wurden eine Woche später bei landesweiten Operationen, mit Schwerpunkten in Ankara und Izmir, 92 vermeintliche GülenUnterstützer verhaftet (DS 24.5.2022). Außerdem gab der Rat der Richter und Staatsanwälte (HSK) am 17.5.2022 bekannt, dass 15 Richter und Staatsanwälte, die der GülenMitgliedschaft beschuldigt werden, dauerhaft von ihren Posten enthoben wurden (BAMF 23.5.2022, S. 14). Am 14. Juni vermeldeten die Medien die Festnahme von 53 und eine Woche später die Verhaftung von weiteren 44 vermeintlichen Gülen-Mitgliedern, die vornehmlich die Streitkräfte infiltriert hätten (DS 14.6.2022; DS 21.6.2022). Da GülenMitglieder einer privaten Bildungseinrichtung versucht haben sollen sich neu zu organisieren, erließ die Staatsanwaltschaft Anfang Oktober 2022 Haftbefehle gegen 40 Verdächtige. 35 Personen wurden infolge im Istanbuler Bezirk Üsküdar festgenommen (HDN 5.10.2022). Am 18.10.2022 wurden mindestens 660 vermeintliche Mitglieder der GülenBewegung verhaftet (DS 18.10.2022). Bei der größten Operation in diesem Rahmen wurden 542 Personen in 59 der 81 Provinzen festgenommen, unter Verdacht Geld gesammelt oder weiterverteilt zu haben, das von Gülen-Anhängern aus dem Ausland geschickt worden war (Ahval 18.10.2022; vgl. DS 18.10.2022). Exemplarisch sind wegen der schieren Anzahl hier nur die umfangreichsten Operationen gegen vermeintliche Gülen-Mitglieder seit Anfang 2022 angeführt [Anm.: Weiter zurückliegende Beispiele finden sich in älteren Länderinformationen zur Türkei]:Am 4.1.2022 wurden bei Razzien in zahlreichen Provinzen zunächst 80 Personen wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung verhaftet, die meisten unter dem Verdacht, ein Netzwerk innerhalb der Gendarmerie aufgebaut zu haben (BAMF 10.1.2022, S. 15; vergleiche DS 4.1.2022). Eine Woche später, am 11.1.2022, wurde die Verhaftung von 113 von insgesamt 185 gesuchten Gülen-Mitgliedern, insbesondere in den Reihen des Militärs, bei Razzien in über 40 Provinzen vermeldet (Anadolu 11.1.2022), gefolgt von über 50 Festnahmen am 14.1.2022 (BAMF 24.1.2022, S. 14). In der zweiten Februarhälfte wurden in Ankara und Balıkesir 123 (Ahval 22.2.2022) und am 1.3.2022 weitere 96 Verdächtigte bei landesweiten Operationen festgenommen, wobei die Generalstaatsanwaltschaft 19 Personen einem mutmaßlichen Netzwerk der Gruppe unter dem Kommando der Luftstreitkräfte zuordnete (BAMF 7.3.2022, S. 9; vergleiche DS 1.3.2022). Bereits eine Woche später wurden 105 von 127 gesuchten Verdächtigen in den Streitkräften in rund 50 Städten festgenommen (DS 8.3.2022). Der April 2022 sah mehrere Verhaftungswellen (DS 13.4.2022; DS 26.4.2022). Bei der größten Operation wurden 133 Personen, insbesondere in Izmir, verhaftet, darunter sowohl Beamte als auch ehemalige und aktive Mitglieder der Streitkräfte (DS 19.4.2022). Nachdem am 17.5.2022 35 Personen, darunter Lehr- und Krankenhauspersonal, festgenommen wurden (DS 17.5.2022; vergleiche BAMF 23.5.2022, S. 13f.), wurden eine Woche später bei landesweiten Operationen, mit Schwerpunkten in Ankara und Izmir, 92 vermeintliche GülenUnterstützer verhaftet (DS 24.5.2022). Außerdem gab der Rat der Richter und Staatsanwälte (HSK) am 17.5.2022 bekannt, dass 15 Richter und Staatsanwälte, die der GülenMitgliedschaft beschuldigt werden, dauerhaft von ihren Posten enthoben wurden (BAMF 23.5.2022, S. 14). Am 14. Juni vermeldeten die Medien die Festnahme von 53 und eine Woche später die Verhaftung von weiteren 44 vermeintlichen Gülen-Mitgliedern, die vornehmlich die Streitkräfte infiltriert hätten (DS 14.6.2022; DS 21.6.2022). Da GülenMitglieder einer privaten Bildungseinrichtung versucht haben sollen sich neu zu organisieren, erließ die Staatsanwaltschaft Anfang Oktober 2022 Haftbefehle gegen 40 Verdächtige. 35 Personen wurden infolge im Istanbuler Bezirk Üsküdar festgenommen (HDN 5.10.2022). Am 18.10.2022 wurden mindestens 660 vermeintliche Mitglieder der GülenBewegung verhaftet (DS 18.10.2022). Bei der größten Operation in diesem Rahmen wurden 542 Personen in 59 der 81 Provinzen festgenommen, unter Verdacht Geld gesammelt oder weiterverteilt zu haben, das von Gülen-Anhängern aus dem Ausland geschickt worden war (Ahval 18.10.2022; vergleiche DS 18.10.2022).

Auch 2023 setzten sich die Verhaftungen von vermeintlichen Mitgliedern oder Anhängern der Gülenbewegung fort. - Am 30.1.2023 verhaftete die Polizei zehn Personen wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung (BAMF 6.2.2023, S. 11). Tags darauf wurden im Rahmen einer von der Generalstaatsanwaltschaft Ankara eingeleiteten Untersuchung Haftbefehle gegen 35 Akademiker erlassen, die vormals an Gülen-Universitäten tätig waren. Bei Polizeioperationen in 32 Provinzen wurden 27 Personen festgenommen (BAMF 6.2.2023, S. 11; vgl. HDN 1.2.2023). Mitte März 2023 wurden 58 Personen, darunter Lehrer, Geschäftsleute, aktive und entlassene Militäroffiziere und ehemalige Kadetten wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung festgenommen (SCF 17.3.2023). Nur wenige Tage später wurden 47 Personen bei einer Operation in İzmir, die auch in den Provinzen İstanbul, Ankara, Samsun und Muğla durchgeführt wurde, festgenommen, weil sie den Familien von Personen geholfen hatten, die wegen angeblicher Verbindungen zur GülenBewegung inhaftiert waren. Im Rahmen einer von der Generalstaatsanwaltschaft in İzmir eingeleiteten Untersuchung führte die Polizei Hausdurchsuchungen bei 57 Verdächtigen durch, nahm 47 von ihnen fest und beschlagnahmte ihre Ersparnisse, Schmuck, Mobiltelefone und Computer (SCF 20.3.2023; vgl.Anadolu 19.3.2023). EndeApril bisAnfang Mai 2023 wurden über 30 Personen, darunter Lehrer, Studenten und Geschäftsleute, aufgrund von Haftbefehlen der Staatsanwaltschaften von Istanbul, Ankara und Bursa wegen Verbindungen zur Gülen-Bewegung festgenommen (SCF 5.5.2023). Auch 2023 setzten sich die Verhaftungen von vermeintlichen Mitgliedern oder Anhängern der Gülenbewegung fort. - Am 30.1.2023 verhaftete die Polizei zehn Personen wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung (BAMF 6.2.2023, S. 11). Tags darauf wurden im Rahmen einer von der Generalstaatsanwaltschaft Ankara eingeleiteten Untersuchung Haftbefehle gegen 35 Akademiker erlassen, die vormals an Gülen-Universitäten tätig waren. Bei Polizeioperationen in 32 Provinzen wurden 27 Personen festgenommen (BAMF 6.2.2023, S. 11; vergleiche HDN 1.2.2023). Mitte März 2023 wurden 58 Personen, darunter Lehrer, Geschäftsleute, aktive und entlassene Militäroffiziere und ehemalige Kadetten wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung festgenommen (SCF 17.3.2023). Nur wenige Tage später wurden 47 Personen bei einer Operation in İzmir, die auch in den Provinzen İstanbul, Ankara, Samsun und Muğla durchgeführt wurde, festgenommen, weil sie den Familien von Personen geholfen hatten, die wegen angeblicher Verbindungen zur GülenBewegung inhaftiert waren. Im Rahmen einer von der Generalstaatsanwaltschaft in İzmir eingeleiteten Untersuchung führte die Polizei Hausdurchsuchungen bei 57 Verdächtigen durch, nahm 47 von ihnen fest und beschlagnahmte ihre Ersparnisse, Schmuck, Mobiltelefone und Computer (SCF 20.3.2023; vgl.Anadolu 19.3.2023). EndeApril bisAnfang Mai 2023 wurden über 30 Personen, darunter Lehrer, Studenten und Geschäftsleute, aufgrund von Haftbefehlen der Staatsanwaltschaften von Istanbul, Ankara und Bursa wegen Verbindungen zur Gülen-Bewegung festgenommen (SCF 5.5.2023).

Anwälte von angeblichen Gülen-Mitgliedern laufen Gefahr, selbst in den Verdacht zu geraten, Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu haben (NL-MFA 18.3.2021, S. 40f.). Im September 2020 wurden 47 Rechtsanwälte festgenommen, weil diese angeblich durch ihre Rechtsberatung Gülen-Mitglieder unterstützt hätten (AM 16.9.2020; vgl. ICJ 14.9.2020) [hierzu siehe auch Kapitel: Rechtsstaatlichkeit / Justizwesen]. Anwälte von angeblichen Gülen-Mitgliedern laufen Gefahr, selbst in den Verdacht zu geraten, Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu haben (NL-MFA 18.3.2021, S. 40f.). Im September 2020 wurden 47 Rechtsanwälte festgenommen, weil diese angeblich durch ihre Rechtsberatung Gülen-Mitglieder unterstützt hätten (AM 16.9.2020; vergleiche ICJ 14.9.2020) [hierzu siehe auch Kapitel: Rechtsstaatlichkeit / Justizwesen].

Gerichtsurteile

Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge haben türkische Gerichte bis Juli 2022 4.891 Angeklagte in 289 Fällen im Zusammenhang mit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 verurteilt (TM 8.12.2022). Über 200 Klagen wurden gegen vermeintliche Putschisten eingereicht, und seit den ersten Prozessen im Jahr 2017 wurden über 8.725 Personen strafrechtlich verfolgt, während 1.634Angeklagte zu schweren lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden (DS 8.12.2022). Rund 1.400 weitere müssen eine gewöhnliche lebenslange Haft verbüßen und mehr als 1.800 wurden zu unterschiedlich langen Gefängnisstrafen verurteilt (TM 10.4.2021). Am 26.11.2020 endete einer der bislang größten Prozesse gegen 475 vermeintliche Gülen-Mitglieder, denen eine direkte Teilnahme am Putschversuch vorgeworfen wurde. 337 Angeklagte wurden unter anderem wegen „Umsturzversuchs“, „Attentats auf den Präsidenten“ und „vorsätzlicher Tötung“ zu lebenslangen Haftstrafen, in der Mehrheit zu verschärften Bedingungen, verurteilt. Ein kleinerer Teil erhielt kürzere Haftstrafen. 75 Personen wurden freigesprochen (FAZ 26.11.2020; DS 26.11.2020). Am 30.12.2020 erfolgten die Urteile im letzten Massenprozess gegen vermeintliche Gülen-Mitglieder des Jahres 2020. Von 132 Angeklagten wurden 92 zu lebenslangen Haftstrafen, darunter zwölf unter verschärften Bedingungen, wegen ihrer Aktivitäten als Mitglieder der Armee im Zuge des Putschversuches verurteilt. 22 Menschen erhielten wegen Beihilfe zum Umsturzversuch zwischen 12,5 und 19 Jahren Gefängnis. Weitere Urteile ergingen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und wegen versuchten Mordes. Neun Soldaten sind freigesprochen worden (Anadolu 30.12.2020; vgl. ZO 30.12.2020). Am 7.4.2021 wurden nach knapp 250 Verhandlungstagen die Urteile gegen 497 Angeklagte verkündet. In 38 Fällen verhängte das Gericht in Ankara lebenslange Haftstrafen, davon sechs unter erschwerten Bedingungen. Hierzu zählten vor allem jene Offiziere, die in der Putschnacht den Staatssender TRT besetzten und die Verlesung einer Erklärung erzwangen. 106 weitere Personen müssen bis zu 16 Jahre ins Gefängnis. 121 wurden freigesprochen und gegen 231 verhängte das Gericht keine Strafen (DW 7.4.2021; vgl. AP 7.4.2021). Im Prozess gegen 138 Militärangehörige in Istanbul am 8.12.2022 wurden gegen 38 der Angeklagten Haftstrafen zwischen 12,5 und 15 Jahren wegen des Versuchs, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen, verhängt. Zwei der Angeklagten wurden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Haftstrafen von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Zwei weitere Angeklagte erhielten Bewährungsstrafen wegen desselben Vorwurfs. Das Gericht entschied, 73 Angeklagte nicht für die ihnen vorgeworfenen Straftaten zu verurteilen, weil sie auf Anweisung ihrer Vorgesetzten gehandelt hatten, die sie irrtümlich für rechtmäßig hielten. Das Gericht sprach 23 Angeklagte von allen Vorwürfen frei (TM 8.12.2022; vgl. DS 8.12.2022). Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge haben türkische Gerichte bis Juli 2022 4.891 Angeklagte in 289 Fällen im Zusammenhang mit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 verurteilt (TM 8.12.2022). Über 200 Klagen wurden gegen vermeintliche Putschisten eingereicht, und seit den ersten Prozessen im Jahr 2017 wurden über 8.725 Personen strafrechtlich verfolgt, während 1.634Angeklagte zu schweren lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden (DS 8.12.2022). Rund 1.400 weitere müssen eine gewöhnliche lebenslange Haft verbüßen und mehr als 1.800 wurden zu unterschiedlich langen Gefängnisstrafen verurteilt (TM 10.4.2021). Am 26.11.2020 endete einer der bislang größten Prozesse gegen 475 vermeintliche Gülen-Mitglieder, denen eine direkte Teilnahme am Putschversuch vorgeworfen wurde. 337 Angeklagte wurden unter anderem wegen „Umsturzversuchs“, „Attentats auf den Präsidenten“ und „vorsätzlicher Tötung“ zu lebenslangen Haftstrafen, in der Mehrheit zu verschärften Bedingungen, verurteilt. Ein kleinerer Teil erhielt kürzere Haftstrafen. 75 Personen wurden freigesprochen (FAZ 26.11.2020; DS 26.11.2020). Am 30.12.2020 erfolgten die Urteile im letzten Massenprozess gegen vermeintliche Gülen-Mitglieder des Jahres 2020. Von 132 Angeklagten wurden 92 zu lebenslangen Haftstrafen, darunter zwölf unter verschärften Bedingungen, wegen ihrer Aktivitäten als Mitglieder der Armee im Zuge des Putschversuches verurteilt. 22 Menschen erhielten wegen Beihilfe zum Umsturzversuch zwischen 12,5 und 19 Jahren Gefängnis. Weitere Urteile ergingen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und wegen versuchten Mordes. Neun Soldaten sind freigesprochen worden (Anadolu 30.12.2020; vergleiche ZO 30.12.2020). Am 7.4.2021 wurden nach knapp 250 Verhandlungstagen die Urteile gegen 497 Angeklagte verkündet. In 38 Fällen verhängte das Gericht in Ankara lebenslange Haftstrafen, davon sechs unter erschwerten Bedingungen. Hierzu zählten vor allem jene Offiziere, die in der Putschnacht den Staatssender TRT besetzten und die Verlesung einer Erklärung erzwangen. 106 weitere Personen müssen bis zu 16 Jahre ins Gefängnis. 121 wurden freigesprochen und gegen 231 verhängte das Gericht keine Strafen (DW 7.4.2021; vergleiche AP 7.4.2021). Im Prozess gegen 138 Militärangehörige in Istanbul am 8.12.2022 wurden gegen 38 der Angeklagten Haftstrafen zwischen 12,5 und 15 Jahren wegen des Versuchs, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen, verhängt. Zwei der Angeklagten wurden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Haftstrafen von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Zwei weitere Angeklagte erhielten Bewährungsstrafen wegen desselben Vorwurfs. Das Gericht entschied, 73 Angeklagte nicht für die ihnen vorgeworfenen Straftaten zu verurteilen, weil sie auf Anweisung ihrer Vorgesetzten gehandelt hatten, die sie irrtümlich für rechtmäßig hielten. Das Gericht sprach 23 Angeklagte von allen Vorwürfen frei (TM 8.12.2022; vergleiche DS 8.12.2022).

Kriterien für die Verfolgung durch die Justiz

Die Kriterien für die Feststellung der Anhänger- bzw. Mitgliedschaft sind recht vage. Türkische Behörden und Gerichte ordnen Personen nicht nur dann als Terroristen ein, wenn diese tatsächlich aktive Mitglieder der Gülen-Bewegung sind (bzw. waren), sondern auch dann, wenn diese beispielsweise lediglich persönliche Beziehungen zu Mitgliedern der Bewegung unterhalten, eine von der Bewegung betriebene Schule besucht haben oder im Besitz von Schriften Gülens sind (AA 24.8.2020, S. 9). Bereits am 3.9.2016 veröffentlichte die Tageszeitung Milliyet eine nicht erschöpfende „Liste von sechzehn Kriterien“, die als Richtschnur für die Entlassung aus staatlichen Funktionen und für die Strafverfolgung dient. Personen, welche die angeführten Kriterien in unterschiedlichem Maße erfüllen, werden offiziellen Verfahren unterzogen und als „Terroristen“ bezeichnet - gefolgt von ihrer Festnahme oder Inhaftierung. Nach Angaben der Regierung war das Ziel der Erstellung einer solchen Liste, „die Schuldigen von den Unschuldigen zu unterscheiden“ (JWF 1.2019). In der Regel reicht das Vorliegen eines der folgenden Kriterien, um eine strafrechtliche Verfolgung als mutmaßlicher Gülenist einzuleiten: Das Nutzen der verschlüsselten Kommunikations-App „ByLock“; Geldeinlagen bei der Bank Asya nach dem 25.12.2013 (bis zu deren Schließung 2016) oder anderen Finanzinstituten der sogenannten „parallelen Struktur“; Abonnement bei der Nachrichtenagentur Cihan oder der Zeitung Zaman; Spenden an Gülen-Strukturen zugeordnete Wohltätigkeitsorganisationen (AA 28.7.2022, S. 7; vgl. NL-MFA 2.3.2022, S. 38, JWF 1.2019), wie der einst größten Hilfsorganisation des Landes „Kimse Yok Mu“ (JWF 1.2019); der Besuch der eigenen Kinder von Schulen, die der GülenBewegung zugeordnet werden; Kontakte zu Gülen zugeordneten Gruppen/Organisationen/Firmen, inklusive Beschäftigungsverhältnisse und die Teilnahme an religiösen Versammlungen der Gülen-Bewegung (AA 28.7.2022, S. 7; vgl. JWF 1.2019). Weitere Kriterien sind u.a. die Unterstützung der GülenBewegung in Sozialen Medien, der mehrmalige Besuch von Internetseiten der Gülen-Bewegung und die Nennung durch glaubwürdige Zeugenaussagen, Geständnisse Dritter oder schlicht infolge von Denunziationen (JWF 1.2019). Eine Verurteilung setzt in der Regel das Zusammentreffen mehrerer dieser Indizien voraus, wobei der Kassationsgerichtshof präzisiert hat, dass für die Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation ein gewisser Bindungsgrad der Person an die Organisation nachgewiesen werden muss (AA 28.7.2022, S. 7). Die Kriterien für die Feststellung der Anhänger- bzw. Mitgliedschaft sind recht vage. Türkische Behörden und Gerichte ordnen Personen nicht nur dann als Terroristen ein, wenn diese tatsächlich aktive Mitglieder der Gülen-Bewegung sind (bzw. waren), sondern auch dann, wenn diese beispielsweise lediglich persönliche Beziehungen zu Mitgliedern der Bewegung unterhalten, eine von der Bewegung betriebene Schule besucht haben oder im Besitz von Schriften Gülens sind (AA 24.8.2020, S. 9). Bereits am 3.9.2016 veröffentlichte die Tageszeitung Milliyet eine nicht erschöpfende „Liste von sechzehn Kriterien“, die als Richtschnur für die Entlassung aus staatlichen Funktionen und für die Strafverfolgung dient. Personen, welche die angeführten Kriterien in unterschiedlichem Maße erfüllen, werden offiziellen Verfahren unterzogen und als „Terroristen“ bezeichnet - gefolgt von ihrer Festnahme oder Inhaftierung. Nach Angaben der Regierung war das Ziel der Erstellung einer solchen Liste, „die Schuldigen von den Unschuldigen zu unterscheiden“ (JWF 1.2019). In der Regel reicht das Vorliegen eines der folgenden Kriterien, um eine strafrechtliche Verfolgung als mutmaßlicher Gülenist einzuleiten: Das Nutzen der verschlüsselten Kommunikations-App „ByLock“; Geldeinlagen bei der Bank Asya nach dem 25.12.2013 (bis zu deren Schließung 2016) oder anderen Finanzinstituten der sogenannten „parallelen Struktur“; Abonnement bei der Nachrichtenagentur Cihan oder der Zeitung Zaman; Spenden an Gülen-Strukturen zugeordnete Wohltätigkeitsorganisationen (AA 28.7.2022, S. 7; vergleiche NL-MFA 2.3.2022, S. 38, JWF 1.2019), wie der einst größten Hilfsorganisation des Landes „Kimse Yok Mu“ (JWF 1.2019); der Besuch der eigenen Kinder von Schulen, die der GülenBewegung zugeordnet werden; Kontakte zu Gülen zugeordneten Gruppen/Organisationen/Firmen, inklusive Beschäftigungsverhältnisse und die Teilnahme an religiösen Versammlungen der Gülen-Bewegung (AA 28.7.2022, S. 7; vergleiche JWF 1.2019). Weitere Kriterien sind u.a. die Unterstützung der GülenBewegung in Sozialen Medien, der mehrmalige Besuch von Internetseiten der Gülen-Bewegung und die Nennung durch glaubwürdige Zeugenaussagen, Geständnisse Dritter oder schlicht infolge von Denunziationen (JWF 1.2019). Eine Verurteilung setzt in der Regel das Zusammentreffen mehrerer dieser Indizien voraus, wobei der Kassationsgerichtshof präzisiert hat, dass für die Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation ein gewisser Bindungsgrad der Person an die Organisation nachgewiesen werden muss (AA 28.7.2022, S. 7).

Der Kassationsgerichtshof entschied im Mai 2019, dass weder das Zeitungsabonnement eines Angeklagten (SCF 6.8.2019) noch die Einschreibung seines Kindes in einer Gülen-Schule für eine Verurteilung ausreicht (AA 28.7.2022, S. 7; vgl. SCF 6.8.2019). Der Kassationsgerichtshof entschied im Mai 2019, dass weder das Zeitungsabonnement eines Angeklagten (SCF 6.8.2019) noch die Einschreibung seines Kindes in einer Gülen-Schule für eine Verurteilung ausreicht (AA 28.7.2022, S. 7; vergleiche SCF 6.8.2019).

Laut Eigenangaben differenzieren die türkischen Behörden unterschiedliche Schweregrade der Beteiligung an der Gülen-Bewegung. Im März 2020 erklärte die 16. Strafkammer des Verfassungsgerichts, zuständig für Berufungen in allen Gülen-Fällen, dass es sieben Stufen der Beteiligung gäbe: Die erste Ebene besteht aus den Menschen, die die Gülen-Bewegung aus guter Absicht (finanziell) unterstützten. Die zweite Schicht besteht aus einer loyalen Gruppe von Menschen, die in Gülen-Organisationen arbeiteten und mit der Ideologie der Gülen-Bewegung vertraut war. Die dritte Gruppe besteht aus Ideologen, die sich die GülenIdeologie zu eigen machten und in ihrem Umfeld verbreiteten. Die vierte Gruppe waren Inspektoren, die die verschiedenen Formen von Dienstleistungen der Gülen-Bewegung überwachten. Die fünfte Gruppe setzte sich aus Beamten zusammen, die für die Erstellung und Umsetzung der Politik der Gülen-Bewegung verantwortlich war. Die sechste Gruppe bildet den elitären Kreis, der den Kontakt zwischen den verschiedenen Segmenten der Organisation aufrecht erhielt bzw. dies immer noch tut, aber auch Personen aus ihren Positionen entlassen konnte. Die siebte Gruppe besteht aus siebzehn Personen, die direkt von Fethullah Gülen ausgewählt wurden und an der Spitze der Gülen-Bewegung stehen (NLMFA 18.3.2021, S. 38f.). Während praktisch jeder mit einem Gülen-Hintergrund strafrechtlich belangt werden kann, stehen mutmaßliche Gülenisten im Sicherheitsapparat, wie Militärs und Gendarme, besonders im Visier. Auch Personen, die Führungspositionen in Gülen-Institutionen wie den Gülen-Schulen, der Fatih-Universität in Istanbul und der Tageszeitung Zaman innehatten, fallen den Behörden eher negativ auf (NL-MFA 2.3.2022, S. 38).

Die Entscheidung der türkischen Behörden, vermeintliche Gülen-Mitglieder strafrechtlich zu verfolgen, oder nicht, scheint sehr willkürlich zu sein (NL-MFA 2.3.2022, S. 39). Moderate Richter tendieren zwischen „passiven“ und „aktiven“ Gülen-Mitgliedern zu unterschieden, während Hardliner keine Unterscheidung hinsichtlich der Kriterien einer vermeintlichen Unterstützung oder Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung machen. Infolgedessen ist der Ausgang der Strafverfahren, insbesondere hinsichtlich des Strafausmaßes, willkürlich (NLMFA 18.3.2021, S. 41). Zu dieser Unberechenbarkeit trägt u.a. der Umstand bei, dass die Behörden weder objektive Kriterien verwenden, noch sie diese konsequent anwenden. Darüber hinaus besteht ein praktisches Hindernis bei der Verfolgung von Gülen-Anhängern in ihrer schieren Anzahl in der Vergangenheit. So schätzen Quellen, dass im Jahr 2010 zwischen acht und zehn Millionen Menschen in der Türkei in irgendeiner Weise mit der Gülen-Bewegung verbunden waren (NL-MFA 2.3.2022, S. 39).

Die Verwandten von hochrangigen Gülenisten sind besonders gefährdet, dieAufmerksamkeit der Behörden auf sich zu ziehen. Es gab jedoch auch mehrere Fälle von Familien, die einen GülenUnterstützer in ihren Reihen hatten, ohne dass die Angehörigen Probleme mit den türkischen Behörden hatten (NL-MFA 2.3.2022, S. 41).

Die Strafverfolgungsbehörden wenden zur Identifizierung vermeintlicher Gülen-Mitglieder eine Überwachungs-Software an, die anhand von 78 Haupt- und 253 Sekundärkriterien Verdächtigte ausfindig macht, der sog. „FETÖ-Meter“. Dazu gehören etwa Daten über den Bildungswerdegang, die Verwandtschaft und den Vermögensstand. Verdächtige Merkmale sind beispielsweise der Dienst in einer NATO-Vertretung im Ausland oder ein Doktorat. Bei Militärangehörigen gilt die eigene Hochzeit außerhalb von Gebäuden im Besitz des Militärs als Verdachtsmoment, weil unterstellt wird, dass dies der Verschleierung der Identitäten der Hochzeitsgäste diente (TM 5.3.2021). Das FETÖ-Meter sammelte zu Beginn insbesondere nachrichtendienstliche Daten aus allen Bereichen der Armee sowie aus Ministerien und Behörden, um mögliche, aus der Sicht der Behörden, Infiltratoren aufzuspüren. Die Ermittler untersuchten mit dem Tool auch etwa 1 Million Handynummern, die auf ehemalige und noch dienende Marineoffiziere registriert waren und fanden angeblich heraus, dass 1.500 von ihnen Nutzer der verschlüsselten Messenger-App „ByLock“ waren. Ebenso wurden die Kontoinformationen von Offizieren bei der inzwischen aufgelösten Bank Asya zur Identifizierung verwendet (DS 12.9.2018). Der FETÖ-Meter inspirierte auch andere staatliche Stellen zu einer ähnlichen Politik, wie die Sozialversicherungsanstalt (SGK), die seit vier Jahren mutmaßliche Gülen-Sympathisanten in ihrer Datenbank mit dem „Code 36“ kennzeichnet. Die Kennzeichnung ist automatisch für jeden potenziellen Arbeitgeber sichtbar, was zu Befürchtungen bei denjenigen führt, die erwägen, eine dieser Personen einzustellen (TM 5.3.2021).

Es ist ein soziales Stigma, ein Gülen-Mitglied zu sein, weshalb sich viele Bürger von ihnen distanzieren. Diese Haltung beruht nicht immer auf Hass und Abneigung, sondern ist eine Form des Selbstschutzes, aus Angst strafrechtlich verfolgt zu werden, wenn sie mit Personen der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Infolgedessen haben vermeintliche oder tatsächliche Gülen-Mitglieder auch ihren Arbeitsplatz verloren oder fanden keine (neue) Anstellung (NL-MFA 2.3.2022, S. 41). Es gibt Berichte, wonach arbeitslose GülenMitglieder zur Schattenwirtschaft auf der Straße oder zu einem Leben als Selbstversorger im Dorf ihrer Vorfahren verdammt sind (NL-MFA 18.3.2021, S. 43).

Urteile des EGMR und des türkischen Kassationsgerichtes

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 23.11.2021 ein Urteil zu 427 türkischen Richtern und Staatsanwälten gefällt, darunter Mitglieder des Kassationsgerichtshofs und des Staatsrates [oberstes Verwaltungsgericht], die wegen des Verdachtes der Zugehörigkeit zur Gülen-Bewegung aus dem Staatsdienst entlassen und festgenommen worden waren. Gemäß EGMR-Urteil war deren Inhaftierung willkürlich und damit rechtswidrig. Die Türkei wurde deshalb zu Schadensersatzzahlungen von 5.000 EUR pro Person verurteilt. Im Verfahren ging es vor allem um die Frage, ob die besagten Vertreter der Justiz überhaupt in Untersuchungshaft genommen werden durften, da das türkische Recht dies für die Mitglieder der Justiz nicht erlaubt, mit Ausnahme bei unmittelbarer Verübung einer Straftat, worauf sich die türkische Regierung berief. Diese Begründung wies der EGMR als abwegig zurück, da die Mitgliedschaft in einer Organisation keine „in flagranti“-Tat sein könne (BAMF 6.12.2021, S. 14). Anfang September 2022 entschied der EGMR, dass die Untersuchungshaft von 230 Richtern und Staatsanwälten nach dem gescheiterten Putsch 2016 rechtswidrig war und dass die Türkei jedem Antragsteller 5.000 Euro Schadenersatz zahlen muss. Bei 209 Beschwerdeführern habe die Untersuchungshaft nicht in einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren stattgefunden, während bei den übrigen 21 Klägern die Verdachtsmomente keine Begründung für die Verhängung einer Untersuchungshaft konstituierten (TM 6.9.2022).

Das Kassationsgericht (i.e. Oberstes Appelationsgericht) sprach am 21.6.2022, sechs Jahre nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei, 71 ehemalige Militärschüler frei, die wegen Beteiligung am Umsturzversuch zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren (Spiegel 23.6.2022; vgl. Bianet 22.6.2022). Das Kassationsgericht (i.e. Oberstes Appelationsgericht) sprach am 21.6.2022, sechs Jahre nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei, 71 ehemalige Militärschüler frei, die wegen Beteiligung am Umsturzversuch zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren (Spiegel 23.6.2022; vergleiche Bianet 22.6.2022).

Verfolgung im Ausland: Auslieferungsanträge und Entführungen

Über 100 mutmaßliche Mitglieder der Gülen-Bewegung wurden laut türkischem Außenminister vom Geheimdienst (MİT) im Ausland entführt und im Rahmen der globalen Fahndung der Regierung in die Türkei zurückgebracht (SCF 16.7.2018). Laut Justizminister Abdülhamit Gül waren es Ende März 2019 107 (Anadolu 27.3.2019). Der türkische Nachrichtendienst MİT als Hauptakteur organisierte verdeckte Operationen, um hauptsächlich Personen mit angeblichen Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu entführen und in die Türkei zu bringen, manchmal in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des Landes und in einigen anderen Fällen, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, diese zu informieren. Etliche Regierungen unterstützten die türkische Seite, indem sie selbst die Verfolgung bzw. Auslieferung von vermeintlichen Gülen-Mitgliedern in ihren jeweiligen Ländern durchführten (AST 9.2020). Zu Beginn des Jahres 2021 wurden mindestens 17 Staaten gezählt, an deren Spitze Saudi-Arabien, die seit 2016 Personen mit Verbindungen zur Gülen-Bewegung an die Türkei auslieferten (FT 14.1.2021). So lieferte die Ukraine Anfang Jänner 2021 zwei hochrangige Mitglieder der Gülen-Bewegung, die zuvor im Irak tätig waren, an Ankara aus (AM 6.1.2021). Mitte Februar 2021 wurden im Rahmen einer Operation des MİT in Usbekistan zwei angebliche Gülen-Mitglieder in die Türkei verbracht (DS 15.2.2021). Im Mai 2021 entführte der türkische Geheimdienst Selahaddin Gülen, einen Neffen von Fethullah Gülen, in Kenia. Die türkischen Behörden warfen dem Neffen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vor (DW 31.5.2021; vgl. France24 31.5.2021). Im März 2022 wurde Selahaddin Gülen zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Ursprünglich war er zu zwölf Jahren verurteilt worden. Seine Strafe wurde jedoch reduziert, nachdem das Richtergremium zu der Auffassung gelangt war, dass er von der Bestimmung über die wirksame Reue nach dem türkischen Strafgesetzbuch profitieren könnte, die ihm eine Teilamnestie gewährte, nachdem er zum Informanten geworden war (TP 22.3.2022; vgl. TM 22.3.2022) und laut Medienberichten über 200 Namen vermeintlicher Gülen-Mitglieder genannt hatte (TM 22.3.2022). Mitte November 2022 wurde Uğur Demirok, gegen den ein türkischer Haftbefehl wegen „Gründung und Leitung einer bewaffneten terroristischen Vereinigung“ vorlag, vom türkischen Geheimdienst MİT bei einer Operation in Aserbaidschan gefasst und in die Türkei gebracht (HDN 14.11.2022). Ebenfalls in Aserbaidschan entführte der türkische Geheimdienst Mitte April 2023 den vermeintlichen Kopf der Gülen-Bewegung in Aserbaidschan bis 2014, Mehmet Cintosun, und verbrachte ihn in die Türkei (Cumhuriyet 18.4.2023; vgl. apa.az 14.4.2023). Das Europäische Parlament verurteilte im Juni 2022 (wie schon zuvor im Mai 2021) die Auslieferung durch Drittstaaten bzw. Entführung türkischer Staatsangehöriger aus politischen Gründen unter Verletzung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit und der grundlegenden Menschenrechte (EP 7.6.2022, S. 19, Pt. 31). Über 100 mutmaßliche Mitglieder der Gülen-Bewegung wurden laut türkischem Außenminister vom Geheimdienst (MİT) im Ausland entführt und im Rahmen der globalen Fahndung der Regierung in die Türkei zurückgebracht (SCF 16.7.2018). Laut Justizminister Abdülhamit Gül waren es Ende März 2019 107 (Anadolu 27.3.2019). Der türkische Nachrichtendienst MİT als Hauptakteur organisierte verdeckte Operationen, um hauptsächlich Personen mit angeblichen Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu entführen und in die Türkei zu bringen, manchmal in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des Landes und in einigen anderen Fällen, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, diese zu informieren. Etliche Regierungen unterstützten die türkische Seite, indem sie selbst die Verfolgung bzw. Auslieferung von vermeintlichen Gülen-Mitgliedern in ihren jeweiligen Ländern durchführten (AST 9.2020). Zu Beginn des Jahres 2021 wurden mindestens 17 Staaten gezählt, an deren Spitze Saudi-Arabien, die seit 2016 Personen mit Verbindungen zur Gülen-Bewegung an die Türkei auslieferten (FT 14.1.2021). So lieferte die Ukraine Anfang Jänner 2021 zwei hochrangige Mitglieder der Gülen-Bewegung, die zuvor im Irak tätig waren, an Ankara aus (AM 6.1.2021). Mitte Februar 2021 wurden im Rahmen einer Operation des MİT in Usbekistan zwei angebliche Gülen-Mitglieder in die Türkei verbracht (DS 15.2.2021). Im Mai 2021 entführte der türkische Geheimdienst Selahaddin Gülen, einen Neffen von Fethullah Gülen, in Kenia. Die türkischen Behörden warfen dem Neffen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vor (DW 31.5.2021; vergleiche France24 31.5.2021). Im März 2022 wurde Selahaddin Gülen zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Ursprünglich war er zu zwölf Jahren verurteilt worden. Seine Strafe wurde jedoch reduziert, nachdem das Richtergremium zu der Auffassung gelangt war, dass er von der Bestimmung über die wirksame Reue nach dem türkischen Strafgesetzbuch profitieren könnte, die ihm eine Teilamnestie gewährte, nachdem er zum Informanten geworden war (TP 22.3.2022; vergleiche TM 22.3.2022) und laut Medienberichten über 200 Namen vermeintlicher Gülen-Mitglieder genannt hatte (TM 22.3.2022). Mitte November 2022 wurde Uğur Demirok, gegen den ein türkischer Haftbefehl wegen „Gründung und Leitung einer bewaffneten terroristischen Vereinigung“ vorlag, vom türkischen Geheimdienst MİT bei einer Operation in Aserbaidschan gefasst und in die Türkei gebracht (HDN 14.11.2022). Ebenfalls in Aserbaidschan entführte der türkische Geheimdienst Mitte April 2023 den vermeintlichen Kopf der Gülen-Bewegung in Aserbaidschan bis 2014, Mehmet Cintosun, und verbrachte ihn in die Türkei (Cumhuriyet 18.4.2023; vergleiche apa.az 14.4.2023). Das Europäische Parlament verurteilte im Juni 2022 (wie schon zuvor im Mai 2021) die Auslieferung durch Drittstaaten bzw. Entführung türkischer Staatsangehöriger aus politischen Gründen unter Verletzung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit und der grundlegenden Menschenrechte (EP 7.6.2022, S. 19, Pt. 31).

Das Amt für Auslands-Türken (YTB) sowie die Türkische Agentur für Kooperation und Koordination (TİKA) sind ebenfalls aktiv an den verdeckten Geheimdienstoperationen in aller Welt beteiligt gewesen. Auch die Direktion für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) wirkt mit, unter Auslands-Türken Regierungskritiker ausfindig zu machen. Nicht zuletzt sammeln staatlich finanzierte private Denkfabriken und Organisationen wie die Union der EuropäischTürkischen Demokraten (UETD) und die Stiftung für politische, wirtschaftliche und soziale

Forschung (SETA) Informationen über Regierungskritiker [Anm.: nicht nur über GülenMitglieder] (AST 9.2020).

2021 behauptete das türkische Justizministerium, es habe 109 Länder um die Auslieferung von insgesamt 1.022 Gülen-Verdächtigen gebeten. 28 Länder hätten infolgedessen insgesamt

118 Gülenisten ausgeliefert (NL-MFA 2.3.2022, S. 40; vgl. TRT 14.7.2021). Die Internationale 118 Gülenisten ausgeliefert (NL-MFA 2.3.2022, S. 40; vergleiche TRT 14.7.2021). Die Internationale

Kriminalpolizeiliche Organisation (INTERPOL) lehnte es laut dem Leiter der INTERPOL-

Abteilung des türkischen Innenministeriums in 773 Fällen ab, eine sogenannte Red Notice für

Personen mit angeblichen Verbindungen zur Gülen-Bewegung auszustellen, nachdem INTERPOL diese Anträge als politisch eingestuft hatte (SCF 4.6.2021; vgl. Ahval 5.6.2021). Personen mit angeblichen Verbindungen zur Gülen-Bewegung auszustellen, nachdem INTERPOL diese Anträge als politisch eingestuft hatte (SCF 4.6.2021; vergleiche Ahval 5.6.2021).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 24.8.2022
AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (24.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, https://www.ecoi.net/en/file/local/2037143/Deutschland___Ausw%C3 %A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_de r_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2020%29%2C_24.08.2020.pdf, Zugriff 9.6.2021
Ahval (18.10.2022): Turkey detains 542 over alleged Gülen links in nationwide operation, https://ah valnews.com/gulen-movement/turkey-detains-542-over-alleged-gulen-links-nationwide-operation, Zugriff 20.10.2022
Ahval (22.2.2022): Turkish police detain 123 over alleged Gülen links, https://ahvalnews.com/gule n-movement/turkish-police-detain123-over-alleged-gulen-links, Zugriff 23.2.2022
Ahval (5.6.2021): Interpol rejected over 770 red notice requests by Turkey for alleged Gülenists, https://ahvalnews.com/gulenmovement/interpol-rejected-over-770-red-notice-requests-turkey-all eged-gulenists, Zugriff 11.2.2022
Ahval (27.6.2020): Turkey’s top court rules messaging app as evidence for terror links, https: //ahvalnews.com/bylock/turkeystop-court-rules-messaging-app-evidence-terror-links, Zugriff 11.2.2022
AM – Al Monitor (6.1.2021): Ukraine deports suspected Gulen supporters to Turkey, https://www.al -monitor.com/pulse/originals/2021/01/turkey-ukraine-deport-suspected-gulen-supporters-fidan-g ure.html, Zugriff 11.2.2022 AM – Al Monitor (16.9.2020): Rights advocates decry mass detention of Turkish lawyers, https: //www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/09/turkey-human-rights-lawyers-mass-detention.html, Zugriff 11.2.2022 Anadolu – Anadolu Agency (17.2.2022): Turkish police in Ankara last year nabbed over 4,700 FETO terror suspects, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkish-police-in-ankara-last-year-nabbed-over-4 -700-feto-terror-suspects/2505791, Zugriff 23.2.2022
Anadolu – Anadolu Agency (19.3.2023): İzmir merkezli FETÖ operasyonunda 47 şüpheli yakalandı [47 Verdächtige bei FETÖEinsatz in Izmir verhaftet], https://www.aa.com.tr/tr/gundem/izmir-mer kezli-feto-operasyonunda-47-supheliyakalandi/2849394, Zugriff 22.3.2023
Anadolu – AnadoluAgency (11.1.2022): 113 FETO terror suspects nabbed across Turkiye, https: //www.aa.com.tr/en/turkey/113-fetoterror-suspects-nabbed-across-turkiye/2470896, Zugriff 11.2.2022
Anadolu – Anadolu Agency (25.5.2021): 9 FETO suspects arrested in Turkey’s capital, https: //www.aa.com.tr/en/july-15-coup-bid/9feto-suspects-arrested-in-turkeys-capital/2253192, Zugriff 11.2.2022
Anadolu – Anadolu Agency (10.3.2021): 51 FETO terror suspects nabbed in Turkey, https://www. aa.com.tr/en/turkey/51-feto-terrorsuspects-nabbed-in-turkey/2170574, Zugriff 11.2.2022
Anadolu – Anadolu Agency (30.12.2020): Turkey: 132 verdicts in major FETO terrorism case, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkey-132-verdicts-in-major-feto-terrorism-case/2093839, Zugriff 11.2.2022
Anadolu – Anadolu Agency (27.3.2019): 107 FETO fugitives brought back to Turkey so far, https: //www.aa.com.tr/en/turkey/107-fetofugitives-brought-back-to-turkey-so-far/1431325, Zugriff 11.2.2022
AP – Associated Press (7.4.2021): Turkey sentences dozens to life terms over 2016 failed coup, https://apnews.com/article/turkey-television-trials-recep-tayyip-erdogan-ankara-7a2b2f3429ba3 0daf2b7a8a017be6569, Zugriff 11.2.2022 apa.az (14.4.2023): Turkish National Intelligence Organization conducts operation: Responsible person of FETÖ for Azerbaijan Mehmet Jintosun brought to Türkiye, https://apa.az/en/incident/tur kish-national-intelligence-organization-conductsoperation-responsible-person-of-feto-for-azerb aijan-mehmet-jintosun-brought-to-turkiye-400929, Zugriff 21.4.2023
AST – Advocates of Silenced Turkey (9.2020): Erdogan’s long arms: abductions in Turkey and abroad, https://silencedturkey.org/wp-content/uploads/2020/09/Abductions-Report-September-7 -1.pdf, Zugriff 11.2.2022

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.2.2023): Briefing Notes, KW 6, Gülen-Bewegung, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNot es/2023/briefingnotes-kw062023.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 8.2.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (23.5.2022): Briefing Notes, KW 21, Verhaftungen Gülen-Bewegung, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationsz entrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw21-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 24.5.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (7.3.2022): Briefing Notes,Verhaftungen von mutmaßlichen Gülen-Mitgliedern, KW 10, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*r de/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw10-2022.html, Zugriff 22.3.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (14.2.2022): Briefing Notes, Verhaftungen wegen Nutzung der ByLock-App, KW 7, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Infor mationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw072022.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 15.2.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (24.1.2022): Briefing Notes, Verhaftungen mutmaßlicher Mitglieder der GülenBewegung, KW 4, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/ Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnoteskw04-2022.pdf?__blob=publica tionFile&v=3, Zugriff 11.2.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.1.2022): Briefing Notes, Verhaftung mutmaßlicher Gülen-Mitglieder, KW 2, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informati onszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw022022.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 11.2.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.12.2021): Briefing Notes, EGMR-Urteil zu Festnahmen wegen Verdachts der Zugehörigkeit zur Gülen-Bewegung, KW 49, https://www.bamf

.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-k w49-2021.html, Zugriff 11.2.2022
BBC – BBC News (21.7.2016): Turkey coup: What is Gulen movement and what does it want?, http://www.bbc.com/news/world-europe36855846, Zugriff 11.2.2022
Bianet (22.6.2022): 2016 coup attempt: Court of Cassation overturns life sentences for 71 cadets,

https://bianet.org/english/politics/263622-2016-coup-attempt-court-of-cassation-overturns-life-s entences-for-71-cadets, Zugriff 28.6.2022 bpb – Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (1.9.2014): Die Gülen-Bewegung in der Türkei und Deutschland, http://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/184979/guelen-beweg ung, Zugriff 11.2.2022
Cagaptay, Soner (2021): A Sultan in Autumn - Erdogan Faces Turkey’s Uncontainable Forces, Washington Institute, https://www.washingtoninstitute.org/media/4600, Zugriff 27.6.2022
Cumhuriyet (18.4.2023): Türkiye’ye getirilmişti: FETÖ üyesi Mehmet Cintosun tutuklandı [Er wurde in die Türkei gebracht: FETO-Mitglied Mehmet Cintosun verhaftet], https://www.cumhuriyet.com.tr/ turkiye/turkiyeye-getirilmisti-feto-uyesi-mehmet-cintosun-tutuklandi2072928, Zugirff 21.4.2023
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pdf, Zugriff 11.2.2022
Dohrn, Kristina (27.2.2017): DIE GÜLEN-BEWEGUNG – Entstehung und Entwicklung eines muslimischen Netzwerks. In: Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschlanfd]: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2017-09-10_online.pdf, Zugriff 11.2.2022 DS – Daily Sabah (21.12.2022): Turkish Maarif Foundation schools open new campus in Skopje, https://www.dailysabah.com/politics/diplomacy/turkish-maarif-foundation-schools-open-new-cam pus-in-skopje, Zugriff 31.5.2023 DS – Daily Sabah (8.12.2022): 42 sentenced over FETÖ’s 2016 coup bid in Türkiye, https://www.dailysabah.com/turkey/42-sentencedover-fetos-2016-coup-bid-in-turkiye/news, Zugriff 13.12.2022
DS – Daily Sabah (20.11.2022): Türkiye detained more than 339,000 FETÖ suspects since 2016 coup bid, https://www.dailysabah.com/turkey/investigations/turkiye-detained-more-than-339000-f eto-suspects-since-2016-coup-bid, Zugriff 25.11.2022
DS – Daily Sabah (18.10.2022): Over 660 FETÖ suspects detained in anti-terror ops across Türkiye, https://www.dailysabah.com/turkey/over-660-feto-suspects-detained-in-anti-terror-ops-across-tur kiye/news, Zugriff 20.10.2022 DS – Daily Sabah (21.6.2022): 44 arrested in ops against FETÖ infiltrators in Turkish army, https: //www.dailysabah.com/turkey/investigations/44-arrested-in-ops-against-feto-infiltrators-in-turkish -army, Zugriff 27.6.2022
DS – Daily Sabah (14.6.2022): 53 arrested, more wanted in wave of FETÖ ops in Turkey, https://ww w.dailysabah.com/turkey/investigations/53-arrested-more-wanted-in-wave-of-feto-ops-in-turkey, Zugriff 27.6.2022 DS – Daily Sabah (24.5.2022): 92 suspects arrested in operations against FETÖ in Turkey, https: //www.dailysabah.com/turkey/investigations/92-suspects-arrested-in-operations-against-feto-in-t urkey, Zugriff 24.5.2022
DS – Daily Sabah (17.5.2022): 35 nabbed in operations against FETÖ across Turkey, https://www. dailysabah.com/turkey/investigations/35-nabbed-in-operations-against-feto-across-turkey, Zugriff 24.5.2022
DS – Daily Sabah (26.4.2022): 26 arrested in operations against FETÖ across Turkey, https: //www.dailysabah.com/turkey/26-arrested-in-operations-against-feto-across-turkey/news, 2.5.2022 DS – Daily Sabah (19.4.2022): 133 suspects arrested in operations against FETÖ in Turkey, https: //www.dailysabah.com/turkey/investigations/133-suspects-arrested-in-operations-against-feto-i n-turkey, 2.5.2022 DS – Daily Sabah (13.4.2022): Soldiers among 21 nabbed over FETÖ links in Turkey, https: //www.dailysabah.com/turkey/investigations/soldiers-among-21-nabbed-over-feto-links-in-turkey, 2.5.2022 DS – Daily Sabah (8.3.2022): 105 arrested in operations against FETÖ across Turkey, https://www.dailysabah.com/turkey/investigations/105-arrested-in-operations-against-feto-across-turkey, Zugriff 22.3.2022 DS – Daily Sabah (1.3.2022): 96 arrested in new round of nationwide ops against FETÖ in Turkey, https://www.dailysabah.com/turkey/investigations/96-arrested-in-new-round-of-nationwide-ops-a gainst-feto-in-turkey, Zugriff 22.3.2022
DS - Daily Sabah (4.1.2022): 70 arrested in nationwide ops against FETÖ in Turkey, https://www.dailysabah.com/turkey/investigations/70-arrested-in-nationwide-ops-against-feto-in-turkey, Zugriff 11.2.2022
DS – Daily Sabah (15.2.2021): 2 FETÖ members linked with PKK brought from Uzbekistan to Turkey, https://www.dailysabah.com/politics/war-on-terror/2-feto-members-linked-with-pkk-broug ht-from-uzbekistan-to-turkey, Zugriff 11.2.2022
DS – Daily Sabah (26.1.2021): Ops against FETÖ nets terrorist group’s infiltrators in Turkey, https: //www.dailysabah.com/turkey/investigations/ops-against-feto-nets-terrorist-groups-infiltrators-in-turkey, Zugriff 11.2.2022
DS – Daily Sabah (26.11.2020): Turkish court sentences FETÖ masterminds, pilots to life over 2016 coup attempt, https://www.dailysabah.com/turkey/turkish-court-sentences-feto-masterminds -pilots-to-life-over-2016-coup-attempt/news, Zugriff 11.2.2022
DS – Daily Sabah (18.9.2019): 53 arrested in operations against FETÖ, https://www.dailysabah.c om/investigations/2019/09/18/53arrested-in-operations-against-feto, Zugriff 11.2.2022
DS – Daily Sabah (12.9.2018): Turkish Army taps into technology, intelligence to weed out FETÖ, https://www.dailysabah.com/investigations/2018/09/12/turkish-army-taps-into-technology-intellige nce-to-weed-out-feto, Zugriff 11.2.2022
DS – Daily Sabah (31.7.2018): Maarif Foundation President Birol Akgün: Turkey now controls 60 percent of non-Western FETÖ schools, https://www.dailysabah.com/politics/2018/07/30/maarif-f oundation-president-birol-akgun-turkey-now-controls-60-percent-of-nonwestern-feto-schools, Zugriff 11.2.2022
DS – Daily Sabah (11.2.2018): Depositing money in Bank Asya on Gülen’s order proof of FETÖ membership, https://www.dailysabah.com/investigations/2018/02/12/depositing-money-in-bank-a sya-on-gulens-order-proof-of-feto-membership1518386092, Zugriff 11.2.2022
DW – Deutsche Welle (31.5.2021): Türkei nimmt Gülen-Neffen im Ausland fest, https://www.dw.com/de/t%C3%Bcrkei-nimmtg%C3%Bclen-neffen-im-ausland-fest/a-57730016, Zugriff 11.2.2022
DW – Deutsche Welle (7.4.2021): Nach Putschversuch: Lange Haftstrafen für viele Angeklagte, https://www.dw.com/de/nachputschversuch-lange-haftstrafen-f%C3%BCr-viele-angeklagte/a-5 7125556, Zugriff 11.2.2022f

DW – Deutsche Welle (13.7.2018): Die Gülen-Bewegung: Neues Zentrum ’Almanya’, https://www. dw.com/de/die-g%C3%Bclenbewegung-neues-zentrum-almanya/a-44645120, Zugriff 11.2.2022 DW – Deutsche Welle (14.12.2014): Razzien gegen Gülen-Anhänger in der Türkei, https://www. dw.com/de/razzien-gegen-g%C3%BClen-anh%C3%A4nger-in-der-t%C3%BCrkei/a-18128038, Zugriff 11.2.2022

EC – European Commission (17.4.2018): Turkey 2018 Report [SWD (2018) 153 final], https://ec.europa.eu/neighbourhoodenlargement/sites/near/files/20180417-turkey-report.pdf, Zugriff 11.2.2022
ECHR – European Court of Human Rights (20.7.2021): Pre-trial detention of an applicant suspected of belonging to the organisation FETÖ/PDY on account of his use of the ByLock messaging application: violation of the Convention [ECHR 233 (2021)], https://hudoc.echr.coe.int/app/conve rsion/pdf/?library=ECHR&id=003-7082696-9577454&filename=Judgment%20Akgun%20v.%20 Turkey%20-%20pre-trial%20detention%20of%20an%20applicant%20suspected%20of%20FET% C3%96/PDY%20membership:%20violation%20of%20the%20Convention.pdf, Zugriff 11.2.2022
EP - Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.europarl .europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 27.6.2022
FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.11.2020): Hunderte lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/putschversuch-in-tuerkei-hunderte-lebenslange -haftstrafen-17071748.html, Zugriff 11.2.2022
France24 (31.5.2021): Turkish secret agents snatch Fethullah Gulen’s nephew in Kenya, https: //www.france24.com/en/middleeast/20210531-turkish-secret-agents-snatch-fethullah-gulen-s-n ephew-in-kenya, Zugriff 11.2.2022
FT - Finacial Time (14.1.2021): Erdogan’s great game: Turkish intrigue in the Balkans, https: //eminetra.co.uk/erdogans-great-gameturkish-conspiracy-on-the-balkan-peninsula/22123 7/[kostenpflichtiger Original-Link: https://www.ft.com/content/d99f7b3d-5dcc4894-a455-1af5a43 3175f], Zugriff 11.2.2022
HDN – Hürriyet Daily News (1.2.2023): Large scale FETÖ ops launched to detain 35 suspects, https://www.hurriyetdailynews.com/largescale-feto-ops-launched-to-detain-35-suspects-180535, Zugriff 10.2.2023
HDN – Hürriyet Daily News (14.11.2022): FETÖ member captured in Azerbaijan, https://www.hurr iyetdailynews.com/feto-membercaptured-in-azerbaijan-178477, Zugriff 14.12.2022
HDN – Hürriyet Daily News (5.10.2022): Some 35 nabbed in anti-FETÖ operation in Istanbul, https://www.hurriyetdailynews.com/some35-nabbed-in-anti-feto-operation-in-istanbul-177434, Zugriff 12.10.2022
HDN – Hürriyet Daily News (27.5.2016): Turkey to add Gülen movement to list of terror groups: President, http://www.hurriyetdailynews.com/turkey-to-add-gulen-movement-to-list-of-terror-gro ups-president-.aspx?pageID=238&nID=99762&NewsCatID=338, Zugriff 11.2.2022
HZ – Handelszeitung (Schweiz) (20.7.2016): Fethullah Gülen: Erdogans Staatsfeind Nummer eins, https://www.handelszeitung.ch/panorama/fethullah-gulen-erdogans-staatsfeind-nummer-eins, Zugriff 11.2.2022
ICJ - International Commission of Jurists (14.9.2020): Turkey : End detention of lawyers held for representing clients , says ICJ, https://www.icj.org/turkey-end-detention-of-lawyers-held-for-repre senting-clients-says-icj/, Zugriff 11.2.2022
Jenkins, Gareth (15.4.2014): The Ergenekon Verdicts: Chronicle of an Injustice Foretold, in: Turkey Analyst, The Central Asia-Caucasus Institute and Silk Road Studies Program Joint Center, http: //www.turkeyanalyst.org/publications/turkey-analyst-articles/item/50, Zugriff 27.6.2022
JWF – Journalists and Writers Foundation (1.2019): Turkish Government’s Abuse Of Counter – Terrorism Laws,https://jwf.org/wpcontent/uploads/2019/01/JWF-Policy-Brief-Turkish-Governmen ts-Abuse-of-Counter-terrorism-Laws.pdf, Zugriff 7.6.2023 MEE – Middle East Eye (25.7.2016): ANALYSIS: Dissecting Turkey’s Gulen-Erdogan relationship, https://www.middleeasteye.net/news/analysis-dissecting-turkeys-gulen-erdogan-relationship, Zugriff 11.2.2022
MEI - Middle East Institute [Tanyeri-Erdemir, Tuğba] (20.10.2022): The Costs of a Presidential System: The Impact of Hyper-centralization on Turkey’s Educational and Cultural Affairs, https: //www.mei.edu/sites/default/files/2022-10/The%20Costs%20of%20a%20Presidential%20System %20-%20The%20Impact%20of%20Hyper-centralization%20on%20Turkey%E2%80%99s%20Ed ucational%20and%20Cultural%20Affairs_1.pdf, Zugriff 24.10.2022

Mezopotamya (2.8.2022): The picklock of the government: Anonymous witness, http://mezopota myaajansi35.com/en/ALLNEWS/content/view/178661?page=6, Zugriff 25.11.2022

NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 27.9.2022 NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (18.3.2021): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/r eports/2021/03/18/general-country-of-origin-information-reportturkey/vertaling-aab-turkije.pdf, Zugriff 7.6.2023
NZZ – Neue Zürcher Zeitung (14.2.2020): Erdogan will Gülen Schulen im Ausland schließen lassen, wo das nicht gelingt eigene türkische Schulen errichten, https://www.nzz.ch/international/erdogan

-zieht-weltweit-gegen-die-guelen-schulen-zu-felde-ld.1535234, Zugriff 11.2.2022 ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 21.4.2023 Presse (30.11.2017): EU sieht in türkischer Gülen-Bewegung keine Terrororganisation, https: //www.diepresse.com/5330148/eu-sieht-in-turkischer-gulen-bewegung-keine-terrororganisation, Zugriff 11.2.2022
Qantara (30.9.2013): Erdoğan und die Gülen-Bewegung - Schatten der Macht, https://de.qantara .de/inhalt/erdogan-und-die-guelenbewegung-schatten-der-macht, Zugriff 24.6.2022
Sabah (17.6.2017): Silahlı terör örgütü’ tanımı yargıtay kararıyla tescillendi, https://www.sabah.co m.tr/gundem/2017/06/17/silahliteror-orgutu-tanimi-yargitay-karariyla-tescillendi, Zugriff 11.2.2022 [Übersetzung mittels Google Translate] SCF – Stockholm Center for Freedom (5.5.2023): 31 detained over alleged Gülen links in a week, https://stockholmcf.org/31-detainedover-alleged-gulen-links-in-a-week/, Zugriff 8.5.2023
SCF – Stockholm Center for Freedom (20.3.2023): 47 detained across Turkey for helping families of people jailed over alleged Gülen links, https://stockholmcf.org/47-detained-across-turkey-for-h elping-families-of-people-jailed-over-alleged-gulen-links/, Zugriff 22.3.2023
SCF – Stockholm Center for Freedom (17.3.2023): 58 detained over alleged Gülen links in a week, https://stockholmcf.org/58-detainedover-alleged-gulen-links-in-a-week/, Zugriff 22.3.2023
SCF – Stockholm Center for Freedom (22.11.2021): 319,587 people detained, 99,962 arrested in terrorism operations against the Gülen movement, https://stockholmcf.org/319587-people-detaine d-99962-arrested-in-terrorism-operations-against-the-gulen-movement/, Zugriff 11.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (4.6.2021): INTERPOL denied 773 Red Notice requests by Turkish gov’t for individuals with alleged links to Gülen movement, https://stockholmcf.org/interpol -denied-773-red-notice-requests-by-turkish-govt-for-individuals-with-alleged-links-to-gulen-mov ement/, Zugriff 11.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (4.3.2021): European rights court poses questions to Turkish gov’t on ByLock messaging app, https://stockholmcf.org/european-rights-court-poses-questions-t o-turkish-govt-on-bylock-messaging-app/, Zugriff 11.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (5.10.2020): 20,312 military personnel summarily dismissed from Turkish Armed Forces over alleged Gülen links, https://stockholmcf.org/20312-military-perso nnel-summarily-dismissed-from-turkish-armed-forces-over-alleged-gulenlinks/, Zugriff 11.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (6.8.2019): Newspaper subscription, school enrollment not terrorist activity, says Turkey’s top appeals court, https://stockholmcf.org/newspaper-subscriptio n-school-enrollment-not-terrorist-activity-says-turkeys-top-appealscourt/, Zugriff 11.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (5.2.2019): Erdoğan’s Maarif Foundation has taken over 191 Gülen-linked schools in 21 countries, says chair, https://stockholmcf.org/erdogans-maarif-fou ndation-has-taken-over-191-gulen-linked-schools-in-21-countries-says-chair/, Zugriff 11.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (16.7.2018): Turkish FM says over 100 members of Gülen movement abducted abroad and brought to Turkey, https://stockholmcf.org/turkish-fm-says-ove r-100-members-of-gulen-movement-abducted-abroad-and-brought-toturkey/, Zugriff 11.2.2022
Spiegel (23.6.2022): Türkisches Gericht ordnet Freilassung von 71 Militärschülern an, https://www. spiegel.de/ausland/putschversuchin-der-tuerkei-gericht-ordnet-freilassung-von-71-militaerschue lern-an-a-eced3737-3768-4b4b-a8c7-8d5448e14c6a, Zugriff 28.6.2022
Standard – Der Standard (30.11.2017): EU sieht in Gülen-Bewegung keine Terrororganisation, https://derstandard.at/2000068784722/EU-sieht-in-Guelen-Bewegung-keine-Terrororganisation, Zugriff 11.2.2022
Standard – Der Standard (20.12.2014): Haftbefehl gegen Erdogan-Feind Gülen, https://derstandard.at/2000009628933/hTuerkischer-Zaman-Chefredakteur-unter-Auflagen-frei#, Zugriff 11.2.2022

Taş, Hakkı (16.5.2017): A history of Turkey’s AKP-Gülen conflict, in: Mediterranean Politics, https: //www.academia.edu/33063001/A_History_of_Turkey_s_AKP_G%C3%BClen_Conflict?email_wo rk_card=reading-history, Zugriff 23.6.2022

TM – Turkish Minute (14.2.2023): Turkish Maarif Foundation to take over Gülen-linked schools in Central African Republic, https://www.turkishminute.com/2023/02/14/turkish-maarif-foundation-tak e-over-gulen-linked-school-in-central-african-republic/, Zugriff 31.5.2023
TM – Turkish Minute (8.12.2022): Turkish court hands down prison sentences to dozens of officers in 2016 coup trial, https://www.turkishminute.com/2022/12/08/rkish-court-hands-down-prison-sen tences-to-dozens-of-officers-in-2016-coup-trial/, Zugriff 13.12.2022
TM – Turkish Minute (6.9.2022): Turkey’s post-coup detention of judges and prosecutors was unlawful: EctHR, https://www.turkishminute.com/2022/09/06/post-coup-detention-of-judges-and -prosecutors-was-unlawful-ecthr/, Zugriff 12.10.2022 TM – Turkish Minute (22.3.2022): Teacher abducted from Kenya given 3-year prison sentence due to Gülen links, https://www.turkishminute.com/2022/03/22/her-abducted-from-kenya-given-3-yea r-prison-sentence-due-to-gulen-links/, Zugriff 23.3.2022
TM – Turkish Minute (21.5.2021): Gülen followers face accusations of spreading COVID-19, hom*osexuality in new wave of detentions, https://www.turkishminute.com/2021/05/21/gulen-followe rs-facing-accusations-of-spreading-covid-19-hom*osexuality-in-new-waveof-detentions/, Zugriff 11.2.2022
TM – Turkish Minute (10.4.2021): Turkey hands down 4,820 prison sentences on coup charges since 2016, https://www.turkishminute.com/2021/04/10/turkey-handed-down-4820-prison-sente nces-on-coup-charges-since-2016/, Zugriff 11.2.2022
TM – Turkish Minute (5.3.2021): FETOMETER: an extermination device, https://www.turkishminute.com/2021/03/05/extermination-device/, Zugriff 11.2.2022
TM – Turkish Minute (3.9.2020): 30 students detained over alleged Gulen links denied right to consult a lawyer, https://www.turkishminute.com/2020/09/03/30-students-detained-over-alleged-g ulen-links-denied-right-to-consult-a-lawyer/, Zugriff 11.2.2022
TM –Turkish Minute (15.10.2019): UN working group on arbitrary detention says use of ByLock is freedom of expression, https://www.turkishminute.com/2019/10/15/un-working-group-on-arbitrary -detention-says-use-of-bylock-is-freedom-of-expression/, Zugriff 11.2.2022
TM – Turkish Minute (30.5.2018): Detention warrants issued for 59 Bank Asya customers over alleged Gülen links, https://www.turkishminute.com/2018/05/30/detention-warrants-issued-for-5 9-bank-asya-customers-over-alleged-gulen-links/, Zugriff 11.2.2022
TM – Turkish Minute (2.6.2016): United States: We do not consider Gülen movement ’terrorist organization’, https://www.turkishminute.com/2016/06/02/united-states-not-consider-gulen-mov ement-terrorist-organization/, Zugriff 11.2.2022
TP – Turkey Purge (22.3.2022): Gulen-linked teacher gets 3 years in prison on „terror“ charges: report,http://web.archive.org/web/20220325194423/https://turkeypurge.com/gulen-linked-tea cher-gets-3-years-in-prison-on-terrorcharges-report, Zugriff 7.6.2023 [Original-Link nicht mehr vorhanden - Ersatz-Link von Web Archive] TP – Turkey Purge (16.2.2018): Turkey’s top appeal court says Bank Asya depositors ’terrorist’, http://web.archive.org/web/20220414164016/https://turkeypurge.com/turkeys-top-appeal-cou rt-says-bank-asya-depositors-terrorist, Zugriff 7.6.2023 [Original-Link nicht mehr vorhanden Ersatz-Link von Web Archive] TRT (14.7.2021): Firari FETÖ’cüler için 109 ülkeyle iade trafiği yürütüldü [Auslieferungsverkehr an 109 Länder für flüchtige FETÖ-Mitglieder durchgeführt], https://www.trthaber.com/haber/gundem/firari-fetoculer-icin-109-ulkeyle-iade-trafigi-yurutuldu-5 95700.html, Zugriff 27.9.2022 UKHO – United Kingdom Home Office [Großbritannien] (2.2018): Country Policy and Information Note Turkey: Gülenist Movement, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/ system/uploads/attachment_data/file/682868/Turkey_-_Gulenists__CPIN_-_v2.0.pdf, Zugriff 11.2.2022
UN-HRC – United Nations Human Rights Council Working Group onArbitrary Detention (18.9.2019):

Opinions adopted by the Working Group on Arbitrary Detention at its eighty-fifth session, 12–16 August 2019, Opinion No. 53/2019 concerning Melike Göksan and Mehmet Fatih Göksan (Turkey), https://arrestedlawyers.files.wordpress.com/2018/12/a_hrc_wgad_2019_53.pdf, Zugriff 11.2.2022 ZO – Zeit Online (30.12.2020): Über 100 Soldaten nach Putschversuch verurteilt, https://www.zeit .de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-12/tuerkei-putschversuch-soldatenverurteilung-umsturz-leb enslange-haft-tayyib-erdogan, Zugriff 11.2.2022

Faires Verfahren

Die Auswirkungen dieser Situation auf das Strafrechtssystem zeigen sich dadurch, dass sich zahlreiche seit Langem bestehende Probleme, wie der Missbrauch der Untersuchungshaft, verschärft haben, und neue Probleme hinzugekommen sind. Vor allem bei Fällen von Terrorismus und Organisierter Kriminalität hat die Missachtung grundlegender Garantien für ein faires Verfahren durch die türkische Justiz und die sehr lockere Anwendung des Strafrechts auf eigentlich rechtskonforme Handlungen zu einem Grad an Rechtsunsicherheit und Willkür geführt, der das Wesen des Rechtsstaates gefährdet (CoE-CommDH 19.2.2020). 2021 betrafen von den 73 Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Sinne der Verletzung der Menschenrechte in der Türkei allein 16 das Recht auf ein faires Verfahren (ECHR 1.2023). Die fehlende Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte ist die wichtigste Ursache für die vom EGMR in seinen Urteilen gegen die Türkei häufig monierten Verletzungen von Regelungen zu fairen Gerichtsverfahren, obgleich dieses Grundrecht in der Verfassung verankert ist (ÖB 30.11.2022, S. 7)

Bereits im Juni 2020 wies der Präsident des türkischen Verfassungsgerichts, Zühtü Arslan, darauf hin, dass die Mehrzahl der Rechtsverletzungen (52 %) auf das Fehlen eines Rechts auf ein faires Verfahren zurückzuführen ist, was laut Arslan auf ein ernstes Problem hinweise, das gelöst werden müsse (Duvar 9.6.2020). 2022 zitiert das Europäische Parlament den Präsidenten des türkischen Verfassungsgerichtes, wonach mehr als 73 % der über 66.000 im Jahr 2021 eingereichten Gesuche sich auf das Recht auf ein faires Verfahren beziehen, was den Präsidenten veranlasste, die Situation als katastrophal zu bezeichnen (EP 7.6.2022, S. 12, Pt. 16).

Mängel gibt es weiters beim Umgang mit vertraulich zu behandelnden Informationen, insbesondere persönlichen Daten und beim Zugang zu den erhobenen Beweisen gegen Beschuldigte sowie bei den Verteidigungsmöglichkeiten der Rechtsanwälte bei sog. Terror-Prozessen. Fälle mit Bezug auf eine angebliche Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung oder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) werden häufig als geheim eingestuft, mit der Folge, dass Rechtsanwälte bis zur Anklageerhebung keine Akteneinsicht nehmen können. Gerichtsprotokolle werden mit wochenlanger Verzögerung erstellt. Beweisanträge der Verteidigung und die Befragung von Belastungszeugen durch die Verteidiger werden im Rahmen der Verhandlungsführung des Gerichts eingeschränkt. Geheime Zeugen können im Prozess nicht direkt befragt werden. Der subjektive Tatbestand wird nicht erörtert, sondern als gegeben unterstellt (AA 28.7.2022, S. 12; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 8, AI 26.10.2020, HRW 10.4.2019). Einerseits werden oftmals das Recht auf Zugang zur Justiz und das Recht auf Verteidigung aufgrund der vorgeblichen Vertraulichkeit der Unterlagen eingeschränkt, andererseits tauchen gleichzeitig in den Medien immer wieder Auszüge aus den Akten der Staatsanwaltschaft auf, was zu Hetzkampagnen gegen die Verdächtigten/Angeklagten führt und nicht selten die Unschuldsvermutung verletzt (ÖB 30.11.2022, S. 8). Mängel gibt es weiters beim Umgang mit vertraulich zu behandelnden Informationen, insbesondere persönlichen Daten und beim Zugang zu den erhobenen Beweisen gegen Beschuldigte sowie bei den Verteidigungsmöglichkeiten der Rechtsanwälte bei sog. Terror-Prozessen. Fälle mit Bezug auf eine angebliche Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung oder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) werden häufig als geheim eingestuft, mit der Folge, dass Rechtsanwälte bis zur Anklageerhebung keine Akteneinsicht nehmen können. Gerichtsprotokolle werden mit wochenlanger Verzögerung erstellt. Beweisanträge der Verteidigung und die Befragung von Belastungszeugen durch die Verteidiger werden im Rahmen der Verhandlungsführung des Gerichts eingeschränkt. Geheime Zeugen können im Prozess nicht direkt befragt werden. Der subjektive Tatbestand wird nicht erörtert, sondern als gegeben unterstellt (AA 28.7.2022, S. 12; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 8, AI 26.10.2020, HRW 10.4.2019). Einerseits werden oftmals das Recht auf Zugang zur Justiz und das Recht auf Verteidigung aufgrund der vorgeblichen Vertraulichkeit der Unterlagen eingeschränkt, andererseits tauchen gleichzeitig in den Medien immer wieder Auszüge aus den Akten der Staatsanwaltschaft auf, was zu Hetzkampagnen gegen die Verdächtigten/Angeklagten führt und nicht selten die Unschuldsvermutung verletzt (ÖB 30.11.2022, S. 8).

Einschränkungen für den Rechtsbeistand ergeben sich auch bei der Festnahme und in der Untersuchungshaft. - So sind die Staatsanwälte beispielsweise befugt, die Polizei mit nachträglicher gerichtlicher Genehmigung zu ermächtigen, Anwälte daran zu hindern, sich in den ersten 24 Stunden des Polizeigewahrsams mit ihren Mandanten zu treffen, wovon sie laut Human Rights Watch auch routinemäßig Gebrauch machen. Die privilegierte Kommunikation von Anwälten mit ihren Mandanten in der Untersuchungshaft wurde faktisch abgeschafft, da es den Behörden gestattet ist, die gesamte Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant aufzuzeichnen und zu überwachen (HRW 10.4.2019).

Die Verfassung sieht zwar das Recht auf ein faires öffentliches Verfahren vor, doch Anwaltskammern und Rechtsvertreter behaupten, dass die zunehmende Einmischung der Exekutive in die Justiz und die Maßnahmen der Regierung durch die Notstandsbestimmungen dieses Recht gefährden. Einige Anwälte gaben an, dass sie zögerten, Fälle anzunehmen, insbesondere solche von Verdächtigen, die wegen Verbindungen zur PKK oder zur Gülen-Bewegung angeklagt waren, aus Angst vor staatlicher Vergeltung, einschließlich Strafverfolgung (USDOS 20.3.2023, S. 11, 19). Strafverteidiger, dieAngeklagte in Terrorismusverfahren vertreten, sind mit Verhaftung und Verfolgung aufgrund der gleichen Anklagepunkte wie ihre Mandanten konfrontiert (USDOS 20.3.2022, S. 11; vgl. Turkish Tribunal 2.2021, S. 41, HRW 13.1.2021). Das EP zeigte sich entsetzt „wonach Anwälte, die des Terrorismus beschuldigte Personen vertreten, wegen desselben Verbrechens, das ihren Mandanten zur Last gelegt wird, oder eines damit zusammenhängenden Verbrechens strafrechtlich verfolgt wurden, das heißt, es wird ein Kontext geschaffen, in dem ein eindeutiges Hindernis für die Wahrnehmung des Rechts auf ein faires Verfahren und den Zugang zur Justiz errichtet wird“ (EP 7.6.2022, S.12, Pt.15). Beispielsweise wurden im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung am 11.9.2020 47 Anwälte in Ankara und sieben weiteren Provinzen aufgrund eines Haftbefehls der Oberstaatsanwaltschaft Ankara festgenommen. 15 Anwälte blieben wegen „Terrorismus“-Anklagen in Untersuchungshaft, der Rest wurde gegen Kaution freigelassen. Ihnen wurde vorgeworfen, angeblich auf Weisung der Gülen-Bewegung gehandelt und die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Klienten (vermeintliche Mitglieder der Gülen-Bewegung) zugunsten der Gülen-Bewegung beeinflusst zu haben (AI 26.10.2020). Die Verfassung sieht zwar das Recht auf ein faires öffentliches Verfahren vor, doch Anwaltskammern und Rechtsvertreter behaupten, dass die zunehmende Einmischung der Exekutive in die Justiz und die Maßnahmen der Regierung durch die Notstandsbestimmungen dieses Recht gefährden. Einige Anwälte gaben an, dass sie zögerten, Fälle anzunehmen, insbesondere solche von Verdächtigen, die wegen Verbindungen zur PKK oder zur Gülen-Bewegung angeklagt waren, aus Angst vor staatlicher Vergeltung, einschließlich Strafverfolgung (USDOS 20.3.2023, S. 11, 19). Strafverteidiger, dieAngeklagte in Terrorismusverfahren vertreten, sind mit Verhaftung und Verfolgung aufgrund der gleichen Anklagepunkte wie ihre Mandanten konfrontiert (USDOS 20.3.2022, S. 11; vergleiche Turkish Tribunal 2.2021, S. 41, HRW 13.1.2021). Das EP zeigte sich entsetzt „wonach Anwälte, die des Terrorismus beschuldigte Personen vertreten, wegen desselben Verbrechens, das ihren Mandanten zur Last gelegt wird, oder eines damit zusammenhängenden Verbrechens strafrechtlich verfolgt wurden, das heißt, es wird ein Kontext geschaffen, in dem ein eindeutiges Hindernis für die Wahrnehmung des Rechts auf ein faires Verfahren und den Zugang zur Justiz errichtet wird“ (EP 7.6.2022, S.12, Pt.15). Beispielsweise wurden im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung am 11.9.2020 47 Anwälte in Ankara und sieben weiteren Provinzen aufgrund eines Haftbefehls der Oberstaatsanwaltschaft Ankara festgenommen. 15 Anwälte blieben wegen „Terrorismus“-Anklagen in Untersuchungshaft, der Rest wurde gegen Kaution freigelassen. Ihnen wurde vorgeworfen, angeblich auf Weisung der Gülen-Bewegung gehandelt und die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Klienten (vermeintliche Mitglieder der Gülen-Bewegung) zugunsten der Gülen-Bewegung beeinflusst zu haben (AI 26.10.2020).

Geheime bzw. anonyme Zeugen

Das Thema der geheimen Zeugenaussagen kam mit dem 2008 verabschiedeten Zeugenschutzgesetz auf der Tagesordnung. Trotz Dutzender Skandale fällen die Gerichte nach wie vor Urteile auf der Grundlage der Aussagen anonymer bzw. geheimer Zeugen, bzw. sehen diese kritisch als ein politisches Instrument. So soll die Gülen-Bewegung, als sie gemeinsam mit der regierenden AKP die Macht teilte, anonyme Zeugen gegen ihre Gegner verwendet haben. Nach dem Putschversuch 2016 waren es dann vor allem vermeintliche Gülen-Mitglieder, gegen welche sich das Instrument der geheimen Zeugen richtete. Ein Zeuge mit dem Codenamen „Garson“ (Kellner) ist wahrscheinlich der bekannteste, da er Zeuge in einem Fall war, an dem rund 4.000 Polizisten, vermeintliche Unterstützer der Gülen-Bewegung, beteiligt waren. Problematisch sind insbesondere Fälle, bei denen sich herausstellt, dass die anonymen Zeugen gar nicht existieren. Etwa wurden die Aussagen des anonymen Zeugen „Mercek“ zur Begründung für die Verurteilung vieler Politiker herangezogen, u. a. auch gegen den seit 2016 inhaftierten, ehemaligen Ko-Vorsitzenden der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtaş. Später stellte sich jedoch heraus, dass es diese Person nicht gibt (Mezopotamya 2.8.2022; vgl. TM 26.11.2020). Mitunter geben die Behörden zu, dass es keine anonymen Zeugen gibt. So musste die Polizeibehörde von Diyarbakır 2019 eingestehen, dass eine anonyme Zeugin mit dem Codenamen „Venus“, derenAussage zur Festnahme und Inhaftierung zahlreicher Personen führte, in Wirklichkeit nicht existierte (NaT 19.2.2019). Im seit 2022 laufenden Verbotsverfahren gegen die HDP wurde zumindest ein anonymer Zeuge gehört, der laut HDP Parlamentarierin, Meral Danış-Beştaş, der Generalstaatsanwaltschaft Auskunft über die Parteifinanzen erteilte, was vermeintlich zur Sperrung der Parteienförderung für die HDP führte (Bianet 30.1.2023). Das Thema der geheimen Zeugenaussagen kam mit dem 2008 verabschiedeten Zeugenschutzgesetz auf der Tagesordnung. Trotz Dutzender Skandale fällen die Gerichte nach wie vor Urteile auf der Grundlage der Aussagen anonymer bzw. geheimer Zeugen, bzw. sehen diese kritisch als ein politisches Instrument. So soll die Gülen-Bewegung, als sie gemeinsam mit der regierenden AKP die Macht teilte, anonyme Zeugen gegen ihre Gegner verwendet haben. Nach dem Putschversuch 2016 waren es dann vor allem vermeintliche Gülen-Mitglieder, gegen welche sich das Instrument der geheimen Zeugen richtete. Ein Zeuge mit dem Codenamen „Garson“ (Kellner) ist wahrscheinlich der bekannteste, da er Zeuge in einem Fall war, an dem rund 4.000 Polizisten, vermeintliche Unterstützer der Gülen-Bewegung, beteiligt waren. Problematisch sind insbesondere Fälle, bei denen sich herausstellt, dass die anonymen Zeugen gar nicht existieren. Etwa wurden die Aussagen des anonymen Zeugen „Mercek“ zur Begründung für die Verurteilung vieler Politiker herangezogen, u. a. auch gegen den seit 2016 inhaftierten, ehemaligen Ko-Vorsitzenden der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtaş. Später stellte sich jedoch heraus, dass es diese Person nicht gibt (Mezopotamya 2.8.2022; vergleiche TM 26.11.2020). Mitunter geben die Behörden zu, dass es keine anonymen Zeugen gibt. So musste die Polizeibehörde von Diyarbakır 2019 eingestehen, dass eine anonyme Zeugin mit dem Codenamen „Venus“, derenAussage zur Festnahme und Inhaftierung zahlreicher Personen führte, in Wirklichkeit nicht existierte (NaT 19.2.2019). Im seit 2022 laufenden Verbotsverfahren gegen die HDP wurde zumindest ein anonymer Zeuge gehört, der laut HDP Parlamentarierin, Meral Danış-Beştaş, der Generalstaatsanwaltschaft Auskunft über die Parteifinanzen erteilte, was vermeintlich zur Sperrung der Parteienförderung für die HDP führte (Bianet 30.1.2023).

Im Februar 2022 stellte das türkische Verfassungsgericht fest, dass die Aussagen geheimer Zeugen, die konkrete Tatsachen enthalten, als „starke Indizien für eine Straftat“ akzeptiert werden können, ohne dass sie durch andere Beweise gestützt werden, und dass die auf diese Weise vorgenommenen Verhaftungen im Einklang mit dem Gesetz stehen würden (DW[T] 17.2.2022; vgl. Duvar 18.2.2022). Allerdings liegt die Betonung auf „konkrete Tatsachen“, denn das Urteil war die Folge einer laut Verfassungsgericht rechtswidrigen Verhaftung eines Gemeinderates in Diyarbakır Eğil im Jahr 2020 und basierte auf einer geheimen Zeugenaussage, mit welcher der Gemeinderat der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ beschuldigt wurde. Diese Aussage war rechtswidrig weil „abstrakt“ und eben nicht „konkret“. Kritiker der Hinzuziehung geheimer bzw. anonymer Zeugen betrachten diese Praxis als Instrument, Zeugenaussagen zu fälschen und abweichende Meinungen und Widerstand zum Schweigen zu bringen (Duvar 18.2.2022). Im Februar 2022 stellte das türkische Verfassungsgericht fest, dass die Aussagen geheimer Zeugen, die konkrete Tatsachen enthalten, als „starke Indizien für eine Straftat“ akzeptiert werden können, ohne dass sie durch andere Beweise gestützt werden, und dass die auf diese Weise vorgenommenen Verhaftungen im Einklang mit dem Gesetz stehen würden (DW[T] 17.2.2022; vergleiche Duvar 18.2.2022). Allerdings liegt die Betonung auf „konkrete Tatsachen“, denn das Urteil war die Folge einer laut Verfassungsgericht rechtswidrigen Verhaftung eines Gemeinderates in Diyarbakır Eğil im Jahr 2020 und basierte auf einer geheimen Zeugenaussage, mit welcher der Gemeinderat der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ beschuldigt wurde. Diese Aussage war rechtswidrig weil „abstrakt“ und eben nicht „konkret“. Kritiker der Hinzuziehung geheimer bzw. anonymer Zeugen betrachten diese Praxis als Instrument, Zeugenaussagen zu fälschen und abweichende Meinungen und Widerstand zum Schweigen zu bringen (Duvar 18.2.2022).

Im Gegensatz zum Verfassungsgericht hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits Mitte Oktober 2020 entschieden, dass geheime Zeugenaussagen, welche die türkischen Gerichte insbesondere in Prozessen gegen politische Dissidenten als Beweismittel akzeptiert haben, nicht als ausreichendes Beweismaterial für eine Verurteilung angesehen werden können. Wenn die Verteidigung die Identität des Zeugen nicht kennt, wird ihr nach Ansicht des EGMR in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeit genommen, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen oder in Zweifel zu ziehen. Infolgedessen können geheime Zeugenaussagen allein keine rechtmäßige Verurteilung begründen, es sei denn, eine Verurteilung stützt sich auf andere solide Beweise (SCF 26.11.2020; vgl. TM 26.11.2022). Im Gegensatz zum Verfassungsgericht hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits Mitte Oktober 2020 entschieden, dass geheime Zeugenaussagen, welche die türkischen Gerichte insbesondere in Prozessen gegen politische Dissidenten als Beweismittel akzeptiert haben, nicht als ausreichendes Beweismaterial für eine Verurteilung angesehen werden können. Wenn die Verteidigung die Identität des Zeugen nicht kennt, wird ihr nach Ansicht des EGMR in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeit genommen, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen oder in Zweifel zu ziehen. Infolgedessen können geheime Zeugenaussagen allein keine rechtmäßige Verurteilung begründen, es sei denn, eine Verurteilung stützt sich auf andere solide Beweise (SCF 26.11.2020; vergleiche TM 26.11.2022).

Auswirkungen der Anti-Terror-Gesetzgebung

Eine Reihe von restriktiven Maßnahmen, die während des Ausnahmezustands ergriffen wurden, sind in das Gesetz aufgenommen worden und haben tiefgreifende negative Auswirkungen auf die Menschen in der Türkei (CoEU 14.12.2021, S. 16, Pt. 34). Mit Auslaufen des Ausnahmezustandes im Juli 2018 beschloss das Parlament das Gesetz Nr. 7145, durch das Bestimmungen im Bereich der Grundrechte abgeändert wurden. Zu den zahlreichen, nunmehr gesetzlich verankerten Maßnahmen aus der Periode des Ausnahmezustandes zählen insbesondere die Übertragung außerordentlicher Befugnisse an staatliche Behörden sowie Einschränkungen der Grundfreiheiten. Problematisch sind vor allem der weit ausgelegte Terrorismus-Begriff in der Anti-Terror-Gesetzgebung sowie einzelne Artikel des türkischen Strafgesetzbuches, so Art. 301 – Verunglimpfung/Herabsetzung des türkischen Staates und seiner Institutionen und Art. 299 – Beleidigung des Staatsoberhauptes. Opposition, Zivilgesellschaft und namhafte Juristen kritisieren die Einschränkungen als eine Perpetuierung des Ausnahmezustands. (ÖB 30.11.2022, S. 6). Das Europäische Parlament (EP) „betont, dass die Anti-Terror-Bestimmungen in der Türkei immer noch zu weit gefasst sind und nach freiem Ermessen zur Unterdrückung der Menschenrechte und aller kritischen Stimmen im Land, darunter Journalisten, Aktivisten und politische Gegner, eingesetzt werden“ (EP 7.6.2022, S.18, Pt.29) „unter der komplizenhaften Mitwirkung einer Justiz, die unfähig oder nicht willens ist, jeglichen Missbrauch der verfassungsmäßigen Ordnung einzudämmen“, und „fordert die Türkei daher nachdrücklich auf, ihre Anti-Terror-Gesetzgebung an internationale Standards anzugleichen“ (EP 19.5.2021, S.9, Pt.14). Eine Reihe von restriktiven Maßnahmen, die während des Ausnahmezustands ergriffen wurden, sind in das Gesetz aufgenommen worden und haben tiefgreifende negative Auswirkungen auf die Menschen in der Türkei (CoEU 14.12.2021, S. 16, Pt. 34). Mit Auslaufen des Ausnahmezustandes im Juli 2018 beschloss das Parlament das Gesetz Nr. 7145, durch das Bestimmungen im Bereich der Grundrechte abgeändert wurden. Zu den zahlreichen, nunmehr gesetzlich verankerten Maßnahmen aus der Periode des Ausnahmezustandes zählen insbesondere die Übertragung außerordentlicher Befugnisse an staatliche Behörden sowie Einschränkungen der Grundfreiheiten. Problematisch sind vor allem der weit ausgelegte Terrorismus-Begriff in der Anti-Terror-Gesetzgebung sowie einzelne Artikel des türkischen Strafgesetzbuches, so Artikel 301, – Verunglimpfung/Herabsetzung des türkischen Staates und seiner Institutionen und Artikel 299, – Beleidigung des Staatsoberhauptes. Opposition, Zivilgesellschaft und namhafte Juristen kritisieren die Einschränkungen als eine Perpetuierung des Ausnahmezustands. (ÖB 30.11.2022, S. 6). Das Europäische Parlament (EP) „betont, dass die Anti-Terror-Bestimmungen in der Türkei immer noch zu weit gefasst sind und nach freiem Ermessen zur Unterdrückung der Menschenrechte und aller kritischen Stimmen im Land, darunter Journalisten, Aktivisten und politische Gegner, eingesetzt werden“ (EP 7.6.2022, S.18, Pt.29) „unter der komplizenhaften Mitwirkung einer Justiz, die unfähig oder nicht willens ist, jeglichen Missbrauch der verfassungsmäßigen Ordnung einzudämmen“, und „fordert die Türkei daher nachdrücklich auf, ihre Anti-Terror-Gesetzgebung an internationale Standards anzugleichen“ (EP 19.5.2021, S.9, Pt.14).

Auf Basis der Anti-Terror-Gesetzgebung wurden türkische Staatsbürger aus dem Ausland entführt oder unter Zustimmung der Drittstaaten in die Türkei verbracht (EP 19.5.2021, S. 16, Pt. 40). Das EP verurteilte so wie 2021 in seiner Entschließung vom Juni 2022 neuerlich „aufs Schärfste die Entführung türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz außerhalb der Türkei und deren Auslieferung in die Türkei, was eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit und der grundlegenden Menschenrechte darstellt“ (EP 7.6.2022, S. 19, Pt. 31). Die Europäische Kommission kritisierte die Türkei für die hohe Zahl von Auslieferungsersuchen im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten, die (insbesondere von EU-Ländern) aufgrund des Flüchtlingsstatus oder der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person abgelehnt wurden. Überdies zeigte sich die Europäische Kommission besorgt ob der hohen Zahl der sog. „Red Notices“ bezüglich wegen Terrorismus gesuchter Personen. Diese Red Notices wurden von INTERPOL entweder abgelehnt oder gelöscht (EC 19.10.2021, S. 44). [Siehe auch die Kapitel: Verfolgung fremder Staatsbürger wegen Straftaten im Ausland und Gülen- oder Hizmet-Bewegung]

Beleidigung des Präsidenten als Strafbestand

„[E]ntsetzt über den grob missbräuchlichen Rückgriff auf Artikel 299 des Strafgesetzbuchs der Türkei über Beleidigungen des Präsidenten, die eine Haftstrafe zwischen einem und vier Jahren nach sich ziehen können“, forderte das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 7.6.2021, „das Gesetz über die Beleidigung des Staatspräsidenten gemäß den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu ändern“ (EP 7.6.2022, S. 10, Pt. 13). Das türkische Verfassungsgericht hat für die Strafgerichte einen Kriterienkatalog für Verfahren gemäß Artikel 299 erstellt und weist im Sinne der Angeklagten mitunter Urteile wegen Mängeln zurück an die unteren Gerichtsinstanzen. Dennoch sieht das Verfassungsgericht die Ehre des Präsidenten als Verkörperung der Einheit der Nation als besonders schützenswert. Dieses Privileg steht im Widerspruch zur Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der in seiner Stellungnahme vom 19.10.2021 (Fall Vedat Şorli vs. Turkey) feststellte, dass ein Straftatbestand, der schwerere Strafen für verleumderische Äußerungen vorsieht, wenn sie an den Präsidenten gerichtet sind, grundsätzlich nicht dem Geist der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht (LoC 7.11.2021). Nach Angaben des türkischen Justizministeriums wurden allein im Jahr 2020 mehr als 31.000 Ermittlungsverfahren wegen Präsidentenbeleidigung eingeleitet (DW 9.2.2022) und 9.773 strafrechtlich verfolgt, darunter auch 290 Kinder und 152 ausländische Staatsbürger (Ahval 20.7.2021). Seit der Amtsübernahme Erdoğans 2014 gab es 160.000 Anklagen wegen Präsidentenbeleidigung, von denen sich 39.000 vor Gericht verant- worten mussten. NachAngaben von YamanAkdeniz, Professor für Rechtswissenschaften an der Bilgi Universität, kam es in diesem Zeitraum in knapp 13.000 Fällen zu einer Verurteilung, 3.600 wurden zu Haftstrafen verurteilt (DW 9.2.2022; vgl. Article19 8.4.2022). 106 der Schuldsprüche betrafen Kinder unter 18 Jahren, von denen zehn zu Haftstrafen verurteilt wurden (Article19 8.4.2022). Von der Verfolgung sind sowohl ausländische als auch türkische Staatsbürger im In- und Ausland betroffen (DW 9.2.2022). Beispielsweise wurde im Mai 2022 ein marokkanischer Tourist von der Polizei verhaftet, nachdem dieser die Türkei als „Terroristenstaat“ bezeichnete und Präsident Erdoğan beleidigte. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu warnte bereits im März 2019, dass der Staat alle Touristen, die im Verdacht stehen, gegen das Regime von Präsident Erdogan zu opponieren, festnehme, sobald sie türkischen Boden betreten, berichteten die britische „Times“ (MWN 9.5.2022) und deutsche Medien. Das türkische Außenministerium entgegnete, dass die Aussagen von Soylu aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt wurden, betonend, dass Touristen in der Türkei nach wie vor willkommen seien (DW 6.3.2019). „[E]ntsetzt über den grob missbräuchlichen Rückgriff auf Artikel 299 des Strafgesetzbuchs der Türkei über Beleidigungen des Präsidenten, die eine Haftstrafe zwischen einem und vier Jahren nach sich ziehen können“, forderte das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 7.6.2021, „das Gesetz über die Beleidigung des Staatspräsidenten gemäß den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu ändern“ (EP 7.6.2022, S. 10, Pt. 13). Das türkische Verfassungsgericht hat für die Strafgerichte einen Kriterienkatalog für Verfahren gemäß Artikel 299 erstellt und weist im Sinne der Angeklagten mitunter Urteile wegen Mängeln zurück an die unteren Gerichtsinstanzen. Dennoch sieht das Verfassungsgericht die Ehre des Präsidenten als Verkörperung der Einheit der Nation als besonders schützenswert. Dieses Privileg steht im Widerspruch zur Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der in seiner Stellungnahme vom 19.10.2021 (Fall Vedat Şorli vs. Turkey) feststellte, dass ein Straftatbestand, der schwerere Strafen für verleumderische Äußerungen vorsieht, wenn sie an den Präsidenten gerichtet sind, grundsätzlich nicht dem Geist der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht (LoC 7.11.2021). Nach Angaben des türkischen Justizministeriums wurden allein im Jahr 2020 mehr als 31.000 Ermittlungsverfahren wegen Präsidentenbeleidigung eingeleitet (DW 9.2.2022) und 9.773 strafrechtlich verfolgt, darunter auch 290 Kinder und 152 ausländische Staatsbürger (Ahval 20.7.2021). Seit der Amtsübernahme Erdoğans 2014 gab es 160.000 Anklagen wegen Präsidentenbeleidigung, von denen sich 39.000 vor Gericht verant- worten mussten. NachAngaben von YamanAkdeniz, Professor für Rechtswissenschaften an der Bilgi Universität, kam es in diesem Zeitraum in knapp 13.000 Fällen zu einer Verurteilung, 3.600 wurden zu Haftstrafen verurteilt (DW 9.2.2022; vergleiche Article19 8.4.2022). 106 der Schuldsprüche betrafen Kinder unter 18 Jahren, von denen zehn zu Haftstrafen verurteilt wurden (Article19 8.4.2022). Von der Verfolgung sind sowohl ausländische als auch türkische Staatsbürger im In- und Ausland betroffen (DW 9.2.2022). Beispielsweise wurde im Mai 2022 ein marokkanischer Tourist von der Polizei verhaftet, nachdem dieser die Türkei als „Terroristenstaat“ bezeichnete und Präsident Erdoğan beleidigte. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu warnte bereits im März 2019, dass der Staat alle Touristen, die im Verdacht stehen, gegen das Regime von Präsident Erdogan zu opponieren, festnehme, sobald sie türkischen Boden betreten, berichteten die britische „Times“ (MWN 9.5.2022) und deutsche Medien. Das türkische Außenministerium entgegnete, dass die Aussagen von Soylu aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt wurden, betonend, dass Touristen in der Türkei nach wie vor willkommen seien (DW 6.3.2019).

Siehe, insbesondere für konkrete Beispiele, auch die (Unter-)Kapitel „Opposition“ und „Meinungs und Pressefreiheit / Internet“

Politisierung der Justiz

Teile der Notstandsvollmachten wurden auf die vom Staatspräsidenten ernannten Provinzgouverneure übertragen (AA 14.6.2019). Diese können nicht nur das Versammlungsrecht einschränken, sondern haben großen Spielraum bei der Entlassung von Beamten, inklusive Richter (ÖB 30.11.2022, S. 6). Das Gesetz Nr. 7145 sieht auch keine Abschwächung der Kriterien vor, auf Grundlage derer (Massen-)Entlassungen ausgesprochen werden können (wegen Verbindungen zu Terrororganisationen, Handeln gegen die Sicherheit des Staates etc.) (ÖB 10.2019, S. 17).

Rechtsanwaltsvereinigungen aus 25 Städten sahen in einer öffentlichen Deklaration im Februar 2020 die Türkei in der schwersten Justizkrise seit dem Bestehen der Republik, insbesondere infolge der Einmischung der Regierung in die Gerichtsbarkeit, der Politisierung des Rates der Richter und Staatsanwälte (HSK), der Inhaftierung von Rechtsanwälten und des Ignorierens von Entscheidungen der Höchstgerichte sowie des EGMR (bianet 24.2.2020). Hinzu kommt, dass die Regierung im Juli 2020 ein neues Gesetz verabschiedete, um die institutionelle Stärke der größten türkischen Anwaltskammern zu reduzieren, die den Rückschritt der Türkei in Sachen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit scharf kritisiert haben (HRW 13.1.2021). Das Europäische Parlament sah darin die Gefahr einer weiteren Politisierung des Rechtsanwaltsberufs, was zu einer Unvereinbarkeit mit dem Unparteilichkeitsgebot des Rechtsanwaltsberufs führt und die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte gefährdet. Außerdem erkannte das EP darin „einen Versuch, die bestehenden Anwaltskammern zu entmachten und die verbliebenen kritischen Stimmen auszumerzen“ (EP 19.5.2021, S. 10, Pt. 19).

Im vom „World Justice Project“ jährlich erstellten „Rule of Law Index“ rangierte die Türkei im Jahr 2022 auf Rang 116 von 140 Ländern (2021: Platz 117 von 139 untersuchten Ländern). Der statistische Indikator stagnierte auf 0,42 (1 ist der statistische Bestwert, 0 der absolute Negativwert). Besonders schlecht schnitt das Land in den Unterkategorien „Grundrechte“ mit 0,30 (Rang 134 von 140) und „Einschränkungen der Macht der Regierung“ mit 0,28 (Platz 135 von 140) sowie bei der Strafjustiz mit 0,34 ab. Gut war der Wert für „Ordnung und Sicherheit“ mit 0,73, der annähernd dem globalen Durchschnitt entsprach (WJP 26.10.2022).

Infragestellung der Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte

Gemäß Art. 138 der Verfassung sind Richter in der Ausübung ihrer Ämter unabhängig. Tatsächlich wird diese Verfassungsbestimmung jedoch durch einfach-gesetzliche Regelungen und politische Einflussnahme, wie Druck auf Richter und Staatsanwälte, unterlaufen (ÖB 30.11.2022, S.7). Die richterliche Unabhängigkeit ist überdies durch die umfassenden Kompetenzen des in Disziplinar- und Personalangelegenheiten dem Justizminister unterstellten Rates der Richter und Staatsanwälte Gemäß Artikel 138, der Verfassung sind Richter in der Ausübung ihrer Ämter unabhängig. Tatsächlich wird diese Verfassungsbestimmung jedoch durch einfach-gesetzliche Regelungen und politische Einflussnahme, wie Druck auf Richter und Staatsanwälte, unterlaufen (ÖB 30.11.2022, S.7). Die richterliche Unabhängigkeit ist überdies durch die umfassenden Kompetenzen des in Disziplinar- und Personalangelegenheiten dem Justizminister unterstellten Rates der Richter und Staatsanwälte

(HSK) infrage gestellt (AA 14.6.2019). Der HSK ist das oberste Justizverwaltungsorgan, das in Fragen der Ernennung, Beauftragung, Ermächtigung, Beförderung und Disziplinierung von Richtern wichtige Befugnisse hat (SCF 3.2021, S. 5). Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Rates sind seit 2010 nur bei Entlassungen von Richtern und Staatsanwälten vorgesehen (AA 14.6.2019). Infolgedessen sind Staatsanwälte und Richter häufig auf der Linie der Regierung. Richter, die gegen den Willen der Regierung entscheiden, wurden abgesetzt und ersetzt, während diejenigen, die Erdoğans Kritiker verurteilen, befördert wurden (FH 10.3.2023, F1).

Laut dem letzten Bericht der Europäischen Kommission waren es 3.985 Richter und Staatsanwälte, die seit dem Putschversuch 2016, wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung, entlassen wurden. Nur 515 wurden bislang wieder in ihre Ämter eingesetzt. Das Fehlen objektiver, leistungsbezogener, standardisierter und vorab festgelegter Kriterien für die Einstellung und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten gibt laut Europäischer Kommission weiterhin Anlass zur Sorge (EC 12.10.2022, S. 6, 26).

Die in der Stellungnahme der Venedig-Kommission vom Dezember 2016 festgehaltenen Mängel in Bezug auf die Mindeststandards für die Entlassung von Richtern sowie die rechtlichen Garantien für die Versetzung von Richtern und Staatsanwälten wurden nicht behoben. Einsprüche gegen solche Versetzungen sind möglich, aber in der Regel erfolglos (EC 12.10.2022, S. 26). Nach europäischen Standards sind Versetzungen nur ausnahmsweise aufgrund einer Reorganisation der Gerichte gerechtfertigt. In der justiziellen Reformstrategie 2019-2023 ist zwar für Richter ab einer gewissen Anciennität und auf Basis ihrer Leistungen eine Garantie gegen derartige Versetzungen vorgesehen, doch wird die Praxis der Versetzungen von Richtern und Staatsanwälten ohne deren Zustimmung und ohne Angabe von Gründen fortgesetzt (ÖB 30.11.2022, S. 8). Folglich ist die abschreckende Wirkung der Entlassungen und Zwangsversetzungen innerhalb der Justiz nach wie vor zu beobachten. Es besteht die Gefahr einer weitverbreiteten Selbstzensur unter Richtern und Staatsanwälten. Es wurden keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rechtsgarantien ergriffen, um die Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive zu gewährleisten oder die Unabhängigkeit des HSK zu stärken (EC 6.10.2020, S. 6, 21). Umgekehrt jedoch hat der HSK keine Maßnahmen gegen Richter ergriffen, welche Urteile des Verfassungsgerichts ignorierten (EC 19.10.2021, S. 23).

Seit der Verfassungsänderung werden vier der 13 HSK-Mitglieder durch den Staatspräsidenten ernannt und sieben mit qualifizierter Mehrheit durch das Parlament. Die verbleibenden zwei Sitze im HSK gehen ex officio an den ebenfalls vom Präsidenten ernannten Justizminister und seinen Stellvertreter. Keines seiner Mitglieder wird folglich durch die Richterschaft bzw. die Staatsanwälte selbst bestimmt (ÖB 30.11.2022, S. 8; vgl. SCF 3.2021, S. 46), wie dies vor 2017 noch der Fall war (SCF 3.2021, S. 46). Im Mai 2021 tauschten Präsident und Parlament insgesamt elf HSK-Mitglieder und damit fast das gesamte HSK-Kollegium aus. Aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit ist die Mitgliedschaft des HSK als Beobachter im „European Network of Councils for the Judiciary“ seit Ende 2016 ruhend gestellt (ÖB 30.11.2022, S. 8). Seit der Verfassungsänderung werden vier der 13 HSK-Mitglieder durch den Staatspräsidenten ernannt und sieben mit qualifizierter Mehrheit durch das Parlament. Die verbleibenden zwei Sitze im HSK gehen ex officio an den ebenfalls vom Präsidenten ernannten Justizminister und seinen Stellvertreter. Keines seiner Mitglieder wird folglich durch die Richterschaft bzw. die Staatsanwälte selbst bestimmt (ÖB 30.11.2022, S. 8; vergleiche SCF 3.2021, S. 46), wie dies vor 2017 noch der Fall war (SCF 3.2021, S. 46). Im Mai 2021 tauschten Präsident und Parlament insgesamt elf HSK-Mitglieder und damit fast das gesamte HSK-Kollegium aus. Aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit ist die Mitgliedschaft des HSK als Beobachter im „European Network of Councils for the Judiciary“ seit Ende 2016 ruhend gestellt (ÖB 30.11.2022, S. 8).

Selbst über die personelle Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofes und des Kassationsgerichtes entscheidet primär der Staatspräsident, der auch zwölf der 15 Mitglieder des Verfassungsgerichts ernennt (ÖB 30.11.2021, S. 7f). Mit Stand Juni 2021 verdankten bereits acht der 15 Mitglieder des Verfassungsgerichts ihre Ernennung Präsident Erdoğan. Fünf Richter hat sein Vorgänger Abdullah Gül ernannt, zwei hatte 2010 das damals noch demokratisch agierende Parlament gewählt. Die alte kemalistische Elite hat keinen Repräsentanten mehr am Gericht (SWP 10.6.2021, S. 3). Das Verfassungsgericht hat seit 2019 zwar eine gewisse Unabhängigkeit gezeigt, doch ist es nicht frei von politischer Einflussnahme und fällt oft Urteile im Sinne der Interessen der regierenden AKP (FH 10.3.2023, F1). Siehe hierzu Beispiele in diversen Kapiteln!

Die Massenentlassungen und häufige Versetzungen von Richtern und Staatsanwälten haben negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit und insbesondere die Qualität und Effizienz der Justiz. Für die aufgrund der Entlassungen notwendig gewordenen Nachbesetzungen steht keine ausreichende Zahl entsprechend ausgebildeter Richter und Staatsanwälte zur Verfügung. In vielen Fällen spiegelt sich der Qualitätsverlust in einer schablonenhaften Entscheidungsfindung ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall wider. In massenhaft abgewickelten Verfahren, wie etwa betreffend Terrorismus-Vorwürfen, leidet die Qualität der Urteile und Beschlüsse häufig unter mangelhaften rechtlichen Begründungen sowie lückenhafter und wenig glaubwürdiger Beweisführung. Zudem wurden in einigen Fällen Beweise der Verteidigung bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt (ÖB 30.11.2022, S. 8).

Aufbau des Justizsystems

Das türkische Justizsystem besteht aus zwei Säulen: der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Straf- und Zivilgerichte) und der außerordentlichen Gerichtsbarkeit (Verwaltungs- und Verfassungsgerichte). Mit dem Verfassungsreferendum vom April 2017 wurden die Militärgerichte abgeschafft. Deren Kompetenzen wurden auf die Straf- und Zivilgerichte sowie Verwaltungsgerichte übertragen.

Letztinstanzliche Gerichte sind gemäß der Verfassung das Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof bzw. Anayasa Mahkemesi), der Staatsrat (Danıştay) als oberste Instanz in Verwaltungsangelegenheiten, der Kassationgerichtshof (Yargitay) [auch als Oberstes Berufungs- bzw. Appellationsgericht bezeichnet] und das Kompetenzkonfliktgericht (Uyuşmazlık Mahkemesi) (ÖB 30.11.2022, S. 6).

2014 wurden alle Sondergerichte sowie die Friedensgerichte (Sulh Ceza Mahkemleri) abgeschafft. Ihre Jurisdiktion für die Entscheidung wurde im Wesentlichen auf Strafgerichte übertragen. Stattdessen wurde die Institution des Friedensrichters in Strafsachen (Sulh Ceza Hakimliği) eingeführt, der das strafrechtliche Ermittlungsverfahren begleitet und überwacht. Da die Friedensrichter als von der Regierung selektiert und ihr loyal ergeben gelten, werden sie als das wahrscheinlich wichtigste Instrument der Regierung gesehen, die ihr wichtigen Strafsachen bereits in diesem Stadium in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Venedig-Kommission des Europarates forderte 2017 die Übertragung der Kompetenzen der Friedensrichter an ordentliche Richter bzw. eine Reform. Im Gegensatz zu den abgeschafften Friedensgerichten entscheiden Friedensrichter nicht in der Sache, doch kommen ihnen während des Verfahrens weitreichende Befugnisse zu, wie z.B. die Ausstellung von Durchsuchungsbefehlen, Anhalteanordnungen, Blockierung von Websites sowie die Beschlagnahmung von Vermögen. Der Kritik am Umstand, dass Einsprüche gegen Anordnungen eines Friedensrichters nicht von einem Gericht, sonder wiederum von einem Friedensrichter geprüft wurde, wurde allerdings Rechnung getragen. Das Parlament beschloss im Rahmen des am 8.7.2021 verabschiedeten vierten Justizreformpakets, wonach Einsprüche gegen Entscheidungen der Friedensrichter nunmehr durch Strafgerichte erster Instanz behandelt werden (ÖB 30.11.2022, S. 6f.). Die Urteile der Friedensrichter für Strafsachen weichen zunehmend von der Rechtsprechung des EGMR ab und bieten selten eine ausreichend individualisierte Begründung. Der Zugang von Verteidigern zu den Gerichtsakten ihrer Mandanten ist für einen bestimmten Katalog von Straftaten bis zur Anklageerhebung eingeschränkt. Manchmal dauert das mehr als ein Jahr (EC 29.5.2019, S. 24).

Rolle des Verfassungsgerichts

Seit September 2012 besteht für alle Staatsbürger die Möglichkeit einer Individualbeschwerde beim Verfassungsgericht (AA28.7.2022, S. 6), eingeführt u. a. mit dem Ziel, die Fallzahlen am Europäischen Gericht für Menschenrechte zu verringern (HDN 18.1.2021). Letzteres bestätigt auch die Statistik des türkischen Verfassungsgerichts. Seit der Gewährung des Individualbeschwerderechts 2012 bis Ende 2021 sind beim Verfassungsgericht 361.159 Einzelanträge eingelangt. In 302.429 Fällen wurde eine Entscheidung getroffen. Das Gericht befand 261.681 Anträge für unzulässig, was 86,5 % seiner Entscheidungen entspricht, und stellte in 25.857 Fällen mindestens einen Verstoß fest. Alleinig im Jahr 2021 erhielt das Gericht 66.121 Anträge und bearbeitete 45.321 davon, wobei in 11.880 Fällen mindestens ein Grundrechtsverstoß festgestellt wurde, zum weitaus überwiegenden Teil betraf dies die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (TM 18.1.2022).

Infolge der teilweise sehr lang andauernden Verfahren setzt die Justiz vermehrt auf alternative treitbeilegungsmechanismen, die den Gerichtsverfahren vorgelagert sind. Ferner waren bereits 2016 neun regionale Berufungsgerichte (Bölge Mahkemeleri) eingerichtet worden, die insbesondere das Kassationsgericht entlasten (ÖB 30.11.2022, S. 7).

Untergeordnete Gerichte ignorieren oder verzögern die Umsetzung von Entscheidungen des Verfassungsgerichts mitunter erheblich, wobei die Regierung selten die Entscheidungen des EGMR umsetzt, trotz der Verpflichtung als Mitgliedsstaat des Europarates (USDOS 20.3.2023, S. 18). So hat das Verfassungsgericht uneinheitliche Urteile zu Fällen der Meinungsfreiheit gefällt. Wo sich das Höchstgericht im Einklang mit den Standards des EGMR sah, welches etwa eine Untersuchungshaft in Fällen der freien Meinungsäußerung nur bei Hassreden oder dem Aufruf zur Gewalt als gerechtfertigt betrachtet, stießen die Urteile in den unteren Instanzen auf Widerstand und Behinderung (IPI 18.11.2019).

Zur neuesten Rechtssprechung des Verfassungsgerichts hinsichtlich der Meinungs- und Pressefreiheit siehe auch das Kapitel Meinungs- und Pressefreiheit / Internet.

Die 2017 durch ein Referendum angenommenen Änderungen der türkischen Verfassung verleihen dem Präsidenten der Republik die Befugnis, Präsidentendekrete zu erlassen. Das Präsidentendekret ist ein Novum in der türkischen Verfassungsgeschichte, da es sich um eine Art von Gesetzgebung handelt, die von der Exekutive erlassen wird, ohne dass eine vorherige Befugnisübertragung durch die Legislative oder eine anschließende Genehmigung durch die Legislative erforderlich ist, und es muss nicht auf die Anwendung eines Gesetzgebungsakts beschränkt sein, wie dies bei gewöhnlichen Verordnungen der Eekutivorgane der Fall ist. Die Befugnis zum Erlass von Präsidentenverordnungen ist somit eine direkte Regelungsbefugnis der Exekutive, die zuvor nur der Legislative vorbehalten war. [Siehe auch Kapitel: Politische Lage]Allerdings wurden im Juni 2021 im Amtsblatt drei Entscheidungen des türkischen Verfassungsgerichts veröffentlicht, in denen gewisse Bestimmungen von Präsidentendekreten aus verfassungsrechtlichen Gründen aufgehoben wurden (LoC 6.2021).

Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft

Laut aktuellem Anti-Terrorgesetz soll eine in Polizeigewahrsam befindliche Person spätestens nach vier Tagen einem Richter zur Entscheidung über die Verhängung einer Untersuchungshaft oder Verlängerung des Polizeigewahrsams vorgeführt werden. Eine Verlängerung des Polizeige- wahrsams ist nur auf begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft, etwa bei Fortführung weiterer Ermittlungsarbeiten oder Auswertung von Mobiltelefondaten, zulässig. Eine Verlängerung ist zweimal (für je vier Tage) möglich. Der Polizeigewahrsam kann daher maximal zwölf Tage dauern (ÖB 30.11.2022, S. 9). Die Regelung verstößt gegen die Spruchpraxis des EGMR, welcher ein Maximum von vier Tagen Polizeihaft vorsieht (EC 12.10.2022, S. 43).

Die Untersuchungshaft kann gemäß Art. 102 (1) StPO bei Straftaten, die nicht in die Zuständigkeit der Großen Strafkammern fallen, für höchstens ein Jahr verhängt werden. Aufgrund besonderer Umstände kann sie um weitere sechs Monate verlängert werden. Nach Art. 102 (2) StPO beträgt die Dauer der Untersuchungshaft bis zu zwei Jahre, wenn es sich um Straftaten handelt, die in die Zuständigkeit der Großen Strafkammern (Ağır Ceza Mahkemeleri) fallen. Das sind Straftaten, die mindestens eine zehnjährige Freiheitsstrafe vorsehen. Aufgrund von besonderen Umständen kann diese Dauer um ein weiteres Jahr verlängert werden, insgesamt höchstens drei Jahre. Bei Straftaten, die das Anti-Terrorgesetz Nr. 3713 betreffen, beträgt die maximale Dauer der Untersuchungshaft sieben Jahre (zwei Jahre und mögliche Verlängerung um weitere fünf Jahre) (ÖB 30.11.2022, S. 9). Die Untersuchungshaft kann gemäß Artikel 102, (1) StPO bei Straftaten, die nicht in die Zuständigkeit der Großen Strafkammern fallen, für höchstens ein Jahr verhängt werden. Aufgrund besonderer Umstände kann sie um weitere sechs Monate verlängert werden. Nach Artikel 102, (2) StPO beträgt die Dauer der Untersuchungshaft bis zu zwei Jahre, wenn es sich um Straftaten handelt, die in die Zuständigkeit der Großen Strafkammern (Ağır Ceza Mahkemeleri) fallen. Das sind Straftaten, die mindestens eine zehnjährige Freiheitsstrafe vorsehen. Aufgrund von besonderen Umständen kann diese Dauer um ein weiteres Jahr verlängert werden, insgesamt höchstens drei Jahre. Bei Straftaten, die das Anti-Terrorgesetz Nr. 3713 betreffen, beträgt die maximale Dauer der Untersuchungshaft sieben Jahre (zwei Jahre und mögliche Verlängerung um weitere fünf Jahre) (ÖB 30.11.2022, S. 9).

Beschwerdekommission zu den Notstandsmaßnahmen (OHAL)

Während des seit dem Putschversuch bestehenden Ausnahmezustands bis zum 19.7.2018 wurden insgesamt 36 Dekrete erlassen, die insbesondere eine weitreichende Säuberung staatlicher Einrichtungen von angeblich Gülen-nahen Personen sowie die Schließung privater Einrichtungen mit Gülen-Verbindungen zum Ziel hatten. Der Regierung und Exekutive wurden weitreichende Befugnisse für Festnahmen und Hausdurchsuchungen eingeräumt. Die unter dem Ausnahmezustand erlassenen Dekrete konnten nicht beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Zudem kam es laut offiziellen Angaben zur unehrenhaften Entlassung oder Suspendierung per Dekret von 125.678 öffentlich Bediensteten, darunter ein Drittel aller Richter und Staatsanwälte. Deren Namen wurden im Amtsblatt veröffentlicht (ÖB 30.11.2022, S. 15). Die mittels Präsidentendekret zur individuellen Überprüfung der Entlassungen und Suspendierungen aus dem Staatsdienst eingerichtete Beschwerdekommission [türkische Abk.: OHAL] begann im Dezember 2017 mit ihrer Arbeit. Das Durchlaufen des Verfahrens vor der Beschwerdekommission und weiter im innerstaatlichen Weg ist eine der vom EGMR festgelegten Voraussetzungen zur Erhebung einer Klage vor dem EGMR (ÖB 30.11.2022, S. 15). Bis Jänner 2023 waren laut Kommission die Klassifizierung, Registrierung und Archivierung von insgesamt fast einer halben Million Akten, darunter Personalakten, die von ihren Institutionen übernommen wurden, Gerichtsakten und frühere Bewerbungen, abgeschlossen. Bis zum 12.1.2023 waren 127.292 Anträge gestellt worden. Davon hat die Untersuchungskommission seit ihrer Errichtung im Dezember 2017 alle Anträge bearbeitet, wobei lediglich 17.960 positiv gelöst wurden. 72 positive Entscheidungen betrafen einst geschlossene Vereine, Stiftungen, Schulen, Zeitungen und Fernsehstationen (ICSEM 12.1.2023). Die Bearbeitungsrate der Anträge gab laut Europäischer Kommission Anlass zur Sorge, ob jeder Fall einzeln geprüft wurde (EC 12.10.2022; S. 23).

Die Beschwerdekommission steht in der internationalen Kritik, da es ihr an genuiner institutioneller Unabhängigkeit mangelt. Sämtliche Mitglieder werden von der Regierung ernannt (ÖB 30.11.2022, S. 15). Betroffene haben keine Möglichkeit, Vorwürfe ihrer angeblich illegalen Aktivität zu widerlegen, da sie nicht mündlich aussagen, keine Zeugen benennen dürfen und vor Stellung ihres Antrags an die Kommission keine Einsicht in die gegen sie erhobenen Anschuldigungen bzw. diesbezüglich namhaft gemachten Beweise erhalten. In Fällen, in denen die erfolgte Entlassung aufrecht erhalten wird, stützt sich die Beschwerdekommission oftmals auf schwache Beweise und zieht an sich rechtmäßige Handlungen zum Beweis für angeblich rechts- widrige Aktivitäten heran (ÖB 30.11.2022, S. 15; vgl. EC 12.10.2022, S. 23). Die Beweislast für eine Widerlegung von Verbindungen zu verbotenen Gruppen liegt beim Antragsteller (Beweislastumkehr). Zudem bleibt in der Entscheidungsfindung unberücksichtigt, dass die getätigten Handlungen im Zeitpunkt ihrer Vornahme rechtmäßig waren. Schließlich wird auch das langwierige Berufungsverfahren mit Wartezeiten von zehn Monaten bei den bereits entschiedenen Fällen - einige warten nach über einem Jahr immer noch auf eine Entscheidung - kritisiert (ÖB 30.11.2022, S. 15). Die Beschwerdekommission steht in der internationalen Kritik, da es ihr an genuiner institutioneller Unabhängigkeit mangelt. Sämtliche Mitglieder werden von der Regierung ernannt (ÖB 30.11.2022, S. 15). Betroffene haben keine Möglichkeit, Vorwürfe ihrer angeblich illegalen Aktivität zu widerlegen, da sie nicht mündlich aussagen, keine Zeugen benennen dürfen und vor Stellung ihres Antrags an die Kommission keine Einsicht in die gegen sie erhobenen Anschuldigungen bzw. diesbezüglich namhaft gemachten Beweise erhalten. In Fällen, in denen die erfolgte Entlassung aufrecht erhalten wird, stützt sich die Beschwerdekommission oftmals auf schwache Beweise und zieht an sich rechtmäßige Handlungen zum Beweis für angeblich rechts- widrige Aktivitäten heran (ÖB 30.11.2022, S. 15; vergleiche EC 12.10.2022, S. 23). Die Beweislast für eine Widerlegung von Verbindungen zu verbotenen Gruppen liegt beim Antragsteller (Beweislastumkehr). Zudem bleibt in der Entscheidungsfindung unberücksichtigt, dass die getätigten Handlungen im Zeitpunkt ihrer Vornahme rechtmäßig waren. Schließlich wird auch das langwierige Berufungsverfahren mit Wartezeiten von zehn Monaten bei den bereits entschiedenen Fällen - einige warten nach über einem Jahr immer noch auf eine Entscheidung - kritisiert (ÖB 30.11.2022, S. 15).

Die Fälle Kavala und Demirtaş als prominente Beispiele der Missachtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte

Auch das Verfassungsgericht ist in letzter Zeit in Einzelfällen von seiner menschenrechtsfreundlichen Urteilspraxis abgewichen (AA 24.8.2020; S. 20). Wiederholt befasste sich das Ministerkomitee des Europarats aufgrund nicht umgesetzter Urteile mit der Türkei. Zuletzt sorgte die Weigerung der Türkei, die EGMR-Urteile in den Fällen des HDP-Politikers Selahattin Demirtaş (1. Instanz: November 2018; rechtskräftig: Dezember 2020) sowie des Kultur-Mäzens Osman Kavala (1. Instanz: Dezember 2019; rechtskräftig: Mai 2020) für Kritik. In beiden Fällen wurde ein Verstoß gegen Art. 18 EMRK festgestellt und die Freilassung gefordert (AA 28.7.2022, S. 16). Die Türkei entzieht sich der Umsetzung dieser Urteile entweder durch Verurteilung in einem anderen Verfahren (Demirtaş) oder durch Aufnahme eines weiteren Verfahrens (Kavala). Das Ministerkomitee des Europarates forderte die Türkei im März 2021 zur Umsetzung der beiden EGMR-Urteile auf (AA 3.6.2021; S. 16f). Im Falle Kavalas lehnte ein Gericht in Istanbul auch 2022 trotz Aufforderung des Europarats die Enthaftung ab (DW 17.1.2022). Nachdem das Ministerkomitee des Europarats im Dezember 2021 die Türkei förmlich von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt hatte, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit der Frage zu befassen (CoE 3.12.2021), verwies das Ministerkomitee nach andauernder Weigerung der Türkei der Freilassung Kavalas nachzukommen, den Fall Anfang Februar 2022 tatsächlich an den EGMR, um festzustellen, ob die Türkei ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs nicht nachgekommen sei, wie es in Artikel 46.4 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen ist (CoE 3.2.2022). Trotzalledem wurde Kavala am 25.4.2022 im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 wegen „Umsturzversuches“ zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt. Neben Kavala wurden sieben weitere Angeklagte wegen Beihilfe zum Umsturzversuch zu 18 Jahren Haft verurteilt (FR 25.4.2022; vgl. DW 25.4.2022). Weil die Türkei das Urteil des EGMR aus dem Jahr 2019 zur sofortigen Freilassung Kavalas jedoch missachtet hatte, verurteilte der EGMR Mitte Juli 2022 die Türkei zu einer Geldstrafe von 7.500 Euro, zu zahlen an Kavala, und das vom Ministerkomitee des Europarates im Dezember 2021 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren läuft weiter (DW 11.7.2022). Ende Dezember 2022 bestätigte trotz alledem ein Berufungsgericht in Istanbul die lebenslängliche Strafe gegen Kavala sowie die Verurteilung von sieben weiteren Angeklagten zu 18 Jahren Haft als rechtens (ZO 28.12.2022). Auch das Verfassungsgericht ist in letzter Zeit in Einzelfällen von seiner menschenrechtsfreundlichen Urteilspraxis abgewichen (AA 24.8.2020; S. 20). Wiederholt befasste sich das Ministerkomitee des Europarats aufgrund nicht umgesetzter Urteile mit der Türkei. Zuletzt sorgte die Weigerung der Türkei, die EGMR-Urteile in den Fällen des HDP-Politikers Selahattin Demirtaş (1. Instanz: November 2018; rechtskräftig: Dezember 2020) sowie des Kultur-Mäzens Osman Kavala (1. Instanz: Dezember 2019; rechtskräftig: Mai 2020) für Kritik. In beiden Fällen wurde ein Verstoß gegen Artikel 18, EMRK festgestellt und die Freilassung gefordert (AA 28.7.2022, S. 16). Die Türkei entzieht sich der Umsetzung dieser Urteile entweder durch Verurteilung in einem anderen Verfahren (Demirtaş) oder durch Aufnahme eines weiteren Verfahrens (Kavala). Das Ministerkomitee des Europarates forderte die Türkei im März 2021 zur Umsetzung der beiden EGMR-Urteile auf (AA 3.6.2021; S. 16f). Im Falle Kavalas lehnte ein Gericht in Istanbul auch 2022 trotz Aufforderung des Europarats die Enthaftung ab (DW 17.1.2022). Nachdem das Ministerkomitee des Europarats im Dezember 2021 die Türkei förmlich von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt hatte, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit der Frage zu befassen (CoE 3.12.2021), verwies das Ministerkomitee nach andauernder Weigerung der Türkei der Freilassung Kavalas nachzukommen, den Fall Anfang Februar 2022 tatsächlich an den EGMR, um festzustellen, ob die Türkei ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs nicht nachgekommen sei, wie es in Artikel 46.4 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen ist (CoE 3.2.2022). Trotzalledem wurde Kavala am 25.4.2022 im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 wegen „Umsturzversuches“ zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt. Neben Kavala wurden sieben weitere Angeklagte wegen Beihilfe zum Umsturzversuch zu 18 Jahren Haft verurteilt (FR 25.4.2022; vergleiche DW 25.4.2022). Weil die Türkei das Urteil des EGMR aus dem Jahr 2019 zur sofortigen Freilassung Kavalas jedoch missachtet hatte, verurteilte der EGMR Mitte Juli 2022 die Türkei zu einer Geldstrafe von 7.500 Euro, zu zahlen an Kavala, und das vom Ministerkomitee des Europarates im Dezember 2021 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren läuft weiter (DW 11.7.2022). Ende Dezember 2022 bestätigte trotz alledem ein Berufungsgericht in Istanbul die lebenslängliche Strafe gegen Kavala sowie die Verurteilung von sieben weiteren Angeklagten zu 18 Jahren Haft als rechtens (ZO 28.12.2022).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28.07.2022.pdf, Zugriff am 24.8.2022
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: April 2021), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2053305/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_April_2021%29%2C_03.06.2 021.pdf, Zugriff am 28.2.2022
AA – Auswärtiges Amt [Deutschaland] (24.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, https://www.ecoi.net/en/file/local/2037143/Deutschland___A usw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl_und_abschiebungsrelevante_La ge_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2020%29%2C_24.08.2020.pdf, Zugriff 28.2.2022 AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (14.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, https://www.ecoi.net/en/file/local/2011504/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%Bcrkei_%28Stand_Mai_2019%29%2C_14.06.2019.pdf, Zugriff 21.2.2022
Ahval (20.7.2021): Over 29,000 people prosecuted for insulting Erdoğan in three years, https://ah valnews.com/turkey-democracy/over-29000-people-prosecuted-insulting-erdogan-three-years, Zugriff 21.2.2022
AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Türkei 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070315.html, Zugriff 30.3.2022
AI – Amnesty International (26.10.2020): TURKEY: POLITICIANS, LAWYERS, ACTIVISTS TARGETED IN NEW WAVE OF MASS ARRESTS, https://www.amnesty.org/download/Documents/E UR4432212020ENGLISH.PDF, Zugriff 21.2.2022 Article19 (8.4.2022): Blog: COVID-19, social media and freedom of expression in Turkey, https: //www.article19.org/resources/pandemic-social-media-freedom-of-expression-turkey/, Zugriff 24.5.2022
Bianet (30.1.2023): MP questions secret witness statement in HDP closure case, https://bianet .org/english/law/273517-mp-questionssecret-witness-statement-in-hdp-closure-case, Zugriff 10.2.2023
Bianet (24.2.2020): Bar Associatons: Turkey Experiencing Most Severe Judicial Crisis in History, https://bianet.org/english/law/220510bar-associatons-turkey-experiencing-most-severe-judicial-c risis-in-history, Zugriff 21.2.2022
BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/ file/local/2069612/country_report_2022_TUR.pdf, Zugriff 21.3.2022
CoE-CommDH – Council of Europe – Commissioner for Human Rights: Commissioner for human rights of the Council of Europe Dunja Mijatović (19.2.2020): Report following her visit to Turkey from 1 to 5 July 2019 [CommDH(2020)1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024837/CommDH% 282020%291+-++Report+on+Turkey_EN.docx.pdf, Zugriff 21.2.2022
CoE - Council of Europe (3.2.2022): Committee of Ministers refers Kavala v. Turkey case to the European Court of Human Rights, https://www.coe.int/en/web/portal/-/committee-of-ministers-ref ers-kavala-v-turkey-case-to-the-european-court-of-human-rights, 28.2.2022

CoE - Council of Europe (3.12.2021): Implementing ECHR judgments: Council of Europe ministers serve formal notice on Turkey in the Kavala case [Ref. DC 224(2021)], https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId=0900001680a4c19d, Zugriff 21.1.2022

CoEU – Council of the European Union (14.12.2021): ENLARGEMENT AND STABILISATION AND ASSOCIATION PROCESS [15033/21], https://www.consilium.europa.eu/media/53454/st15033-e n21.pdf, Zugriff 20.1.2022

Duvar (18.2.2022): Turkish Constitutional Court deems anonymous testimony sufficient grounds for arrest, https://www.duvarenglish.com/constitutional-court-deems-anonymous-secret-testimony -sufficient-grounds-for-detention-news60413, Zugriff 24.11.2022
Duvar (9.6.2020): Turkey’s top court head admits majority of rights violations stem from lack of right to a fair trial, https://www.duvarenglish.com/human-rights/2020/06/09/turkeys-top-court-hea d-admits-majority-of-rights-violations-stem-fromlack-of-right-to-a-fair-trial, Zugriff 1.8.2022
DW [T] – Deutsche Welle [Türkisch] (17.02.2022):AYM’den tartışmalı gizli tanık içtihadı [umstrittene Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu geheimen Zeugen], https://www.dw.com/tr/aymden-tart%C4%B1%C5%9Fmal%C4%B1-gizli-tan%C4%B1k-i%C3%A7tihad%C4%B1/a-60817990, Zugriff 24.11.2022 DW - Deutsche Welle (11.7.2022):Europäischer Gerichtshof verurteilt Türkei wegen Haft von Osman Kavala,

https://www.dw.com/de/europ%C3%A4ischer-gerichtshof-verurteilt-t%C3%BCrkei-wegen-haft-von-osman-kavala/a-62437290, Zugriff 11.8.2022
DW - Deutsche Welle (25.4.2022): Türkischer Kulturförderer Osman Kavala zu lebenslanger Haft verurteilt, https://www.dw.com/de/t%C3%BCrkischer-kulturf%C3%B6rderer-osman-kavala-zu-leb enslanger-haft-verurteilt/a-59870684, Zugriff 26.4.2022
DW – Deutsche Welle (9.2.2022): Erdogan: Der beleidigte Präsident, https://www.dw.com/de/erdo gan-der-beleidigtepr%C3%A4sident/a-60705884, Zugriff 21.2.2022
DW - Deutsche Welle (17.1.2022): Türkei ignoriert Frist zur Freilassung von Kavala, https://ww w.dw.com/de/t%C3%BCrkei-ignoriert-frist-zur-freilassung-von-kavala/a-60455412, Zugriff 21.1.2022
DW – Deutsche Welle (6.3.2019): Müssen Türkei-Urlauber Festnahmen fürchten?, https://www.dw .com/de/m%C3%BCssen-t%C3%BCrkei-urlauber-festnahmen-f%C3%BCrchten/a-47792842, Zugriff 3.2.2023 EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 24.10.2022
EC – European Commission (19.10.2021): Turkey 2021 Report [SWD (2021) 290 final], https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/document/download/892a5e42-448a-47b8-bf62-b22 d52c4ba26_en, Zugriff 21.2.2022 EC – European Commission (6.10.2020): Turkey 2020 Report [SWD (2020) 355 final], https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/turkey_report_2020.pdf, Zugriff 21.2.2022
EC – European Commission (29.5.2019): Turkey 2019 Report [SWD(2019) 220 final], https://www. ecoi.net/en/file/local/2010472/20190529-turkey-report.pdf, Zugriff 21.2.2022 ECHR – European Court of Human Rights (1.2023): Violations by Article and by State,https: //echr.coe.int/Documents/Stats_violation_2022_ENG.pdf, Zugriff 31.5.2023
EP – Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 1.8.2022
EP – Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 21.2.2022
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 31.5.2023
FR - Frankfurter Rundschau (25.4.2022): Türkei: Lebenslange Haft für Kulturförderer Kavala, https: //www.fr.de/politik/tuerkeilebenslange-haft-fuer-kulturfoerderer-kavala-zr-91500881.html, Zugriff 26.4.2022
HDN – Hürriyet Daily News (18.1.2021): Some 300,000 people applied to Top Court for violation of rights in 8 years, https://www.hurriyetdailynews.com/some-300-000-people-applied-to-top-cou rt-for-violation-of-rights-in-8-years-161704, Zugriff 21.2.2022

HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2085506.html, Zugriff 19.1.2023
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043511.html, Zugriff 21.2.2022
HRW – Human Right Watch (10.4.2019): Lawyers on Trial - Abusive Prosecutions and Erosion of Fair Trial Rights in Turkey, https://www.hrw.org/report/2019/04/10/lawyers-trial/abusive-prosecuti ons-and-erosion-fair-trial-rights-turkey, Zugriff 2.8.2022 ICSEM – The Inquiry Commission on the State of Emergency Measures [Türkei] (12.1.2023):

ANNOUNCEMENT ON THE DECISIONS OF THE INQUIRY COMMISSION ON THE STATE OF EMERGENCY MEASURES, https://soe.tccb.gov.tr/, Zugriff 10.2.2023
IPI – International Press Institute (Hg.) (18.11.2019): Turkey’s Journalists in the Dock: Judicial Silencing of the Fourth Estate – Joint International Press Freedom Mission To Turkey (September 11–13, 2019), https://freeturkeyjournalists.ipi.media/wp-content/uploads/2019/11/Turkey-Mission -Report-IPI-FINAL4PRINT.pdf, Zugriff 21.2.2022
LoC – Library of Congress (7.11.2021): Turkey: Constitutional Court Rules Convictions for Offense of „Insulting the President“ Violate Right to Freedom of Expression, https://www.loc.gov/item/glo bal-legal-monitor/2021-11-07/turkey-constitutional-court-rulesconvictions-for-offense-of-insulti ng-the-president-violate-right-to-freedom-of-expression/, Zugriff 21.2.2022
LoC – Library of Congress (6.2021): Turkey: New Court Decisions and Developments in Law Regarding Scope and Limits of Presidential Decrees, https://www.loc.gov/item/global-legal-monit or/2021-07-25/turkey-new-court-decisions-and-developments-in-law-regardingscope-and-limit s-of-presidential-decrees/#, Zugriff 21.2.2022
Mezopotamya (2.8.2022): The picklock of the government: Anonymous witness, http://mezopota myaajansi35.com/en/ALLNEWS/content/view/178661?page=6, Zugriff 25.11.2022
MWN - Marocco World News (9.5.2022): Turkey Arrests Moroccan Tourist for Insulting President Erdogan, https://www.moroccoworldnews.com/2022/05/348906/turkey-arrests-moroccan-tourist-f or-insulting-president-erdogan, Zugriff 3.2.2023
NaT - News about Turkey (19.2.2019): Turkish police reveal nonexistence of ‘secret witness’ whose statements led to many imprisonments, https://newsaboutturkey.com/2019/02/19/news-about-tur key-turkish-police-reveal-nonexistence-of-secret-witnesswhose-statements-led-to-many-impri sonments/, Zugriff 25.11.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 31.5.2023 ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2021): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2067409/TUER_%C3%96BBericht_2021-11.pdf, Zugriff 2.8.2022 ÖB – Österreichische Botschaft - Ankara [Österreich] (10.2019): Asylländerbericht Türkei, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019349/TUER_%C3%96B+Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.9.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (26.11.2022): European rights court slams convictions based on secret witness testimony, https://stockholmcf.org/european-rights-court-slams-convictions-bas ed-on-secret-witness-testimony/, Zugriff 24.11.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (3.2021): TURKEY’S JUDICIAL COUNCIL - :Guarantor or Annihilator of Judicial Independence?, https://stockholmcf.org/wp-content/uploads/2021/03/Turkish-Judicial-Council-HSK-Report.pdf, Zugriff 3.2.2022
SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik [Can, Osman] (10.6.2021): Der Antrag auf das Verbot der prokurdischen HDP beim türkischen Verfassungsgericht, SWP-Aktuell 2021/A 44, https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2021A44_HDP_Tuerkei.pdf, Zugriff 21.2.2021 TM – Turkish Minute (18.1.2022): Turkey’s top court finds rights violations in 11,830 applications in 2021, https://www.turkishminute.com/2022/01/18/keys-top-court-finds-rights-violations-in-118 30-applications-in-2021/, Zugriff 1.2.2022 TM – Turkish Minute (26.11.2020): ECtHR judgment could spell the end of anonymous witnesses in Turkey, https://www.turkishminute.com/2020/11/26/ecthr-judgment-could-spell-the-end-of-ano nymous-witnesses-in-turkey/, Zugriff 24.11.2022
Turkish Tribunal [Perilli, Luca] (2.2021): Judicial Independence & Access to Justice, https://turkeytr ibunal.org/wpcontent/uploads/2021/11/Report_Luca_Perilli_-Independence_Access_to_Justice_ f.pdf, Zugriff 2.8.2022

USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/ 03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 22.3.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 – Turkey, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_TURKEY-2 021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 20.4.2022
WJP – World Justice Project (26.10.2022): Rule of Law Index – Turkey, https://worldjusticeproject. org/rule-of-lawindex/factors/2022/Turkey, Zugriff 27.10.2022
ZO – Zeit Online (28.12.2022): Lebenslange Haftstrafe für Osman Kavala bestätigt, https://www. zeit.de/politik/ausland/2022-12/tuerkeiosman-kavala-lebenslange-haft-bestaetigung, Zugriff 10.2.2023

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 21.06.2023

Das Präsidialsystem verleiht der Exekutive weitreichende Befugnisse über die Sicherheitskräfte. Die zivile Aufsicht über die Sicherheitskräfte ist jedoch nicht konsolidiert worden. Die Rechenschaftspflicht des Militärs, der Polizei und der Nachrichtendienste bleibt sehr begrenzt. Die parlamentarische Aufsicht über die Sicherheitsinstitutionen muss laut Europäischer Kommission gestärkt werden. Die Kultur der Straflosigkeit ist weiterhin weit verbreitet. Das Sicherheitspersonal genießt in Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung nach wie vor weitreichenden gerichtlichen und administrativen Schutz. Bei der strafrechtlichen Verfolgung von Militärangehörigen und der obersten Kommandoebene werden weiterhin rechtliche Privilegien gewährt. Die Untersuchung mutmaßlicher militärischer Straftaten, die von Militärangehörigen begangen wurden, erfordert die vorherige Genehmigung entweder durch militärische oder zivile Vorgesetzte (EC 12.10.2022, S. 17). Allerdings wurde der historisch starke politische Einfluss des Militärs seit 2003 und verstärkt seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 eingeschränkt. So hat der Generalstab einige seiner Kompetenzen an das Verteidigungsministerium abgegeben, und die drei Teilstreitkräfte sind nun dem Verteidigungsministerium direkt unterstellt. Zudem wird der Hohe Militärrat, die Kontrolle der Militärgerichtsbarkeit, das Sanitätswesen der Streitkräfte und das militärische Ausbildungswesen zunehmend zivil besetzt (BICC 12/2022, S.18f.)

Die Polizei und die „Jandarma“ (Gendarmerie), die dem Innenministerium unterstellt sind, sind für die Sicherheit in städtischen Gebieten respektive in ländlichen und Grenzgebieten zuständig (USDOS 20.3.2023, S. 1, ÖB 30.11.2022, S. 16). Das Militär trägt die Gesamtverantwortung für die Bewachung der Grenzen (USDOS 20.3.2023, S. 1). Die Polizei weist eine stark zentralisierte Struktur auf. Durch die polizeiliche Rechenschaftspflicht gegenüber dem Innenministerium untersteht sie der Kontrolle der jeweiligen Regierungspartei (BICC 12.2022, S. 2). Die Jandarma mit einer Stärke von - je nach Quelle - zwischen 152.100 und 192.978 Bediensteten wurde nach dem Putschversuch 2016 dem Innenministerium unterstellt, zuvor war diese dem Verteidigungsministerium unterstellt (ÖB 30.11.2022, S. 16; vgl. BICC 12.2022, S.18). Selbiges gilt für die 4.700 Mann starke Küstenwache (BICC 12.2022, S. 18, 26). Die Verantwortung für die Jandarma wird jedoch in Kriegszeiten dem Verteidigungsministerium übergeben (BICC 12.2022, S. 19). Die Polizei und die „Jandarma“ (Gendarmerie), die dem Innenministerium unterstellt sind, sind für die Sicherheit in städtischen Gebieten respektive in ländlichen und Grenzgebieten zuständig (USDOS 20.3.2023, S. 1, ÖB 30.11.2022, S. 16). Das Militär trägt die Gesamtverantwortung für die Bewachung der Grenzen (USDOS 20.3.2023, S. 1). Die Polizei weist eine stark zentralisierte Struktur auf. Durch die polizeiliche Rechenschaftspflicht gegenüber dem Innenministerium untersteht sie der Kontrolle der jeweiligen Regierungspartei (BICC 12.2022, S. 2). Die Jandarma mit einer Stärke von - je nach Quelle - zwischen 152.100 und 192.978 Bediensteten wurde nach dem Putschversuch 2016 dem Innenministerium unterstellt, zuvor war diese dem Verteidigungsministerium unterstellt (ÖB 30.11.2022, S. 16; vergleiche BICC 12.2022, S.18). Selbiges gilt für die 4.700 Mann starke Küstenwache (BICC 12.2022, S. 18, 26). Die Verantwortung für die Jandarma wird jedoch in Kriegszeiten dem Verteidigungsministerium übergeben (BICC 12.2022, S. 19).

Es gab Berichte, dass Jandarma-Kräfte, die zeitweise eine paramilitärische Rolle spielen und manchmal als Grenzschutz fungieren, auf Asylsuchende schossen, die versuchten die Grenze zu überqueren, was zu Tötungen oder Verletzungen von Zivilisten führte (USDOS 11.3.2020). Die Jandarma beaufsichtigt auch die sogenannten „Sicherheitskräfte“ [Güvenlik Köy Korucuları], die vormaligen „Dorfschützer“, eine zivile Miliz, die zusätzlich für die lokale Sicherheit im Südosten des Landes sorgen soll, vor allem als Reaktion auf die terroristische Bedrohung durch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (USDOS 13.3.2019).

Die Polizei, zunehmend mit schweren Waffen ausgerüstet, nimmt immer mehr militärische Aufgaben wahr. Dies untermauert sowohl deren Einsatz in den kurdisch dominierten Gebieten im Südosten der Türkei als auch, gemeinsam mit der Jandarma, im Rahmen von Militäroperationen im Ausland, wie während der Intervention in der syrischen Provinz Afrin im Jänner 2018 (BICC 12.2022, S. 19). Polizei, Jandarma und auch der Nationale Nachrichtendienst (Millî İstihbarat Teşkilâtı - MİT) haben unter der Regierung der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) an Einfluss gewonnen (AA 28.7.2022, S. 6).

Die 2008 abgeschaffte „Nachbarschaftswache“ alias „Nachtwache“ (türk.: Bekçi) wurde 2016 nach dem gescheiterten Putschversuch wiedereingeführt. Seitdem wurden mehr als 29.000 junge Männer (TM 28.11.2020) mit nur kurzer Ausbildung als Nachtwache eingestellt. Angehörige der Nachtwache trugen ehemals nur Schlagstöcke und Pfeifen, mit denen sie Einbrecher und Kleinkriminelle anhielten (BI 10.6.2020). Mit einer Gesetzesänderung im Juni 2020 wurden ihre Befugnisse erweitert (BI 10.6.2020; vgl. Spiegel 9.6.2020). Das neue Gesetz gibt ihnen die Befugnis, Schusswaffen zu tragen und zu benutzen, Identitätskontrollen durchzuführen, Personen und Autos zu durchsuchen sowie Verdächtige festzunehmen und der Polizei zu übergeben (NL-MFA 2.3.2022; S. 19). Sie sollen für öffentliche Sicherheit in ihren eigenen Stadtteilen sorgen, werden von Regierungskritikern aber als „AKP-Miliz“ kritisiert, und sollen für ihre Aufgaben kaum ausgebildet sein (AA 28.7.2022, S. 6; vgl. NL-MFA 2.3.2022; S. 19, BI 10.6.2020, Spiegel 9.6.2020). Den Einsatz im eigenen Wohnviertel sehen Kritiker als Beleg dafür, dass die Hilfspolizei der Bekçi die eigene Nachbarschaft nicht schützen, sondern viel mehr bespitzeln soll (Spiegel 9.6.2020). Laut Informationen des niederländischen Außenministeriums handeln die Bekçi in der Regel nach ihren eigenen nationalistischen und konservativen Normen und Werten. So griffen sie beispielsweise ein, wenn jemand auf Kurdisch öffentlich sang, einen kurzen Rock trug oder einen „extravaganten“ Haarschnitt hatte. Wenn die angehaltene Person nicht kooperierte, wurden ihr Handschellen angelegt und sie wurde der Polizei übergeben (NL-MFA 2.3.2022; S. 19). Human Rights Watch kritisierte, dass angesichts der weitverbreiteten Kultur der polizeilichen Straffreiheit die Aufsicht über die Beamten der Nachtwache noch unklarer und vager als bei der regulären Polizei sei (Guardian 8.6.2020). So hätte es glaubwürdige Hinweise gegeben, dass die türkische Polizei und Beamte der sog. Nachtwache bei sechs Vorfällen im Sommer 2020 in Diyarbakır und Ístanbul mindestens vierzehn Menschen schwer misshandelten. In vier der Fälle hätten die Behörden die Missbrauchsvorwürfe zurückgewiesen oder bestritten, anstatt sich zu einer Untersuchung der Vorwürfe zu entschließen (HRW 29.7.2020). Im August 2021 wurden drei Journalisten von Mitgliedern der Nachtwache attackiert, weil sie über das nächtliche Verschwinden eines, später tot aufgefundenen, Kleinkindes im Istanbuler Ortsteil Beylikdüzü berichteten (SCF 19.8.2021). Im Mai 2022 wurde angeblich eine 16-Jährige durch Angehörige der Nachtwache in Istanbul verhaftet und sexuell belästigt (SCF 11.5.2022). Und Mitte Juli 2022 wurden drei Transfrauen in der westtürkischen Provinz Izmir von Mitgliedern der Nachtwache im Rahmen einer Ausweiskontrolle mit Tränengas besprüht, geschlagen und in Handschellen auf die Polizeistation gebracht (Duvar 18.7.2022). Die 2008 abgeschaffte „Nachbarschaftswache“ alias „Nachtwache“ (türk.: Bekçi) wurde 2016 nach dem gescheiterten Putschversuch wiedereingeführt. Seitdem wurden mehr als 29.000 junge Männer (TM 28.11.2020) mit nur kurzer Ausbildung als Nachtwache eingestellt. Angehörige der Nachtwache trugen ehemals nur Schlagstöcke und Pfeifen, mit denen sie Einbrecher und Kleinkriminelle anhielten (BI 10.6.2020). Mit einer Gesetzesänderung im Juni 2020 wurden ihre Befugnisse erweitert (BI 10.6.2020; vergleiche Spiegel 9.6.2020). Das neue Gesetz gibt ihnen die Befugnis, Schusswaffen zu tragen und zu benutzen, Identitätskontrollen durchzuführen, Personen und Autos zu durchsuchen sowie Verdächtige festzunehmen und der Polizei zu übergeben (NL-MFA 2.3.2022; S. 19). Sie sollen für öffentliche Sicherheit in ihren eigenen Stadtteilen sorgen, werden von Regierungskritikern aber als „AKP-Miliz“ kritisiert, und sollen für ihre Aufgaben kaum ausgebildet sein (AA 28.7.2022, S. 6; vergleiche NL-MFA 2.3.2022; S. 19, BI 10.6.2020, Spiegel 9.6.2020). Den Einsatz im eigenen Wohnviertel sehen Kritiker als Beleg dafür, dass die Hilfspolizei der Bekçi die eigene Nachbarschaft nicht schützen, sondern viel mehr bespitzeln soll (Spiegel 9.6.2020). Laut Informationen des niederländischen Außenministeriums handeln die Bekçi in der Regel nach ihren eigenen nationalistischen und konservativen Normen und Werten. So griffen sie beispielsweise ein, wenn jemand auf Kurdisch öffentlich sang, einen kurzen Rock trug oder einen „extravaganten“ Haarschnitt hatte. Wenn die angehaltene Person nicht kooperierte, wurden ihr Handschellen angelegt und sie wurde der Polizei übergeben (NL-MFA 2.3.2022; S. 19). Human Rights Watch kritisierte, dass angesichts der weitverbreiteten Kultur der polizeilichen Straffreiheit die Aufsicht über die Beamten der Nachtwache noch unklarer und vager als bei der regulären Polizei sei (Guardian 8.6.2020). So hätte es glaubwürdige Hinweise gegeben, dass die türkische Polizei und Beamte der sog. Nachtwache bei sechs Vorfällen im Sommer 2020 in Diyarbakır und Ístanbul mindestens vierzehn Menschen schwer misshandelten. In vier der Fälle hätten die Behörden die Missbrauchsvorwürfe zurückgewiesen oder bestritten, anstatt sich zu einer Untersuchung der Vorwürfe zu entschließen (HRW 29.7.2020). Im August 2021 wurden drei Journalisten von Mitgliedern der Nachtwache attackiert, weil sie über das nächtliche Verschwinden eines, später tot aufgefundenen, Kleinkindes im Istanbuler Ortsteil Beylikdüzü berichteten (SCF 19.8.2021). Im Mai 2022 wurde angeblich eine 16-Jährige durch Angehörige der Nachtwache in Istanbul verhaftet und sexuell belästigt (SCF 11.5.2022). Und Mitte Juli 2022 wurden drei Transfrauen in der westtürkischen Provinz Izmir von Mitgliedern der Nachtwache im Rahmen einer Ausweiskontrolle mit Tränengas besprüht, geschlagen und in Handschellen auf die Polizeistation gebracht (Duvar 18.7.2022).

Nachrichtendienstliche Belange werden bei der Türkischen Nationalpolizei (TNP) durch den polizeilichen Nachrichtendienst (İstihbarat Dairesi Başkanlığı - IDB) abgedeckt. Dessen Schwerpunkt liegt auf Terrorbekämpfung, Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Zusammenarbeit mit anderen türkischen Nachrichtendienststellen. Ebenso unterhält die Jandarma einen auf militärische Belange ausgerichteten Nachrichtendienst. Ferner existiert der Nationale Nachrichtendienst MİT, der seit September 2017 direkt dem Staatspräsidenten unterstellt ist (zuvor dem Amt des Premierministers) und dessen Aufgabengebiete der Schutz des Territoriums, des Volkes, der Aufrechterhaltung der staatlichen Integrität, der Wahrung des Fortbestehens, der Unabhängigkeit und der Sicherheit der Türkei sowie deren Verfassung und der verfassungskonformen Staatsordnung sind. Die Gesetzesnovelle vom April 2014 brachte dem MİT erweiterte Befugnisse zum Abhören von privaten Telefongesprächen und zur Sammlung von Informationen über terroristische und internationale Straftaten. MİT-Agenten besitzen eine erweiterte gesetzliche Immunität. Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren sind für Personen, die Geheiminformation veröffentlichen, vorgesehen. Auch Personen, die dem MİT Dokumente bzw. Informationen vorenthalten, drohen bis zu fünf Jahre Haft (ÖB 30.11.2022, S. 17).

Der Polizei wurden im Zuge der Abänderung des Sicherheitsgesetzes im März 2015 weitreichende Kompetenzen übertragen. Das Gesetz sieht seitdem den Gebrauch von Schusswaffen gegen Personen vor, welche Molotow-co*cktails, Explosiv- und Feuerwerkskörper oder Ähnliches, etwa im Rahmen von Demonstrationen, einsetzen, oder versuchen einzusetzen (NZZ 27.3.2015; vgl. FAZ 27.3.2015, HDN 27.3.2015). Die Polizei kann auf Grundlage einer mündlichen oder schriftlichen Einwilligung des Leiters der Verwaltungsbehörde eine Person, ihren Besitz und ihr privates Verkehrsmittel durchsuchen. Der Gouverneur kann die Exekutive anweisen, Gesetzesbrecher ausfindig zu machen (Anadolu 27.3.2015). Der Polizei wurden im Zuge der Abänderung des Sicherheitsgesetzes im März 2015 weitreichende Kompetenzen übertragen. Das Gesetz sieht seitdem den Gebrauch von Schusswaffen gegen Personen vor, welche Molotow-co*cktails, Explosiv- und Feuerwerkskörper oder Ähnliches, etwa im Rahmen von Demonstrationen, einsetzen, oder versuchen einzusetzen (NZZ 27.3.2015; vergleiche FAZ 27.3.2015, HDN 27.3.2015). Die Polizei kann auf Grundlage einer mündlichen oder schriftlichen Einwilligung des Leiters der Verwaltungsbehörde eine Person, ihren Besitz und ihr privates Verkehrsmittel durchsuchen. Der Gouverneur kann die Exekutive anweisen, Gesetzesbrecher ausfindig zu machen (Anadolu 27.3.2015).

Seit dem 6.1.2021 können die Nationalpolizei (EGM) und der Nationale Nachrichtendienst (MİT) im Falle von Terroranschlägen und zivilen Unruhen Waffen und Ausrüstung der türkischen Streitkräfte (TSK) nutzen. Gemäß der Verordnung dürfen die TSK, EGM, MİT, das Gendarmeriekommando und das Kommando der Küstenwache in Fällen von Terrorismus und zivilen Unruhen alle Arten von Waffen und Ausrüstungen untereinander übertragen (SCF 8.1.2021; vgl. Ahval 7.1.2021). Das Europäische Parlament zeigte sich über die neuen Rechtsvorschriften besorgt (EP 19.5.2021, S. 15, Pt. 38). Seit dem 6.1.2021 können die Nationalpolizei (EGM) und der Nationale Nachrichtendienst (MİT) im Falle von Terroranschlägen und zivilen Unruhen Waffen und Ausrüstung der türkischen Streitkräfte (TSK) nutzen. Gemäß der Verordnung dürfen die TSK, EGM, MİT, das Gendarmeriekommando und das Kommando der Küstenwache in Fällen von Terrorismus und zivilen Unruhen alle Arten von Waffen und Ausrüstungen untereinander übertragen (SCF 8.1.2021; vergleiche Ahval 7.1.2021). Das Europäische Parlament zeigte sich über die neuen Rechtsvorschriften besorgt (EP 19.5.2021, S. 15, Pt. 38).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 24.8.2022
Ahval (7.1.2021): Turkish police and intelligence allowed to use military weapons domestically, https://ahvalnews.com/policeviolence/turkish-police-and-intelligence-allowed-use-military-weapo ns-domestically, Zugriff 15.2.2022 Anadolu – Anadolu Agency (27.3.2015): Turkey: Parliament approves domestic security package, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkey-parliament-approves-domestic-security-package/63105, Zugriff 11.5.2023 BI – Balkan Insight (10.6.2020): Turkey Opposition Condemns Move to Arm Night Watchmen, https: //balkaninsight.com/2020/06/10/turkey-opposition-condemns-move-to-arm-night-watchmen/, Zugriff 15.2.2022
BICC - Bonn International Centre for Conflict Studies (12.2022): Länderinformation - Türkei, https: //www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/tuerkei/2022_Tuerkei.pdf, Zugriff 15.2.2023
Duvar (18.7.2022): Turkish watchmen batter trans women in western İzmir, https://www.duvarengli sh.com/turkish-watchmen-battertrans-women-in-western-izmir-news-61038, Zugriff 11.8.2022 EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 24.10.2022
EP - Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 15.2.2022
FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.3.2015): Die Polizei bekommt mehr Befugnisse, http: //www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei/tuerkei-mehr-befugnisse-fuer-polizei-gegen-d emonstranten-13509122.html, Zugriff 15.2.2022
Guardian – The Guardian (8.6.2020): Alarm at Turkish plan to expand powers of nightwatchmen, https://www.theguardian.com/world/2020/jun/08/alarm-at-turkish-plan-to-expand-powers-of-night watchmen, Zugriff 15.2.2022
HDN – Hürriyet Daily News (27.3.2015): Turkish main opposition CHP to appeal for the annulment of the security package, http://www.hurriyetdailynews.com/turkish-main-opposition-chp-to-appea l-for-the-annulment-of-the-security-package.aspx?pageID=238&nID=80261&NewsCatID=338, Zugriff 15.2.2022
HRW – Human Rights Watch (29.7.2020): Turkey: Police, Watchmen Involved in Torture, Ill-Treatment, https://www.hrw.org/news/2020/07/29/turkey-police-watchmen-involved-torture-ill-treatme nt, Zugriff 15.2.2022
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 27.9.2022 NZZ – Neue Zürcher Zeitung (27.3.2015): Mehr Befugnisse für die Polizei; Ankara zieht die Schraube an, http://www.nzz.ch/international/europa/ankara-zieht-die-schraube-an-1.18511712, Zugriff 15.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 8.5.2023
SCF – Stockholm Center for Freedom (11.5.2022): Neighborhood watchmen allegedly harass 16year-old girl in Istanbul, https://stockholmcf.org/neighborhood-watchmen-allegedly-harass-16-yea r-old-girl-in-istanbul/, Zugriff 20.5.2022 SCF – Stockholm Center for Freedom (19.8.2021): Watchmen attack journalists reporting on missing toddler in İstanbul, https://stockholmcf.org/watchmen-attack-journalists-reporting-on-missing-t oddler-in-istanbul/, Zugriff 20.5.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (8.1.2021): Turkish police and intelligence agency authorized to use military weaponry in event of civil unrest, https://stockholmcf.org/turkish-police-and-intellige nce-agency-authorized-to-use-military-weaponry-in-event-of-civilunrest/, Zugriff 15.2.2022
Spiegel (9.6.2020): Erdogans Parallel-Polizei, https://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-nac hbarschaftswache-recep-tayyiperdogans-parallel-polizei-a-ece122d1-5df6-4fb9-bd24-fa44b68 7e5fd, Zugriff 15.2.2022
TM – Turkish Minute (28.11.2020): Erdoğan’s army, https://www.turkishminute.com/2020/11/28/e rdogans-army/, Zugriff 30.11.2020
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/ 03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 8.5.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Turkey, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026346.html, Zugriff 15.2.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Turkey, https://www.ecoi.net/en/document/2004277.html, Zugriff 15.2.2022

Folter und unmenschliche Behandlung Letzte Änderung: 21.06.2023

Die Türkei ist Vertragspartei des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe von 1987 (AA 28.7.2022, S. 16). Sie hat das Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter (Optional Protocol to the Convention Against Torture/ OPCAT) im September 2005 unterzeichnet und 2011 ratifiziert (ÖB 30.11.2022, S. 32).

Glaubhafte Berichte von Menschenrechtsorganisationen, der Anwaltskammer Ankara, der Opposition sowie von Betroffenen über Fälle von Folterungen, Entführungen und die Existenz informeller Anhaltezentren gibt es weiterhin (ÖB 30.11.2022, S. 32). Immer noch kommen Folter und Misshandlung in Haftzentren (der Polizei, Gendarmerie, des Militärs) sowie Gefängnissen, aber auch in informellen Hafteinrichtungen, auf der Straße und insbesondere bei Demonstrationen vor (NL-MFA 2.3.2022, S. 32; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 32, EC 12.10.2022, S. 18, 33, İHD 6.11.2022, S. 11, İHD/OMCT/CİSST/HRFT 9.12.2021). Außerdem wird regelmäßig von Misshandlungen, einschließlich schwerer Schläge und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, sowie von Überbelegung in Abschiebezentren berichtet, in denen ausländische Staatsangehörige, darunter auch Asylbewerber und Migranten, bis zum Abschluss des Abschiebungsverfahrens in Verwaltungshaft genommen werden (HRW 12.1.2023). Hierzu äußerten sich im September 2022 die Experten des UN-Unterausschusses zur Verhütung von Folter (SPT) nach ihrem zweiten Besuch im Land. Demnach muss die Türkei weitere Maßnahmen ergreifen, um Häftlinge vor Folter und Misshandlung zu schützen, insbesondere in den ersten Stunden der Haft, und um Migranten in Abschiebezentren zu schützen (OHCHR 21.9.2022). Glaubhafte Berichte von Menschenrechtsorganisationen, der Anwaltskammer Ankara, der Opposition sowie von Betroffenen über Fälle von Folterungen, Entführungen und die Existenz informeller Anhaltezentren gibt es weiterhin (ÖB 30.11.2022, S. 32). Immer noch kommen Folter und Misshandlung in Haftzentren (der Polizei, Gendarmerie, des Militärs) sowie Gefängnissen, aber auch in informellen Hafteinrichtungen, auf der Straße und insbesondere bei Demonstrationen vor (NL-MFA 2.3.2022, S. 32; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 32, EC 12.10.2022, S. 18, 33, İHD 6.11.2022, S. 11, İHD/OMCT/CİSST/HRFT 9.12.2021). Außerdem wird regelmäßig von Misshandlungen, einschließlich schwerer Schläge und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, sowie von Überbelegung in Abschiebezentren berichtet, in denen ausländische Staatsangehörige, darunter auch Asylbewerber und Migranten, bis zum Abschluss des Abschiebungsverfahrens in Verwaltungshaft genommen werden (HRW 12.1.2023). Hierzu äußerten sich im September 2022 die Experten des UN-Unterausschusses zur Verhütung von Folter (SPT) nach ihrem zweiten Besuch im Land. Demnach muss die Türkei weitere Maßnahmen ergreifen, um Häftlinge vor Folter und Misshandlung zu schützen, insbesondere in den ersten Stunden der Haft, und um Migranten in Abschiebezentren zu schützen (OHCHR 21.9.2022).

Menschenrechtsgruppen behaupten, dass Personen, denen eine Verbindung zur PKK oder zur Gülen-Bewegung nachgesagt wird, mit größerer Wahrscheinlichkeit misshandelt, missbraucht oder möglicherweise gefoltert werden. Zudem sind derartige Übergriffe seitens der Polizei im Süd-Osten des Landes häufiger (USDOS 20.3.2023, S. 5). Menschenrechtsvereinigungen wie Human Rights Watch, lokaleAnwaltsvereinigungen sowie Menschenrechtsaktivisten aus den Reihen der oppositionellen HDP berichteten über einen Anstieg von Übergriffen der Polizei, der Gendarmerie und Spezialeinheiten in den vom Erdbeben im 2023 betroffenen Gebieten des Südens und Südostens, wobei es auch Vorwürfe von Folter mit Todesfolge gibt. Besonders vulnerabel sind hier wiederum die syrischen Flüchtlinge. Die Sicherheitskräfte argumentierten meist, dass es sich um Plünderer handelte, gegen die vorgegangen wurde (AM 21.2.2023; vgl. DW 16.2.2023). Menschenrechtsgruppen behaupten, dass Personen, denen eine Verbindung zur PKK oder zur Gülen-Bewegung nachgesagt wird, mit größerer Wahrscheinlichkeit misshandelt, missbraucht oder möglicherweise gefoltert werden. Zudem sind derartige Übergriffe seitens der Polizei im Süd-Osten des Landes häufiger (USDOS 20.3.2023, S. 5). Menschenrechtsvereinigungen wie Human Rights Watch, lokaleAnwaltsvereinigungen sowie Menschenrechtsaktivisten aus den Reihen der oppositionellen HDP berichteten über einen Anstieg von Übergriffen der Polizei, der Gendarmerie und Spezialeinheiten in den vom Erdbeben im 2023 betroffenen Gebieten des Südens und Südostens, wobei es auch Vorwürfe von Folter mit Todesfolge gibt. Besonders vulnerabel sind hier wiederum die syrischen Flüchtlinge. Die Sicherheitskräfte argumentierten meist, dass es sich um Plünderer handelte, gegen die vorgegangen wurde (AM 21.2.2023; vergleiche DW 16.2.2023).

Der Europarat konnte jedoch die Existenz informeller Anhaltezentren nicht bestätigen. Die Häufigkeit der Vorfälle liegt auf einem besorgniserregenden Niveau. Allerdings hat die Schwere der Misshandlungen durch Polizeibeamte abgenommen. Von systematischer Anwendung von Folter kann dennoch nicht die Rede sein (ÖB 30.11.2022, S. 32). Die Zahl der Vorkommnisse stieg insbesondere nach dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016, wobei das Fehlen einer Verurteilung durch höhere Amtsträger und die Bereitschaft, Anschuldigungen zu vertuschen, anstatt sie zu untersuchen, zu einer weitverbreiteten Straffreiheit für die Sicherheitskräfte geführt hat (SCF 6.1.2022). Dies ist überdies auf die Verletzung von Verfahrensgarantien, langen Haftzeiten und vorsätzlicher Fahrlässigkeit zurückzuführen, die auf verschiedenen Ebenen des Staates zur gängigen Praxis geworden sind (İHD/OMCT/CİSST/HRFT 9.12.2021). Davon abgesehen kommt es zu extremen und unverhältnismäßigen Interventionen der Strafverfolgungsbehörden bei Versammlungen und Demonstrationen, die dem Ausmaß von Folter entsprechen (İHD 6.11.2022, S. 11; vgl. TİHV 6.2021, S. 13). Die Zunahme von Vorwürfen über Folter, Misshandlung und grausame und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Polizeigewahrsam und Gefängnissen in den letzten Jahren hat die früheren Fortschritte der Türkei in diesem Bereich zurückgeworfen (HRW 13.1.2021, vgl. İHD/OMCT/CİSST/HRFT 9.12.2021). Betroffen sind so- wohl Personen, welche wegen politischer als auch gewöhnlicher Straftaten angeklagt sind (HRW 13.1.2021). In einer Entschließung vom 7.6.2022 wiederholte das Europäische Parlament (EP) „seine Besorgnis darüber, dass sich die Türkei weigert, die Empfehlungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe umzusetzen“ und „fordert die Türkei auf, bei Folter eine Null-Toleranz-Politik walten zu lassen und anhaltenden und glaubwürdigen Berichten über Folter, Misshandlung und unmenschliche oder entwürdigende Behandlung in Gewahrsam, bei Verhören oder in Haft umfassend nachzugehen, um der Straflosigkeit ein Ende zu setzen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“ (EP 7.6.2022, S. 19, Pt. 32). Es gab wenige Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft bei der Untersuchung der in den letzten Jahren vermehrt erhobenen Vorwürfe von Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam und Gefängnissen Fortschritte gemacht hätte. Nur wenige derartige Vorwürfe führen zu einer strafrechtlichen Verfolgung der Sicherheitskräfte, und es herrscht nach wie vor eine weitverbreitete Kultur der Straflosigkeit (HRW 13.1.2022). Laut der „Menschenrechtsstiftung der Türkei“ (TİHV) sollen zwischen 2018 und 2021 in der Türkei mindestens 13.965 Menschen unter Folter und Misshandlung festgenommen worden sein. Von diesen gewaltsamen Verhaftungen erfolgten 3.997 im Jahr 2018, 4.253 im Jahr 2019, 2.014 im Jahr 2020 und 3.701 im Jahr 2021 (Duvar 22.3.2022). Der Europarat konnte jedoch die Existenz informeller Anhaltezentren nicht bestätigen. Die Häufigkeit der Vorfälle liegt auf einem besorgniserregenden Niveau. Allerdings hat die Schwere der Misshandlungen durch Polizeibeamte abgenommen. Von systematischer Anwendung von Folter kann dennoch nicht die Rede sein (ÖB 30.11.2022, S. 32). Die Zahl der Vorkommnisse stieg insbesondere nach dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016, wobei das Fehlen einer Verurteilung durch höhere Amtsträger und die Bereitschaft, Anschuldigungen zu vertuschen, anstatt sie zu untersuchen, zu einer weitverbreiteten Straffreiheit für die Sicherheitskräfte geführt hat (SCF 6.1.2022). Dies ist überdies auf die Verletzung von Verfahrensgarantien, langen Haftzeiten und vorsätzlicher Fahrlässigkeit zurückzuführen, die auf verschiedenen Ebenen des Staates zur gängigen Praxis geworden sind (İHD/OMCT/CİSST/HRFT 9.12.2021). Davon abgesehen kommt es zu extremen und unverhältnismäßigen Interventionen der Strafverfolgungsbehörden bei Versammlungen und Demonstrationen, die dem Ausmaß von Folter entsprechen (İHD 6.11.2022, S. 11; vergleiche TİHV 6.2021, S. 13). Die Zunahme von Vorwürfen über Folter, Misshandlung und grausame und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Polizeigewahrsam und Gefängnissen in den letzten Jahren hat die früheren Fortschritte der Türkei in diesem Bereich zurückgeworfen (HRW 13.1.2021, vergleiche İHD/OMCT/CİSST/HRFT 9.12.2021). Betroffen sind so- wohl Personen, welche wegen politischer als auch gewöhnlicher Straftaten angeklagt sind (HRW 13.1.2021). In einer Entschließung vom 7.6.2022 wiederholte das Europäische Parlament (EP) „seine Besorgnis darüber, dass sich die Türkei weigert, die Empfehlungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe umzusetzen“ und „fordert die Türkei auf, bei Folter eine Null-Toleranz-Politik walten zu lassen und anhaltenden und glaubwürdigen Berichten über Folter, Misshandlung und unmenschliche oder entwürdigende Behandlung in Gewahrsam, bei Verhören oder in Haft umfassend nachzugehen, um der Straflosigkeit ein Ende zu setzen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“ (EP 7.6.2022, S. 19, Pt. 32). Es gab wenige Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft bei der Untersuchung der in den letzten Jahren vermehrt erhobenen Vorwürfe von Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam und Gefängnissen Fortschritte gemacht hätte. Nur wenige derartige Vorwürfe führen zu einer strafrechtlichen Verfolgung der Sicherheitskräfte, und es herrscht nach wie vor eine weitverbreitete Kultur der Straflosigkeit (HRW 13.1.2022). Laut der „Menschenrechtsstiftung der Türkei“ (TİHV) sollen zwischen 2018 und 2021 in der Türkei mindestens 13.965 Menschen unter Folter und Misshandlung festgenommen worden sein. Von diesen gewaltsamen Verhaftungen erfolgten 3.997 im Jahr 2018, 4.253 im Jahr 2019, 2.014 im Jahr 2020 und 3.701 im Jahr 2021 (Duvar 22.3.2022).

Reaktionen des Verfassungsgerichts und der Behörden auf Foltervorwürfe

Allerdings urteilte das Verfassungsgericht 2021 mindestens in fünf Fällen zugunsten von Klägern, die von Folter und Misshandlungen betroffen waren (SCF 17.11.2021). In zwei Urteilen vom Mai 2021 stellte das Verfassungsgericht Verstöße gegen das Misshandlungsverbot fest und ordnete neue Ermittlungen hinsichtlich der Beschwerden an, die von der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt ihrer Einreichung im Jahr 2016 abgewiesen worden waren (HRW 13.1.2022). Betroffen waren ein ehemaliger Lehrer, der im Gefängnis in der Provinz Antalya gefoltert wurde, sowie ein Mann, der in Polizeigewahrsam in der Provinz Afyon geschlagen und sexuell missbraucht wurde. Beide wurden 2016 wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung verhaftet. Das Höchstgericht ordnete in beiden Fällen Schadenersatzzahlungen an (SCF 15.9.2021, SCF 22.9.2021). Ebenfalls im Sinne dreier Kläger (der Brüder Çelik und ihres Cousins), die 2016 von den bulgarischen an die türkischen Behörden ausgeliefert wurden, und welche Misshandlungen sowie die Verweigerung medizinischer Hilfe beklagten, entschied das Verfassungsgericht, dass die Staatsanwaltschaft die Anhörung von Gefängnisinsassen als Zeugen im Verfahren verabsäumt hätte. Das Höchstgericht wies die Behörden an, eine Schadenersatzzahlung zu leisten und eine Untersuchung gegen die Täter einzuleiten (SCF 17.11.2021). Überdies wurde im Fall eines privaten Sicherheitsbediensteten, der am 5.6.2021 in Istanbul in Polizeigewahrsam starb, ein stellvertretender Polizeichef inhaftiert, der zusammen mit elf weiteren Polizeibeamten vor Gericht steht, nachdem die Medien Wochen zuvor Aufnahmen veröffentlicht hatten, auf denen zu sehen war, wie die Polizei den Wachmann schlug (HRW 13.1.2022).

Opfer von Misshandlungen und Folter haben formal die Möglichkeit, sich bei verschiedenen Stellen zu beschweren, darunter bei der Ombudsstelle und der Institution für Menschenrechte und Gleichstellung der Türkei (Türkiye İnsan Hakları ve Eşitlik Kurumu - TİHEK, eng.: HREI). Beide Behörden stehen jedoch unter der Kontrolle der Regierung und sind nicht dafür bekannt, dass sie effizient gegen Missbräuche durch Regierungsmitarbeiter vorgehen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen haben viele Opfer von Misshandlungen und Folter wenig oder kein Vertrauen in die beiden genannten Institutionen. Es überwiegt die Angst, dass sie erneut Misshandlungen und Folter ausgesetzt werden, wenn die Gendarmen, Polizisten und/oder Gefängniswärter herausfinden, dass sie eine Beschwerde eingereicht haben. In Anbetracht dessen erstatten die meisten Opfer von Misshandlungen und Folter keine Anzeige (NL-MFA 18.3.2021, S. 34; vgl. NL-MFA 2.3.2022, S. 32f.). Kommt es dennoch zu Beschwerden von Gefangenen über Folter und Misshandlung stellen die Behörden keine Rechtsverletzungen fest, die Untersuchungen bleiben ergebnislos. Hierdurch hat die Motivation der Gefangenen, Rechtsmittel einzulegen, abgenommen, was wiederum zu einem Rückgang der Beschwerden geführt hat (CİSST 26.3.2021, S. 30). Die Regierungsstellen haben keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen, um diese Anschuldigungen zu untersuchen oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Stattdessen wurden Beschwerden bezüglich Folter von der Staatsanwaltschaft unter Berufung auf die Notstandsverordnung (Art. 9 des Dekrets Nr. 667) abgewiesen, die Beamte von einer strafrechtlichen Verantwortung für Handlungen im Zusammenhang mit dem Ausnahmezustand freispricht. Die Tatsache, dass die Behörden es versäumt haben, Folter und Misshandlung öffentlich zu verurteilen und das allgemeine Verbot eines solchen Missbrauchs in der täglichen Praxis durchzusetzen, fördert ein Klima der Straffreiheit, welches dieses Verbot und letztendlich die Rechtsstaatlichkeit ernsthaft untergräbt (OHCHR 27.2.2018; vgl. EC 29.5.2019). Opfer von Misshandlungen und Folter haben formal die Möglichkeit, sich bei verschiedenen Stellen zu beschweren, darunter bei der Ombudsstelle und der Institution für Menschenrechte und Gleichstellung der Türkei (Türkiye İnsan Hakları ve Eşitlik Kurumu - TİHEK, eng.: HREI). Beide Behörden stehen jedoch unter der Kontrolle der Regierung und sind nicht dafür bekannt, dass sie effizient gegen Missbräuche durch Regierungsmitarbeiter vorgehen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen haben viele Opfer von Misshandlungen und Folter wenig oder kein Vertrauen in die beiden genannten Institutionen. Es überwiegt die Angst, dass sie erneut Misshandlungen und Folter ausgesetzt werden, wenn die Gendarmen, Polizisten und/oder Gefängniswärter herausfinden, dass sie eine Beschwerde eingereicht haben. In Anbetracht dessen erstatten die meisten Opfer von Misshandlungen und Folter keine Anzeige (NL-MFA 18.3.2021, S. 34; vergleiche NL-MFA 2.3.2022, S. 32f.). Kommt es dennoch zu Beschwerden von Gefangenen über Folter und Misshandlung stellen die Behörden keine Rechtsverletzungen fest, die Untersuchungen bleiben ergebnislos. Hierdurch hat die Motivation der Gefangenen, Rechtsmittel einzulegen, abgenommen, was wiederum zu einem Rückgang der Beschwerden geführt hat (CİSST 26.3.2021, S. 30). Die Regierungsstellen haben keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen, um diese Anschuldigungen zu untersuchen oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Stattdessen wurden Beschwerden bezüglich Folter von der Staatsanwaltschaft unter Berufung auf die Notstandsverordnung (Artikel 9, des Dekrets Nr. 667) abgewiesen, die Beamte von einer strafrechtlichen Verantwortung für Handlungen im Zusammenhang mit dem Ausnahmezustand freispricht. Die Tatsache, dass die Behörden es versäumt haben, Folter und Misshandlung öffentlich zu verurteilen und das allgemeine Verbot eines solchen Missbrauchs in der täglichen Praxis durchzusetzen, fördert ein Klima der Straffreiheit, welches dieses Verbot und letztendlich die Rechtsstaatlichkeit ernsthaft untergräbt (OHCHR 27.2.2018; vergleiche EC 29.5.2019).

Anlässlich eines Besuchs des Anti-Folter-Komitees des Europarats (CPT) im Mai 2019 erhielt dieses wie bereits während des CPT-Besuchs 2017 eine beträchtliche Anzahl von Vorwürfen über exzessive Gewaltanwendung und/oder körperliche Misshandlung durch Polizei-/Gendarmeriebeamte von Personen, die kürzlich in Gewahrsam genommen worden waren, darunter Frauen und Jugendliche.

Ein erheblicher Teil der Vorwürfe bezog sich auf Schläge während des Transports oder innerhalb von Strafverfolgungseinrichtungen, offenbar mit dem Ziel, Geständnisse zu erpressen oder andere Informationen zu erlangen, oder schlicht als Strafe. In einer Reihe von Fällen wurden die Behauptungen über körperliche Misshandlungen durch medizinische Beweise belegt. Insgesamt hatte das CPT den Eindruck gewonnen, dass die Schwere der angeblichen polizeilichen Misshandlungen im Vergleich zu 2017 abgenommen hat. Die Häufigkeit der Vorwürfe bleibt jedoch gemäß CPT auf einem besorgniserregenden Niveau (CoE-CPT 5.8.2020).

Nach Angaben der İHD wurden im Jahr 2021 531 Personen, darunter zwölf Kinder, in offiziellen und 704 Personen (inklusive 25 Kinder) informellen Hafteinrichtungen gefoltert oder misshandelt und 1.414 weitere in den Gefängnissen. 2.835 Demonstranten wurden während 409 Interventionen von Sicherheitskräften geschlagen oder verwundet (İHD 6.11.2022, S. 11). Sezgin Tanrıkulu, Parlamentsabgeordneter der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) zählt in seinem Jahresbericht für 2020 3.534 Vorfälle von Folter oder Misshandlung, von denen 1.855 in Gefängnissen stattfanden (TM 16.1.2021). Laut einer Statistik der türkischen Civil Society in the

Penal System Association aus dem Jahr 2019 waren überwiegend politische Gefangene Opfer von Folter und Gewalt - 92 von 150. In der Mehrheit waren die Täter Gefängnisaufseher (308 von 471), aber auch Angehörige des Verwaltungspersonals (114 von 471) (CİSST 26.3.2021, S. 26).

Beispiele:

Laut Human Rights Watch bestünden glaubwürdige Beweise, dass im Sommer 2020 die Polizei sowie Mitglieder der sog. Nachtwache bei sechs Vorfällen in Diyarbakır und Istanbul schwere Misshandlungen an mindestens vierzehn Personen begangen haben (HRW 29.7.2020). Ebenfalls in Diyarbakır wurde Ende Juni 2020 die Frauenaktivistin und ehemalige Bürgermeisterin der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Edremit, Rojbin Sevil Çetin, im Zuge der Erstürmung ihres Hauses angeblich physischer und sexueller Folter, verbunden mit Todesdrohungen ausgesetzt. Nachdem Cetins Anwalt Fotos von ihren Verletzungen der Presse übermittelte, wurde gegen ihn, den Anwalt, eine Untersuchung eingeleitet (AM 8.7.2020).

Anfang Dezember 2021 starb Garibe Gezer in Einzelhaft in Kandıra, einem Hochsicherheitsgefängnis des Typs F außerhalb Istanbuls. Gezer, eine kurdische Politikerin der Demokratischen Partei der Regionen (DBP), der lokalen Schwesterpartei der HDP, war 2016 zu lebenslanger Haft wegen vermeintlicher Verbindungen zur PKK verurteilt worden. Nachdem Gezer enthüllt hatte, dass sie von Gefängniswärtern gefoltert und sexuell missbraucht worden war, forderten Ende Oktober 2021 sowohl die HDP als auch die Menschenrechtsvereinigung (İHD) von den Behörden Gezers Beschwerden zu untersuchen. Eine Untersuchung unterblieb, und als Gezer Anfang Dezember 2021 im Gefängnis starb, sprachen HDP und İHD von einem „Tod unter verdächtigen Umständen“. Die Gefängnisbehörden erklärten jedoch, Gezer habe Selbstmord begangen (NL-MFA 2.3.2022, S. 33; vgl. TM 29.1.2022, Bianet 15.12.2021). Anfang Dezember 2021 starb Garibe Gezer in Einzelhaft in Kandıra, einem Hochsicherheitsgefängnis des Typs F außerhalb Istanbuls. Gezer, eine kurdische Politikerin der Demokratischen Partei der Regionen (DBP), der lokalen Schwesterpartei der HDP, war 2016 zu lebenslanger Haft wegen vermeintlicher Verbindungen zur PKK verurteilt worden. Nachdem Gezer enthüllt hatte, dass sie von Gefängniswärtern gefoltert und sexuell missbraucht worden war, forderten Ende Oktober 2021 sowohl die HDP als auch die Menschenrechtsvereinigung (İHD) von den Behörden Gezers Beschwerden zu untersuchen. Eine Untersuchung unterblieb, und als Gezer Anfang Dezember 2021 im Gefängnis starb, sprachen HDP und İHD von einem „Tod unter verdächtigen Umständen“. Die Gefängnisbehörden erklärten jedoch, Gezer habe Selbstmord begangen (NL-MFA 2.3.2022, S. 33; vergleiche TM 29.1.2022, Bianet 15.12.2021).

Augenzeugenberichten zufolge schlugen im April 2022 zahlreiche Wärter im Istanbuler MarmaraGefängnis (ehemals Silivri-Gefängnis) auf Insassen ein und versuchten sie in den Selbstmord zu treiben. Der Häftling Ferhan Yılmaz starb imApril 2022 im Krankenhaus, nachdem er mutmaßlich von Gefängniswärtern gefoltert und misshandelt worden war. Zehn weitere Gefangene sollen in verschiedene Gefängnisse im ganzen Land verlegt worden sein, nachdem auch sie angegeben hatten, dass Gefängniswärter sie geschlagen hätten (AI 28.3.2023).

Nach dem massiven Erdbeben im Februar 2023 gab es Vorwürfe von eskalierender Polizeigewalt in den betroffenen Gebieten, die in manchen Fällen auch Gegenreaktionen auslöste. So gab die HDP bekannt, dass sie Strafanzeige gegen den Gouverneur von Hatay und den Polizeichef von Iskenderun wegen „schwerer Folter“ von zehn Bürgern erstattete, die bei den Erdbeben ihre Angehörigen und ihr Zuhause verloren hatten. Unter den Opfern war auch ein HDP-Funktionär.

Laut HDP seien die Betroffenen geschlagen worden, sodass sie schwere Verletzungen im Gesicht und am Körper aufwiesen. Sie seien überdies beleidigt und erniedrigend behandelt worden (AM 21.2.2023). In den Tagen nach dem Erdbeben wurden viele Menschen gelyncht, weil sie angeblich geplündert hatten, was nach den schweren Erdbeben vom 6. Februar zu einem großen Problem wurde. Eine dieser Personen war Muhammet Gündüz, der in der südlichen, vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay von der Polizei verprügelt wurde. Er gab an, dass er und sein Freund sofort, ohne vorhergehende Leibesvisitation, zusammengeschlagen wurden. Nachdem sich herausstellte, dass Gündüz im Gegenteil an Rettungsaktionen teilnahm, erstattete dieser auf der Polizeiwache einer entfernteren Provinz Anzeige gegen die Beamten, die ihn geschlagen hatten (Duvar 18.2.2023).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 24.8.2022
AM – Al Monitor (21.2.2023): Turkish youth dies in police custody as impunity soars in wake of Turkey’s killer quakes, https://www.almonitor.com/originals/2023/02/turkish-youth-dies-police-c ustody-impunity-soars-wake-turkeys-killer-quakes, Zugriff 22.2.2023 AM – Al Monitor (8.7.2020): Complaints of torture on rise in Turkey’s Kurdish southeast, https: //www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/07/turkey-torture-complaints-in-kurdish-southeast-are -on-rise.html, Zugriff 21.2.2022 AI – Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Türkei 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089660.html, Zugriff 17.5.2023
Bianet (15.12.2021): Suspicious death of Garibe Gezer in prison: Confidentiality order on both files, https://bianet.org/biamag/women/254863-suspicious-death-of-garibe-gezer-in-prison-confidentia lity-order-on-both-files, Zugriff 28.9.2022
CoE-CPT – Council of Europe – European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (5.8.2020): Report to the Turkish Government on the visit to Turkey carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 6 to 17 May 2019 [CPT/Inf (2020) 24], https://rm.coe.int/16809f20a1, Zugriff 21.2.2022
CİSST – Ceza İnfaz Sisteminde Sivil Toplum Derneği – Civil Society in the Penal SystemAssociation (26.3.2021): Annual Report 2019, http://cisst.org.tr/en/wp-content/uploads/2020/11/cisst_2019_an nual_report_rev08-1.pdf, 21.2.2022
Duvar (18.2.2023): Young Turkish man beaten by police in quake-hit province after looting accusations, https://www.duvarenglish.com/young-turkish-man-beaten-by-police-in-quake-hit-provinc e-after-looting-accusations-news-61869, Zugriff 22.2.2023
Duvar (22.3.2022): Over 13,000 people detained under torture in last four years in Turkey, https: //www.duvarenglish.com/over-13000-people-detained-under-torture-in-last-four-years-in-turke y-news-60696, Zugriff 8.8.2022
DW - Deutsche Welle (16.2.2023): Turkey: Violence against alleged looters in earthquake zone, https://www.dw.com/en/turkeyviolence-against-alleged-looters-in-earthquake-zone/a-64715204, Zugriff 22.2.2023
EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae50c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 28.10.2022
EC – European Commission (29.5.2019): Turkey 2019 Report [SWD(2019) 220 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2010472/20190529-turkey-report.pdf, Zugriff 21.2.2022
EP - Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.europarl .europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 8.8.2022
HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2085506.html, Zugriff 19.1.2023
HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2066478.html, Zugriff 17.1.2022
HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043511.html, Zugriff 21.2.20221
HRW – Human Rights Watch (29.7.2020): Turkey: Police, Watchmen Involved in Torture, Ill-Treatment, https://www.hrw.org/news/2020/07/29/turkey-police-watchmen-involved-torture-ill-treatme nt, Zugriff 21.2.2022
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association/ OMCT – World Organisation Against

Torture/ CİSST – CezaİnfazSistemindeSivilToplumDerneği - Civil Society in the Penal System/ HRFT - Human Rights Foundation of Turkey; et al. (9.12.2021): Turkey: Five Years into visit by United Nations Special Rapporteur, torture remains widespread, https://www.omct.org/en/resour ces/statements/turkey-five-years-into-visit-by-united-nations-special-rapporteur-torture-remains widespread, Zugriff 19.1.2022
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association (6.11.2022): Human Rights Association 2021 Report on Human Rights Violations in Turkey, https://ihd.org.tr/en/wp-content/uploads/2022/ 11/SR2022_2021-Turkey-Violations-Report.pdf, Zugriff 21.11.2022
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 28.9.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (18.3.2021): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/reports/2021/03/18/genera l-country-of-origin-informationreport-turkey/vertaling-aab-turkije.pdf, Zugriff 21.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] 30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 17.5.2023
OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (21.9.2022): Türkiye needs to strengthen effective torture prevention measures, UN experts find, https://www.ohchr.or g/en/press-releases/2022/09/turkiye-needs-strengthen-effective-tortureprevention-measures-u n-experts, Zugriff 19.1.2023
OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (27.2.2018): Turkey: UN expert says deeply concerned by rise in torture allegations, https://www.ohchr.org/en/NewsE vents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=22718&LangID=E, Zugriff 21.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (6.1.2022): Torture and Inhuman Treatment in Turkey: 2021 in Review, https://stockholmcf.org/torture-and-inhuman-treatment-in-turkey-2021-in-review/, Zugriff 17.1.2022
SCF - Stockholm Center for Freedom (17.11.2021): Turkey’s top court fines gov’t for torture in 5 cases, demands investigation into perpetrators, https://stockholmcf.org/turkeys-top-court-fines-g ovt-for-torture-in-5-cases-demands-investigation-into-perpetrators/, Zugriff 17.1.2022
SCF - Stockholm Center for Freedom (22.9.2021): Top Turkish court rules former teacher was tortured in police custody, https://stockholmcf.org/top-turkish-court-rules-former-teacher-was-tor tured-in-police-custody/, Zugriff 17.1.2022
SCF - Stockholm Center for Freedom (15.9.2021): Turkey’s top court fines gov’t for torture in Afyon province, demands investigation into perpetrators, https://stockholmcf.org/turkeys-top-court-fines -govt-for-torture-in-afyon-province-demands-investigation-intoperpetrators/, Zugriff 17.1.2022
TİHV - Türkiye İnsan Hakları Vakfı/ HRFT - Human Rights Foundation Turkey (6.2021): Treatment and Rehabilitation Centres Report 2020, https://en.tihv.org.tr/wp-content/uploads/2021/10/00_Te davi-Raporu-2020I%CC%87NGI%CC%87LI%CC%87ZCE_TU%CC%88M_BASKI.pdf, Zugriff 19.1.2022
TM – Turkish Minute (29.1.2022): Garibe Gezer, found dead in her cell, was beaten and sexually harassed by prison guards: jailed brother, https://www.turkishminute.com/2022/01/29/aribe-gez er-found-dead-in-her-cell-was-beaten-and-sexually-harassed-byprison-guards-jailed-brother/, Zugriff 28.9.2022
TM – Turkish Minute (16.1.2021): 3,362 people killed, 3,534 mistreated or tortured in Turkey in 2020, opposition MP says, https://www.turkishminute.com/2021/01/16/3362-people-killed-3534-m istreated-or-tortured-in-turkey-in-2020-opposition-mp-says/, Zugriff 21.2.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/ 03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.5.2023

Entführungen und Verschwindenlassen im In- und Ausland

Letzte Änderung: 21.06.2023

Zu unterscheiden ist zwischen den Entführungen innerhalb Türkei und jenen türkischer Staatsbürger im Ausland, um sie in die Türkei zurückzubringen. In Bezug auf Erstere bestreitet die Türkei konsequent jede Beteiligung, in Bezug auf Letztere gibt sie offen zu, diese Entführungen durchgeführt zu haben. In beiden Fällen ist der Ablauf der Ereignisse identisch: (Vermeintliche) Gegner der Regierung werden entführt und verschwinden in der Folge von der Bildfläche, einige sind bis heute vermisst (Turkey Tribunal 7.2021, S. 2). Die meisten von ihnen tauchen jedoch nach ein paar Monaten, z. B. in bestimmten Polizeistationen wieder auf (Turkey Tribunal 7.2021, S. 2; vgl. FR 15.2.2021, TM 10.9.2021). Im September 2021 wurde beispielsweise bekannt, dass Hüseyin Galip Küçüközyiğit, der neun Monate lang vermisst worden war, sich im Gefängnis von Ankara befand. Wo er sich all die Zeit befand, ist bislang unbekannt. Die Behörden hatten bestritten, dass sich der ehemalige Rechtsberater des Ministerpräsidenten, dem Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wurden, in Gewahrsam befand (AI 29.3.2022; vgl. Duvar 14.9.2021). - Offenkundig eingeschüchtert, schweigen die meisten Betroffenen nach ihrem Wiederauftauchen (TM 10.9.2021). Entführungen und gewaltsames Verschwindenlassen von Personen werden jedenfalls weiterhin vermeldet und nicht ordnungsgemäß untersucht (HRW 13.1.2022). Zu unterscheiden ist zwischen den Entführungen innerhalb Türkei und jenen türkischer Staatsbürger im Ausland, um sie in die Türkei zurückzubringen. In Bezug auf Erstere bestreitet die Türkei konsequent jede Beteiligung, in Bezug auf Letztere gibt sie offen zu, diese Entführungen durchgeführt zu haben. In beiden Fällen ist der Ablauf der Ereignisse identisch: (Vermeintliche) Gegner der Regierung werden entführt und verschwinden in der Folge von der Bildfläche, einige sind bis heute vermisst (Turkey Tribunal 7.2021, S. 2). Die meisten von ihnen tauchen jedoch nach ein paar Monaten, z. B. in bestimmten Polizeistationen wieder auf (Turkey Tribunal 7.2021, S. 2; vergleiche FR 15.2.2021, TM 10.9.2021). Im September 2021 wurde beispielsweise bekannt, dass Hüseyin Galip Küçüközyiğit, der neun Monate lang vermisst worden war, sich im Gefängnis von Ankara befand. Wo er sich all die Zeit befand, ist bislang unbekannt. Die Behörden hatten bestritten, dass sich der ehemalige Rechtsberater des Ministerpräsidenten, dem Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wurden, in Gewahrsam befand (AI 29.3.2022; vergleiche Duvar 14.9.2021). - Offenkundig eingeschüchtert, schweigen die meisten Betroffenen nach ihrem Wiederauftauchen (TM 10.9.2021). Entführungen und gewaltsames Verschwindenlassen von Personen werden jedenfalls weiterhin vermeldet und nicht ordnungsgemäß untersucht (HRW 13.1.2022).

Gemeinsame Recherchen des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) und acht internationaler Medien, koordiniert vom gemeinnützigen Recherchezentrum Corrective, basierend auf Überwachungsvideos, internen Dokumenten, Augenzeugen und befragten Opfern, ergaben, dass ein Entführungsprogramm existiert, bei dem der Nationale Nachrichtendienst Millî İstihbarat Teşkilâtı

(MİT) nach politischen Gegnern, meist Gülen-Anhängern, sucht, die dann in Geheimgefängnisse verschleppt - auch aus dem Ausland - und gefoltert werden, um etwa belastende Aussagen gegen Dritte zu erwirken (ZDF 11.12.2018; vgl. Correctiv 11.12.2018, Ha’aretz 11.12.2018). Laut Menschenrechtsorganisationen und Oppositionspolitikern gab es seit 2016 Dutzende mutmaßliche Fälle von Entführungen und des „gewaltsamen Verschwindenlassens“ (EC 12.10.2022, S. 33; vgl. FR 15.2.2021, AM 17.9.2021) durch Sicherheits- oder Geheimdienste in mehreren Provinzen, ohne dass angemessene Ermittlungen durchgeführt wurden (EC 12.10.2022, S. 33; vgl. AM 17.9.2021, NL-MFA 2.3.2022, S. 34), untermauert durch Aussagen von Augenzeugen, Familienmitglieder, wieder aufgetauchten Entführten sowie vereinzelt durch Videoaufnahmen (Turkey Tribunal 7.2021, S. 3; vgl. HRW 29.4.2020). (MİT) nach politischen Gegnern, meist Gülen-Anhängern, sucht, die dann in Geheimgefängnisse verschleppt - auch aus dem Ausland - und gefoltert werden, um etwa belastende Aussagen gegen Dritte zu erwirken (ZDF 11.12.2018; vergleiche Correctiv 11.12.2018, Ha’aretz 11.12.2018). Laut Menschenrechtsorganisationen und Oppositionspolitikern gab es seit 2016 Dutzende mutmaßliche Fälle von Entführungen und des „gewaltsamen Verschwindenlassens“ (EC 12.10.2022, S. 33; vergleiche FR 15.2.2021, AM 17.9.2021) durch Sicherheits- oder Geheimdienste in mehreren Provinzen, ohne dass angemessene Ermittlungen durchgeführt wurden (EC 12.10.2022, S. 33; vergleiche AM 17.9.2021, NL-MFA 2.3.2022, S. 34), untermauert durch Aussagen von Augenzeugen, Familienmitglieder, wieder aufgetauchten Entführten sowie vereinzelt durch Videoaufnahmen (Turkey Tribunal 7.2021, S. 3; vergleiche HRW 29.4.2020).

Es gibt immer noch kein umfassendes, kohärentes Konzept in Bezug auf vermisste Personen, die Exhumierung von Massengräbern oder die unabhängige Untersuchung aller mutmaßlichen Fälle von außergerichtlicher Tötung durch Sicherheits- und Strafverfolgungsbeamte. Die meisten Ermittlungen in Fällen von gewaltsamem Verschwindenlassen aus den 1990er-Jahren sind nach 20 Jahren verjährt. In den mehr als 1.400 Fällen vermisster Personen wurden nur 16 Gerichtsverfahren eingeleitet. 14 hiervon endeten mit einem Freispruch (EC 12.10.2022, S. 19). Laut der „UNArbeitsgruppe gegen gewaltsames und unfreiwilliges Verschwindenlassen“ (UN Working Group against Enforced and Involuntary Disappearances - UN-WGEID) galten mit Stand 2022 von fast 240 Fällen noch immer fast 85 als ungelöst (OHCHR 12.8.2022, S.28). Ömer Faruk Gergerlioğlu, Menschenrechtsaktivist und Abgeordneter der pro-kurdischen HDP, geht davon aus, dass seit 2016 mindestens 30 Menschen in der Türkei „verschwunden“ sind. In vielen Fällen handle es sich um ehemalige Staatsbedienstete (FR 15.2.2021; vgl. TM 10.9.2021) oder um Anhänger der GülenBewegung und Kurden (AM 17.9.2021; vgl. Turkey Tribunal 7.2021, S. 50, TM 10.9.2021). Einige der Entführten werden Berichten zufolge immer noch vermisst. In jüngster Zeit wurden nach Angaben der türkischen Menschenrechtsstiftung (TİHV) neben HDPMitgliedern auch mehrere Aktivisten marxistischer Gruppen auf ähnliche Weise verschleppt. Dies bekräftigten auch die vermeintlich entführten Mitglieder der HDP und linker Organisationen selbst (AM 17.9.2021). Fast alle Entführten gaben an, dass sie unter Druck gesetzt wurden, ihre Organisationen zu verraten. Einige gaben an, sie seien schwer gefoltert worden (AM 17.9.2021; vgl. Turkey Tribunal 7.2021, S. 2). Die Entführten werden auch unter Druck gesetzt, sich nicht umfassend zu verteidigen, und gezwungen, Beschwerden über Folter und Misshandlung zurückzuziehen. Außerdem ist es ihnen untersagt, unabhängige Ärzte zu konsultieren, um ihre Verletzungen zu bescheinigen (Turkey Tribunal 7.2021, S. 2). Vielfach wurden die Betroffenen wegen Spionage angeklagt (FR 15.2.2021). Trotz mehrerer Anfragen von Abgeordneten der Opposition und Journalisten hat sich bisher kein Regierungsvertreter öffentlich zu den Entführungsvorwürfen geäußert (FR 15.2.2021; vgl. AM 17.9.2021). Laut Gülseren Yoleri vom türkischen Menschenrechtsverband İHD habe diese in allen Entführungsfällen Strafanzeige erstattet, doch all diese Fälle seien eingestellt worden. Ein Gesetz, das die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes (MİT) vor Strafverfolgung schützt, sei ein wichtiger Faktor hierbei. Wenn die Entführung eine MİT-Aktivität ist, könne die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln, so Yoleri (AM 17.9.2021). Die türkischen Behörden haben laut Human Rights Watch noch keinen einzigen Fall wirksam untersucht, sodass mehrere Familien sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt haben (HRW 29.4.2020). Es gibt immer noch kein umfassendes, kohärentes Konzept in Bezug auf vermisste Personen, die Exhumierung von Massengräbern oder die unabhängige Untersuchung aller mutmaßlichen Fälle von außergerichtlicher Tötung durch Sicherheits- und Strafverfolgungsbeamte. Die meisten Ermittlungen in Fällen von gewaltsamem Verschwindenlassen aus den 1990er-Jahren sind nach 20 Jahren verjährt. In den mehr als 1.400 Fällen vermisster Personen wurden nur 16 Gerichtsverfahren eingeleitet. 14 hiervon endeten mit einem Freispruch (EC 12.10.2022, S. 19). Laut der „UNArbeitsgruppe gegen gewaltsames und unfreiwilliges Verschwindenlassen“ (UN Working Group against Enforced and Involuntary Disappearances - UN-WGEID) galten mit Stand 2022 von fast 240 Fällen noch immer fast 85 als ungelöst (OHCHR 12.8.2022, S.28). Ömer Faruk Gergerlioğlu, Menschenrechtsaktivist und Abgeordneter der pro-kurdischen HDP, geht davon aus, dass seit 2016 mindestens 30 Menschen in der Türkei „verschwunden“ sind. In vielen Fällen handle es sich um ehemalige Staatsbedienstete (FR 15.2.2021; vergleiche TM 10.9.2021) oder um Anhänger der GülenBewegung und Kurden (AM 17.9.2021; vergleiche Turkey Tribunal 7.2021, S. 50, TM 10.9.2021). Einige der Entführten werden Berichten zufolge immer noch vermisst. In jüngster Zeit wurden nach Angaben der türkischen Menschenrechtsstiftung (TİHV) neben HDPMitgliedern auch mehrere Aktivisten marxistischer Gruppen auf ähnliche Weise verschleppt. Dies bekräftigten auch die vermeintlich entführten Mitglieder der HDP und linker Organisationen selbst (AM 17.9.2021). Fast alle Entführten gaben an, dass sie unter Druck gesetzt wurden, ihre Organisationen zu verraten. Einige gaben an, sie seien schwer gefoltert worden (AM 17.9.2021; vergleiche Turkey Tribunal 7.2021, S. 2). Die Entführten werden auch unter Druck gesetzt, sich nicht umfassend zu verteidigen, und gezwungen, Beschwerden über Folter und Misshandlung zurückzuziehen. Außerdem ist es ihnen untersagt, unabhängige Ärzte zu konsultieren, um ihre Verletzungen zu bescheinigen (Turkey Tribunal 7.2021, S. 2). Vielfach wurden die Betroffenen wegen Spionage angeklagt (FR 15.2.2021). Trotz mehrerer Anfragen von Abgeordneten der Opposition und Journalisten hat sich bisher kein Regierungsvertreter öffentlich zu den Entführungsvorwürfen geäußert (FR 15.2.2021; vergleiche AM 17.9.2021). Laut Gülseren Yoleri vom türkischen Menschenrechtsverband İHD habe diese in allen Entführungsfällen Strafanzeige erstattet, doch all diese Fälle seien eingestellt worden. Ein Gesetz, das die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes (MİT) vor Strafverfolgung schützt, sei ein wichtiger Faktor hierbei. Wenn die Entführung eine MİT-Aktivität ist, könne die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln, so Yoleri (AM 17.9.2021). Die türkischen Behörden haben laut Human Rights Watch noch keinen einzigen Fall wirksam untersucht, sodass mehrere Familien sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt haben (HRW 29.4.2020).

Entführungen und Verschwindenlassen im Ausland

Was die Entführungen türkischer Staatsbürger aus dem Ausland betrifft, so zeigte sich die UNArbeitsgruppe gegen gewaltsames und unfreiwilliges Verschwindenlassen zutiefst besorgt darüber, dass eine Reihe von Staaten, namentlich auch die Türkei, weiterhin extra-territoriale Entführungen und Zwangsrückführungen unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und des Schutzes der nationalen Sicherheit rechtfertigt. Die Situation in der Türkei sei besonders besorgniserregend, da mindestens 100 türkische Staatsangehörige aus zahlreichen Staaten in die Türkei zwangsrückgeführt worden sein sollen, weil sie im Verdacht stehen, Mitglieder einer angeblichen terroristischen Organisation zu sein oder mit dieser zu sympathisieren (OHCHR 7.8.2020, S. 16). 40 von den 100 entführten Personen verschwanden unter Gewaltanwendung, meist von der Straße, oder sie wurden aus ihren Häusern und Wohnungen in der ganzen Welt entführt, in mehreren Fällen zusammen mit ihren Kindern (OHCHR 5.5.2020, S. 2). In seiner Entschließung vom Juni 2022 verurteilt das Europäischen Parlament „aufs Schärfste die Entführung türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz außerhalb der Türkei und deren Auslieferung in die Türkei, was eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit und der grundlegenden Menschenrechte darstellt“ (EP 7.6.2022, S. 19, Pt. 31).

Wenn es den türkischen Behörden nicht gelingt, die Auslieferung auf legalem Wege zu erwirken, greifen sie in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden von Drittländern, einschließlich Geheimdiensten und Polizei, auf verdeckte Operationen zurück. Dazu gehören in erster Linie rasche illegale Aktionen, um gefährdete Personen dem Schutz des Gesetzes zu entziehen und sie anschließend zu überstellen (OHCHR 5.5.2020, S. 3; vgl. FH 2.2021, S. 10). In einigen Fällen haben diese Handlungen direkt gegen gerichtliche Anordnungen gegen illegale Abschiebungen verstoßen. Angesichts des zunehmenden Drucks seitens der Türkei führen die Aufnahmestaaten eine Rund-umdie-Uhr-Überwachung durch, gefolgt von Hausdurchsuchungen und willkürlichen Verhaftungen in verdeckten Operationen. Die Namen der Personen werden mit vorbereiteten Listen abgeglichen, bevor sie gewaltsam zu nicht gekennzeichneten Fahrzeugen gebracht werden. Sie bleiben bis zu mehreren Wochen in geheimer oder Isolationshaft verschwunden, bevor sie in die Türkei abgeschoben werden. Während dieser Zeit sind sie häufig Zwang, Folter und erniedrigender Behandlung ausgesetzt, um ihre Zustimmung zu einer freiwilligen Rückkehr zu erlangen und Geständnisse zu erpressen, die bei der Ankunft in der Türkei zur Strafverfolgung dienen sollen. In dieser Phase wird den Betroffenen der Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtsbeistand verwehrt, und sie können die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung nicht vor einem zuständigen Gericht anfechten, sodass sie de facto außerhalb des Schutzes des Gesetzes stehen. Ihre Familienangehörigen sind über ihr Schicksal und ihren Verbleib nicht informiert. Den Zeugenaussagen zufolge haben die Opfer dieser Operationen von unverminderten Misshandlungen durch Geheimdienstmitarbeiter berichtet, die vor allem darauf abzielen, ein Geständnis zu erzwingen. Zu den gängigsten Formen der Folter gehören Nahrungs- und Schlafentzug, Schläge, Waterboarding und Elektroschocks (OHCHR 5.5.2020, S. 3). Wenn es den türkischen Behörden nicht gelingt, die Auslieferung auf legalem Wege zu erwirken, greifen sie in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden von Drittländern, einschließlich Geheimdiensten und Polizei, auf verdeckte Operationen zurück. Dazu gehören in erster Linie rasche illegale Aktionen, um gefährdete Personen dem Schutz des Gesetzes zu entziehen und sie anschließend zu überstellen (OHCHR 5.5.2020, S. 3; vergleiche FH 2.2021, S. 10). In einigen Fällen haben diese Handlungen direkt gegen gerichtliche Anordnungen gegen illegale Abschiebungen verstoßen. Angesichts des zunehmenden Drucks seitens der Türkei führen die Aufnahmestaaten eine Rund-umdie-Uhr-Überwachung durch, gefolgt von Hausdurchsuchungen und willkürlichen Verhaftungen in verdeckten Operationen. Die Namen der Personen werden mit vorbereiteten Listen abgeglichen, bevor sie gewaltsam zu nicht gekennzeichneten Fahrzeugen gebracht werden. Sie bleiben bis zu mehreren Wochen in geheimer oder Isolationshaft verschwunden, bevor sie in die Türkei abgeschoben werden. Während dieser Zeit sind sie häufig Zwang, Folter und erniedrigender Behandlung ausgesetzt, um ihre Zustimmung zu einer freiwilligen Rückkehr zu erlangen und Geständnisse zu erpressen, die bei der Ankunft in der Türkei zur Strafverfolgung dienen sollen. In dieser Phase wird den Betroffenen der Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtsbeistand verwehrt, und sie können die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung nicht vor einem zuständigen Gericht anfechten, sodass sie de facto außerhalb des Schutzes des Gesetzes stehen. Ihre Familienangehörigen sind über ihr Schicksal und ihren Verbleib nicht informiert. Den Zeugenaussagen zufolge haben die Opfer dieser Operationen von unverminderten Misshandlungen durch Geheimdienstmitarbeiter berichtet, die vor allem darauf abzielen, ein Geständnis zu erzwingen. Zu den gängigsten Formen der Folter gehören Nahrungs- und Schlafentzug, Schläge, Waterboarding und Elektroschocks (OHCHR 5.5.2020, S. 3).

Was die Entführungen außerhalb des Hoheitsgebiets betrifft, so hat die Türkei durch mehrere ihrer höchsten Vertreter, inklusive Staatspräsident Erdoğan, die Verantwortung dafür übernommen (Turkey Tribunal 7.2021, S. 50; vgl. FH 2.2021, S. 39f) und hierbei insbesondere die Rolle des Geheimdienstes MİT hervorgestrichen, beispielsweise anlässlich der Entführung von sechs Lehrern aus dem Kosovo (FH 2.2021, S. 39f). Die Entführungen werden in der Türkei öffentlich verkündet und von den Regierungsmedien gefeiert; die Opfer werden beispielsweise in Handschellen öffentlich präsentiert, bevor sie im Kerker verschwinden (DF 22.6.2021). Beispielsweise verschwand Anfang September 2022 Ugur Demirok in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku auf den Weg in sein Büro. Zwei Monate später verbreitete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu ein Polizeifoto Demiroks in Handschellen zwischen zwei großen türkischen Fahnen. Laut einer regierungsnahen Tageszeitung hatte der Geheimdienst MİT Demirok „gefangen“. Auf ihn warte nun eine Anklage wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation (RND 10.12.2022). Was die Entführungen außerhalb des Hoheitsgebiets betrifft, so hat die Türkei durch mehrere ihrer höchsten Vertreter, inklusive Staatspräsident Erdoğan, die Verantwortung dafür übernommen (Turkey Tribunal 7.2021, S. 50; vergleiche FH 2.2021, S. 39f) und hierbei insbesondere die Rolle des Geheimdienstes MİT hervorgestrichen, beispielsweise anlässlich der Entführung von sechs Lehrern aus dem Kosovo (FH 2.2021, S. 39f). Die Entführungen werden in der Türkei öffentlich verkündet und von den Regierungsmedien gefeiert; die Opfer werden beispielsweise in Handschellen öffentlich präsentiert, bevor sie im Kerker verschwinden (DF 22.6.2021). Beispielsweise verschwand Anfang September 2022 Ugur Demirok in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku auf den Weg in sein Büro. Zwei Monate später verbreitete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu ein Polizeifoto Demiroks in Handschellen zwischen zwei großen türkischen Fahnen. Laut einer regierungsnahen Tageszeitung hatte der Geheimdienst MİT Demirok „gefangen“. Auf ihn warte nun eine Anklage wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation (RND 10.12.2022).

Die UN-Arbeitsgruppe wiederholte [nach 2021] 2022 ihre Besorgnis über die fortgesetzte Rechtfertigung von extra-territorialen Entführungen und Zwangsrückführungen unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und des Schutzes der nationalen Sicherheit. In diesem Zusammenhang fordert die Arbeitsgruppe das Verschwindenlassen von Personen nicht mehr mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, der Bekämpfung des Terrorismus und des Extremismus zu rechtfertigen; unabhängige und wirksame Untersuchungen möglicher Verstöße durchzuführen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und den Opfern und ihren Familien das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewähren; und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ähnliche Fälle in Zukunft zu verhindern (OHCHR 12.8.2022, S. 20). Vergleiche hierzu auch das Kapitel zu: Gülen- oder Hizmet-Bewegung

Quellen:
AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Türkei 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070315.html, Zugriff 30.3.2022
AM – Al Monitor (17.9.2021): Turkish civic groups protest abductions, forced disappearances, https://www.almonitor.com/originals/2021/09/turkish-civic-groups-protest-abductions-forced-dis appearances, Zugriff 21.2.2022
Corrective – Recherchen für die Gesellschaft (11.12.2018): BlackSitesTurkey, https://correctiv.org/ top-stories/2018/12/06/black-sites/, Zugriff 21.2.2022
DF – Deutschlandfunk (22.6.2021): Türkei entführt systematisch Oppositionelle aus dem Ausland,

https://www.deutschlandfunk.de/der-lange-arm-ankaras-tuerkei-entfuehrt-systematisch.795.de.h tml?dram:article_id=499152, Zugriff 21.2.2022
Duvar (14.9.2021): Turkish man missing since December 2020 turns up in Ankara prison, https: //www.duvarenglish.com/turkish-manmissing-since-december-2020-turns-up-in-ankara-prison-n ews-58810, Zugriff 30.3.2022
EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 31.10.2022
EP – Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 26.8.2022
FH – Freedom House (2.2021): Out of Sight, not out of Reach: the Global Scale and Scope of Transnational Repression, https://freedomhouse.org/sites/default/files/2021-02/Complete_FH_Tr ansnationalRepressionReport2021_rev020221.pdf, Zugriff 21.2.2022
FR – Frankfurter Rundschau (15.2.2021): Mysteriöse Vermisstenfälle in der Türkei: Was hat Erdoğans Regierung damit zu tun?, https://www.fr.de/politik/tuerkei-recep-tayyip-erdogan-vermisste -gewaltsames-verschwindenlassen-putsch-90204396.html, Zugriff 21.2.2022
Ha’aretz (11.12.2018): Kidnapped, Escaped, and Survived to Tell the Tale: How Erdogan’s Regime Tried to Make Us Disappear, https://www.haaretz.com/middle-east-news/turkey/.premium.MAGA ZINE-how-erdogan-s-loyalists-try-to-make-us-disappear-1.6729331, Zugriff 21.2.2022
HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2066478.html, Zugriff 21.1.2022
HRW – Human Rights Watch (29.4.2020): Turkey: Enforced Disappearances, Torture, https://www. hrw.org/news/2020/04/29/turkeyenforced-disappearances-torture, 21.2.2022
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 28.9.2022 OHCHR - Office of the High Commissioner for Human Rights (12.8.2022): Human Rights Council Working Group on Enforced or

Involuntary Disappearances [A/HRC/51/31], https://daccess-ods.u n.org/access.nsf/Get?OpenAgent&DS=A/HRC/51/31&Lang=E, Zugriff 9.5.2023
OHCHR - Office of the High Commissioner for Human Rights (7.8.2020): Human Rights Council Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances [A/HRC/45/13], https://daccess-ods.u n.org/access.nsf/Get?OpenAgent&DS=A/HRC/45/13&Lang=E, Zugriff 9.5.2023
OHCHR - Office of the High Commissioner for Human Rights (5.5.2020): Mandates of the Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances; the Special Rapporteur on the human rights of migrants; the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism; and the Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment [letter to the Turkish Government], (AL TUR 5/2020), https://spcommreports.ohchr.org/TMResultsBase/DownLoadPublicCommunicationFile?gId=2520 9, Zugriff 9.5.2023
RND - Redaktionsnetzwerk Deutschland (10.12.2022): Erdogans Jagd auf die Gegner: Wie der Geheimdienst „Staatsfeinde“ entführt, https://www.rnd.de/politik/erdogans-jagd-auf-die-gegner-w ie-der-geheimdienst-staatsfeinde-entfuehrt-INK7GWTTGBBOJG5BWWY7ORA5PA.html, Zugriff 15.2.2023
TM –Turkish Minute (10.9.2021): Turkish couple in exile protests enforced disappearances in front of European rights court, https://www.turkishminute.com/2021/09/10/kishcouple-in-exile-protest s-enforced-disappearances-in-front-of-european-rightscourt/, Zugriff 21.2.2022
Turkish Tribunal [Heymans Johan] (7.2021): Abductions in Turkey Today, https://turkeytribunal.org/wpcontent/uploads/2021/11/AbductionsinTurkey_Turkey-Tribunal-Report_FINAL.pdf, Zugriff 21.2.2022
ZDF – Zweiten Deutsches Fernsehen (11.12.2018): Kidnapping im Auftrag Erdogans, https://www. zdf.de/politik/frontal-21/dieverschleppten-100.html, Zugriff 21.2.2022

Korruption

Letzte Änderung: 21.06.2023

Die Türkei ist ein Vertragsstaat der UN-Konvention gegen Korruption, der OECD-Konvention gegen Bestechung, des Strafrechtsübereinkommens und des Zivilrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption. Der Rechtsrahmen zur Korruptionsbekämpfung ist in mehreren nationalen Gesetzen enthalten (DFAT 10.9.2020). Das türkische Strafgesetzbuch kriminalisiert verschiedene Formen korrupter Aktivitäten, darunter aktive und passive Bestechung, Korruptionsversuche, Erpressung, Bestechung eines ausländischen Beamten, Geldwäsche und Amtsmissbrauch (BACP 6.2020; vgl. DFAT 10.9.2020, FH 3.3.2021). Die Strafe für Bestechung kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zwölf Jahren umfassen. Unternehmen müssen mit der Beschlagnahme von Vermögenswerten und dem Entzug staatlicher Betriebsgenehmigungen rechnen (USDOS 13.3.2019). Die Türkei ist ein Vertragsstaat der UN-Konvention gegen Korruption, der OECD-Konvention gegen Bestechung, des Strafrechtsübereinkommens und des Zivilrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption. Der Rechtsrahmen zur Korruptionsbekämpfung ist in mehreren nationalen Gesetzen enthalten (DFAT 10.9.2020). Das türkische Strafgesetzbuch kriminalisiert verschiedene Formen korrupter Aktivitäten, darunter aktive und passive Bestechung, Korruptionsversuche, Erpressung, Bestechung eines ausländischen Beamten, Geldwäsche und Amtsmissbrauch (BACP 6.2020; vergleiche DFAT 10.9.2020, FH 3.3.2021). Die Strafe für Bestechung kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zwölf Jahren umfassen. Unternehmen müssen mit der Beschlagnahme von Vermögenswerten und dem Entzug staatlicher Betriebsgenehmigungen rechnen (USDOS 13.3.2019).

Nichtsdestotrotz ist Korruption im öffentlichen und privaten Sektor der Türkei weit verbreitet (EP 19.5.2021, S. 16, Pt. 43; vgl. BACP 6.2020, DFAT 10.9.2020), auch auf den höchsten Ebenen der Regierung (FH 10.3.2023, C2). Öffentliche Aufträge und Bauprojekte sind besonders anfällig für Korruption. Häufig werden Bestechungsgelder verlangt (BACP 6.2020; vgl. DFAT 10.9.2020, FH 3.3.2021). Nichtsdestotrotz ist Korruption im öffentlichen und privaten Sektor der Türkei weit verbreitet (EP 19.5.2021, S. 16, Pt. 43; vergleiche BACP 6.2020, DFAT 10.9.2020), auch auf den höchsten Ebenen der Regierung (FH 10.3.2023, C2). Öffentliche Aufträge und Bauprojekte sind besonders anfällig für Korruption. Häufig werden Bestechungsgelder verlangt (BACP 6.2020; vergleiche DFAT 10.9.2020, FH 3.3.2021).

Laut Europäischer Kommission macht die Korruptionsbekämpfung weiterhin keine Fortschritte (EC 12.10.2022, S. 6, 28). Es bestehen keine Anzeichen für Fortschritte bei der Beseitigung der zahlreichen Lücken im türkischen Rechtsrahmen zur Korruptionsbekämpfung (EP 19.5.2021, S. 16, Pt. 43). Ein grundlegendes Problem ist das Fehlen einer unabhängigen und präventiven Korruptionsbekämpfungsstelle sowie einer interinstitutionellen Koordinierung der Korruptionsbekämpfung (BS 23.2.2022, S. 35; vgl. EC 12.10.2022, S. 6, 28). Die Durchsetzung der Anti-Korruptionsgesetze ist inkonsistent. Die vorhandenen türkischen Anti-Korruptionsbehörden sind im Allgemeinen ineffektiv und tragen zu einer Kultur der Straflosigkeit bei (FH 10.3.2023, C2; vgl. BACP 6.2020). Offizielle Aufsichtsorgane wie der Rechnungshof und die Ombudsperson veröffentlichen Berichte oft verspätet und decken nur selten Korruptionsvorwürfe ab (DFAT 10.9.2020). So stellte auch die OECD-Arbeitsgruppe für Bestechung Ende Juni 2021 fest, dass die Türkei keine ausreichenden Schritte unternommen hätte, um die Bedenken hinsichtlich der Umsetzung des OECD-Übereinkommens zur Bekämpfung der Bestechung durchzusetzen. Außerdem wäre die sehr geringe Durchsetzung des Straftatbestandes der Auslandsbestechung auszuräumen. Die Arbeitsgruppe hat die Türkei seit 2014 nachdrücklich aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Auslandsbestechung wirksam untersucht und strafrechtlich verfolgt wird, unter anderem durch den Schutz der Unabhängigkeit der Strafverfolgung, die Stärkung der Rechtsvorschriften über die Haftung juristischer Personen für Auslandsbestechung und die Einführung eines angemessenen Schutzes für Informanten, die einen Verdacht auf Auslandsbestechung melden (OECD 29.6.2021). Laut Europäischer Kommission macht die Korruptionsbekämpfung weiterhin keine Fortschritte (EC 12.10.2022, S. 6, 28). Es bestehen keine Anzeichen für Fortschritte bei der Beseitigung der zahlreichen Lücken im türkischen Rechtsrahmen zur Korruptionsbekämpfung (EP 19.5.2021, S. 16, Pt. 43). Ein grundlegendes Problem ist das Fehlen einer unabhängigen und präventiven Korruptionsbekämpfungsstelle sowie einer interinstitutionellen Koordinierung der Korruptionsbekämpfung (BS 23.2.2022, S. 35; vergleiche EC 12.10.2022, S. 6, 28). Die Durchsetzung der Anti-Korruptionsgesetze ist inkonsistent. Die vorhandenen türkischen Anti-Korruptionsbehörden sind im Allgemeinen ineffektiv und tragen zu einer Kultur der Straflosigkeit bei (FH 10.3.2023, C2; vergleiche BACP 6.2020). Offizielle Aufsichtsorgane wie der Rechnungshof und die Ombudsperson veröffentlichen Berichte oft verspätet und decken nur selten Korruptionsvorwürfe ab (DFAT 10.9.2020). So stellte auch die OECD-Arbeitsgruppe für Bestechung Ende Juni 2021 fest, dass die Türkei keine ausreichenden Schritte unternommen hätte, um die Bedenken hinsichtlich der Umsetzung des OECD-Übereinkommens zur Bekämpfung der Bestechung durchzusetzen. Außerdem wäre die sehr geringe Durchsetzung des Straftatbestandes der Auslandsbestechung auszuräumen. Die Arbeitsgruppe hat die Türkei seit 2014 nachdrücklich aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Auslandsbestechung wirksam untersucht und strafrechtlich verfolgt wird, unter anderem durch den Schutz der Unabhängigkeit der Strafverfolgung, die Stärkung der Rechtsvorschriften über die Haftung juristischer Personen für Auslandsbestechung und die Einführung eines angemessenen Schutzes für Informanten, die einen Verdacht auf Auslandsbestechung melden (OECD 29.6.2021).

Die Mängel des gesetzlichen Rahmens und der institutionellen Architektur ermöglichten eine ungebührliche politische Einflussnahme in der Ermittlungs- und Verfolgungsphase von Korruptionsfällen. Rechenschaftspflicht und Transparenz der öffentlichen Institutionen müssen, so die Kommission, verbessert werden. Das Fehlen einer Antikorruptionsstrategie und eines Aktionsplans deute auf den mangelnden politischen Willen hin, Korruption entschieden zu bekämpfen. Insgesamt ist Korruption weit verbreitet. Die meisten Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarates wurden noch nicht umgesetzt (EC 12.10.2022, S. 6, 28). GRECO bemängelte insbesondere, dass innert zehn Jahren nur eine von neun Empfehlungen in Bezug auf die Transparenz der politischen Finanzierung, auch im Zusammenhang mit Wahlen, umgesetzt wurde (CoE-GRECO 18.3.2021).

Sorge besteht auch hinsichtlich der Unparteilichkeit der Justiz in der Handhabe von Korruptionsfällen (USDOS 20.3.2023, S. 75; vgl. BACP 6.2020). Zudem gibt es ein hohes Korruptionsrisiko im Umgang mit der Justiz selbst (BACP 6.2020). So haben beispielsweise die neuen CHPBürgermeister von Istanbul und Ankara Korruptionsermittlungen gegen die früheren lokalen AKP-Regierungen eingeleitet und eine Reihe von Änderungen vorgenommen, um die Transparenz in der kommunalen Verwaltung zu fördern. Das eigentliche Hindernis für die Versuche der Oppositionsbürgermeister, Korruptionsermittlungen einzuleiten, bleibt jedoch die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz (BS 23.2.2022, S. 13). Sorge besteht auch hinsichtlich der Unparteilichkeit der Justiz in der Handhabe von Korruptionsfällen (USDOS 20.3.2023, S. 75; vergleiche BACP 6.2020). Zudem gibt es ein hohes Korruptionsrisiko im Umgang mit der Justiz selbst (BACP 6.2020). So haben beispielsweise die neuen CHPBürgermeister von Istanbul und Ankara Korruptionsermittlungen gegen die früheren lokalen AKP-Regierungen eingeleitet und eine Reihe von Änderungen vorgenommen, um die Transparenz in der kommunalen Verwaltung zu fördern. Das eigentliche Hindernis für die Versuche der Oppositionsbürgermeister, Korruptionsermittlungen einzuleiten, bleibt jedoch die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz (BS 23.2.2022, S. 13).

Bestechungsgelder und Zahlungen als Gegenleistung für günstige Gerichtsurteile werden von den durch das Business Anti-Corruption Portal (BACP) befragten Unternehmen als recht häufig eingeschätzt. Etwa ein Drittel der Bevölkerung empfindet Richter und Gerichtsvollzieher als korrupt. Politische Einflussnahme, langsame Verfahren und ein überlastetes Gerichtssystem stellen ein hohes Risiko für Korruption in der türkischen Justiz dar. Korruption in der türkischen Polizei ist ein mittelgradiges Risiko (BACP 6.2020).

Eine Handvoll Holding-Gesellschaften erhält einen großen Teil der öffentlichen Ausschreibungen, und dieselben Unternehmen kontrollieren ebenso die meisten türkischen Mediennetzwerke. Darüber hinaus hat die Regierung seit 2016 Hunderte von Unternehmen und NGOs beschlagnahmt und Treuhänder für die Verwaltung von Vermögenswerten in Milliardenhöhe ernannt (FH 10.3.2023, C2).

Die Schattenwirtschaft bleibt eine zentrale Herausforderung für die Türkei (EC 12.10.2022, S. 97). Die Schattenwirtschaft soll in den letzten Jahren enorm expandiert sein. Der Anstieg der illegalen Einnahmen stammt nicht nur aus dem Untergrundsektor wie Prostitution, Drogenhandel und Kraftstoffschmuggel, sondern auch aus der Einflussnahme durch Bestechung bei öffentlichen Ausschreibungen und Schmiergeldzahlungen ausländischer Unternehmen, die in der Türkei Geschäfte machen wollen. Nach dem Putschversuch im Jahr 2016 ist der Fluss illegaler Gelder um einen weiteren Aspekt erweitert worden. Im Rahmen der politischen Säuberungsaktionen wurden Unternehmen, die sich im Besitz von Gülenisten befanden, beschlagnahmt und dann verkauft, meist an Freunde der regierenden AKP. Wie sich später herausstellte, zahlten viele Geschäftsleute, denen Verbindungen zu den Gülenisten nachgesagt wurden, hohe Bestechungsgelder, um einer Untersuchung oder einem Prozess zu entgehen (AM 21.5.2021).

Die Regierung bestraft Strafverfolgungsbeamte, Richter und Staatsanwälte, die korruptionsbezogene Ermittlungen oder Fälle gegen Regierungsbeamte eingeleitet haben, und behauptet, dass Erstere dies auf Veranlassung der Gülen-Bewegung taten (USDOS 12.4.2022, S. 63f.). Während Oppositionspolitiker die Regierungspartei häufig der Korruption beschuldigen, gibt es nur vereinzelte journalistische oder offizielle Untersuchungen der Korruption in der Regierung. Journalisten und zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass sie Vergeltungsmaßnahmen für ihre Berichterstattung über Korruption befürchten. Gerichte und der Oberste Radio- und Fernsehrat (RTÜK) blockierten regelmäßig den Zugang zu Presseberichten über Korruptionsvorwürfe (USDOS 20.3.2023, S. 75).

Transparency International reihte die Türkei im Korruptionswahrnehmungsindex 2021 mit einem Punktewert von 36 (2021: 38) von 100 (bester Wert) auf Platz 101 (2021: 96) von 180 untersuchten Ländern und Territorien ein, was somit einer Verschlechterung, verglichen zum Vorjahr, um fünf Ränge bzw. zwei Basispunkte entsprach. Den besten Wert in der vergangenen Dekade erreichte das Land 2013 mit 50 von 100 Punkten (TI 31.1.2023). Auch kritische Berichte über Korruptionsfälle in der Regierung ziehen im negativen Sinne die Aufmerksamkeit der türkischen Behörden auf sich (NLMFA 2.3.2022, S. 25).

Quellen:
AM - Al Monitor (21.5.2021): Erdogan in hot spot as Turks question ’mafiazation’ of politics, https: //www.almonitor.com/originals/2021/05/erdogan-hot-spot-turks-question-mafiazation-politics, Zugriff 21.2.2022
BACP – GAN-Business Anti-Corruption Portal (6.2020): Turkey Country Profile, Business Corruption in Turkey, https://www.ganintegrity.com/portal/country-profiles/turkey/, Zugriff 5.11.2020
BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/ file/local/2069612/country_report_2022_TUR.pdf, Zugriff 21.3.2022
CoE-GRECO – Council of Europe – Group of States Against Corruption (18.3.2021): Third Evaluation Round, Second Addendum to the Second Compliance Report on Turkey - ”Incriminations (ETS 173 and 191, GPC 2)”, ”Transparency of Party Funding” [GrecoRC3 (2020)5], https://rm.c oe.int/third-evaluation-round-second-addendum-to-the-second-compliance-report/1680a1cac1, Zugriff 21.2.2022 CoE-GRECO – Council of Europe – Group of States Against Corruption (18.3.2021): Third Evaluation Round, Second Addendum to the Second Compliance Report on Turkey - ”Incriminations (ETS 173 and 191, GPC 2)”, ”Transparency of Party Funding” [GrecoRC3 (2020)5], https://rm.c oe.int/third-evaluation-round-second-addendum-to-the-second-compliance-report/1680a1cac1, Zugriff 21.2.2022
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pdf, Zugriff 21.2.2022 EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 31.10.2022
EP - Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 21.2.2022
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 28.4.2023
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2046544.html, Zugriff 21.2.2022
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 28.9.2022 OECD - Organisation for Economic Co-operation and Development (29.6.2021): Turkey should urgently implement key reforms to boost fight against foreign bribery, including to preserve independence of investigations and prosecutions, https://www.oecd.org/turkiye/turkey-should-urgentl y-implement-key-reforms-to-boost-fight-against-foreign-bribery-including-topreserve-independe nce-of-investigations-and-prosecutions.htm, Zugriff 28.9.2022
TI – Transparency International (31.1.2023): Corruption Perceptions Index 2022, https://www.tran sparency.org/en/cpi/2022/index/tur, Zugriff 31.1.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/03/415610_ TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 28.4.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 – Turkey, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_TURKEY-2 021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 20.4.2022 USDOS – United States Department of State [USA] (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Turkey, https://www.ecoi.net/en/document/2004277.html, Zugriff 21.2.2022

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 23.06.2023

Der innerstaatliche rechtliche Rahmen sieht Garantien zum Schutz der Menschenrechte vor (ÖB 30.11.2022, S. 30; vgl. EC 12.10.2022, S. 6, 30). Gemäß der türkischen Verfassung besitzt jede Person mit ihrer Persönlichkeit verbundene unantastbare, unübertragbare, unverzichtbare Grundrechte und Grundfreiheiten. Diese können nur aus den in den betreffenden Bestimmungen aufgeführten Gründen und nur durch Gesetze beschränkt werden. Zentrale Rechtfertigung für die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte bleibt der Kampf gegen den Terrorismus (ÖB 30.11.2022, S. 30). Im Rahmen der 2018 verabschiedeten umfassenden Anti-Terrorgesetze schränkte die Regierung unter Beeinträchtigung Rechtsstaatlichkeit die Menschenrechte und Grundfreiheiten weiter ein. In der Praxis sind die meisten Einschränkungen der Grundrechte auf den weit ausgelegten Terrorismusbegriff in der Anti-Terror-Gesetzgebung sowie einzelne Artikel des türkischen Strafgesetzbuches, wie z. B. die Beleidigung des Staatsoberhauptes, zurückzuführen. Der innerstaatliche rechtliche Rahmen sieht Garantien zum Schutz der Menschenrechte vor (ÖB 30.11.2022, S. 30; vergleiche EC 12.10.2022, S. 6, 30). Gemäß der türkischen Verfassung besitzt jede Person mit ihrer Persönlichkeit verbundene unantastbare, unübertragbare, unverzichtbare Grundrechte und Grundfreiheiten. Diese können nur aus den in den betreffenden Bestimmungen aufgeführten Gründen und nur durch Gesetze beschränkt werden. Zentrale Rechtfertigung für die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte bleibt der Kampf gegen den Terrorismus (ÖB 30.11.2022, S. 30). Im Rahmen der 2018 verabschiedeten umfassenden Anti-Terrorgesetze schränkte die Regierung unter Beeinträchtigung Rechtsstaatlichkeit die Menschenrechte und Grundfreiheiten weiter ein. In der Praxis sind die meisten Einschränkungen der Grundrechte auf den weit ausgelegten Terrorismusbegriff in der Anti-Terror-Gesetzgebung sowie einzelne Artikel des türkischen Strafgesetzbuches, wie z. B. die Beleidigung des Staatsoberhauptes, zurückzuführen.

Diese Bestimmungen werden extensiv herangezogen (USDOS 20.3.2023, S. 1, 21; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 30). Diese Bestimmungen werden extensiv herangezogen (USDOS 20.3.2023, S. 1, 21; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 30).

Die bestehenden türkischen Rechtsvorschriften für die Achtung der Menschen- und Grundrechte und ihre Umsetzung müssen laut Europäischer Kommission mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Einklang gebracht werden. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE) überwacht weiterhin (mittels ihres speziellen Monitoringverfahrens) die Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei (EC 12.10.2022, S. 6, 30). Obgleich die EMRK aufgrund Art. 90 der Verfassung gegenüber nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar ist, werden Konvention und Rechtsprechung des EGMR bislang von der innerstaatlichen Justiz nicht vollumfänglich berücksichtigt (AA 28.7.2022, S. 16), denn mehrere gesetzliche Bestimmungen verhindern nach wie vor den umfassenden Zugang zu den Menschenrechten und Grundfreiheiten, die in der Verfassung und in den internationalen Verpflichtungen des Landes verankert sind (EC 6.10.2020, S. 10). Die bestehenden türkischen Rechtsvorschriften für die Achtung der Menschen- und Grundrechte und ihre Umsetzung müssen laut Europäischer Kommission mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Einklang gebracht werden. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE) überwacht weiterhin (mittels ihres speziellen Monitoringverfahrens) die Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei (EC 12.10.2022, S. 6, 30). Obgleich die EMRK aufgrund Artikel 90, der Verfassung gegenüber nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar ist, werden Konvention und Rechtsprechung des EGMR bislang von der innerstaatlichen Justiz nicht vollumfänglich berücksichtigt (AA 28.7.2022, S. 16), denn mehrere gesetzliche Bestimmungen verhindern nach wie vor den umfassenden Zugang zu den Menschenrechten und Grundfreiheiten, die in der Verfassung und in den internationalen Verpflichtungen des Landes verankert sind (EC 6.10.2020, S. 10).

Der durch den Ausnahmezustand verursachte Schaden für die Grundrechte und die damit zusammenhängenden erlassenen Rechtsvorschriften wurde nicht behoben. Viele der während des Ausnahmezustands eingeführten Maßnahmen bleiben in Kraft und haben weiterhin tiefgreifende und verheerende Auswirkungen auf die Menschen in der Türkei (EC 12.10.2022).

Zu den maßgeblichen Menschenrechtsproblemen gehören: willkürliche Tötungen; verdächtige Todesfälle von Personen im Gewahrsam der Behörden; erzwungenes Verschwinden; Folter; willkürliche Verhaftung und fortgesetzte Inhaftierung von Zehntausenden von Personen, einschließlich Oppositionspolitikern und ehemaligen Parlamentariern, Rechtsanwälten, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten wegen angeblicher Verbindungen zu „terroristischen“ Gruppen oder aufgrund legitimer Meinungsäußerung; politische Gefangene, einschließlich gewählter Amtsträger; grenzüberschreitende Repressalien gegen Personen außerhalb des Landes, einschließlich Entführungen und Überstellungen mutmaßlicher Mitglieder der Gülen-Bewegung ohne angemessene Garantien für ein faires Verfahren; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, einschließlich Gewalt und Gewaltandrohung gegen Journalisten, Schließung von Medien und Verhaftung oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten und anderen Personen wegen Kritik an der Regierungspolitik oder an Amtsträgern; Zensur; schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit; gravierende Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich übermäßig restriktiver Gesetze bezüglich der staatlichen Aufsicht über nichtstaatliche Organisationen (NGOs); Restriktionen der Bewegungsfreiheit; Zurückweisung von Flüchtlingen; schwerwiegende Schikanen der Regierung gegenüber inländischen Menschenrechtsorganisationen; fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt; Gewaltverbrechen gegen Mitglieder ethnischer, religiöser und sexueller [LGBTQI+] Minderheiten (USDOS 20.3.2023, S. 1f., 96; vgl. AI 28.3.2023, EU 30.3.2022, S. 16f.). In diesem Kontext unternimmt die Regierung nur begrenzte Schritte zur Ermittlung, Verfolgung und Bestrafung von Beamten und Mitgliedern der Sicherheitskräfte, die der Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden. Die diesbezügliche Straflosigkeit bleibt ein Problem (USDOS 20.3.2023, S. 1f., 96; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 30). fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt; Gewaltverbrechen gegen Mitglieder ethnischer, religiöser und sexueller [LGBTQI+] Minderheiten (USDOS 20.3.2023, S. 1f., 96; vergleiche AI 28.3.2023, EU 30.3.2022, S. 16f.). In diesem Kontext unternimmt die Regierung nur begrenzte Schritte zur Ermittlung, Verfolgung und Bestrafung von Beamten und Mitgliedern der Sicherheitskräfte, die der Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden. Die diesbezügliche Straflosigkeit bleibt ein Problem (USDOS 20.3.2023, S. 1f., 96; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 30).

Besorgniserregend ist laut Menschenrechtskommissarin des Europarates der zunehmend virulente und negative politische Diskurs, Menschenrechtsverteidiger als Terroristen ins Visier zu nehmen und als solche zu bezeichnen, was häufig zu voreingenommenen Maßnahmen der Verwaltungsbehörden und der Justiz führt (CoE-CommDH 19.2.2020). Daraus schlussfolgernd bekräftigte der Rat der Europäischen Union Mitte Dezember 2021, dass der systembedingte Mangel an Unabhängigkeit und der unzulässige Druck auf die Justiz nicht hingenommen werden können, genauso wenig wie die anhaltenden Restriktionen, Festnahmen, Inhaftierungen und sonstigen Maßnahmen, die sich gegen Journalisten, Akademiker, Mitglieder politischer Parteien – auch Parlamentsabgeordnete –, Anwälte, Menschenrechtsverteidiger, Nutzer von sozialen Medien und andere Personen, die ihre Grundrechte und -freiheiten ausüben, richten (EU-Rat 14.12.2021, S. 16, Pt. 34). Zuletzt zeigte sich Anfang Mai 2022 das Europäische Parlament „zutiefst besorgt über die anhaltende Verschlechterung der Grundrechte und Grundfreiheiten sowie der Lage der Rechtsstaatlichkeit“ und „fordert[e] die Staatsorgane der Türkei auf, der gerichtlichen Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern, Wissenschaftlern, Journalisten, geistlichen Führern und Rechtsanwälten ein Ende zu setzen“ (EP 5.5.2022, Pt. 4).

Die Menschenrechtslage von Minderheiten jeglicher Art sowie von Frauen und Kindern drückt sich in der Forderung des Europäischen Parlaments vom Mai 2021 an die türkische Regierung aus, wonach „die Rechte von Minderheiten und besonders gefährdeten Gruppen wie etwa Frauen und Kinder, LGBTI-Personen, Flüchtlinge, ethnische Minderheiten wie Roma, türkische Bürger griechischer und armenischer Herkunft und religiöse Minderheiten wie Christen zu schützen [sind]; [das EP] fordert die Türkei daher auf, dringend umfassende Gesetze zur Bekämpfung der Diskriminierung, einschließlich des Verbots der Diskriminierung wegen ethnischen Herkunft, Religion, Sprache, Staatsangehörigkeit, sexueller Ausrichtung und Geschlechtsidentität, zu verabschieden und Maßnahmen gegen Rassismus, hom*ophobie und Transphobie zu treffen“ (EP 19.5.2021, S. 17, Pt. 45).

Mit Stand 30.11.2022 waren 20.300 Verfahren aus der Türkei beim EGMR anhängig, das waren 26,8 % aller am EGMR anhängigen Fälle (ECHR 12.2022), was neuerlich eine Steigerung bedeutet. Denn mit Jahresende 2021 stammten 15.250 Verfahren aus der Türkei, das waren damals 21,7 % aller am EGMR anhängigen Fälle (ECHR 21.1.2022). Im Jahr 2022 stellte der EGMR in 73 Fällen (von 80) Verletzungen der EMRK fest. Die meisten Fälle, nämlich 27, betrafen das Recht auf Freiheit und Sicherheit, gefolgt vom Recht auf Eigentum (20) und dem Recht auf ein faires Verfahren (16) (ECHR 1.2023).

Das Recht auf Leben

Die auf Gewalt basierende Politik der Staatsmacht sowohl im Inland als auch im Ausland ist die Hauptursache für die Verletzung des Rechts auf Leben im Jahr 2021. Die Verletzungen des Rechts auf Leben beschränken sich jedoch nicht auf diejenigen, die von den Sicherheitskräften des Staates begangen werden. Dazu gehören auch Verletzungen, die dadurch entstehen, dass der Staat seiner Verpflichtung nicht nachkommt, von Dritten begangene Verletzungen zu „verhindern“ und seine Bürger vor solchen Vorfällen zu „schützen“ (İHD 6.11.2022, S. 9).

Was das Recht auf Leben betrifft, so gibt es immer noch schwerwiegende Mängel bei den Maßnahmen zur Gewährleistung glaubwürdiger und wirksamer Ermittlungen in Fällen von Tötungen durch die Sicherheitsdienste. Es wurden beispielsweise keine angemessenen Untersuchungen zu den angeblichen Fällen von Entführungen und gewaltsamem Verschwindenlassen durch Sicherheits- oder Geheimdienste in mehreren Provinzen durchgeführt, die seit dem Putschversuch vermeldet wurden. Unabhängigen Daten zufolge wurde im Jahr 2021 das Recht auf Leben von mindestens 2.964 (3.291 im Jahr 2020) Menschen verletzt. Zu einigen der in den Medien berichteten Todesfälle gibt es noch immer keine glaubwürdigen Untersuchungen. Die gemeldeten Tötungen durch die Sicherheitsbehörden im Südosten, insbesondere im Zusammenhang mit den Ereignissen im Jahr 2015, werden nach wie vor nicht effektiv untersucht, beziehungsweise sanktioniert (EC 12.10.2022, S. 33).

Anfang Juli 2022 hat das türkische Verfassungsgericht den Antrag im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen abgelehnt, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz Şırnak ums Leben kamen. Das Verfassungsgericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei. Die Betroffenen werden vor den EGMR ziehen (Duvar 8.7.2022).

Siehe hierzu insbesondere die Kapitel bzw. Subkapitel: Sicherheitslage, Folter und unmenschliche Behandlung sowie Entführungen und Verschwindenlassen im In- und Ausland

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 25.8.2022
AI – Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Türkei 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089660.html, Zugriff 4.5.2023
CoE-CommDH – Council of Europe – Commissioner for Human Rights: Commissioner for human rights of the Council of Europe Dunja Mijatović (19.2.2020): Report following her visit to Turkey from 1 to 5 July 2019 [CommDH(2020)1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024837/CommDH% 282020%291+-++Report+on+Turkey_EN.docx.pdf, Zugriff 28.2.2022
Duvar (8.7.2022): Top Turkish court finds no rights violation in death of Cizre curfew victims, https: //www.duvarenglish.com/topturkish-court-finds-no-rights-violation-in-death-of-cizre-curfew-victi ms-news-61010, Zugriff 11.8.2022 EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae50c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 2.11.2022 EC – European Commission (6.10.2020): Turkey 2020 Report [SWD (2020) 355 final], https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/turkey_report_2020.pdf, Zugriff 28.2.2022
ECHR – European Court of Human Rights (1.2023): Violations by Article and by State, https: //echr.coe.int/Documents/Stats_violation_2022_ENG.pdf, Zugriff 4.5.2023
ECHR – European Court of Human Rights (12.2022): PENDING APPLICATIONS ALLOCATED TO A JUDICIAL FORMATION - REQUÊTES PENDANTES DEVANT UNE FORMATION JUDICIAIRE 30/11/2022, https://www.echr.coe.int/Documents/Stats_pending_month_2022_BIL.PDF, Zugriff 19.1.2023
ECHR – European Court of Human Rights (21.1.2022): EUROPEAN COURT OF HUMAN RIGHTS - APPLICATIONS PENDING BEFORE A JUDICIAL FORMATION 31/12/2021, https://www.echr.c oe.int/Documents/Stats_pending_month_2020_BIL.PDF, Zugriff 2.11.2022 EP - Europäisches Parlament (5.5.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Mai 2022 zu dem Fall von Osman Kavala in der Türkei (2022/2656(RSP)), https://www.europarl.europ a.eu/doceo/document/TA-9-2022-0199_DE.pdf, Zugriff 6.5.2022 EP - Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 28.2.2022 EP - European Parliament (21.1.2021): Human rights situation in Turkey, in particular the case of Selahattin Demirtaş and other prisoners of conscience [(2021/2506(RSP)], https://www.europarl.e uropa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0028_EN.pdf, Zugriff 28.2.2022
EU - European Union (30.3.2022): EU ANNUAL REPORT ON HUMAN RIGHTS AND DEMOCRA- CY IN THE WORLD 2021 COUNTRY UPDATES - Turkey, https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/220323%202021%20EU%20Annual%20Human%20Rights%20and%20Democracy%20Country% 20Reports.docx.pdf, Zugriff 22.8.2022
EU-Rat - Rat der Europäischen Union (14.12.2021): Schlussfolgerungen des Rates zur Erweiterung sowie zum Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess [15033/21], https://data.consilium.europa. eu/doc/document/ST-15033-2021-INIT/de/pdf, Zugriff 21.1.2022
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association (6.11.2022): Human Rights Association 2021 Report on Human Rights Violations in Turkey, https://ihd.org.tr/en/wp-content/uploads/2022/ 11/SR2022_2021-Turkey-Violations-Report.pdf, Zugriff 4.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 4.5.2023 USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/ 03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 4.5.2023

Meinungs- und Pressefreiheit / Internet

Letzte Änderung: 23.06.2023

Meinungsfreiheit

Das Europäische Parlament (EP) bekräftigte im Mai 2022 seine ernste Besorgnis über die unverhältnismäßigen und willkürlichen Maßnahmen die das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken (EP 7.6.2022, S. 10, Pt. 13). In vielen Fällen können Einzelpersonen den Staat oder die Regierung nicht öffentlich kritisieren, ohne das Risiko zivil- oder strafrechtlicher Klagen bzw. Ermittlungen in Kauf zu nehmen. Die Regierung schränkt die Meinungsfreiheit von Personen ein, die bestimmten religiösen, politischen oder kulturellen Standpunkten wohlwollend gegenüberstehen. Sich zu heiklen Themen oder in regierungskritischer Weise zu äußern, zieht mitunter Ermittlungen, Geldstrafen, strafrechtliche Anklagen, Arbeitsplatzverlust und Haftstrafen nach sich. Auf regierungskritische Äußerungen reagiert die Regierung häufig mit Strafanzeigen

wegen angeblicher Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppen, Terrorismus oder sonstiger Gefährdung des Staates. Die Regierung hat Hunderte von Personen wegen der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit verurteilt und bestraft (USDOS 20.3.2023, S. 33). Im Jahr 2021 betrafen laut Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte allein 31 von insgesamt 76 Fällen von Verletzungen der EMRK durch die Türkei das Recht auf freie Meinungsäußerung (ECHR 1.2022). Allerdings reduzierte sich der Anteil im Jahr 2022. Nur mehr acht von 73 Fällen, bei denen zumindest ein Verstoß gegen die EMRK festgestellt wurde, betrafen die Meinungsfreiheit (ECHR 1.2023).

Die Rückschritte im Bereich Meinungsfreiheit sind Ausfluss des weit ausgelegten Terrorismusbegriffs in der Anti-Terror-Gesetzgebung sowie einzelner Artikel des türkischen Strafgesetzbuches (z. B. Art. 301 – Verunglimpfung/ Herabsetzung des türkischen Staates und seiner Institutionen; Art. 299 – Beleidigung des Staatsoberhauptes). Diese Bestimmungen werden in den letzten Jahren häufiger herangezogen, um gegen kritische Stimmen vorzugehen (ÖB 30.11.2022, S. 33). Die Rückschritte im Bereich Meinungsfreiheit sind Ausfluss des weit ausgelegten Terrorismusbegriffs in der Anti-Terror-Gesetzgebung sowie einzelner Artikel des türkischen Strafgesetzbuches (z. B. Artikel 301, – Verunglimpfung/ Herabsetzung des türkischen Staates und seiner Institutionen; Artikel 299, – Beleidigung des Staatsoberhauptes). Diese Bestimmungen werden in den letzten Jahren häufiger herangezogen, um gegen kritische Stimmen vorzugehen (ÖB 30.11.2022, S. 33).

Die geltenden Gesetze zur Terrorismusbekämpfung, zum Internet, zu den Nachrichtendiensten und das Strafgesetzbuch behindern die freie Meinungsäußerung und stehen im Widerspruch zu europäischen Standards, so die Europäische Kommission. Die selektive und willkürliche Anwendung von Rechtsvorschriften gibt überdies weiterhin Anlass zur Sorge, da sie gegen die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit und des Rechts auf ein faires Verfahren verstößt (EC 12.10.2022, S. 36). Problematisch ist die sehr weite Auslegung des Terrorismusbegriffs durch die Gerichte. So können etwa öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den kurdisch geprägten Gebieten der Südosttürkei oder das Teilen von Beiträgen mit PKK-Bezug in den sozialen Medien bei entsprechender Auslegung bereits den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen (AA 28.7.2022, S. 9). Laut Parlamentarischer Versammlung des Europarates (PACE) gab es keine Fortschritte bei der Auslegung der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Letztere stimmt nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) überein (PACE 22.4.2021, S. 3). Zwar stellt nunmehr Art. 7/2 des Anti-Terror-Gesetzes klar, dass Meinungsäußerungen, welche die Grenze der Berichterstattung nicht überschreiten, keine Straftat darstellen, doch dies hat die politische Verfolgung unliebsamer Äußerungen in der Praxis nicht eingeschränkt (AA 28.7.2022, S. 9). Die geltenden Gesetze zur Terrorismusbekämpfung, zum Internet, zu den Nachrichtendiensten und das Strafgesetzbuch behindern die freie Meinungsäußerung und stehen im Widerspruch zu europäischen Standards, so die Europäische Kommission. Die selektive und willkürliche Anwendung von Rechtsvorschriften gibt überdies weiterhin Anlass zur Sorge, da sie gegen die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit und des Rechts auf ein faires Verfahren verstößt (EC 12.10.2022, S. 36). Problematisch ist die sehr weite Auslegung des Terrorismusbegriffs durch die Gerichte. So können etwa öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den kurdisch geprägten Gebieten der Südosttürkei oder das Teilen von Beiträgen mit PKK-Bezug in den sozialen Medien bei entsprechender Auslegung bereits den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen (AA 28.7.2022, S. 9). Laut Parlamentarischer Versammlung des Europarates (PACE) gab es keine Fortschritte bei der Auslegung der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Letztere stimmt nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) überein (PACE 22.4.2021, S. 3). Zwar stellt nunmehr Artikel 7 /, 2, des Anti-Terror-Gesetzes klar, dass Meinungsäußerungen, welche die Grenze der Berichterstattung nicht überschreiten, keine Straftat darstellen, doch dies hat die politische Verfolgung unliebsamer Äußerungen in der Praxis nicht eingeschränkt (AA 28.7.2022, S. 9).

Eines der prominentesten Beispiele war die Verurteilung von vier Menschenrechtsverteidigern, darunter der ehemalige Vorsitzende von Amnesty International Türkei, Taner Kılıç, wegen der Unterstützung einer terroristischen Organisation im Juli 2020 (FH 3.3.2021). Die Behörden hatten Kiliç im Juni 2017 unter dem Vorwurf festgenommen, Verbindungen zu Fethullah Gülen zu unterhalten. Der EGMR entschied Ende Mai 2022 einstimmig (inklusive des türkischen Richters), dass die Türkei bei der Inhaftierung von Kılıç rechtswidrig gehandelt hatte. Das Gericht fand keine Beweise dafür, dass Kiliç eine Straftat begangen hat. Das Gericht entschied außerdem, dass seine spätere Verurteilung wegen anderer Anschuldigungen in direktem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger stehe und sein Recht auf freie Meinungsäußerung beeinträchtigt wurde (DW 31.5.2022; vgl. AP 31.5.2022). Fünf Jahre nach der ersten Verhaftung erging im November 2022 das Urteil des Kassationsgerichts zu den Verurteilungen von Taner Kılıç (verurteilt zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation) und drei weiteren Menschenrechtsverteidigern (verurteilt zu 25 Monaten wegen Unterstützung einer Terrororganisation) im Fall Büyükada. Der Fall von Taner Kılıç wurde wegen „unvollständiger Ermittlungen“ aufgehoben und an das Gericht der ersten Instanz zurückverwiesen (AI 22.11.2022). Eines der prominentesten Beispiele war die Verurteilung von vier Menschenrechtsverteidigern, darunter der ehemalige Vorsitzende von Amnesty International Türkei, Taner Kılıç, wegen der Unterstützung einer terroristischen Organisation im Juli 2020 (FH 3.3.2021). Die Behörden hatten Kiliç im Juni 2017 unter dem Vorwurf festgenommen, Verbindungen zu Fethullah Gülen zu unterhalten. Der EGMR entschied Ende Mai 2022 einstimmig (inklusive des türkischen Richters), dass die Türkei bei der Inhaftierung von Kılıç rechtswidrig gehandelt hatte. Das Gericht fand keine Beweise dafür, dass Kiliç eine Straftat begangen hat. Das Gericht entschied außerdem, dass seine spätere Verurteilung wegen anderer Anschuldigungen in direktem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger stehe und sein Recht auf freie Meinungsäußerung beeinträchtigt wurde (DW 31.5.2022; vergleiche AP 31.5.2022). Fünf Jahre nach der ersten Verhaftung erging im November 2022 das Urteil des Kassationsgerichts zu den Verurteilungen von Taner Kılıç (verurteilt zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation) und drei weiteren Menschenrechtsverteidigern (verurteilt zu 25 Monaten wegen Unterstützung einer Terrororganisation) im Fall Büyükada. Der Fall von Taner Kılıç wurde wegen „unvollständiger Ermittlungen“ aufgehoben und an das Gericht der ersten Instanz zurückverwiesen (AI 22.11.2022).

Die Behörden klagen Bürger, darunter auch Minderjährige, wegen Beleidigung der Staatsführung und Verunglimpfung des „Türkentums“ an. Fürsprecher der Meinungsfreiheit wiesen darauf hin, dass führende Politiker und Abgeordnete von Oppositionsparteien zwar regelmäßig mehrfach wegen solcher Beleidigungen angeklagt wurden, im umgekehrten Falle, nämlich der Beleidigung von Oppositionellen, AKP-Mitglieder und Regierungsbeamte nur selten strafrechtlich verfolgt werden (USDOS 20.3.2023, S. 42). Jüngstes Beispiel einer Verurteilung einer Journalistin wegen Präsidentenbeleidigung ereignete sich im März 2022. - Ein Ístanbuler Gericht sprach Sedef Kabas wegen Präsidentenbeleidigung schuldig und verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Die Journalistin hatte während einer Fernsehsendung unter anderem das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen Kritiker angeprangert. Dort und später auf Twitter zitierte sie ein Sprichwort: „Wenn ein Ochse in einen Palast geht, wird er kein König, sondern der Palast wird zum Stall.“ (DW 11.3.2022; vgl. Ahval 11.3.2022). Insbesondere Oppositionspolitiker, darunter gewählte Mandatare sehen sich mit Strafverfolgung und Verurteilung wegen Beleidigung von staatlichen Würdenträgern oder des türkischen Staates bzw. des Türkentums konfrontiert (ZO 23.6.2020, FH 3.3.2021, Duvar 8.12.2022, HRW 14.12.2022, Evrensel 14.12.2022). Die Behörden klagen Bürger, darunter auch Minderjährige, wegen Beleidigung der Staatsführung und Verunglimpfung des „Türkentums“ an. Fürsprecher der Meinungsfreiheit wiesen darauf hin, dass führende Politiker und Abgeordnete von Oppositionsparteien zwar regelmäßig mehrfach wegen solcher Beleidigungen angeklagt wurden, im umgekehrten Falle, nämlich der Beleidigung von Oppositionellen, AKP-Mitglieder und Regierungsbeamte nur selten strafrechtlich verfolgt werden (USDOS 20.3.2023, S. 42). Jüngstes Beispiel einer Verurteilung einer Journalistin wegen Präsidentenbeleidigung ereignete sich im März 2022. - Ein Ístanbuler Gericht sprach Sedef Kabas wegen Präsidentenbeleidigung schuldig und verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Die Journalistin hatte während einer Fernsehsendung unter anderem das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen Kritiker angeprangert. Dort und später auf Twitter zitierte sie ein Sprichwort: „Wenn ein Ochse in einen Palast geht, wird er kein König, sondern der Palast wird zum Stall.“ (DW 11.3.2022; vergleiche Ahval 11.3.2022). Insbesondere Oppositionspolitiker, darunter gewählte Mandatare sehen sich mit Strafverfolgung und Verurteilung wegen Beleidigung von staatlichen Würdenträgern oder des türkischen Staates bzw. des Türkentums konfrontiert (ZO 23.6.2020, FH 3.3.2021, Duvar 8.12.2022, HRW 14.12.2022, Evrensel 14.12.2022).

Zum Thema Beleidigung des Staatspräsidenten, anderer staatlicher Würdenträger; des türkischen Staates und der türkischen Nation (Türkentum) siehe die Kapitel Rechtsstaatlichkeit / Justizwesen (Abs. Beleidigung des Präsidenten als Strafbestand) sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition Auch gegen Rechtsanwälte wird vorgegangen. - Im Jänner 2021 erteilte das Justizministerium die Genehmigung zur Einleitung von Ermittlungen gegen zwölf Mitglieder der Anwaltskammer von Ankara. Die Anwälte wurden der „Beleidigung eines Amtsträgers“ beschuldigt, weil sie hom*ophobe und diskriminierende Äußerungen des Präsidenten der staatlichen Religionsbehörde Diyanet, geäußert während eines Freitagsgebets, kritisiert hatten. Im April 2021 akzeptierte das zuständige Gericht in Ankara die Anklage. Im Juli 2021 wurden auch Ermittlungen gegen Mitglieder der Anwaltskammern von Ístanbul und Ízmir wegen „Beleidigung religiöser Werte“ genehmigt (AI 29.3.2022).

Ein Beispiel der Beleidigung der türkischen Nation, der Regierung und der Staatsorgane war im November 2022 der Präsident der Istanbuler Bäcker-Gewerkschaft, Cihan Kolivar. Dieser wurde festgenommen, weil er in einer Fernsehsendung den übermäßigen Brotkonsum der Türken und einen möglichen Anstieg der Brotpreise angesprochen hatte. - „Brot ist das Grundnahrungsmittel einer dummen Gesellschaft. Da unser Volk seinen Hunger mit Brot stillt, haben wir seit 20 Jahren [korrupte] Politiker in der Regierung“, so Kolivar. Ein Sprecher der regierenden AKP bezeichnete Kolivars Äußerungen als Beispiel für Hassreden und sagte, dieser handele rücksichtslos, indem er mit seinen Äußerungen „unsere Nation und unser Brot beleidigt“ (TM 9.11.2022).

Das sog. „Desinformationsgesetz“

Das türkische Parlament verabschiedete am 13.10.2022 das sogenannte „Desinformationsgesetz“. Dieses stellt die Verbreitung „falscher oder irreführender Informationen über die innere und äußere Sicherheit des Landes“ unter Strafe. Unter die Regelung fallen auch Nachrichten, „die der öffentlichen Gesundheit schaden, die öffentliche Ordnung stören sowie Angst oder Panik in der Bevölkerung verbreiten könnten“. Sowohl akkreditierte Journalisten als auch normale Nutzer von Online-Netzwerken können im Extremfall zu drei Jahre Haft verurteilt werden (DW 14.10.2022; vgl. Guardian 13.10.2022). Das Gesetz richtet sich neben Zeitungen, Radio und Fernsehen vor allem gegen Onlinenetzwerke und Onlinemedien. Sie sind verpflichtet, Nutzer, denen die Verbreitung von Falschnachrichten vorgeworfen wird, an die Behörden zu melden und deren Daten weiterzugeben (ZO 14.10.2022). Das Gesetz verpflichtet auch Messenger-Dienste, wie WhatsApp, dazu, dem Staat Nutzerdaten zur Verfügung zu stellen, wenn die staatliche Behörde für Informations- und Kommunikationstechnologien dies verlangt. Emre Kızılkaya, Leiter des türkischen Zweigs des Internationalen Presseinstituts mit Sitz in Wien, nimmt an, dass dieses Gesetz auch digitale Plattformen wie Google News oder Facebook dazu zwingen wird, der Regierung ihre Algorithmen offenzulegen (Guardian 13.10.2022). Journalistenverbände warnen, der Gesetzentwurf könne zu einem der strengsten Zensur- und Selbstzensurmechanismen in der türkischen Geschichte werden (ZO 14.10.2022). Kritik stammt nicht nur von NGOs, wie Human Rights Watch und Artikel 19, die insbesondere auf die möglichen Auswirkungen auf den Wahlkampf für die anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Juni 2023 hinweisen (HRW 14.10.2022; Article 19), sondern bereits im Vorfeld auch von europäischen und internationalen Institutionen. - So zeigte sich die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Teresa Ribeiro, besorgt, dass die vagen Definitionen und der breite Anwendungsbereich der (neu vorgeschlagenen) Gesetzgebung zu willkürlichen und politisch motivierten Maßnahmen auf Kosten der Meinungsfreiheit und des Medienpluralismus führen können (OSCE 10.10.2022). Auf dringendes Ersuchen des Monitoring-Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) hatte die Venedig-Kommission eine Stellungnahme zu den Änderungsentwürfen des Gesetzes veröffentlicht. Die Venedig-Kommission sah einen Eingriff in das durch Artikel 10 EMRK geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung vorliegen und wies darauf hin, dass es alternative, weniger einschneidende Maßnahmen als die strafrechtliche gibt, um das Delikt der Verbreitung von Falschinformationen zu bekämpfen (CoE 10.10.2022). Das türkische Parlament verabschiedete am 13.10.2022 das sogenannte „Desinformationsgesetz“. Dieses stellt die Verbreitung „falscher oder irreführender Informationen über die innere und äußere Sicherheit des Landes“ unter Strafe. Unter die Regelung fallen auch Nachrichten, „die der öffentlichen Gesundheit schaden, die öffentliche Ordnung stören sowie Angst oder Panik in der Bevölkerung verbreiten könnten“. Sowohl akkreditierte Journalisten als auch normale Nutzer von Online-Netzwerken können im Extremfall zu drei Jahre Haft verurteilt werden (DW 14.10.2022; vergleiche Guardian 13.10.2022). Das Gesetz richtet sich neben Zeitungen, Radio und Fernsehen vor allem gegen Onlinenetzwerke und Onlinemedien. Sie sind verpflichtet, Nutzer, denen die Verbreitung von Falschnachrichten vorgeworfen wird, an die Behörden zu melden und deren Daten weiterzugeben (ZO 14.10.2022). Das Gesetz verpflichtet auch Messenger-Dienste, wie WhatsApp, dazu, dem Staat Nutzerdaten zur Verfügung zu stellen, wenn die staatliche Behörde für Informations- und Kommunikationstechnologien dies verlangt. Emre Kızılkaya, Leiter des türkischen Zweigs des Internationalen Presseinstituts mit Sitz in Wien, nimmt an, dass dieses Gesetz auch digitale Plattformen wie Google News oder Facebook dazu zwingen wird, der Regierung ihre Algorithmen offenzulegen (Guardian 13.10.2022). Journalistenverbände warnen, der Gesetzentwurf könne zu einem der strengsten Zensur- und Selbstzensurmechanismen in der türkischen Geschichte werden (ZO 14.10.2022). Kritik stammt nicht nur von NGOs, wie Human Rights Watch und Artikel 19, die insbesondere auf die möglichen Auswirkungen auf den Wahlkampf für die anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Juni 2023 hinweisen (HRW 14.10.2022; Article 19), sondern bereits im Vorfeld auch von europäischen und internationalen Institutionen. - So zeigte sich die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Teresa Ribeiro, besorgt, dass die vagen Definitionen und der breite Anwendungsbereich der (neu vorgeschlagenen) Gesetzgebung zu willkürlichen und politisch motivierten Maßnahmen auf Kosten der Meinungsfreiheit und des Medienpluralismus führen können (OSCE 10.10.2022). Auf dringendes Ersuchen des Monitoring-Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) hatte die Venedig-Kommission eine Stellungnahme zu den Änderungsentwürfen des Gesetzes veröffentlicht. Die Venedig-Kommission sah einen Eingriff in das durch Artikel 10 EMRK geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung vorliegen und wies darauf hin, dass es alternative, weniger einschneidende Maßnahmen als die strafrechtliche gibt, um das Delikt der Verbreitung von Falschinformationen zu bekämpfen (CoE 10.10.2022).

Urteile des Verfassungsgerichts

Klagen gegen Internetzensur vor dem Verfassungsgericht werden meist zugunsten der Kläger entschieden, jedoch fällt das Verfassungsgericht jährlich nur wenige Urteile. Darüber hinaus besteht das Problem darin, dass der vom Verfassungsgericht entwickelte prinzipielle Ansatz im Sinne der Meinungs- und Pressefreiheit von den Friedensrichtern in Strafsachen in deren Rechtssprechung ignoriert wird. Diese verhängen Sperren regelmäßig so, als ob das Verfassungsgericht kein Urteil zu irgendeiner Praxis in dieser Angelegenheit erlassen hätte (IFÖD 10.2021, S.101-104; vgl. LoC 7.1.2022). Klagen gegen Internetzensur vor dem Verfassungsgericht werden meist zugunsten der Kläger entschieden, jedoch fällt das Verfassungsgericht jährlich nur wenige Urteile. Darüber hinaus besteht das Problem darin, dass der vom Verfassungsgericht entwickelte prinzipielle Ansatz im Sinne der Meinungs- und Pressefreiheit von den Friedensrichtern in Strafsachen in deren Rechtssprechung ignoriert wird. Diese verhängen Sperren regelmäßig so, als ob das Verfassungsgericht kein Urteil zu irgendeiner Praxis in dieser Angelegenheit erlassen hätte (IFÖD 10.2021, S.101-104; vergleiche LoC 7.1.2022).

Die Generalversammlung des Verfassungsgerichts stellte allerdings am 7.1.2022 fest, dass die Regierung das verfassungsmäßige Recht auf freie Meinungsäußerung und das verfassungsmäßige Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf betreffend die Sperrung des Zugangs zu OnlineNachrichten-Webseiten durch untergeordnete Gerichte verletzt hatte. Das Verfassungsgericht konsolidierte neun Fälle, in denen insgesamt 129 URL-Adressen durch Entscheidungen von Friedensrichtern gemäß Artikel 9 des Gesetzes Nr. 5651 gesperrt worden waren. In allen neun Fällen hatten die Richter den Zugang zu den betreffenden Nachrichtenartikeln aufgrund von Beschwerden jener Personen gesperrt, die Gegenstand der Nachrichtenartikel waren und die geltend machten, dass bestimmte Aussagen in den Nachrichtenartikeln ihren Ruf und ihr Ansehen unrechtmäßig schädigten. - Die Problematik des Artikels 9, u. a. von der Venedig Kommission des Europarates beanstandet, liegt darin, dass eine diesbezügliche Sperrung durch den Spruch eines Friedensrichters, zeitlich unbegrenzt und ohne Anhörung, erfolgt, nur auf Einspruch hin von einem anderen Friedensrichter überprüft, jedoch nicht bei höheren Gerichten angefochten werden kann. Der einzige Rechtsbehelf ist eine Individualbeschwerde vor dem Verfassungsgericht (LoC 7.1.2022). In seinem Urteil stellte das Verfassungsgericht nicht nur einen offensichtlichen Eingriff in die durch Artikel 26 und 28 der Verfassung geschützte Meinungs- und Pressefreiheit durch die Sperrung des Zugangs zu den betroffenen Nachrichtenseiten fest, sondern auch die unverhältnismäßige und unbegründete Blockierung der Inhalte auf unbestimmte Zeit sowie die Nicht-Beachtung der verfassungsrechtlichen Grundsätze durch die Vorinstanzen. Außerdem beklagte das Verfassungsgericht den Mangel an Rechtsmitteln. In Anbetracht der Tatsache, so das Verfassungsgericht, dass die Entscheidungen der untergeordneten Gerichte auf das Vorhandensein eines systematischen Problems hinweisen, das unmittelbar durch eine gesetzliche Bestimmung verursacht wurde, ist es offensichtlich, dass das derzeitige System überdacht werden muss, um ähnliche Verstöße zu verhindern. Deshalb wurde seitens des Gerichts ein sogenanntes Pilotverfahren (pilot judgment) beschlossen (CCRT 7.1.2022). - Das Verfahren wird angewandt, wenn das Gericht feststellt, dass die Verletzung eines Grundrechts in einem bestimmten Fall auf ein strukturelles Problem zurückzuführen ist, das bereits zu anderen Anträgen geführt hat und von dem zu erwarten ist, dass es in Zukunft zu weiteren Anträgen führen wird. Wenn das Gericht beschließt, über einen Antrag im Rahmen des Piloturteilsverfahrens zu entscheiden, kann es alle anderen bei ihm anhängigen Verfahren, die dasselbe strukturelle Problem betreffen, aussetzen. Sobald ein Piloturteil ergangen ist, müssen die Verwaltungsbehörden das Urteil in den entsprechenden Anträgen, die bei ihnen eingereicht werden, anwenden, oder bei Fällen, die das Verfassungsgericht erreichen, kann das Gericht die Fälle zusammenfassen und im Einklang mit dem Piloturteil entscheiden (LoC 7.1.2022).

Auswirkungen des Erdbebens vom Februar 2023

Journalisten, die seit dem schweren Erdbeben vom 6. Februar versuchten, über die Lage vor Ort in der Türkei zu berichten, wurden von den türkischen Behörden wiederholt und auf vielfältige Weise behindert. Zu den beobachteten Verletzungen der Pressefreiheit gehören: physische Gewalt, Verhaftungen, Gerichtsverfahren, verbale Online-Angriffe, etwa durch Internet-Trolle, aber auch Politiker, und Einschränkungen des Zugangs zu Twitter. Journalisten wurden beschuldigt, „die Polizei oder den Staat zu diffamieren“. Der Hohe Rundfunkrat (RTÜK) - der von der regierenden AKP und ihrem Koalitionspartner, der MHP, dominiert wird - schlug bereits wenige Stunden nach dem Erdbeben am 6. Februar einen aggressiven Ton an und sprach eine strenge Warnung an kritische Medien aus, welche die zunehmenden Reaktionen und Hilferufe aus den von der Katastrophe betroffenen Regionen in Südostanatolien wiedergaben. Versuche, die Berichterstattung über die Katastrophe und das Verhalten der Behörden zu kontrollieren, wurden laut Reporter ohne Grenzen (RSF) immer deutlicher (RSF 14.2.2023). So wurden laut kritischen Journalisten keine Aufnahmen von bedürftigen Menschen oder frierenden Kindern gezeigt. Etliche Sendungen mit Interviews wurden unterbrochen, als die Befragten Kritik an der Regierung äußerten (FAZ 14.2.2023). Am 22.2.2023 verhängte der RTÜK gegen Fox-TV Bußgelder wegen eines Berichts, wonach die türkische Katastrophenschutzbehörde AFAD verhindert habe, dass Hilfe von Nichtregierungsgruppen die von Erdbeben betroffenen Gebiete erreicht. Zwei weitere unabhängige Sender, Halk TV und TELE1, wurden beide mit einer Geldstrafe belegt und vorübergehend vom Äther genommen (AM 22.2.2023; vgl. Duvar 22.2.2023). Journalisten, die seit dem schweren Erdbeben vom 6. Februar versuchten, über die Lage vor Ort in der Türkei zu berichten, wurden von den türkischen Behörden wiederholt und auf vielfältige Weise behindert. Zu den beobachteten Verletzungen der Pressefreiheit gehören: physische Gewalt, Verhaftungen, Gerichtsverfahren, verbale Online-Angriffe, etwa durch Internet-Trolle, aber auch Politiker, und Einschränkungen des Zugangs zu Twitter. Journalisten wurden beschuldigt, „die Polizei oder den Staat zu diffamieren“. Der Hohe Rundfunkrat (RTÜK) - der von der regierenden AKP und ihrem Koalitionspartner, der MHP, dominiert wird - schlug bereits wenige Stunden nach dem Erdbeben am 6. Februar einen aggressiven Ton an und sprach eine strenge Warnung an kritische Medien aus, welche die zunehmenden Reaktionen und Hilferufe aus den von der Katastrophe betroffenen Regionen in Südostanatolien wiedergaben. Versuche, die Berichterstattung über die Katastrophe und das Verhalten der Behörden zu kontrollieren, wurden laut Reporter ohne Grenzen (RSF) immer deutlicher (RSF 14.2.2023). So wurden laut kritischen Journalisten keine Aufnahmen von bedürftigen Menschen oder frierenden Kindern gezeigt. Etliche Sendungen mit Interviews wurden unterbrochen, als die Befragten Kritik an der Regierung äußerten (FAZ 14.2.2023). Am 22.2.2023 verhängte der RTÜK gegen Fox-TV Bußgelder wegen eines Berichts, wonach die türkische Katastrophenschutzbehörde AFAD verhindert habe, dass Hilfe von Nichtregierungsgruppen die von Erdbeben betroffenen Gebiete erreicht. Zwei weitere unabhängige Sender, Halk TV und TELE1, wurden beide mit einer Geldstrafe belegt und vorübergehend vom Äther genommen (AM 22.2.2023; vergleiche Duvar 22.2.2023).

Bereits unmittelbar nach dem Erdbeben verhaftete die türkische Polizei im Zusammenhang mit Beiträgen in sozialen Medien 37 Nutzer. Sie hätten Beiträge geteilt, „mit dem Ziel, Angst und Panik unter der Bevölkerung zu verbreiten“, so die Polizei (RND 10.2.2023; vgl. MLSA 9.2.2023). Mitte Februar gab die türkische Generaldirektion für Sicherheit bekannt, 613 Personen identifiziert zu haben, die der Veröffentlichung provokativer Beiträge beschuldigt wurden, und gegen 293 seien rechtliche Schritte eingeleitet worden. Von dieser Gruppe hat der Generalstaatsanwalt die Verhaftung von 78 Personen angeordnet, wobei über 20 von ihnen eine Untersuchungshaft verhängt wurde (Reuters 15.2.2023). Bereits unmittelbar nach dem Erdbeben verhaftete die türkische Polizei im Zusammenhang mit Beiträgen in sozialen Medien 37 Nutzer. Sie hätten Beiträge geteilt, „mit dem Ziel, Angst und Panik unter der Bevölkerung zu verbreiten“, so die Polizei (RND 10.2.2023; vergleiche MLSA 9.2.2023). Mitte Februar gab die türkische Generaldirektion für Sicherheit bekannt, 613 Personen identifiziert zu haben, die der Veröffentlichung provokativer Beiträge beschuldigt wurden, und gegen 293 seien rechtliche Schritte eingeleitet worden. Von dieser Gruppe hat der Generalstaatsanwalt die Verhaftung von 78 Personen angeordnet, wobei über 20 von ihnen eine Untersuchungshaft verhängt wurde (Reuters 15.2.2023).

Zwischen dem 6. und 9.2.2023 wurden mindestens vier Journalisten vorübergehend festgenommen, als sie versuchten, vor Ort von den Ereignissen zu berichten, meist unter dem Vorwand keine Dreherlaubnis oder Pressekarte zu besitzen (MLSA9.2.2023). Zwischenzeitlich war Twitter in der Türkei gesperrt. Oppositionelle warfen der Regierung vor, damit auch Kritik am Krisenmanagement unterdrücken zu wollen (RND 10.2.2023; vgl. MLSA 9.2.2023, NetBlocks 8.2.2023). Überdies wurde am 8.2.2023 der Zugang zu Mediaplattformen im Internet gedrosselt (MLSA 9.2.2023). Zwischen dem 6. und 9.2.2023 wurden mindestens vier Journalisten vorübergehend festgenommen, als sie versuchten, vor Ort von den Ereignissen zu berichten, meist unter dem Vorwand keine Dreherlaubnis oder Pressekarte zu besitzen (MLSA9.2.2023). Zwischenzeitlich war Twitter in der Türkei gesperrt. Oppositionelle warfen der Regierung vor, damit auch Kritik am Krisenmanagement unterdrücken zu wollen (RND 10.2.2023; vergleiche MLSA 9.2.2023, NetBlocks 8.2.2023). Überdies wurde am 8.2.2023 der Zugang zu Mediaplattformen im Internet gedrosselt (MLSA 9.2.2023).

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Anlässlich der Corona-Krise hat die Regierung versucht, die öffentliche Debatte über das Virus zu kontrollieren. Dies ging so weit, dass Personen wegen kritischer, laut Regierung „grundloser und provokativer“ Beiträge in den sozialen Medien verhaftet wurden (AM 24.3.2020) und der RTÜK Bußgelder gegen Medien verhängte, die den Umgang der Regierung mit der Pandemie kritisiert hatten (BS 23.2.2022, S. 11). Zu den Betroffenen gehörten auch Mediziner, die in ihren Beiträgen die Bürger über grundlegende Gesundheitsvorkehrungen informierten, und vor der Unzulänglichkeit staatlich empfohlener Maßnahmen warnten (POMED17.4.2020). Im Herbst 2020 standen medizinische Vereinigungen, wie die Türkische Ärztekammer (TTB), im Schussfeld der Kritik seitens der Staatsspitze, da sie die Maßnahmen der Regierung zur Bewältigung der Corona-Krise ebenso kritisierten, wie etwa die mangelnde Daten-Transparenz des Gesundheitsministeriums. Mitte Oktober 2020 verlangte Staatspräsident Erdoğan den Einfluss der Ärztekammer und anderer Berufsverbände gesetzlich einzuschränken, da diese seiner Meinung nach in einem unerträglichen Ausmaß gegen die Verfassung handelten. Überdies warf der Staatspräsident der Spitze der Ärztekammer die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor (AM 15.10.2020; vgl. BI 14.10.2020). Anlässlich der Corona-Krise hat die Regierung versucht, die öffentliche Debatte über das Virus zu kontrollieren. Dies ging so weit, dass Personen wegen kritischer, laut Regierung „grundloser und provokativer“ Beiträge in den sozialen Medien verhaftet wurden (AM 24.3.2020) und der RTÜK Bußgelder gegen Medien verhängte, die den Umgang der Regierung mit der Pandemie kritisiert hatten (BS 23.2.2022, S. 11). Zu den Betroffenen gehörten auch Mediziner, die in ihren Beiträgen die Bürger über grundlegende Gesundheitsvorkehrungen informierten, und vor der Unzulänglichkeit staatlich empfohlener Maßnahmen warnten (POMED17.4.2020). Im Herbst 2020 standen medizinische Vereinigungen, wie die Türkische Ärztekammer (TTB), im Schussfeld der Kritik seitens der Staatsspitze, da sie die Maßnahmen der Regierung zur Bewältigung der Corona-Krise ebenso kritisierten, wie etwa die mangelnde Daten-Transparenz des Gesundheitsministeriums. Mitte Oktober 2020 verlangte Staatspräsident Erdoğan den Einfluss der Ärztekammer und anderer Berufsverbände gesetzlich einzuschränken, da diese seiner Meinung nach in einem unerträglichen Ausmaß gegen die Verfassung handelten. Überdies warf der Staatspräsident der Spitze der Ärztekammer die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor (AM 15.10.2020; vergleiche BI 14.10.2020).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff 24.8.2022

Ahval (11.3.2022): Turkey sentences journalist to 28 months in jail for insulting Erdoğan, https: //ahvalnews.com/turkey-democracy/turkey-sentences-journalist-28-months-jail-insulting-erdogan, Zugriff 23.3.2022
AI – Amnesty International (22.11.2022): Türkiye: Justice prevails as convictions of four human rights defenders overturned, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2022/11/turkiye-justice-pre vails-as-convictions-of-four-human-rights-defendersoverturned/, Zugriff 3.5.2022
AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Türkei 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070315.html, Zugriff 30.3.2022
AM – Al Monitor (22.2.2023): Uproar in Turkey as religious body greenlights marriage with quake orphans, https://www.almonitor.com/originals/2023/02/uproar-turkey-religious-body-greenlights -marriage-quakeorphans?utm_medium=email&utm_campaign=daily%2022223%20February%20 22%202023%20327&utm_content=daily%2022223%20February%2022%202023%20327+CID_2 4469e56457f94035c0107c2bd51a823&utm_source=campmgr&utm_term=Uproar%20in%20Turk ey%20as%20religious%20body%20green%20lights%20marriage%20with%20quake%20orphans, Zugriff 28.2.2023 AM – Al Monitor (13.12.2021): Turkey cracks down on independent journalists once again, https: //www.al-monitor.com/originals/2021/12/turkey-cracks-down-independent-journalists-once-again, Zugriff 28.2.2022

AM – Al Monitor (15.10.2020): Erdogan demands new laws to reel in Turkish medical group, https: //www.almonitor.com/pulse/originals/2020/10/erdogan-new-laws-muzzle-turkish-medical-assoc iation.html, Zugriff 28.2.2022
AM – Al Monitor (24.3.2020): Turkey tightens restrictions to curb coronavirus outbreak, https: //www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/03/turkey-tighten-restrictions-curb-coronavirus-outbr eak.html, Zugriff 28.2.2022
AP – Associated Press (27.10.2022): Turkey: Top doctor jailed on terror propaganda charges, https://apnews.com/article/europe-middleeast-arrests-turkey-istanbul-24fd3c95a6a86f50f67a80f 79ac43616, Zugriff 31.10.2022
AP – Associated Press (25.10.2022): Turkey detains 11 journalists working for pro-Kurdish media, https://apnews.com/article/middleeast-business-europe-70e07058bd51ff2951fa85c244aa07ed, Zugriff 25.10.2022
AP – Associated Press (31.5.2022): European Rights Court: Turkey unlawfully jailed Amnesty head, https://apnews.com/article/politicsturkey-amnesty-international-ankara-3574743ac9abb6b65dc 10b7cb6c1a5ea, Zugriff 1.6.2022 AP – Associated Press (11.12.2021): Turkey’s Erdogan says social media a ‘threat to democracy’, https://apnews.com/article/technology-business-middle-east-media-europe-7bf68ea4856d9e1f5 db48cead82446e0, Zugriff 21.1.2022 Article19 (14.10.2022): New Censorship Threat with Elections Looming, https://www.article19.org/ resources/turkey-dangerousdystopian-new-legal-amendments/, Zugriff 19.10.2022
Article19 (8.4.2022): Blog: COVID-19, social media and freedom of expression in Turkey, https: //www.article19.org/resources/pandemic-social-media-freedom-of-expression-turkey/, Zugriff 24.5.2022
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.10.2022): Briefing Notes, KW 34, Verhaftung von Medienschaffenden, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde /Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw44-2022.pdf?__blob=publicationFile&v =2, Zugriff 2.11.2022
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.12.2021): Briefing Notes, KW 51, Verhaftung von Social-Media-Persönlichkeiten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen /DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw51-2021.html, Zugriff 28.2.2022
BI – Balkan Insight (20.10.2022): Turkish TV Channel Risks Closure Due to Media Overseer Fines, https://balkaninsight.com/2022/10/20/turkish-tv-channel-risks-closure-due-to-media-overseer-fin es/, Zugriff 25.10.2022
BI – Balkan Insight (11.12.2020): Turkey Fines Social Media Giants Second Time For Defying Law,

https://balkaninsight.com/2020/12/11/turkey-fines-social-media-giants-second-time-for-defying-l aw/, Zugriff 28.2.2022

BI – Balkan Insight (14.10.2020): Erdogan Vows to Replace Turkey’s Critically Minded Medical Association, https://balkaninsight.com/2020/10/14/erdogan-vows-to-replace-turkeys-critically-min ded-medical-association/, Zugriff 28.2.2022
BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/ file/local/2069612/country_report_2022_TUR.pdf, Zugriff 21.3.2022
CCRT – The Constitutional Court of the Republic of Turkey [Türkei] (7.1.2022): Case-Law Summary - 27 December 2021 - 7 January 2022, https://www.anayasa.gov.tr/en/case-law-summary/, Zugriff 2.6.2022
CCRT – The Constitutional Court of the Republic of Turkey [Türkei] (8.4.2021): Constitutionality Review - Press Release concerning the Decision Annulling the Provision Enabling the Closure of Media Outlets Associated with Organisations Found Established to Pose a Threat to the National Security, https://www.anayasa.gov.tr/en/news/constitutionality-review/press-release-concerning-t he-decisionannulling-the-provision-enabling-the-closure-of-media-outlets-associated-with-organ isations-found-established-to-pose-a-threat-tothe-national-security/, Zugriff 28.2.2022
CoE - Council of Europe (10.10.2022): Türkiye: Draft criminal provision on „false or misleading information“ interferes with freedom of expression (Article 10 ECHR), says urgent opinion from the Venice Commission [Ref. DC 205(2022)],

https://search.coe.int/directorate_of_communications/Pages/result_details.aspx?ObjectId=0900001680a8693e, Zugriff 19.10.2022 Duvar (22.2.2023): Turkey’s media watchdog fines opposition channels for quake broadcasts, https://www.duvarenglish.com/turkeysmedia-watchdog-fines-opposition-channels-for-quake-bro adcasts-news-61897, Zugriff 28.3.2023
Duvar (8.12.2022): HDP politicians indicted over Armenian Genocide remark: ‘Against national interests’, https://www.duvarenglish.com/hdp-politicians-indicted-over-armenian-genocide-remar k-against-national-interests-news-61607, Zugriff 19.12.2022
Duvar (1.8.2022): Top Turkish court: State advertising body violated opposition newspapers’ rights, https://www.duvarenglish.com/topturkish-court-state-advertising-body-violated-opposition-new spapers-rights-news-61122, Zugriff 25.8.2022 Duvar (16.6.2022): Turkey arrests 16 Kurdish journalists on ’terrorism charges’, https://www.duvarenglish.com/turkey-arrests-16-kurdish-journalists-on-terrorismcharges-news-6 0934, Zugriff 20.10.2022
Duvar (30.5.2022): Turkey’s media watchdog fines channels for airing main opposition leader’s claims on Erdoğan, https://www.duvarenglish.com/13-million-liras-spent-on-erdogans-security-d etail-a-day-news-60887, Zugriff 31.5.2022
Duvar (22.3.2021): Kurdish politician Demirtaş sentenced to over three years in prison for ’insulting’ Erdoğan, https://www.duvarenglish.com/kurdish-politician-selahattin-demirtas-sentenced-to-ove r-three-years-in-prison-for-insulting-erdogannews-56743, Zugriff 28.2.2022
Duvar (15.1.2021): Increasing number of Erdoğan ’insult’ cases quantifies crackdown on dissent, https://www.duvarenglish.com/increasing-number-of-erdogan-insult-cases-quantifies-crackdown -on-dissent-news-55873, Zugriff 28.2.2022
DW – Deutsche Welle (11.1.2023): Türkische Ärztepräsidentin wegen Terrorpropaganda verurteilt, https://www.dw.com/de/t%C3%BCrkische-%C3%A4rztepr%C3%A4sidentin-wegen-terrorpropaga nda-verurteilt/a-64353877, Zugriff 20.1.2023
DW – Deutsche Welle (14.10.2022): Türkisches Parlament erlässt Desinformationsgesetz, https: //www.dw.com/de/t%C3%BCrkischesparlament-erl%C3%A4sst-desinformationsgesetz/a-63437 936, Zugriff 19.10.2022
DW – Deutsche Welle (31.5.2022): European court condemns Turkey over Amnesty head’s detention, https://www.dw.com/en/european-court-condemns-turkey-over-amnesty-heads-detention /a-61987217, Zugriff 1.6.2022
DW – Deutsche Welle (11.3.2022): Türkische Journalistin wegen Beleidigung verurteilt, https: //www.dw.com/de/t%C3%BCrkischejournalistin-wegen-beleidigung-verurteilt/a-61100826, Zugriff 23.3.2022

DW – Deutsche Welle (4.5.2021): Medien in der Türkei: Einheit statt Vielfalt, https://www.dw.com /de/medien-in-der-t%C3%BCrkeieinheit-statt-vielfalt/a-57387362, Zugriff 28.2.2022
EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 20.10.2022
ECHR – European Court of Human Rights (1.2023): Violations by Article and by State, https://echr.coe.int/Documents/Stats_violation_2022_ENG.pdf, Zugriff 3.5.2023

ECHR – European Court of Human Rights (1.2022): Violations by Article and by State, https://echr.coe.int/Documents/Stats_violation_2021_ENG.pdf, Zugriff 28.6.2022
EFJ/ IPI/ ECPMF - European Federation of Journalists/ International Press Institute/ European Centre for Press and Media Freedom (9.2022): Monitoring Report - Mapping Media Freedom January - June 2022, https://www.rcmediafreedom.eu/content/download/6741/64136/version/1/fi le/MFRR-Monitoring-ReportJanuary-to-June-2022.pdf, Zugriff 20.10.2022
EI – Expression Interrupted (13.8.2022): Freedom of Expression and the Press in Turkey – 358, https://www.expressioninterrupted.com/freedom-of-expression-and-the-press-in-turkey-358/, Zugriff 25.8.2022
EP – Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 25.8.2022
EP – Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 28.2.2022 EP – European Parliament (21.1.2021): Human rights situation in Turkey, in particular the case of Selahattin Demirtaş and other prisoners of conscience [(2021/2506(RSP)], https://www.europarl.e uropa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0028_EN.pdf, Zugriff 28.2.2022
Evrensel (14.12.2022): Court sentences İstanbul Mayor Ekrem İmamoğlu to prison and imposed a political ban, https://www.evrensel.net/daily/477037/court-sentences-istanbul-mayor-ekrem-ima moglu-to-prison-and-imposed-a-political-ban, Zugriff 16.12.2022
FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (14.2.2023): Zeig keine frierenden Kinder!, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/buelent-mumay-ueber-erdogans-versagen-in-der-e rdbebenkatastrophe18678310.html, Zugriff 17.2.2023
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 3.5.2023
FH - Freedom House (18.10.2022): Freedom on the Net 2022 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2081839.html, Zugriff 16.2.2023
FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2068831.html, Zugriff am 24.8.2022
FH – Freedom House (21.9.2021): Freedom on the Net 2021 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2060889.html, Zugriff 2.3.2022
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Turkey, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2046544.html, Zugriff 1.6.2022
FNS – Friedrich Naumann Stiftung (25.11.2020): Das neue Gesetz über die Sozialen Medien – Die letzte Bastion freier Meinungsäußerung im Visier der Regierung, https://www.freiheit.org/soziale-medien-das-neue-gesetz-ueber-die-sozialen-medien-die-letzte-bastion-freier, Zugriff 28.2.2022 FR - Frankfurter Rundschau (27.10.2022): Erdogan lässt Ärztefunktionärin verhaften, https://www.fr.de/hintergrund/erdogan-laesst-aerztefunktionaerin-verhaften-91878733.html, Zugriff 31.10.2022
Guardian - The Guardian (13.10.2022): Turkey: new ‘disinformation’ law could jail journalists for three years, https://www.theguardian.com/world/2022/oct/13/turkey-new-disinformation-law-could -jail-journalists-for-3-years, Zugriff 19.10.2022 HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2085506.html, Zugriff 19.1.2023
HRW – Human Rights Watch (14.12.2022): Turkey: Court Convicts Istanbul Mayor Ekrem İmamoğlu, https://www.hrw.org/news/2022/12/14/turkey-court-convicts-istanbul-mayor-ekrem-imamoglu, Zugriff 16.12.2022
HRW – Human Rights Watch (14.10.2022):Turkey: Dangerous, Dystopian New Legal Amendments - New Censorship Threat with Elections Looming, https://www.hrw.org/news/2022/10/14/turkey-d angerous-dystopian-new-legal-amendments, Zugriff 19.10.2022
HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2066478.html, Zugriff 21.1.2022
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Turkey, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2022684.html, Zugriff 28.2.2022
IFÖD – Freedom of Expression Association/ İfade Özgürlüğü Derneği (10.2021): ENGELLİWEB 2020: Fahrenheit 5651 - The Scorching Effect Of Censorship, https://ifade.org.tr/reports/Engelli Web_2020_Eng.pdf, Zugriff 28.2.2022 Independent (13.12.2021): Turkey arrests YouTubers who talk to the public about financial woes, https://www.independent.co.uk/news/world/europe/turkey-arrests-youtube-journalists-economy-b 1975116.html, Zugriff 28.2.2022 IPI – International Press Institute (Hg.) (30.11.2020): Turkey’s Journalists on the Ropes: Joint International Press Freedom Mission to Turkey (October 6 – 9, 2020) – Mission Report, https: //freeturkeyjournalists.ipi.media/wpcontent/uploads/2020/11/20201125_Turkey_PF_Mission_Re port_ENG.pdf, Zugriff 28.2.2022I
LoC – Library of Congress (7.1.2022): Turkey: Constitutional Court Issues New Pilot Judgment on Online News Blocking, https://www.loc.gov/item/global-legal-monitor/2022-01-25/turkey-constitut ional-court-issues-new-pilot-judgment-on-online-newsblocking/, Zugriff 1.6.2021
MLSA - Media and Law Studies Association (3.5.2023): Imprisoned Journalists and Media Employees in Turkey, https://www.mlsaturkey.com/en/imprisoned-journalists-and-media-employees-i n-turkey/, Zugriff 3.5.2023
MLSA - Media and Law Studies Association (9.2.2023): Turkey: Journalists detained reporting on earthquake aftermath, https://www.mlsaturkey.com/en/turkey-journalists-detained-reporting-on-e arthquake-aftermath/, Zugriff 13.2.2023 NetBlocks (8.2.2023): Twitter restricted in Turkey in aftermath of earthquake, https://netblocks.org/ reports/twitter-restricted-inturkey-in-aftermath-of-earthquake-oy9LJ9B3, Zugriff 13.2.2023
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 3.10.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 3.5.2023
OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (10.10.2022): Türkiye should review the new draft disinformation bill to fully align with OSCE media freedom commitments, says OSCE Media Freedom Representative, https://www.osce.org/representativeon-freedom-of-media/528 420, Zugriff 19.10.2022
PACE – Parliamentary Assembly of the Council of Europe (22.4.2021): The functioning of democratic institutions in Turkey, Resolution 2376 (2021), https://pace.coe.int/files/29189/pdf, Zugriff 28.2.2022
POMED – Project on Middle East Democracy (17.4.2020): Turkey’s Crackdown Meets the Coronavirus Crisis, https://pomed.org/turkeys-crackdown-meets-the-coronavirus-crisis/, Zugriff 28.2.2022 Reuters (15.2.2023): Turkey arrests 78 over earthquake social media posts, https://www.reuters.com/world/middle-east/turkey-arrests-78-over-earthquake-social-media-posts-2023-02-15/, Zugriff 17.2.2023
Reuters [Spicer, Jonathan] (31.8.2022): Insiders reveal how Erdogan tamed Turkey’s newsrooms (special report), https://www.reuters.com/investigates/special-report/turkey-erdogan-media/, Zugriff 7.10.2022
RND - Redaktionsnetzwerk Deutschland (10.2.2023): 37 Festnahmen wegen Beiträgen in sozialen Medien nach Erdbeben in der Türkei, https://www.rnd.de/panorama/erdbeben-in-der-tuerkei-37-f estnahmen-wegen-beitraegen-in-sozialen-medien-4WFAUNRJ2XBSEFEQ6VPHKT5RWE.html, Zugriff 13.2.2023
RSF – Reporters without Borders (3.5.2023): The 2023 World Press Freedom Index - Türkiye, https://rsf.org/en/country-t%C3%BCrkiye, Zugriff 3.5.2023
RSF – Reporters without Borders (14.2.2023): RSF reports many press freedom violations since Türkiye’s earthquake, https://rsf.org/en/rsf-reports-many-press-freedom-violations-t%C3%BCrkiy e-s-earthquake, Zugriff 17.2.2023
RSF – Reporters without Borders (15.6.2021): Turkey using terrorism legislation to gag and jail journalists, https://www.ecoi.net/de/dokument/2053860.html, Zugriff 28.2.2022
RSF – Reporters without Borders (1.10.2020): Tighter control over social media, massive use of cyber-censorship, https://rsf.org/en/news/tighter-control-over-social-media-massive-use-cyber-c ensorship-0, Zugriff 28.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (3.1.2022): Press Freedom in Turkey: 2021 in Review, https://stockholmcf.org/press-freedom-inturkey-2021-in-review/, Zugriff 28.2.2022
SDZ – Süddeutsche Zeitung (21.2.2022): „Er war ein ausgesprochen mutiger Journalist“, https: //www.sueddeutsche.de/medien/journalistenmord-guengoer-arslan-izmit-akp-1.5533488, Zugriff 20.10.2022

Standard - Der Standard (11.1.2023): Ärztepräsidentin in der Türkei zu über zwei Jahren Haft verurteilt, https://www.derstandard.at/story/2000142474120/aerztepraesidentin-in-der-tuerkei-zu-ueber-zwei-jahren-haft-verurteilt, Zugriff 20.1.2023
TM –Turkish Minute (10.11.2022): 73 journalists appeared in court in 3rd quarter, 68 remain behind bars: report, https://www.turkishminute.com/2022/11/10/ppeared-in-court-in-3rd-quarter-68-remai n-behind-bars-report/, Zugriff 15.11.2022 TM – Turkish Minute (9.11.2022): Union chair arrested on Erdoğan insult charges after remarks on bread consumption, https://www.turkishminute.com/2022/11/09/arrested-on-erdogan-insult-charg es-after-remarks-on-bread-consumption/, Zugriff 15.11.2022
TM – Turkish Minute (15.3.2022): Turkish police investigated 106,000 social media accounts in 2021, https://www.turkishminute.com/2022/03/15/rkish-police-investigated-106000-social-media -accounts-in-2021/, Zugriff 23.3.2022
TM – Turkish Minute (8.4.2021): Top court annuls state of emergency decree that closed down media outlets, https://www.turkishminute.com/2021/04/08/top-court-annuls-state-of-emergency-d ecree-that-closed-down-media-outlet/, Zugriff 28.2.2022
TM – Turkish Minute (4.11.2020): Turkey fines social media giants for not complying with controversial law, https://www.turkishminute.com/2020/11/04/turkey-fines-social-media-giants-for-not-c omplying-with-controversial-law/, Zugriff 28.2.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/ 03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 3.5.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Turkey, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/TURKEY-2020-HUM AN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 28.2.2022
VOA - Voice of America (1.5.2023): Turkey Detains Two Kurdish Journalists Over Terror Allegations, https://www.voanews.com/a/turkeydetains-two-kurdish-journalists-over-terror-allegations/70742 26.html, Zugriff 3.5.2023
ZO - Zeit Online (14.10.2022): Türkei führt Haftstrafen für Verbreitung von „Falschnachrichten“ ein, https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-10/tuerkei-parlament-desinformation-gesetz-haftstrafen, Zugriff 19.10.2022
ZO – Zeit Online (23.6.2020): Türkisches Gericht bestätigt Urteil gegen Oppositionspolitikerin, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/canan-kaftancioglu-tuerkei-oppositionspolitikerin-chp -haststrafe-gericht-bestaetigung-urteil, Zugriff 19.12.2022

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Letzte Änderung: 23.06.2023

Die Verfassung enthält umfassende Garantien grundlegender Menschenrechte, einschließlich der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. In der Praxis sind diese Rechte jedoch stark beschränkt. Die Freiheit, auch ohne vorherige Genehmigung unbewaffnet und gewaltfrei Versammlungen abzuhalten, unterliegt Einschränkungen, soweit Interessen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die Vorbeugung von Straftaten bzw. die allgemeine Gesundheit oder Moral betroffen sind (AA 28.7.2022, S. 8; vgl. DFAT 10.9.2020, S. 16, 27). Restriktive und vage formulierte Gesetze erlauben es den Behörden, unverhältnismäßige Maßnahmen zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu verhängen und sogar die legitimeAusübung dieses Rechts durch einen Diskurs zu stigmatisieren, der Demonstranten immer wieder mit Extremismus und gewalttätigen Gruppen in Verbindung bringt (FIDH/OMCT/İHD 7.2020). Die Verfassung enthält umfassende Garantien grundlegender Menschenrechte, einschließlich der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. In der Praxis sind diese Rechte jedoch stark beschränkt. Die Freiheit, auch ohne vorherige Genehmigung unbewaffnet und gewaltfrei Versammlungen abzuhalten, unterliegt Einschränkungen, soweit Interessen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die Vorbeugung von Straftaten bzw. die allgemeine Gesundheit oder Moral betroffen sind (AA 28.7.2022, S. 8; vergleiche DFAT 10.9.2020, S. 16, 27). Restriktive und vage formulierte Gesetze erlauben es den Behörden, unverhältnismäßige Maßnahmen zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu verhängen und sogar die legitimeAusübung dieses Rechts durch einen Diskurs zu stigmatisieren, der Demonstranten immer wieder mit Extremismus und gewalttätigen Gruppen in Verbindung bringt (FIDH/OMCT/İHD 7.2020).

Im Bereich der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gab es weitere gravierende Rückschritte angesichts wiederholter Verbote, unverhältnismäßiger Eingriffe und übermäßiger Gewaltanwendung bei friedlichen Demonstrationen, Ermittlungen, Bußgelder und strafrechtlicher Verfolgung von Demonstranten unter dem Vorwurf terrorismusbezogener Aktivitäten (EC 12.10.2022, S. 7; vgl. EP 7.6.2022, S. 9, Pt. 12). Die Gesetzgebung und ihre Umsetzung stehen nicht im Einklang mit der türkischen Verfassung, den europäischen Standards und den internationalen Konventionen (EC 19.10.2021, S. 5). Infolgedessen haben viele Menschen in der Türkei Angst davor, den öffentlichen Raum für die Ausübung ihres Rechts auf friedliche Versammlung zu beanspruchen (FIDH/OMCT/İHD 7.2020). Beispielsweise wurden, laut einem Bericht der größten Oppositionspartei, der Republikanischen Volkspartei - CHP, alleine im April 2022 bei Polizeiinterventionen gegen 45 Demonstrationen 288 Personen festgenommen. Im selben Monat wurden in den kurdischdominierten Städten Mardin, Van und Hakkâri, im Südosten des Landes alle Demonstrationen verboten (Duvar 16.5.2022). Im Bereich der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gab es weitere gravierende Rückschritte angesichts wiederholter Verbote, unverhältnismäßiger Eingriffe und übermäßiger Gewaltanwendung bei friedlichen Demonstrationen, Ermittlungen, Bußgelder und strafrechtlicher Verfolgung von Demonstranten unter dem Vorwurf terrorismusbezogener Aktivitäten (EC 12.10.2022, S. 7; vergleiche EP 7.6.2022, S. 9, Pt. 12). Die Gesetzgebung und ihre Umsetzung stehen nicht im Einklang mit der türkischen Verfassung, den europäischen Standards und den internationalen Konventionen (EC 19.10.2021, S. 5). Infolgedessen haben viele Menschen in der Türkei Angst davor, den öffentlichen Raum für die Ausübung ihres Rechts auf friedliche Versammlung zu beanspruchen (FIDH/OMCT/İHD 7.2020). Beispielsweise wurden, laut einem Bericht der größten Oppositionspartei, der Republikanischen Volkspartei - CHP, alleine im April 2022 bei Polizeiinterventionen gegen 45 Demonstrationen 288 Personen festgenommen. Im selben Monat wurden in den kurdischdominierten Städten Mardin, Van und Hakkâri, im Südosten des Landes alle Demonstrationen verboten (Duvar 16.5.2022).

Polizeiliche Gewalt bei Versammlungen

Auch im Jahr 2022 setzten die Sicherheitskräfte Tränengas und andere gewaltsame Mittel ein, um Demonstranten bei den Aufmärschen zum 1. Mai, den LGBTIQ+-Paraden in Istanbul und Ankara, den Feierlichkeiten zum Frauentag, den Demonstrationen gegen geschlechtsspezifische Gewalt, den Protesten gegen Preiserhöhungen und die steigende Inflation sowie anderen Großveranstaltungen auseinanderzutreiben (FH 10.3.2023, E1; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 35f.). Auch im Jahr 2022 setzten die Sicherheitskräfte Tränengas und andere gewaltsame Mittel ein, um Demonstranten bei den Aufmärschen zum 1. Mai, den LGBTIQ+-Paraden in Istanbul und Ankara, den Feierlichkeiten zum Frauentag, den Demonstrationen gegen geschlechtsspezifische Gewalt, den Protesten gegen Preiserhöhungen und die steigende Inflation sowie anderen Großveranstaltungen auseinanderzutreiben (FH 10.3.2023, E1; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 35f.).

Einige konkrete Beispiele der letzten Monate: Die Polizei setzte in der ProvinzAdana im März 2022 Schlagstöcke, Plastikgeschosse und Pfefferspray ein, um die Mitglieder der regierungskritischen, religiösen Furkan-Stiftung von einer friedlichen Demonstration abzuhalten. Hunderte von Mitgliedern der Gruppe hatten sich versammelt, um eine Presseerklärung abzugeben und gegen die fortgesetzte Untersuchungshaft gegen acht Mitglieder zu protestieren (TM 21.3.2022; vgl. Ahval 21.3.2022). Die Türkische Rechtsanwaltskammer (TTB) sah das verfassungsmäßige Versammlungsrecht verletzt und kündigte rechtliche Schritte gegen die beteiligten Polizisten an (Ahval 21.3.2022). Bei Demonstrationen anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz (2022) vermeldeten pro-kurdische Medien, dass die Polizei in Diyarbakır über 650 Personen festgenommen hatte, darunter viele Kinder, wobei es zur Anwendung von Gewalt sowohl bei den Festnahmen als auch in Polizeigewahrsam kam (Medya News 22.3.2022; vgl. Rudaw 22.3.2022). Empfindlich reagieren die Behörden bei Demonstrationen für den sich seit 1999 in Isolation befindlichen Führer der PKK, Abdullah Öcalan. - So wurden Mitte Juni 2022 zahlreiche politische Aktivisten in Istanbul festgenommen, als die Polizei versuchte, einen Marsch zum westtürkischen Hafen Gemlik zu behindern, um gegen die strenge Isolierung Öcalans zu protestieren. Ersten Berichten zufolge wurden etwa 20 Personen festgenommen (Medya News 12.6.2022). Im selben Zusammenhang wurden am 16.6.2022 neun (gemäß einer zweiten Quelle zehn) Personen, darunter Mitglieder und Führungskräfte der HDP, bei Hausdurchsuchungen in Istanbul vorübergehend festgenommen (TİHV 20.6.2022; vgl. TM 16.6.2022). Und in Istanbul gingen Bereitschaftspolizisten mit Pfefferspray gegen Teilnehmerinnen einer Demonstration anlässlich des Internationalen Frauentages 2023 vor (Spiegel 8.3.2023). Versammlungsverbote durch die Gouverneure Seit 2015 gab es im Bereich der Versammlungsfreiheit Rückschritte, insbesondere durch die während des Ausnahmezustands erfolgte Ausweitung der Befugnisse der Gouverneure, öffentliche Versammlungen untersagen zu können. Der breite Ermessensspielraum der Gouverneure wird für weitere Einschränkungen genutzt, sodass mittlerweile auch friedliche Kundgebungen mit langer Tradition verboten werden. Zahlreiche Demonstrationen und Zusammenkünfte werden entweder mit einem Blanko-Bann von vornherein untersagt bzw. unter Anwendung von Polizeigewalt aufgelöst (ÖB 30.11.2022, S. 35; vgl. EC 19.10.2021, S. 16, 37, USDOS 20.3.2023, S. 51). Die Provinzbehörden verbieten regelmäßig Proteste und Versammlungen von regierungskritischen Gruppen (HRW 12.1.2023). Das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz erlaubt es der Verwaltung, Versammlungen und Demonstrationen auf der Grundlage von vagen, ermessensabhängigen und willkürlichen Kriterien zu verbieten (EC 12.10.2022, S. 39). Einige konkrete Beispiele der letzten Monate: Die Polizei setzte in der ProvinzAdana im März 2022 Schlagstöcke, Plastikgeschosse und Pfefferspray ein, um die Mitglieder der regierungskritischen, religiösen Furkan-Stiftung von einer friedlichen Demonstration abzuhalten. Hunderte von Mitgliedern der Gruppe hatten sich versammelt, um eine Presseerklärung abzugeben und gegen die fortgesetzte Untersuchungshaft gegen acht Mitglieder zu protestieren (TM 21.3.2022; vergleiche Ahval 21.3.2022). Die Türkische Rechtsanwaltskammer (TTB) sah das verfassungsmäßige Versammlungsrecht verletzt und kündigte rechtliche Schritte gegen die beteiligten Polizisten an (Ahval 21.3.2022). Bei Demonstrationen anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz (2022) vermeldeten pro-kurdische Medien, dass die Polizei in Diyarbakır über 650 Personen festgenommen hatte, darunter viele Kinder, wobei es zur Anwendung von Gewalt sowohl bei den Festnahmen als auch in Polizeigewahrsam kam (Medya News 22.3.2022; vergleiche Rudaw 22.3.2022). Empfindlich reagieren die Behörden bei Demonstrationen für den sich seit 1999 in Isolation befindlichen Führer der PKK, Abdullah Öcalan. - So wurden Mitte Juni 2022 zahlreiche politische Aktivisten in Istanbul festgenommen, als die Polizei versuchte, einen Marsch zum westtürkischen Hafen Gemlik zu behindern, um gegen die strenge Isolierung Öcalans zu protestieren. Ersten Berichten zufolge wurden etwa 20 Personen festgenommen (Medya News 12.6.2022). Im selben Zusammenhang wurden am 16.6.2022 neun (gemäß einer zweiten Quelle zehn) Personen, darunter Mitglieder und Führungskräfte der HDP, bei Hausdurchsuchungen in Istanbul vorübergehend festgenommen (TİHV 20.6.2022; vergleiche TM 16.6.2022). Und in Istanbul gingen Bereitschaftspolizisten mit Pfefferspray gegen Teilnehmerinnen einer Demonstration anlässlich des Internationalen Frauentages 2023 vor (Spiegel 8.3.2023). Versammlungsverbote durch die Gouverneure Seit 2015 gab es im Bereich der Versammlungsfreiheit Rückschritte, insbesondere durch die während des Ausnahmezustands erfolgte Ausweitung der Befugnisse der Gouverneure, öffentliche Versammlungen untersagen zu können. Der breite Ermessensspielraum der Gouverneure wird für weitere Einschränkungen genutzt, sodass mittlerweile auch friedliche Kundgebungen mit langer Tradition verboten werden. Zahlreiche Demonstrationen und Zusammenkünfte werden entweder mit einem Blanko-Bann von vornherein untersagt bzw. unter Anwendung von Polizeigewalt aufgelöst (ÖB 30.11.2022, S. 35; vergleiche EC 19.10.2021, S. 16, 37, USDOS 20.3.2023, S. 51). Die Provinzbehörden verbieten regelmäßig Proteste und Versammlungen von regierungskritischen Gruppen (HRW 12.1.2023). Das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz erlaubt es der Verwaltung, Versammlungen und Demonstrationen auf der Grundlage von vagen, ermessensabhängigen und willkürlichen Kriterien zu verbieten (EC 12.10.2022, S. 39).

Auch im Jahr 2022 haben die Gouverneure von Van, Tunceli (Dersim), Mus, Hakkâri und mehreren anderen Provinzen öffentliche Proteste, Demonstrationen, Versammlungen jeglicher Art und selbst die Verteilung von Broschüren verboten. Trotz des Endes des Ausnahmezustandes im Jahr 2018, gilt in den Provinzen Hakkâri, Van, Artvin und Eskişehir weiterhin ein generelles Versammlungsverbot, wobei die Verbote nicht nur öffentliche Versammlungen, Demonstrationen betreffen, sondern auch das Aufstellen von Ständen und die Abgabe von Presseerklärungen. In weiteren 14 Provinzen war die Abhaltung öffentlicher Versammlungen von der Genehmigung des Gouverneurs abhängig. Die Regierung verbietet weiterhin selektiv Demonstrationen, wenn sie regierungskritisch sind oder als politisch heikel gelten (USDOS 20.3.2023, S. 53f.)

In der Praxis werden bei regierungskritischen politischen Versammlungen regelmäßig dem Veranstaltungszweck zuwiderlaufende Auflagen bezüglich Ort und Zeit gemacht und zum Teil aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen Verbote ausgesprochen (AA 28.7.2022, S. 8). Während regierungsfreundliche Kundgebungen stattfinden dürfen, werden regierungskritische Versammlungen routinemäßig verboten (FH 10.3.2023, E1). Proteste oder Demonstrationen zu Menschenrechten, Umweltrechten sowie politischen und sozio-ökonomischen Rechten wurden in mehreren Provinzen bei den meisten Gelegenheiten verboten, auch Demonstrationen entlassener Beamter. Viele große Versammlungen wurden verboten, darunter die am Friedenstag in Istanbul, am Internationalen Frauentag und am „Tag des Gedenkens an den Völkermord an den Armeniern“, der seit 2010 erlaubt war (EC 12.10.2022, S. 39). Nach den vom Justizministerium veröffentlichten offiziellen Zahlen wurden 2020 Ermittlungen gegen 7.704 Personen (2020: 6.770) wegen Verstoßes gegen das Gesetz Nr. 2911 über Versammlungen und Kundgebungen eingeleitet, während gegen 3.575 (2020: 3.171) dieser Personen Strafanzeige erstattet wurde (İHD 6.11.2022, S. 28; İHD 4.10.2021, S. 28).

Das Sicherheitsgesetz vom 23.5.2015 klassifiziert Steinschleudern, Stahlkugeln und Feuerwerkskörper als Waffen und sieht eine Gefängnisstrafe von bis zu vier Jahren vor, so deren Besitz im Rahmen einer Demonstration nachgewiesen wird oder Demonstranten ihr Gesicht teilweise oder zur Gänze vermummen. Bis zu drei Jahre Haft drohen Demonstrationsteilnehmern für die Zurschaustellung von Emblemen, Abzeichen oder Uniformen illegaler Organisationen (HDN 27.3.2015). Teilweise oder gänzlich vermummte Teilnehmer von Demonstrationen, die in einen „Propagandamarsch“ für terroristische Organisationen münden, können mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden (Anadolu 27.3.2015). Das Gesetz erlaubt es der Polizei, nicht nur gefärbtes Wasser zur späteren Identifikation von Demonstranten anzuwenden, sondern auch Personen ohne Genehmigung eines Staatsanwalts in „Schutzhaft“ zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sie eine Bedrohung für sich selbst oder die öffentliche Ordnung darstellen (USDOS 20.3.2023, S. 51).

Am 30.4.2021 erließ das Innenministerium ein Verbot der Sprach- und Filmaufnahme von Polizeibeamten während Protesten und Demonstrationen. Verstöße gegen das Verbot sollten künftig strafrechtlich geahndet werden (BAMF 3.5.2021, S. 12; vgl. BI 30.4.2021). Allerdings entschied der Staatsrat [Verwaltungsgerichtshof] am 15.12.2021 infolge einer Klage der Media and Law Studies Association (MLSA), dass der Vollzug des Rundschreibens auszusetzen sei, weil dieses die Informations- und Pressefreiheit einschränke. Der Staatsrat wies in seinem Urteil darauf hin, dass Einschränkungen der Grundrechte nur in vom Gesetzgeber vorgesehenen Fällen verhängt werden können. Außerdem verstoße das Rundschreiben gegen Artikel 7 der türkischen Verfassung, nach dem jegliche Handlungen verboten sind, die keine Grundlage in der Verfassung haben, sowie gegen Artikel 13, der die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützt (FNS 1.2.2022; vgl. NLMFA 2.3.2022, S. 18). Im Mai 2022 wies die Verwaltungskammer des Staatsrates letztendlich den Einspruch des Innenministeriums und der Generaldirektion für Sicherheit gegen die Entscheidung des Staatsrates, den Vollzug des Rundschreibens auszusetzen, zurück (MLSA 10.5.2022). Am 30.4.2021 erließ das Innenministerium ein Verbot der Sprach- und Filmaufnahme von Polizeibeamten während Protesten und Demonstrationen. Verstöße gegen das Verbot sollten künftig strafrechtlich geahndet werden (BAMF 3.5.2021, S. 12; vergleiche BI 30.4.2021). Allerdings entschied der Staatsrat [Verwaltungsgerichtshof] am 15.12.2021 infolge einer Klage der Media and Law Studies Association (MLSA), dass der Vollzug des Rundschreibens auszusetzen sei, weil dieses die Informations- und Pressefreiheit einschränke. Der Staatsrat wies in seinem Urteil darauf hin, dass Einschränkungen der Grundrechte nur in vom Gesetzgeber vorgesehenen Fällen verhängt werden können. Außerdem verstoße das Rundschreiben gegen Artikel 7 der türkischen Verfassung, nach dem jegliche Handlungen verboten sind, die keine Grundlage in der Verfassung haben, sowie gegen Artikel 13, der die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützt (FNS 1.2.2022; vergleiche NLMFA 2.3.2022, S. 18). Im Mai 2022 wies die Verwaltungskammer des Staatsrates letztendlich den Einspruch des Innenministeriums und der Generaldirektion für Sicherheit gegen die Entscheidung des Staatsrates, den Vollzug des Rundschreibens auszusetzen, zurück (MLSA 10.5.2022).

Die extensive Auslegung des unklar formulierten Art. 220 des Strafgesetzbuches hinsichtlich krimineller Vereinigungen durch den Kassationsgerichtshof führte zur Kriminalisierung von Teilnehmern an Demonstrationen, bei denen auch PKK-Symbole gezeigt wurden bzw. zu denen durch die PKK aufgerufen wurde, unabhängig davon, ob dieser Aufruf bzw. die Nutzung dem Betroffenen bekannt war. Teilnehmer müssen, auch bei Demonstrationen im Ausland, mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen (AA 28.7.2022). Die extensive Auslegung des unklar formulierten Artikel 220, des Strafgesetzbuches hinsichtlich krimineller Vereinigungen durch den Kassationsgerichtshof führte zur Kriminalisierung von Teilnehmern an Demonstrationen, bei denen auch PKK-Symbole gezeigt wurden bzw. zu denen durch die PKK aufgerufen wurde, unabhängig davon, ob dieser Aufruf bzw. die Nutzung dem Betroffenen bekannt war. Teilnehmer müssen, auch bei Demonstrationen im Ausland, mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen (AA 28.7.2022).

Im September 2019 kam das Verfassungsgericht in seinem Urteil zur Demonstration am 1.5.2009 zu dem Schluss, dass die Versammlungsfreiheit der Demonstranten verletzt wurde. Dies war das erste innerstaatliche Urteil des Gerichtshofs zur willkürlichen Verhinderung der Gedenkfeiern zum 1. Mai (EC 6.10.2020, S. 37). In einem weiteren Fall urteile das Verfassungsgericht am 8.9.2021, dass das vom Gouverneursamt verhängte Verbot aller Proteste in der südöstlichen Stadt Kahramanmaraş das verfassungsmäßige Recht der Kläger auf Versammlung und Demonstration verletzt habe. Das Verfassungsgericht ordnete zudem eine Schadensersatzzahlung an jeden der vier Kläger an, welche eine Klage beim Verfassungsgericht einbrachten, nachdem andere Rechtsmittel nicht dazu geführt hatten, dass die Entscheidung des Gouverneursamtes von Kahramanmaraş, alle Proteste in der Stadt für einen Monat zu verbieten und anschließend viermal zu verlängern, aufgehoben wurde (BAMF 13.9.2021, S. 16f; vgl. TM 8.9.2021). Im September 2019 kam das Verfassungsgericht in seinem Urteil zur Demonstration am 1.5.2009 zu dem Schluss, dass die Versammlungsfreiheit der Demonstranten verletzt wurde. Dies war das erste innerstaatliche Urteil des Gerichtshofs zur willkürlichen Verhinderung der Gedenkfeiern zum 1. Mai (EC 6.10.2020, S. 37). In einem weiteren Fall urteile das Verfassungsgericht am 8.9.2021, dass das vom Gouverneursamt verhängte Verbot aller Proteste in der südöstlichen Stadt Kahramanmaraş das verfassungsmäßige Recht der Kläger auf Versammlung und Demonstration verletzt habe. Das Verfassungsgericht ordnete zudem eine Schadensersatzzahlung an jeden der vier Kläger an, welche eine Klage beim Verfassungsgericht einbrachten, nachdem andere Rechtsmittel nicht dazu geführt hatten, dass die Entscheidung des Gouverneursamtes von Kahramanmaraş, alle Proteste in der Stadt für einen Monat zu verbieten und anschließend viermal zu verlängern, aufgehoben wurde (BAMF 13.9.2021, S. 16f; vergleiche TM 8.9.2021).

Zum Thema Versammlungsfreiheit siehe auch die Kapitel: Folter und unmenschliche Behandlung, „Frauen“ sowie „Sexuelle Minderheiten“

Aktuelle Beispiele für Entscheidungen des Europäische Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und des türkischen Verfassungsgerichts

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied am 1.2.2022, dass die Türkei das Recht auf freie Meinungsäußerung von Abgeordneten der HDP verletzt hatte, indem sie deren parlamentarische Immunität vor Strafverfolgung aufgehoben hatte. Der Beschluss zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität von 40 Abgeordneten der HDP (im Mai 2016), darunter die ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, verstößt laut EGMR gegen die türkische Verfassung (BI 1.2.2022; vgl. Evrensel 2.2.2022). Schon zuvor verlangte das Ministerkomitee des Europarates im Dezember 2021 die unverzügliche Freilassung von Demirtaş (CoE-CM 2.12.2021). Nach 2021 forderte auch das Europäische Parlament (EP) im Juni 2022 neuerlich auf Basis des EGMR-Urteils das Fallenlassen aller Anklagepunkte und die sofortige Freilassung sowohl von Demirtaş als auch von Yüksekdağ sowie auch anderer HDP-Mitglieder, die sich seit November 2016 in Haft befinden (EP 7.6.2022, S. 16, Pt. 23, EP 19.5.2021, S. 13, Pt. 33). Zudem verurteilte das EP die Entscheidung des 46. Strafgerichtshofs erster Instanz in Istanbul, Selahattin Demirtaş zur maximalen Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren für die angebliche Beleidigung des Präsidenten zu bestrafen (EP 19.5.2021, S. 13, Pt. 33). Dieses Urteil wurde im Februar 2022 durch ein Gericht in Istanbul bekräftigt (Duvar 21.2.2022). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied am 1.2.2022, dass die Türkei das Recht auf freie Meinungsäußerung von Abgeordneten der HDP verletzt hatte, indem sie deren parlamentarische Immunität vor Strafverfolgung aufgehoben hatte. Der Beschluss zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität von 40 Abgeordneten der HDP (im Mai 2016), darunter die ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, verstößt laut EGMR gegen die türkische Verfassung (BI 1.2.2022; vergleiche Evrensel 2.2.2022). Schon zuvor verlangte das Ministerkomitee des Europarates im Dezember 2021 die unverzügliche Freilassung von Demirtaş (CoE-CM 2.12.2021). Nach 2021 forderte auch das Europäische Parlament (EP) im Juni 2022 neuerlich auf Basis des EGMR-Urteils das Fallenlassen aller Anklagepunkte und die sofortige Freilassung sowohl von Demirtaş als auch von Yüksekdağ sowie auch anderer HDP-Mitglieder, die sich seit November 2016 in Haft befinden (EP 7.6.2022, S. 16, Pt. 23, EP 19.5.2021, S. 13, Pt. 33). Zudem verurteilte das EP die Entscheidung des 46. Strafgerichtshofs erster Instanz in Istanbul, Selahattin Demirtaş zur maximalen Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren für die angebliche Beleidigung des Präsidenten zu bestrafen (EP 19.5.2021, S. 13, Pt. 33). Dieses Urteil wurde im Februar 2022 durch ein Gericht in Istanbul bekräftigt (Duvar 21.2.2022).

Am 14.9.2021 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei wegen der unrechtmäßigen Amtsenthebung und Inhaftierung des Bürgermeisters von Siirt, Tuncer Bakırhan, zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 10.000 EUR und einer Aufwandsentschädigung von 3.000 EUR. Das Gericht erklärte die Amtsenthebung und Verhaftung im November 2016 sei unverhältnismäßig gewesen und eine Verletzung seiner Freiheit (Art. 5 EMRK) und seines Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK). Bakırhan, ein Mitglied der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP), der Vorgängerin der HDP, wurde beschuldigt, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) anzugehören, und saß zwei Jahre und acht Monate in Untersuchungshaft. Im Oktober 2019 wurde er zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt (ECHR 14.9.2021; vgl. BAMF 20.9.2021, S. 14f.). Am 14.9.2021 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei wegen der unrechtmäßigen Amtsenthebung und Inhaftierung des Bürgermeisters von Siirt, Tuncer Bakırhan, zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 10.000 EUR und einer Aufwandsentschädigung von 3.000 EUR. Das Gericht erklärte die Amtsenthebung und Verhaftung im November 2016 sei unverhältnismäßig gewesen und eine Verletzung seiner Freiheit (Artikel 5, EMRK) und seines Rechts auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10, EMRK). Bakırhan, ein Mitglied der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP), der Vorgängerin der HDP, wurde beschuldigt, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) anzugehören, und saß zwei Jahre und acht Monate in Untersuchungshaft. Im Oktober 2019 wurde er zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt (ECHR 14.9.2021; vergleiche BAMF 20.9.2021, S. 14f.).

Am 22.3.2022 wies das Verfassungsgericht den Antrag der HDP-Abgeordneten Semra Güzel ab, die Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität wegen Terrorvorwürfen rückgängig zu machen. Güzel wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in zwei Fällen angeklagt, nachdem Fotos in den Medien erschienen waren, auf denen sie mit einem PKKMitglied mutmaßlich in einem Lager der Gruppe posierte (BAMF 28.3.2022, S. 9; vgl. Ahval 24.3.2022). Anfang September 2022 wurde Güzel laut Innenminister Soylu mit einem gefälschten Pass auf dem Weg nach Griechenland gemeinsam mit einem Schlepper verhaftet (Duvar 2.9.2022). Anfang Oktober 2022 forderte die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft für Güzel (HDN 1.10.2022). Der 75-jährige, ehemalige Abgeordnete der HDP, Halil Aksoy, wurde in einem Fall, in dem er vor 13 Jahren freigesprochen worden war, am 26.4.2022 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Entgegen dem damaligen Freispruch verurteilte dasselbe 11. Hohe Strafgericht Gericht in Istanbul Aksoy wegen Propaganda für eine terroristische Organisation. Das Gericht lehnte auch einen Aufschub seiner Strafe ab (Mezopotamya 27.4.2022). Entlassen hingegen wurde nach fünf Jahren Anfang Jänner 2022 der ehemalige HDPAbgeordnete Abdullah Zeydan, nachdem das Oberste Berufungsgericht die Haftstrafe von acht Jahren und 45 Tagen wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Verbreitung terroristischer Propaganda aufgehoben hatte (BAMF 10.1.2022, S. 15; vgl. Ahval 6.1.2022). Am 22.3.2022 wies das Verfassungsgericht den Antrag der HDP-Abgeordneten Semra Güzel ab, die Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität wegen Terrorvorwürfen rückgängig zu machen. Güzel wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in zwei Fällen angeklagt, nachdem Fotos in den Medien erschienen waren, auf denen sie mit einem PKKMitglied mutmaßlich in einem Lager der Gruppe posierte (BAMF 28.3.2022, S. 9; vergleiche Ahval 24.3.2022). Anfang September 2022 wurde Güzel laut Innenminister Soylu mit einem gefälschten Pass auf dem Weg nach Griechenland gemeinsam mit einem Schlepper verhaftet (Duvar 2.9.2022). Anfang Oktober 2022 forderte die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft für Güzel (HDN 1.10.2022). Der 75-jährige, ehemalige Abgeordnete der HDP, Halil Aksoy, wurde in einem Fall, in dem er vor 13 Jahren freigesprochen worden war, am 26.4.2022 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Entgegen dem damaligen Freispruch verurteilte dasselbe 11. Hohe Strafgericht Gericht in Istanbul Aksoy wegen Propaganda für eine terroristische Organisation. Das Gericht lehnte auch einen Aufschub seiner Strafe ab (Mezopotamya 27.4.2022). Entlassen hingegen wurde nach fünf Jahren Anfang Jänner 2022 der ehemalige HDPAbgeordnete Abdullah Zeydan, nachdem das Oberste Berufungsgericht die Haftstrafe von acht Jahren und 45 Tagen wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Verbreitung terroristischer Propaganda aufgehoben hatte (BAMF 10.1.2022, S. 15; vergleiche Ahval 6.1.2022).

Der EGMR entschied am 8.11.2022, dass die Türkei die Rechte von 13 ehemaligen Abgeordneten der HDP verletzt hatte, indem sie 2016, bzw. in einem Fall 2017, wegen Verbindungen zur verbotenen PKK in Untersuchungshaft genommen wurden, um den Pluralismus zu unterdrücken und die Freiheit der politischen Debatte einzuschränken. Der EGMR entschied, dass die Untersuchungshaft der Antragsteller willkürlich und mit dem innerstaatlichen Recht unvereinbar sei, da die Betroffenen Anspruch auf parlamentarische Immunität hätten. Das Straßburger Gericht entschied auch, dass es keine Beweise gab, die den Verdacht begründeten, dass sie eine Straftat begangen hatten, die ihre Inhaftierung rechtfertigte. Der EGMR ordnete die Freilassung jener zwei noch in Haft Verbliebenen, nämlich von İdris Baluken und Figen Yüksekdağ, der ehemaligen KoVorsitzenden der HDP, an (SCF 9.11.2022; vgl. Bianet 8.11.2022, ECHR 8.11.2022). Der EGMR entschied am 8.11.2022, dass die Türkei die Rechte von 13 ehemaligen Abgeordneten der HDP verletzt hatte, indem sie 2016, bzw. in einem Fall 2017, wegen Verbindungen zur verbotenen PKK in Untersuchungshaft genommen wurden, um den Pluralismus zu unterdrücken und die Freiheit der politischen Debatte einzuschränken. Der EGMR entschied, dass die Untersuchungshaft der Antragsteller willkürlich und mit dem innerstaatlichen Recht unvereinbar sei, da die Betroffenen Anspruch auf parlamentarische Immunität hätten. Das Straßburger Gericht entschied auch, dass es keine Beweise gab, die den Verdacht begründeten, dass sie eine Straftat begangen hatten, die ihre Inhaftierung rechtfertigte. Der EGMR ordnete die Freilassung jener zwei noch in Haft Verbliebenen, nämlich von İdris Baluken und Figen Yüksekdağ, der ehemaligen KoVorsitzenden der HDP, an (SCF 9.11.2022; vergleiche Bianet 8.11.2022, ECHR 8.11.2022).

Siehe auch das Kapitel: Terroristische Gruppierungen: PKK – Partiya Karkerên Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans)

Auswirkungen des Erdbebens vom Februar 2023

Angesichts der Folgen des Erdbebens im Februar 2023 wurden von der Opposition entsandte Busse mit Hilfslieferungen gestoppt und erst in die Städte gelassen, nachdem sie mit Plakaten der staatlichen Präfekturen überklebt (FAZ 14.2.2023) oder deren LKWs mit Bannern der türkischen Katastrophenschutzbehörde AFAD versehen worden waren (DW 17.2.2023). Die Opposition wurde diffamiert und an der Arbeit gehindert. So wurde etwa die Krisenzentrale der HDP im Epizentrum unter Zwangsverwaltung gestellt (DW 17.2.2023). Der zuständige Bezirksgouverneur von Pazarcık, Mustafa Hamit Kıyıcı, beschlagnahmte zusammen mit der Gendarmerie das HDP-Verteilungszentrum für Hilfsgüter mit dem Argument, wonach die staatliche Autorität gelten müsse (Duvar 16.2.2023), und die Verteilung durch die staatliche AFAD zu erfolgen habe (TM 16.2.2023).

Laut der Ko-Vorsitzenden der HDP, Pervin Buldan, wurde Volontären überdies mit der Verhaftung gedroht (Duvar 16.2.2023).

Quellen:
247NewsBulletin (16.2.2022): New development in the HDP closure case: additional delay from AYM, https://247newsbulletin.com/politics/123510.html, Zugriff 18.2.2022
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 26.8.2022
AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (14.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, https://www.ecoi.net/en/file/local/2011504/Ausw%C3%A4rtiges_Am t%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T %C3%Bcrkei_%28Stand_Mai_2019%29%2C_14.06.2019.pdf, Zugriff 2.3.2022
Ahval (17.10.2022): Jailed Kurdish politician sentenced to 11 more years on terror charges, https: //ahvalnews.com/leyla-guven/jailed-kurdish-politician-sentenced-11-more-years-terror-charges, Zugriff 8.11.2022 Ahval (10.10.2022): Turkish governor’s office says Kurdish MP injured by police staged attack, https: //ahvalnews.com/hdp/turkish-governors-office-says-kurdish-mp-injured-police-staged-attack, Zugriff 8.11.2022
Ahval (16.6.2022): 10 pro-Kurdish HDP officials, members detained in Istanbul raids, https://ahva lnews.com/hdp/10-pro-kurdish-hdpofficials-members-detained-istanbul-raids, Zugriff 29.6.2022
Ahval (12.5.2022): Top Turkish court upholds jail term for opposition Istanbul chairwoman, https: //ahvalnews.com/canankaftancioglu/top-turkish-court-upholds-jail-term-opposition-istanbul-chair woman, Zugriff 20.5.2022
Ahval (6.1.2022): Former HDP MP released after 5 years in jail, https://ahvalnews.com/kurdish-p oliticians/turkish-court-orders-releasekurdish-former-deputy, Zugriff 9.5.2022

Ahval (24.3.2022): Turkey issues arrest warrant for pro-Kurdish HDP deputy Semra Güzel, https: //ahvalnews.com/hdp/turkey-issuesarrest-warrant-pro-kurdish-hdp-deputy-semra-guzel, Zugriff 29.3.2022

Ahval (6.11.2021): Erdoğan vows to save Turkey from ’PKK puppet’ pro-Kurdish HDP, https://ahva lnews.com/hdp/erdogan-vows-saveturkey-pkk-puppet-pro-kurdish-hdp, Zugriff 2.3.2022
Ahval (22.2.2021): Turkey sentences dismissed Kurdish mayor to prison over terror links, https: //ahvalnews.com/hdp/turkeysentences-dismissed-kurdish-mayor-prison-over-terror-links, Zugriff 2.3.2022
AI – Amnesty International (7.4.2021): Türkei 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048610.h tml, Zugriff 2.3.2022 AM - Al Monitor (17.6.2021):Gunman kills woman volunteering for Turkey’s pro-Kurdish party, https://www.almonitor.com/originals/2021/06/gunman-kills-woman-volunteering-turkeys-pro-kur dish-party, Zugriff 2.3.2022
AM – Al Monitor (9.4.2021): Will Turkey’s third largest party survive closure case? https://www. al-monitor.com/originals/2021/04/willturkeys-third-largest-party-survive-closure-case, Zugriff 2.3.2022
AM – Al Monitor (14.7.2020): Another pro-Kurdish mayor replaced as detentions continue in southeast Turkey, https://www.almonitor.com/pulse/originals/2020/07/hdp-mayor-replace-turkey-sou theast.html, Zugriff 2.3.2022
AM – Al Monitor (21.1.2020): Turkey attacks Kurdish protesters as world shrugs, https://www.al-m onitor.com/pulse/originals/2019/08/protests-turkey-kurdish-mayors-police-brutality.html, Zugriff 2.3.2022
ARD-aktuell / tagesschau.de (15.12.2022): Massenproteste gegen Verurteilung Imamoglus, https: //www.tagesschau.de/ausland/proteste-buergermeister-istanbul-103.html, Zugriff 16.12.2022
AsiaNews (15.7.2021): Second opposition Kurdish HDP office targeted, http://www.asianews.it/ne ws-en/Second-opposition-KurdishHDP-office-targeted-53646.html, Zugriff 2.3.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (16.5.2022): Briefing Notes, Urteil im Fall der CHP-Politikerin Kaftancioglu/ DEVA-Politiker Gürcan erneut verhaftet, KW 20, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw2 0-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 20.5.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.1.2022): Briefing Notes, Verfahren zur Aufhebung der Immunität von Abgeordneten, KW 2, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw02-2022.pdf?__blob=publica tionFile&v=2, Zugriff 9.5.2022 BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (28.3.2022): Briefing Notes, Urteil des Verfassungsgerichtshofs im Fall der Abgeordneten Semra Güze, KW 13, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw13-2022. pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 29.3.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.9.2021): Briefing Notes, KW 38, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingno tes-kw382021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 2.3.2022
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.3.2021): Briefing Notes KW 12, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2 021/briefingnotes-kw122021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 2.3.2022
BI - Balkan Insight (12.4.2022): Kurdish Politicians among Dozens Sought by Turkey over 2014 Protests, https://balkaninsight.com/2022/04/12/kurdish-politicians-among-dozens-sought-by-tur key-over-2014-protests/, Zugriff 15.4.2022

BI -Balkan Insight (1.2.2022): Turkey Violated Pro-Kurdish MPs’ Rights, European Court Rules, https://balkaninsight.com/2022/02/01/turkey-violated-pro-kurdish-mps-rights-european-court-rules/, Zugriff 18.2.2022
Bianet (8.11.2022): ECtHR: Arrest of 13 HDP deputies was ’politically motivated’, https://bianet .org/english/politics/269659-ecthrarrest-of-13-hdp-deputies-was-politically-motivated, Zugriff 11.11.2022
Bianet (18.10.2022): Former HDP deputy Gülser Yıldırım released four months after completing sentence,https://bianet.org/english/politics/268663-former-hdp-deputy-gulser-yildirim-released-f our-months-aftercompleting-sentence, Zugriff 28.10.2022

Bianet (28.2.2022): Kobanî trial ‘Forensic medical report on Aysel Tuğluk not signed by a neurologist’, https://m.bianet.org/english/law/258393-kobani-trial-forensic-medical-report-on-aysel-tuglu k-not-signed-by-a-neurologist, Zugriff 2.3.2022

Bianet (17.2.2022): Armed attack on HDP Yüreğir office in Adana, https://bianet.org/english/politic s/257859-armed-attack-on-hdpyuregir-office-in-adana, Zugriff 18.2.2022
Bianet (28.12.2021): Attack on HDP office in İstanbul leaves two injured, https://bianet.org/english /human-rights/255441-attack-onhdp-office-in-istanbul-leaves-two-injured, Zugriff 18.2.2022
Bianet (30.9.2021): Dismissed and arrested, Diyarbakır Co-Mayor Mızraklı acquitted of ‘terror propaganda’, https://m.Bianet.org/english/law/251077-dismissed-and-arrested-diyarbakir-co-may or-mizrakli-acquitted-of-terrorpropaganda, Zugriff 2.3.2022
Bianet (14.7.2021): Second armed attack on HDP in a month, https://Bianet.org/5/94/247237-sec ond-armed-attack-on-hdp-in-a-month, Zugriff 29.7.2021
Bianet (2.10.2020): Co-Mayor Ayhan Bilgen arrested, trustee appointed to Kars Municipality, https: //Bianet.org/english/politics/231997-co-mayor-ayhan-bilgen-arrested-trustee-appointed-to-kars-m unicipality, Zugriff 2.3.2022 Bianet (9.3.2020): Ousted Diyarbakır Mayor Selçuk Mızraklı Handed Prison Sentence on ’Terrorism’ Charges, https://Bianet.org/english/politics/221145-ousted-diyarbakir-mayor-selcuk-mizrakli-han ded-prison-sentence-on-terrorismcharges, Zugriff 2.3.2022
CoE-CM - Council of Europe - Committee of Ministers (2.12.2021): Interim Resolution CM/ResDH(2021)428 Selahattin Demirtaş v. Turkey (No. 2) Execution of the judgment of the European Court of Human Rights, https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectID=0900001680a4b407, Zugriff 2.3.2022
CoE – Council of Europe – Venice Commission [Press Release] (19.6.2020): Venice Commission calls on government to repeal decisions that have undermined democratic self-government in South-East Turkey, https://rm.coe.int/09000016809ec13e, Zugriff 2.3.2022
DS – Daily Sabah (3.4.2023): HDP trained prospective PKK terrorists in Türkiye: Confession, https://www.dailysabah.com/politics/war-on-terror/hdp-trained-prospective-pkk-terrorists-in-turki ye-confession, Zugriff 24.5.2023
DS – Daily Sabah (31.3.2023): HDP sticks to pro-PKK stance under new name for Turkish vote, https://www.dailysabah.com/politics/elections/hdp-sticks-to-pro-pkk-stance-under-new-name-for -turkish-vote, Zugriff 24.5.2023
DS – Daily Sabah (18.3.2021): Prosecutor’s indictment notes no difference between HDP, PKK, https://www.dailysabah.com/politics/legislation/prosecutors-indictment-notes-no-difference-betwe en-hdp-pkk, Zugriff 2.3.2022
DS – Daily Sabah (30.12.2019): HDP uses offices as recruitment centers for PKK terrorists, Soylu says, https://www.dailysabah.com/war-on-terror/2019/12/30/hdp-uses-offices-as-recruitment-centers-for-pkk-terrorists-soylu-says, Zugriff 2.3.2022
DTJ - Deutsch Türkisches Journal (6.1.2023): Türkei im Wahljahr: HDP-Konten gesperrt – Verbot nur noch Frage der Zeit?, https://dtj-online.de/tuerkei-im-wahljahr-hdp-konten-gesperrt-verbot-nur-noch-frage-der-zeit/, Zugriff 20.1.2023
Duvar (26.4.2023): Turkish court acquits CHP Istanbul chair sued for calling Erdoğan ’dictator’, https://www.duvarenglish.com/aidpackages-of-state-run-afad-spotted-at-family-minister-yanik s-election-bus-news-62283 Duvar (5.4.2023): Former HDP MP İdris Baluken released from jail seven years later, https://www. duvarenglish.com/kilicdarogluimamoglu-hold-joint-rally-if-you-are-looking-for-real-vein-of-natio nalism-that-is-us-news-62157, Zugriff 25.5.2023
Duvar (11.3.2023): Turkish far-right MHP leader Bahçeli deems Constitutional Court ’backyard of terrorist organization’, https://www.duvarenglish.com/turkish-far-right-mhp-leader-bahceli-deems -constitutional-court-backyard-of-terrorist-organization-news-62006, Zugriff 20.3.2023
Duvar (16.2.2023): Turkish governor’s office takes over HDP quake aid center’s operations, https: //www.duvarenglish.com/turkishgovernors-office-takes-over-hdp-quake-aid-centers-operation s-news-61855, Zugriff 17.2.2023
Duvar (20.1.2023):Turkish prosecutor demands jail term, political ban for opposition politician over Erdoğan tweet, https://www.duvarenglish.com/turkish-prosecutor-demands-jail-term-political -ban-for-main-opposition-chp-politician-eren-erdem-over-erdogan-tweet-news-61714, Zugriff 23.1.2023

Duvar (25.12.2022): Interior Ministry files criminal complaint against Istanbul Municipality after ’terror’ investigation, https://www.duvarenglish.com/interior-ministry-files-criminal-complaint-again st-istanbul-municipality-afterterror-investigation-news-61645, Zugriff 20.1.2023

Duvar (8.12.2022): HDP politicians indicted over Armenian Genocide remark: ‘Against national interests’, https://www.duvarenglish.com/hdp-politicians-indicted-over-armenian-genocide-remar k-against-national-interests-news61607, Zugriff 19.12.2022

Duvar (15.12.2022): Thousands protest Istanbul Mayor İmamoğlu’s conviction in front of municipality building, https://www.duvarenglish.com/thousands-protest-istanbul-mayor-imamoglus-convict ion-in-front-of-municipality-building-news61620, Zugriff 16.12.2022

Duvar (7.11.2022): Summary of proceedings launched against CHP MP for ‘chemical weapon’ remark, https://www.duvarenglish.com/summary-of-proceedings-launched-against-chp-mp-for-c hemical-weapon-remark-news-61510, Zugriff 17.11.2022

Duvar (10.10.2022): Turkish governor’s office defends police violence against HDP MP: ‘Proportional force’, https://www.duvarenglish.com/turkish-governors-office-defends-police-violence-again st-hdp-mp-proportional-force-news61409, 8.11.2022
Duvar (2.9.2022): Turkish police detain HDP MP Semra Güzel, https://www.duvarenglish.com/tur kish-police-detain-hdp-mp-semraguzel-news-61209, Zugriff 8.11.2022
Duvar (3.6.2022): HDP provincial heads detained as part of new operation targeting party, https://www.duvarenglish.com/hdp-provincial-heads-detained-as-part-of-new-operation-targeting-party -news-60897, Zugriff 29.6.2022 Duvar (21.2.2022): Turkish court upholds jail sentence against Demirtaş for ‘insulting’ Erdoğan, https://www.duvarenglish.com/turkish-court-upholds-jail-sentence-against-demirtas-for-insulting -erdogan-news-60425, Zugriff 2.3.2022
Duvar (17.2.2022): Armed attack carried out on HDP district office in southern Adana, https://www. duvarenglish.com/armedattack-carried-out-on-hdp-district-office-in-southern-adana-news-603 99, Zugriff 18.2.2022
Duvar (4.1.2022): Turkish gov’t seeks to strip 28 opposition MPs, including HDP co-chair, of parliamentary immunity, https://www.duvarenglish.com/turkish-govt-seeks-to-strip-28-opposition-mps-i ncluding-hdp-co-chair-pervin-buldan-of-parliamentaryimmunity-news-60055, Zugriff 18.2.2022
Duvar (21.6.2021): Turkish court accepts indictment seeking ban of pro-Kurdish HDP, https://www. duvarenglish.com/turkish-mafiaboss-says-he-was-warned-by-uae-not-to-share-videos-due-to-s ecurity-risks-news-57874, Zugriff 2.3.2022
Duvar (7.6.2021): Turkey’s top prosecutor resubmits indictment for HDP’s closure, https://www. duvarenglish.com/turkeystop-prosecutor-resubmits-indictment-for-hdps-closure-news-57746, Zugriff 2.3.2022
Duvar (18.3.2021): Turkish prosecutor seeks political ban on 687 pro-Kurdish politicians, https: //www.duvarenglish.com/turkish-prosecutor-seeks-political-ban-on-687-pro-kurdish-politicians-n ews-56691, Zugriff 2.3.2022 Duvar (15.2.2021): Turkey announces sweeping roundup of 718 people, including HDP officials, after Iraq killings, https://www.duvarenglish.com/turkey-announces-sweeping-roundup-of-718-p eople-including-hdp-officials-after-iraqkillings-news-56261, Zugriff 2.3.2022
Duvar (7.1.2021):Turkish court accepts indictment against 108 people, including Demirtaş and Yüksekdağ, over Kobane protests, https://www.duvarenglish.com/turkish-court-accepts-indictmen t-against-108-people-including-former-hdp-cochairs-demirtas-and-yuksekdag-over-kobane-pro tests-news-55777, Zugriff 2.3.2022
Duvar (14.12.2020): Prosecutors ask up to 10 years in jail for main opposition Istanbul chair after Erdoğan aide’s complaint, https://www.duvarenglish.com/turkish-prosecutors-ask-up-to-10-years-in-jail-for-main-opposition-istanbul-chair-kaftancioglu-in-spat-over-erdogan-aide-fahrettin-altun s-illegal-construction-news-55468, 2.3.2022
Duvar (19.5.2020): EU’s top diplomat criticizes Ankara for undermining local democracy after dismissal of more HDP mayors, https://www.duvarenglish.com/politics/2020/05/19/eus-top-diplo mat-criticizes-ankara-for-undermining-local-democracyafter-dismissal-of-more-hdp-mayors/, Zugriff 2.3.2022
DW – Deutsche Welle (25.4.2023): 110 Festnahmen wegen angeblicher PKK-Kontakte in der Türkei, https://www.dw.com/de/110festnahmen-wegen-angeblicher-pkk-kontakte-in-der-t%C3% BCrkei/a-65425573, Zugriff 26.4.2023

DW – Deutsche Welle (17.2.2023): Erdbeben in der Türkei: Verschiebt Erdogan die Wahlen?, https: //www.dw.com/de/erdbeben-in-der-t%C3%BCrkei-verschiebt-erdogan-die-wahlen/a-64728183, Zugriff 17.2.2023

DW – Deutsche Welle (6.1.2023): Türkei: Kein Geld mehr für Kurdenpartei HDP, https://www.dw .com/de/t%C3%BCrkei-kein-geld-mehr-f%C3%BCr-kurdenpartei-hdp/a-64298462, Zugriff 20.1.2023

DW – Deutsche Welle (20.3.2021): Gastkommentar: Erdogan will Millionen Kurden die Stimme nehmen, https://www.dw.com/de/gastkommentar-erdogan-will-millionen-kurden-die-stimme-neh men/a-56934013, Zugriff 2.3.2022 DW – Deutsche Welle (15.2.2021): Türkei nimmt Hunderte wegen angeblicher PKK-Kontakte fest, https://www.dw.com/de/t%C3%BCrkei-nimmt-hunderte-wegen-angeblicher-pkk-kontakte-fest/a-5 6575099, Zugriff 2.3.2022 DW – Deutsche Welle (20.8.2019): Türkei unterbindet Proteste gegen Bürgermeister-Entlassung, https://www.dw.com/de/t%C3%Bcrkei-unterbindet-proteste-gegen-b%C3%Bcrgermeister-entlass ung/a-50102492, Zugriff 2.3.2022 EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 28.10.2022
ECHR – European Court of Human Rights/ Cour Européenne des Droits de L’Homme (8.11.2022): DEUXIÈME SECTION, AFFAIRE YÜKSEKDAĞ ŞENOĞLU ET AUTRES c. TÜRKİYE (Requête no 14332/17 et 12 autres requêtes – voir liste en annexe) - ARRÊT, https://hudoc.echr.coe.int/eng #\{%22itemid%22:[%22001-220958%22]\}, Zugriff 6.2.2023
ECHR – European Court of Human Rights (14.9.2021): Pre-trial detention of the mayor of a city in south-east Turkey was unjustified and breached his right to freedom of expression ]ECHR 270 (2021)], https://hudoc.echr.coe.int/app/conversion/pdf/?library=ECHR&id=003-7116033-9638381 &filename=Judgment%20Tuncer%20Bakirhan%20v.%20Turkey%20-%20%20pre-trial%20detenti on%20of%20mayor%20of%20a%20city%20in%20south-east%20Turkey%20on%20account%20 of%20his%20activities%20and%20statements.pdf, Zugriff 2.3.2022
EP - Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.europarl .europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 29.6.2022
EP - Europäisches Parlament (8.7.2021): Unterdrückung der Opposition in der Türkei, insbesondere der HDP [PE695.990] - Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2021 zur Unterdrückung der Opposition in der Türkei, insbesondere der Demokratischen Partei der Völker (HDP) (2021/2788(RSP)), https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0360_DE.html, Zugriff 20.4.2022
EP - Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 2.3.2022

EU – European Union/ External Action Service (18.3.2021): Turkey: Joint Statement by High Representative/Vice-President Josep Borrell and Neighbourhood and Enlargement Commissioner Olivér Várhelyi on latest actions regarding the Peoples’ Democratic Party (HDP), https://eeas.eur opa.eu/topics/migration/95243/turkey-joint-statement-high-representativevice-president-josep-b orrell-andneighbourhood-and_en, Zugriff 2.3.2022
EU - European Union/ External Action Service (23.2.2021): Turkey - Statement by the Spokesperson on the ongoing actions against the members of the People’s Democratic Party (HDP), https: //eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/93671/turkey-statement-spokesperso n-ongoing-actions-against-members-peoples-democratic-party-hdp_en, Zugriff 2.3.2022 Evrensel (14.12.2022): Court sentences İstanbul Mayor Ekrem İmamoğlu to prison and imposed a political ban, https://www.evrensel.net/daily/477037/court-sentences-istanbul-mayor-ekrem-ima moglu-to-prison-and-imposed-a-political-ban, Zugriff 16.12.2022
Evrensel (2.2.2022): ECHR has ruled that Turkey violated 40 HDP MPs’ rights by lifting of their immunity, https://www.evrensel.net/daily/454074/echr-has-ruled-that-turkey-violated-40-hdp-mps -rights-by-lifting-of-their-immunity, Zugriff 18.2.2022
FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (25.4.2023): Mehr als 100 Festnahmen in der Türkei, https: //www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tuerkei-mehr-als-100-festnahmen-drei-wochen-vor-den-wah len-18846753.html, Zugriff 25.5.2023

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (14.2.2023): Zeig keine frierenden Kinder!, https://www.faz. net/aktuell/feuilleton/debatten/buelent-mumay-ueber-erdogans-versagen-in-der-erdbebenkatastr ophe-18678310.html, Zugriff 17.2.2023

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (1.6.2022): Türkische Oppositionspolitikerin wieder frei, https: //www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tuerkei-oppositionspolitikerin-kaftancioglu-wieder-frei-18072 503.html, Zugriff 3.6.2022

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (8.6.2021): Neuer Verbotsantrag gegen prokurdische HDP, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tuerkei-neuer-verbotsantrag-gegen-prokurdische-hdp-1 7378457.html, Zugriff 2.3.2022

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.9.2020): Türkische Justiz geht gegen prokurdische HDP vor, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tuerkei-neue-repressionen-gegen-kurdische-politik er-16974129.html, Zugriff 2.3.2022
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 24.5.2023
FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Turkey, https://www.ecoi.net/en/ document/2043511.html, Zugriff 2.3.2022
FR – Frankfurter Rundschau (21.8.2019): Erdogan nimmt Rache an kurdischen Bürgermeistern, https://www.fr.de/politik/racheerdogans-12927195.html, Zugriff 2.3.2022
HDN – Hürriyet Daily News (26.1.2023): Top court rejects HDP’s demand to postpone closure case, https://www.hurriyetdailynews.com/top-court-rejects-hdps-demand-to-postpone-closure-case-1 80422, Zugriff 26.1.2023 c Prosecutors seek up to 15 years for HDP deputy, https://www.hurriyetdailynews.com/prosecutor s-seek-up-to-15-years-for-hdpdeputy-177345, Zugriff 8.11.2022
HDN – Hürriyet Daily News (4.1.2022): Summary proceedings for 28 MPs submitted to parliament, https://www.hurriyetdailynews.com/summary-proceedings-for-28-mps-submitted-to-parliament-1 70549, Zugriff 18.2.2022
HDN - Hürriyet Daily News (10.6.2021): Prosecutor demands 451 HDP members to be banned from politics, https://www.hurriyetdailynews.com/prosecutor-demands-451-hdp-members-to-be-b anned-from-politics-165436, Zugriff 2.3.2022
HDP - People’s Democratic Party (5.5.2023): Özdoğan: İktidarın şiddet bilançosu: Son 1 ayda 295 gözaltı ve 61 tutuklama [Özdogan Die Bilanz der Gewalt der Regierung: 295 Verhaftungen und 61 Festnahmen in den letzten 1 Monat], https://hdp.org.tr/tr/ozdoganiktidarin-siddet-bilancosu-son-1 -ayda-295-gozalti-ve-61-tutuklama/17359/, Zugriff 15.5.2023 [Übersetzung mittels DeepL Pro] HDP - People’s Democratic Party (25.4.2023): A new stage in Erdogan’s election labyrinth: At least 110 journalists, politicians, artists, lawyers detained, https://hdpeurope.eu/2023/04/a-new-stage-i n-erdogans-election-labyrinth-at-least-110-journalists-politiciansartists-lawyers-detained/, Zugriff 26.4.2023
HDP - People’s Democratic Party (28.12.2022): Keskin Bayındır, Co-Chair of Democratic Regions Party, arrested in government’s latest crackdown, https://hdp.org.tr/en/keskin-bayindir-co-chair-o f-democratic-regions-party-arrested-in-government-s-latestcrackdown/17014/, Zugriff 31.1.2023
HDP - Halklarin Demokratik Partisi (10.12.2022): Eren: 2015’ten beri partimize yönelik saldırılarda 16 bin kişi gözaltına alındı, 5 bin arkadaşımız tutuklandı [Eren: 2015’ten beri partimize yönelik saldırılarda 16 bin kişi gözaltına alındı, 5 bin arkadaşımız tutuklandı], https://hdp.org.tr/tr/eren-201 5ten-beri-partimize-yonelik-saldirilarda-16-bin-kisi-gozaltina-alindi-5-bin-arkadasimiz-tutuklandi/ 16953/, Zugriff 14.12.2022 (Übersetzung mittels technischer Hilfsmittel) HDP - People’s Democratic Party (18.5.2021): Systematic Oppression as the Basis for Erdogan’s ‘New Turkey’, https://hdpeurope.eu/2021/05/systematic-oppression-as-the-basis-for-erdogans-n ew-turkey/, Zugriff 2.3.2022
HDP - People’s Democratic Party (17.2.2021): More detentions against HDP members and executives, https://hdpeurope.eu/2021/02/more-detentions-against-hdp-members-and-executives/, Zugriff 2.3.2022
HDP – People’s Democratic Party (18.11.2019): We urge Turkey’s larger political opposition and the international democratic community to lose no time in acting against appointed trustees coup, https://www.hdp.org.tr/en/we-urge-turkeys-larger-political-opposition-andthe-international-dem ocratic-community-to-lose-no-time-in-acting-against-appointed-trustees-coup/13722/, Zugriff 2.3.2022

HRW – Human Rights Watch (14.12.2022): Turkey: Court Convicts Istanbul Mayor Ekrem İmamoğlu, https://www.hrw.org/news/2022/12/14/turkey-court-convicts-istanbul-mayor-ekrem-imamoglu, Zugriff 16.12.2022

HRW – Human Rights Watch (2.10.2020): Turkey: Politicians and Activists Detained, https://www. ecoi.net/de/dokument/2038516.html, Zugriff 2.3.2022
IPU - Inter-Parliamentary Union (15.10.2022): 210th Session of the IPU Governing Council (Kigali, 15 October 2022) [CL/210/14(c)-R.1] - Türkiye, file:///home/wjf5284/Downloads/cl_-_decisions_ch rp_final-e-1.pdf, Zugriff 28.10.2022
KN - Koerdisch Nieuws (12.10.2021): HDP-co-burgemeester veroordeeld tot 8 jaar en 6 maanden gevangenisstraf – Noord-Koerdistan, https://koerdischnieuws.nl/hdp-co-burgemeester-veroordee ld-tot-8-jaar-en-6-maanden-gevangenisstraf-noord-koerdistan/, Zugriff 2.3.2022

MEE – Middle East Eye (31.5.2022): Turkey: Leading opposition figure jailed and then freed for insulting Erdogan, https://www.middleeasteye.net/news/turkey-leading-opposition-figure-jailed-i nsulting-erdogan, Zugriff 3.6.2022
MEE – Middle East Eye (19.8.2019): Three pro-Kurdish mayors replaced in southeastern Turkey, https://www.middleeasteye.net/news/three-pro-kurdish-mayors-replaced-southeastern-turkey, Zugriff 2.3.2022
MEI – Middle East Institute [Koontz, Kayla] (3.2.2020): Turkey’s Parliamentary Purge and the HDP’s Dilemma, https://www.mei.edu/sites/default/files/2020-02/Turkey%E2%80%99s%20Parliamen tary%20Purge%20and%20the%20HDP%E2%80%99s%20Dilemma_Feb.%203%2C2020.pdf, Zugriff 2.3.2022
MedyaNews (3.7.2022): MP Hişyar Özsoy speaks to Sarah Glynn on the eve of the HDP Congress, https://medyanews.net/mp-hisyarozsoy-speaks-to-sarah-glynn-on-the-eve-of-the-hdp-congres s/, Zugriff 26.8.2022
Mezopotamya (27.4.2022): Acquitted 13 years ago, former HDP deputy sentenced to prison, http: //mezopotamyaajansi35.com/en/search/content/view/169345?page=1&key=77957b1a8d902ba70 aaa13d50b5ce83f, Zugriff 5.5.2022 Mezopotamya (21.1.2022): 160 detained in 3 months with ’anonymous witness’ statements in Şırnak, http://mezopotamyaajansi35.com/en/ALL-NEWS/content/view/159336, Zugriff 2.3.2022
National – The National (15.2.2021): Turkey uses hostage killings to target pro-Kurdish groups, https://www.thenationalnews.com/world/europe/turkey-uses-hostage-killings-to-target-pro-kurdi sh-groups-1.1166740, Zugriff 2.3.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/r eports/2022/03/02/general-country-of-origin-information-reportturkey-march-2022/general-count ry-of-origin-information-report-turkey-march-2022.pdf, Zugriff 7.9.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (18.3.2021): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documents/reports/2021/03/18/general-c ountry-of-origin-informationreport-turkey/vertaling-aab-turkije.pdf, Zugriff 2.3.2022
NTV (5.4.2023): „Zu Unrecht in Haft“ Prokurdischer Politiker aus Haft in der Türkei entlassen, https://www.ntv.de/incoming/Prokurdischer-Politiker-aus-Haft-in-der-Tuerkei-entlassen-article24 035202.html, Zugriff 25.5.2023
NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.1.2016): Erdogan verschärft den Ton gegenüber der HDP, https: //www.nzz.ch/international/naherosten-und-nordafrika/erdogan-verschaerft-den-ton-gegenuebe r-hdp-abgeordneten-1.18673099, Zugriff 2.3.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 23.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (18.3.2021): Türkei: Repressionsmaßnahmen gegen HDP, per E-Mail OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights [Hrgs.] (15.5.2023): Türkiye, General Elections, 14 May 2023: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/6/2/543543.pdf, Zugriff 25.5.2023
Reuters (18.3.2021):Turkey’s move to shut pro-Kurdish party worries Western allies, https://www. reuters.com/article/uk-turkeypolitics-kurds-idUKKBN2BA0S3, Zugriff 2.3.2022
Rudaw (11.12.2021): Several HDP officials detained in Turkish police raids, https://www.rudaw.ne t/english/middleeast/turkey/111220211, Zugriff 2.3.2022

Sabah (26.1.2023): Eski Hakkari Belediye Başkanı HDP’li Cihan Karaman’a 10,5 yıl hapis cezası [Ehemaliger Bürgermeister von Hakkari, Cihan Karaman, zu 10,5 Jahren Gefängnis verurteilt], https://www.sabah.com.tr/gundem/2023/01/26/eski-hakkari-belediye-baskanihdpli-cihan-karam ana-105-yil-hapis-cezasi, Zugriff 31.1.2023
SCF – Stockholm Centre for Freedom (9.11.2022): ECtHR says Turkey arrested pro-Kurdish politicians to stifle pluralism, orders their release, https://stockholmcf.org/ecthr-says-turkey-arrested-p ro-kurdish-politicians-to-stifle-pluralism-orders-their-release/, Zugriff 11.11.2022
SCF – Stockholm Centre for Freedom (1.2018): Kurdish political movement under crackdown in Turkey The case of the HDP, https://stockholmcf.org/wp-content/uploads/2018/01/Kurdish-political -movement-under-crackdown-in-Turkey-The-case-of-the-HDP_Jan-28-2018.pdf, Zugriff 2.3.2022
SDZ – Süddeutsche Zeitung (7.1.2021): Neue Anklage gegen Demirtaş, https://www.sueddeutsc he.de/politik/tuerkei-neue-anklagegegen-demirtas-1.5167137, Zugriff 2.3.2022
Standard – Der Standard (15.12.2022): Verurteilter İmamoğlu wird zum Star der türkischen Opposition, https://www.derstandard.at/story/2000141822452/verurteilter-imamoglu-wird-zum-star-der -tuerkischen-opposition, Zugriff 16.12.2022
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik [Can, Osman] (10.6.2021): Der Antrag auf das Verbot der prokurdischen HDP beim türkischen Verfassungsgericht, SWP-Aktuell 2021/A 44, https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2021A44_HDP_Tuerkei.pdf, Zugriff 2.3.2022https://www.tagesspiegel.de/internationales/pro-kurdische-oppositionspartei-erhalt-doch-geld-turkische s-verfassungsgericht-hebtblockade-von-hdp-parteikonten-auf-9475943.html, Zugriff 20.3.2023
Tagesspiegel (9.3.2023): Pro-kurdische Oppositionspartei erhält doch Geld: Türkisches Verfassungsgericht hebt Blockade von HDP-Parteikonten auf, TİHV - Türkiye İnsan Hakları Vakfı/ HRFT - Human Rights Foundation Turkey (26.1.2023): 26 January 2023 HRFT Documentation Center Daily Human Rights Report (1/203), https://en.tihv.org. tr/documentation/26-january-2023-hrft-documentation-center-daily-humanrights-report/, Zugriff 31.1.2023
TİHV - Türkiye İnsan Hakları Vakfı/ HRFT - Human Rights Foundation Turkey (23.12.2022): 23 December 2022 HRFT Documentation Center Daily Human Rights Report (12/222,12/234), https: //en.tihv.org.tr/documentation/23-december-2022-hrft-documentation-centerdaily-human-rights-r eport/, Zugriff 31.1.2023
TİHV - Türkiye İnsan Hakları Vakfı/ HRFT - Human Rights Foundation Turkey (23.5.2022): 21 – 23 May 2022 HRFT Documentation Center Daily Human Rights Report (05/207), https://en.tihv.org.tr /documentation/21-23-may-2022-hrft-documentation-center-daily-human-rights-report/, Zugriff 3.6.2022
TİHV - Türkiye İnsan Hakları Vakfı/ HRFT - Human Rights Foundation Turkey (19.4.2022): 19 April 2022 HRFT Documentation Center Daily Human Rights Report, https://en.tihv.org.tr/documentati on/19-april-2022-hrft-documentation-center-daily-human-rightsreport/, Zugriff 4.8.2022

TİHV - Türkiye İnsan Hakları Vakfı/ HRFT - Human Rights Foundation Turkey (18.4.2022): 16 – 18 April 2022 HRFT Documentation Center Daily Human Rights Report, https://en.tihv.org.tr/docum entation/16-18-april-2022-hrft-documentation-center-daily-human-rightsreport/, Zugriff 4.8.2022
TİHV - Türkiye İnsan Hakları Vakfı/ HRFT - Human Rights Foundation Turkey (28.3.2022): 26 – 28 March 2022 HRFT Documentation Center Daily Human Rights Report, https://en.tihv.org.tr/d ocumentation/26-28-march-2022-hrft-documentation-center-daily-human-rightsreport/, Zugriff 5.8.2022
TM – Turkish Minute (16.2.2023): District governor obstructs relief efforts by pro-Kurdish party at earthquake’s epicenter, https://www.turkishminute.com/2023/02/16/district-governor-obstruct-relie f-effort-by-pro-kurdish-party-at-earthquakes-epicenter/, Zugriff 17.2.2023
TM –Turkish Minute (15.10.2022): Former HDP MP released from prison 4 months after completion of sentence, https://www.turkishminute.com/2022/10/18/from-prison-4-months-after-completion-o f-sentence/, Zugriff 28.10.2022
TM – Turkish Minute (25.11.2020): Erdoğan calls Demirtaş a ’terrorist’, denies existence of a Kurdish problem in Turkey, https://www.turkishminute.com/2020/11/25/erdogan-calls-demirtas-a-t errorist-denies-existence-of-a-kurdish-problem-in-turkey/, Zugriff 2.3.2022
TM – Turkish Minute (26.11.2020): Turkey has removed 151 mayors on ’terror charges’ since 2014: Interior Ministry, https://www.turkishminute.com/2020/11/26/turkey-has-removed-151-mayors-o n-terror-charges-since-2014-interior-ministry/, Zugriff 2.3.2022

UKHO – United Kingdom Home Office [Großbritannien] (1.10.2019): Report of a Home Office Fact-Finding Mission Turkey: Kurds, the HDP and the PKK; Conducted 17 June to 21 June 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2020297/TURKEY_FFM_REPORT_2019.odt, Zugriff 2.3.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/ 03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 24.5.2023
WZ - Wiener Zeitung (25.4.2023): Neue Verhaftungswelle in der Türkei, https://www.wienerzeitung. at/nachrichten/politik/welt/2186365-Neue-Verhaftungswelle-in-der-Tuerkei.html, Zugriff 25.5.2023
WKI – Washington Kurdish Institute (12.10.2021): Kurdistan’s Weekly Brief October 12, 2021, https://dckurd.org/2021/10/12/kurdistansweekly-brief-october-12-2021/, Zugriff 2.3.2022
WKI – Washington Kurdish Institute (28.9.2021): Kurdistan’s Weekly Brief September 28, 2021 – Turkey, https://dckurd.org/2021/09/28/kurdistans-weekly-brief-september-28-2021/, Zugriff 25.3.2022
ZO – Zeit Online (15.12.2022): Erdoğans schärfster Gegner, https://www.zeit.de/politik/ausland/20 22-12/ekrem-imamoglubuergermeister-istanbul-recep-tayyip-erdogan, Zugriff 16.12.2022
ZO – Zeit Online (17.6.2021): Eine Tote bei Angriff auf Büro der pro-kurdischen HDP, https://www. zeit.de/politik/2021-06/tuerkei-hdpkurdisch-oppositionspartei-angriff-tote, Zugriff 25.3.2022
ZO – Zeit Online (31.3.2021): Türkei: Verfassungsgericht gibt HDP-Verbotsklage zurück, https: //www.zeit.de/news/2021-03/31/tuerkei-verfassungsgericht-gibt-hdp-verbotsklage-zurueck, Zugriff 2.3.2022
ZO - Zeit Online (28.12.2021): Zwei Verletzte bei Angriff auf Büro der HDP in Istanbul, https: //www.zeit.de/politik/ausland/202112/tuerkei-istanbul-hdp-buero-angriff, Zugriff 25.3.2022
ZO – Zeit Online (23.6.2020): Türkisches Gericht bestätigt Urteil gegen Oppositionspolitikerin, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/canan-kaftancioglu-tuerkei-oppositionspolitikerin-chp -haststrafe-gericht-bestaetigung-urteil, Zugriff 2.3.2022
ZO – Zeit Online (24.3.2020): Acht Bürgermeister der prokurdischen HDP abgesetzt, https://www. zeit.de/politik/ausland/2020-03/tuerkei-buergermeister-hdp-pro-kurdisch-terrorvorwuerfe-razzien, Zugriff 2.3.2022
ZO – Zeit Online (19.8.2019): Recep Tayyip Erdoğan setzt drei prokurdische Bürgermeister ab, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/tuerkei-buergermeister-hdp-amtsenthebung-kurden-o pposition, Zugriff 2.3.2022

Haftbedingungen

Letzte Änderung: 26.06.2023

Die materielle Ausstattung der Haftanstalten wurde in den letzten Jahren deutlich verbessert und die Schulung des Personals fortgesetzt (ÖB 30.11.2022, S. 11). Die Haftbedingungen sind, abhängig vom Alter, Typ und Größe usw. unterschiedlich. In türkischen Haftanstalten können Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) grundsätzlich eingehalten werden. Es gibt insbesondere eine Reihe neuerer oder modernisierter Haftanstalten, bei denen keine Anhaltspunkte für Bedenken bestehen. Bei Überbelegung einzelner Haftanstalten kann es zu Einschränkungen in der gesundheitlichen Versorgung sowie der Infrastruktur der Haftanstalt kommen (AA 28.7.2022, S. 18; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 11). Als in vielen Aspekten, insbesondere aufgrund gravierender Menschenrechtsverletzungen, nicht den Erfordernissen der EMRK entsprechende Haftanstalten gelten u. a. die Einrichtungen in Ankara Sincan (Strafvollzugsanstalt für Frauen), Amasya,Aksaray, Kayseri, Malatya, Mersin Tarsus (geschlossene Strafvollzugsanstalt für Frauen) und Van (Hochsicherheitsgefängnis). Die Strafvollzugsanstalten in Adana-Mersin, Elazığ, Izmir, Kocaeli Gebze, Maltepe, Osmaniye, Şakran, Silivri und Urfa sind wiederum chronisch überbelegt (ÖB 30.11.2022, S. 11). Die materielle Ausstattung der Haftanstalten wurde in den letzten Jahren deutlich verbessert und die Schulung des Personals fortgesetzt (ÖB 30.11.2022, S. 11). Die Haftbedingungen sind, abhängig vom Alter, Typ und Größe usw. unterschiedlich. In türkischen Haftanstalten können Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) grundsätzlich eingehalten werden. Es gibt insbesondere eine Reihe neuerer oder modernisierter Haftanstalten, bei denen keine Anhaltspunkte für Bedenken bestehen. Bei Überbelegung einzelner Haftanstalten kann es zu Einschränkungen in der gesundheitlichen Versorgung sowie der Infrastruktur der Haftanstalt kommen (AA 28.7.2022, S. 18; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 11). Als in vielen Aspekten, insbesondere aufgrund gravierender Menschenrechtsverletzungen, nicht den Erfordernissen der EMRK entsprechende Haftanstalten gelten u. a. die Einrichtungen in Ankara Sincan (Strafvollzugsanstalt für Frauen), Amasya,Aksaray, Kayseri, Malatya, Mersin Tarsus (geschlossene Strafvollzugsanstalt für Frauen) und Van (Hochsicherheitsgefängnis). Die Strafvollzugsanstalten in Adana-Mersin, Elazığ, Izmir, Kocaeli Gebze, Maltepe, Osmaniye, Şakran, Silivri und Urfa sind wiederum chronisch überbelegt (ÖB 30.11.2022, S. 11).

Die Gefängnisse erfüllten im Allgemeinen die Standards für die baulichen Bedingungen, d. h. Infrastruktur und Grundausstattung, aber erhebliche Probleme mit der Überbelegung führten in vielen Gefängnissen zu Bedingungen, die nach Ansicht des Europäisches Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, kurz: Anti-FolterKomitee (Committee for the Prevention of Torture - CPT) des Europarats als unmenschlich und erniedrigend angesehen werden können (USDOS 20.3.2023, S.9). Die Gefängnisse werden regelmäßig von den Überwachungskommissionen für die Justizvollzugsanstalten inspiziert und auch von UNEinrichtungen sowie dem CPT des Europarats besucht (ÖB 30.11.2022, S. 11), allerdings wurde der CTP-Bericht von 2021 nicht veröffentlicht (USDOS 20.3.2023). Im September 2022, beispielsweise, zeigten sich Experten des UN-Unterausschusses zur Verhütung von Folter (SPT) nach ihrem Besuch besorgt über die Lebensbedingungen in Hafteinrichtungen, einschließlich der Überbelegung, sowie über die Situation von Migranten in Abschiebezentren (OHCHR 21.9.2022).

Die Regierung gestattet es unabhängigen NGOs nicht, Gefängnisse zu inspizieren (USDOS 20.3.2023, S.11; vgl. OMCT 2022). NGOs wie die World Organisation Against Torture (OMCT) orten ein Fehlen einer unabhängigen Überwachung der türkischen Gefängnisse, wodurch die Situation in diesen Gefängnissen verschleiert wird. Hinzu kommt, dass die verfügbaren nationalen Mechanismen wie die Institution für Menschenrechte und Gleichstellung (HREI bzw. TİHEK), die die Türkei als nationalen Präventionsmechanismus im Rahmen des OPCAT eingerichtet hatte, und die 2011 eingerichteten Gefängnisüberwachungsausschüsse, aufgrund der Mängel bei den Die Regierung gestattet es unabhängigen NGOs nicht, Gefängnisse zu inspizieren (USDOS 20.3.2023, S.11; vergleiche OMCT 2022). NGOs wie die World Organisation Against Torture (OMCT) orten ein Fehlen einer unabhängigen Überwachung der türkischen Gefängnisse, wodurch die Situation in diesen Gefängnissen verschleiert wird. Hinzu kommt, dass die verfügbaren nationalen Mechanismen wie die Institution für Menschenrechte und Gleichstellung (HREI bzw. TİHEK), die die Türkei als nationalen Präventionsmechanismus im Rahmen des OPCAT eingerichtet hatte, und die 2011 eingerichteten Gefängnisüberwachungsausschüsse, aufgrund der Mängel bei den

Nominierungsverfahren der Mitglieder und des Mangels an politischer Unabhängigkeit sowie einer soliden Methodik, unwirksam sind (OMCT 2022). Auch die Europäische Kommission charakterisierte die für die Gefängnisse vorgesehenen Monitoring-Institutionen als weitgehend wirkungslos und speziell die Institution für Menschenrechte und Gleichstellung als nicht voll funktionsfähig, wodurch es keine Aufsicht über Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen gibt (EC 6.10.2020, S. 32). Im Allgemeinen sieht diese davon ab, die Gefängnisse zu besuchen, in denen die meisten Folter- und Misshandlungsvorwürfe erhoben werden (EC 12.10.2022, S. 32).

In der Türkei gibt es drei Kategorien von Häftlingen: verurteilte Häftlinge, Untersuchungshäftlinge und Häftlinge, die noch kein rechtskräftiges Urteil erhalten haben, aber mit der Verbüßung einer Haftstrafe im Voraus begonnen haben (CoE 30.3.2021, S. 38). Zum 5.5.2023 gab es insgesamt 400 Strafvollzugsanstalten, darunter 279 geschlossene und 90 offene Strafvollzugsanstalten, vier Kindererziehungszentren, zehn geschlossene und acht offene Frauenvollzugsanstalten, und neun geschlossene Jugendvollzugsanstalten. Die Kapazität dieser Anstalten betrug 291.592 Plätze (ABCTGM 5.5.2023). Die tatsächliche Zahl der Insassen betrug laut Justizministerium im Dezember 2022 336.315, davon waren 12,3 % Untersuchungshäftlinge (ICPR 12.2022). In der Gesamtzahl der Gefängnisinsassen für März 2022 sind die 426.647 Bewährungshäftlinge nicht enthalten. Das bedeutet, dass insgesamt 741.149 Menschen in Haft oder auf Bewährung waren (OMCT 2022). Die türkische Regierung hat 8,7 Mrd. Lira für den Bau von 36 neuen Gefängnissen in den nächsten vier Jahren bereitgestellt (SCF 15.3.2022). Nach Angaben des Justizministeriums befinden sich 13 % der gesamten Gefängnispopulation wegen Terror-Vorwürfen in Haft, darunter viele Journalisten, politische Aktivisten, Rechtsanwälte und Menschenrechtsverteidiger (EC 6.10.2020, S. 31f). Unter den Mitgliedern des Europarates führt die Türkei die Gefängnisstatistik sowohl hinsichtlich der Inhaftierungsrate als auch bezüglich der Belegungsdichte an (CoE 30.3.2021 S. 4f; S. 32 Tab.). Mit Dezember 2022 wurden 396 Inhaftierte pro 100.000 Einwohner gezählt [zum Vergleich: Österreich: 97; Deutschland: 67] (ICPR 12.2022). Die Belegung war (Februar 2022) mit 108,3 % ebenfalls überproportional. Innert zehn Jahren nahm die Zahl der Häftlinge in der Türkei um 89 % zu (UNILCRIM/CoE 6.4.2022).

Das Europäische Parlament zeigte sich im Juni 2022 „zutiefst besorgt über die Lage in den überfüllten Gefängnissen der Türkei, wodurch sich die ernste Bedrohung, die die COVID19Pandemie für das Leben der Gefangenen darstellt, weiter verschärft“. Es gab weiterhin Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen, darunter willkürliche Einschränkungen der Rechte der Häftlinge, Verweigerung des Zugangs zu medizinischer Versorgung, die Anwendung von Folter und Misshandlung, die Verhinderung offener Besuche und Isolationshaft (EP 7.6.2022, S. 19f., Pt. 32; vgl. EC 12.10.2022, S. 34, DFAT 10.9.2020). Praktiken wie das Verprügeln von Gefangenen aus verschiedenen Gründen, wie z.B. wegen Verweigerung der Leibesvisitation, ärztlicher Untersuchung in Handschellen, erzwungener Anwesenheit bei ständigen Appellen oder die Titulierung von Personen, die wegen politischer Vergehen inhaftiert wurden, als „Terroristen“ und das Verprügeln aus diesem Grund haben der türkischen „Menschenrechtsvereinigung“ İHD zufolge ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht (İHD 6.11.2022, S. 14). Disziplinarstrafen, einschließlich Einzelhaft, werden exzessiv und unverhältnismäßig eingesetzt (DIS 31.3.2021, S. 1; İHD 6.11.2022, S. 14). NGOs bestätigten, dass bestimmte Gruppen von Gefangenen diskriminiert werden, darunter Kurden, religiöse Minderheiten, politische Gefangene, Frauen, Jugendliche, LGBTPersonen, kranke Gefangene und Ausländer (DIS 31.3.2021, S. 1). Die Hungerstreiks in einigen Gefängnissen wurden fortgesetzt, um ein Ende der Verletzungen der Rechte der Häftlinge zu erwirken (EC 12.10.2022, S. 34; vgl. İHD 6.11.2022, S. 15). Das Europäische Parlament zeigte sich im Juni 2022 „zutiefst besorgt über die Lage in den überfüllten Gefängnissen der Türkei, wodurch sich die ernste Bedrohung, die die COVID19Pandemie für das Leben der Gefangenen darstellt, weiter verschärft“. Es gab weiterhin Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen, darunter willkürliche Einschränkungen der Rechte der Häftlinge, Verweigerung des Zugangs zu medizinischer Versorgung, die Anwendung von Folter und Misshandlung, die Verhinderung offener Besuche und Isolationshaft (EP 7.6.2022, S. 19f., Pt. 32; vergleiche EC 12.10.2022, S. 34, DFAT 10.9.2020). Praktiken wie das Verprügeln von Gefangenen aus verschiedenen Gründen, wie z.B. wegen Verweigerung der Leibesvisitation, ärztlicher Untersuchung in Handschellen, erzwungener Anwesenheit bei ständigen Appellen oder die Titulierung von Personen, die wegen politischer Vergehen inhaftiert wurden, als „Terroristen“ und das Verprügeln aus diesem Grund haben der türkischen „Menschenrechtsvereinigung“ İHD zufolge ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht (İHD 6.11.2022, S. 14). Disziplinarstrafen, einschließlich Einzelhaft, werden exzessiv und unverhältnismäßig eingesetzt (DIS 31.3.2021, S. 1; İHD 6.11.2022, S. 14). NGOs bestätigten, dass bestimmte Gruppen von Gefangenen diskriminiert werden, darunter Kurden, religiöse Minderheiten, politische Gefangene, Frauen, Jugendliche, LGBTPersonen, kranke Gefangene und Ausländer (DIS 31.3.2021, S. 1). Die Hungerstreiks in einigen Gefängnissen wurden fortgesetzt, um ein Ende der Verletzungen der Rechte der Häftlinge zu erwirken (EC 12.10.2022, S. 34; vergleiche İHD 6.11.2022, S. 15).

Die Überbelegung der Gefängnisse ist nicht nur problematisch in Hinblick auf den persönlichen Bewegungsfreiraum, sondern auch in Bezug auf die Aufrechterhaltung der persönlichen Hygiene. Darüber hinaus haben sich viele Gefangene über die Ernährung sowie über den Umstand beschwert, dass das Taggeld für die Gefangenen nicht ausreicht, um selbst eine gesunde Ernährung zu gewährleisten. Im Allgemeinen haben die Gefangenen Kontakt zu ihren Familien und Anwälten, allerdings besteht die Tendenz, Personen weit entfernt von ihren Herkunftsregionen und in abgelegenen Gegenden zu inhaftieren, was den unmittelbaren Kontakt mit der Familie oder den Anwälten erschwert (DIS 31.3.2021, S. 1). Im September 2019 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass die Überstellung von Häftlingen in weit von ihrem Wohnort entfernte Gefängnisse eine Verletzung der „Verpflichtung zur Achtung des Schutzes des Privat- und Familienlebens“ darstellt (EC 6.10.2020, S. 32). Eines der prominentesten Beispiele ist der ehemalige Ko-Vorsitzende der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker - HDP, der seit 2016 im Gefängnis von Edirne in der Westtürkei sitzt, dass sich über 1.700 von seiner Heimatstadt Diyarbakır befindet. Seine Frau Başak Demirtaş muss jede Woche 3.500 Kilometer für einen einstündigen Besuch zurücklegen (3Sat 6.5.2023; vgl. DTJ 4.12.2020). Die Überbelegung der Gefängnisse ist nicht nur problematisch in Hinblick auf den persönlichen Bewegungsfreiraum, sondern auch in Bezug auf die Aufrechterhaltung der persönlichen Hygiene. Darüber hinaus haben sich viele Gefangene über die Ernährung sowie über den Umstand beschwert, dass das Taggeld für die Gefangenen nicht ausreicht, um selbst eine gesunde Ernährung zu gewährleisten. Im Allgemeinen haben die Gefangenen Kontakt zu ihren Familien und Anwälten, allerdings besteht die Tendenz, Personen weit entfernt von ihren Herkunftsregionen und in abgelegenen Gegenden zu inhaftieren, was den unmittelbaren Kontakt mit der Familie oder den Anwälten erschwert (DIS 31.3.2021, S. 1). Im September 2019 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass die Überstellung von Häftlingen in weit von ihrem Wohnort entfernte Gefängnisse eine Verletzung der „Verpflichtung zur Achtung des Schutzes des Privat- und Familienlebens“ darstellt (EC 6.10.2020, S. 32). Eines der prominentesten Beispiele ist der ehemalige Ko-Vorsitzende der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker - HDP, der seit 2016 im Gefängnis von Edirne in der Westtürkei sitzt, dass sich über 1.700 von seiner Heimatstadt Diyarbakır befindet. Seine Frau Başak Demirtaş muss jede Woche 3.500 Kilometer für einen einstündigen Besuch zurücklegen (3Sat 6.5.2023; vergleiche DTJ 4.12.2020).

Untersuchungshäftlinge und Verurteilte befinden sich oft in denselben Zellen und Blöcken (USDOS 20.3.2023, S. 9; vgl. DFAT 10.9.2020). Die Gefangenen werden nach der Art der Straftat getrennt: Diejenigen, die wegen terroristischer Straftaten angeklagt oder verurteilt wurden, werden von anderen Insassen separiert. Es besteht eine strikte Trennung zwischen denjenigen, die wegen Verbindungen zur Gülen-Bewegung inhaftiert sind, und Mitgliedern anderer Organisationen, wie z.B. der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). In jüngster Zeit gibt es nur wenige Hinweise darauf, dass Gefangene, die wegen Verbindungen zur PKK oder der Gülen-Bewegung inhaftiert sind, schlechter behandelt werden als andere (DFAT 10.9.2020). Es gab jedoch Fälle von politischen Gefangenen, denen die medizinische Behandlung von Ärzten in Kleinstädten verwehrt wurde, weil aus ihren Krankenakten die Verurteilung wegen PKK-Mitgliedschaft hervorging (DIS 31.3.2021, S. 29). Außerdem weisen zwei Quellen des niederländischen Außenministeriums darauf hin, dass einige Ärzte sich weigerten, tatsächliche oder angebliche Gülenisten und PKKMitglieder zu behandeln, aus Angst, mit der PKK oder der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht zu werden (NL-MFA 2.3.2022, S. 30; vgl. USDOS 20.3.2023, S. 10). Infolgedessen sind die Opfer oft nicht in der Lage, medizinische Unterlagen zu erhalten, die ihre Behauptungen beweisen könnten (USDOS 20.3.2023, S. 10). Untersuchungshäftlinge und Verurteilte befinden sich oft in denselben Zellen und Blöcken (USDOS 20.3.2023, S. 9; vergleiche DFAT 10.9.2020). Die Gefangenen werden nach der Art der Straftat getrennt: Diejenigen, die wegen terroristischer Straftaten angeklagt oder verurteilt wurden, werden von anderen Insassen separiert. Es besteht eine strikte Trennung zwischen denjenigen, die wegen Verbindungen zur Gülen-Bewegung inhaftiert sind, und Mitgliedern anderer Organisationen, wie z.B. der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). In jüngster Zeit gibt es nur wenige Hinweise darauf, dass Gefangene, die wegen Verbindungen zur PKK oder der Gülen-Bewegung inhaftiert sind, schlechter behandelt werden als andere (DFAT 10.9.2020). Es gab jedoch Fälle von politischen Gefangenen, denen die medizinische Behandlung von Ärzten in Kleinstädten verwehrt wurde, weil aus ihren Krankenakten die Verurteilung wegen PKK-Mitgliedschaft hervorging (DIS 31.3.2021, S. 29). Außerdem weisen zwei Quellen des niederländischen Außenministeriums darauf hin, dass einige Ärzte sich weigerten, tatsächliche oder angebliche Gülenisten und PKKMitglieder zu behandeln, aus Angst, mit der PKK oder der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht zu werden (NL-MFA 2.3.2022, S. 30; vergleiche USDOS 20.3.2023, S. 10). Infolgedessen sind die Opfer oft nicht in der Lage, medizinische Unterlagen zu erhalten, die ihre Behauptungen beweisen könnten (USDOS 20.3.2023, S. 10).

Einige Personen, die wegen terroristischer Anschuldigungen inhaftiert waren, litten unter Übergriffen, darunter lange Einzelhaft, unnötige Entkleidungen und Leibesvisitationen, starke Einschränkungen bei der Bewegung im Freien und beiAktivitäten außerhalb der Zelle, Verweigerung des Zugangs zur Gefängnis-Bibliothek und zu Medien, schleppende medizinische Versorgung und in einigen Fällen die Verweigerung medizinischer Behandlung. Berichten zufolge waren auch Besucher von Häftlingen mit Terrorismusbezug Übergriffen, wie Leibesvisitationen und erniedrigender Behandlung durch Gefängniswärter ausgesetzt. Zudem wäre der Zugang zur Familie eingeschränkt gewesen (USDOS 20.3.2023, S. 23). Das Stockholm Center for Freedom hat insbesondere seit Oktober 2020 über eine Reihe von Fällen berichtet, in denen Gefangene mit angeblichen Verbindungen zur Gülen-Bewegung unzureichend behandelt wurden, was manchmal zum Tod oder zur Verschlechterung ihres Zustands führte (DIS 31.3.2021, S. 19), zuletzt z. B. auch Anfang April 2021 (SCF 5.4.2021).

Ein Problem bei der strafrechtlichen Prüfung von Verdachtsfällen bleibt die Nachweisbarkeit von Folter und Misshandlungen. Menschenrechtsorganisationen zufolge wird Dritten der Zugang zu ärztlichen Berichten über den Zustand inhaftierter bzw. in Gewahrsam genommener Personen häufig verweigert, sodass eine unabhängige Überprüfung nur schwer möglich ist (AA 28.7.2022, S. 17).

Das System der obligatorischen medizinischen Kontrollen ist laut dem CPT nach wie vor grundlegend fehlerhaft (CoE-CPT 5.8.2020), denn seit Januar 2004 gilt die Regelung, dass außer auf Verlangen des Arztes Vollzugsbeamte nicht mehr bei der Untersuchung von Personen in Gewahrsam bzw. Haft anwesend sein dürfen (AA 28.7.2022, S. 17). Die Vertraulichkeit solcher Kontrollen ist bei Weitem noch nicht gewährleistet. Entgegen den Anforderungen der Inhaftierungsverordnung waren Vollzugsbeamte in der überwiegenden Mehrheit der Fälle bei den medizinischen Kontrollen weiterhin anwesend, was dazu führt, dass die Betroffenen keine Gelegenheit haben, mit dem Arzt unter vier Augen zu sprechen. Von der Delegation des CPT befragte Häftlinge gaben an, infolgedessen den Ärzten nicht von den Misshandlungen berichtet zu haben. Darüber hinaus gaben mehrere Personen an, dass sie von bei der medizinischen Kontrolle anwesenden Polizeibeamten bedroht worden seien, ihre Verletzungen nicht zu zeigen.

Einige Häftlinge behaupteten, überhaupt keiner medizinischen Kontrolle unterzogen worden zu sein (CoE-CPT 5.8.2020). Laut der Menschenrechtsvereinigung (İHD) ist eines der größten Probleme in den türkischen Gefängnissen die Verletzung der Rechte kranker Gefangener. Die İHD konnte mit Stand Ende April 2022 1.517 kranke Gefangene dokumentieren. 651 von ihnen sollen sich in einem schlechten Zustand befunden haben. Und 2021 starben mindestens 52 Personen in Haft (İHD 6.2022, S. 10, 13).

Kurdische Häftlinge

Mit Beginn des Ausnahmezustands (2016) wurden insbesondere kurdische Gefangene in weit entfernte Städte zwangsverlegt, wo sie häufiger Misshandlungen und Diskriminierungen ausgesetzt waren. Neben den Gefangenen waren auch deren Angehörige aufgrund ihrer ethnischen Identität in diesen Städten Diskriminierungen ausgesetzt, und es gibt einige Fälle, in denen sie nicht einmal eine Unterkunft finden konnten, und somit die Stadt ohne Besuchsmöglichkeit verlassen mussten (CİSST 26.3.2021, S. 16). Kurdische Gefängnisinsassen haben behauptet, dass sie von den Gefängnisverwaltungen diskriminiert werden. So sei der Briefverkehr aus und in das Gefängnis unterbunden worden, weil die Briefe auf Kurdisch verfasst waren, und es kein Gefängnispersonal gab, das Kurdisch versteht, um die Briefe für die Gefängnisleitung zu übersetzen (DIS 31.3.2021, S. 30, 68; vgl. İHD 6.2022, S. 23). In manchen Gefängnissen ist der Briefverkehr erlaubt, so die Insassen für die Übersetzungskosten, zwischen 300 und 400 Lira pro Seite, aufkämen (Ahval 25.10.2020). Die Gefangenen beschwerten sich auch darüber, dass die Wärter Drohungen und Beleidigungen ihnen gegenüber äußerten, weil sie Kurden seien, etwa auch mit der Unterstellung Terroristen zu sein. Verboten wurde ebenfalls die Ver- wendung von Notizbüchern, so diese kurdische Texte beinhalteten (DIS 31.3.2021, S. 30; 68) sowie der Erwerb bzw. das Lesen von kurdischen Büchern, selbst wenn diese legal waren, und Zeitungen (DIS 31.3.2021, S. 30; 68; vgl. İHD 23.10.2020, S. 7, SCF 26.11.2020). Beispielsweise beschwerten sich 13 Insassen des Frauengefängnisses in Van in einem Brief an einen Parlamentsabgeordneten der pro-kurdischen HDP, dass ihre Notizbücher - nebenbei auch kurdische Novellen und Gedichtsammlungen - mit dem Argument beschlagnahmt wurden, dass die Gefängnisverwaltung keinen Kurdisch-Türkisch-Dolmetscher habe (Duvar 23.11.2020). Kurden, die im Westen inhaftiert sind, können sowohl von anderen Gefangenen als auch von der Verwaltung diskriminiert werden. Wenn ein Gefangener beispielsweise in den Schlafsälen Kurdisch spricht, kann er oder sie eine negative Behandlung erfahren (DIS 31.3.2021, S. 55). Ende August 2021 wurde die ehemalige HDPAbgeordnete, Leyla Güven, mit Disziplinarmaßnahmen belegt, weil sie zusammen mit acht anderen Insassinnen im Elazığ-Frauengefängnis ein kurdisches Lied gesungen und einen traditionellen kurdischen Tanz aufgeführt hatte. Gegen die neun Insassinnen wurde deswegen ein Disziplinarverfahren eingeleitet und ein einmonatiges Verbot von Telefongesprächen und Familienbesuchen verhängt (Duvar 30.8.2021). Mit Beginn des Ausnahmezustands (2016) wurden insbesondere kurdische Gefangene in weit entfernte Städte zwangsverlegt, wo sie häufiger Misshandlungen und Diskriminierungen ausgesetzt waren. Neben den Gefangenen waren auch deren Angehörige aufgrund ihrer ethnischen Identität in diesen Städten Diskriminierungen ausgesetzt, und es gibt einige Fälle, in denen sie nicht einmal eine Unterkunft finden konnten, und somit die Stadt ohne Besuchsmöglichkeit verlassen mussten (CİSST 26.3.2021, S. 16). Kurdische Gefängnisinsassen haben behauptet, dass sie von den Gefängnisverwaltungen diskriminiert werden. So sei der Briefverkehr aus und in das Gefängnis unterbunden worden, weil die Briefe auf Kurdisch verfasst waren, und es kein Gefängnispersonal gab, das Kurdisch versteht, um die Briefe für die Gefängnisleitung zu übersetzen (DIS 31.3.2021, S. 30, 68; vergleiche İHD 6.2022, S. 23). In manchen Gefängnissen ist der Briefverkehr erlaubt, so die Insassen für die Übersetzungskosten, zwischen 300 und 400 Lira pro Seite, aufkämen (Ahval 25.10.2020). Die Gefangenen beschwerten sich auch darüber, dass die Wärter Drohungen und Beleidigungen ihnen gegenüber äußerten, weil sie Kurden seien, etwa auch mit der Unterstellung Terroristen zu sein. Verboten wurde ebenfalls die Ver- wendung von Notizbüchern, so diese kurdische Texte beinhalteten (DIS 31.3.2021, S. 30; 68) sowie der Erwerb bzw. das Lesen von kurdischen Büchern, selbst wenn diese legal waren, und Zeitungen (DIS 31.3.2021, S. 30; 68; vergleiche İHD 23.10.2020, S. 7, SCF 26.11.2020). Beispielsweise beschwerten sich 13 Insassen des Frauengefängnisses in Van in einem Brief an einen Parlamentsabgeordneten der pro-kurdischen HDP, dass ihre Notizbücher - nebenbei auch kurdische Novellen und Gedichtsammlungen - mit dem Argument beschlagnahmt wurden, dass die Gefängnisverwaltung keinen Kurdisch-Türkisch-Dolmetscher habe (Duvar 23.11.2020). Kurden, die im Westen inhaftiert sind, können sowohl von anderen Gefangenen als auch von der Verwaltung diskriminiert werden. Wenn ein Gefangener beispielsweise in den Schlafsälen Kurdisch spricht, kann er oder sie eine negative Behandlung erfahren (DIS 31.3.2021, S. 55). Ende August 2021 wurde die ehemalige HDPAbgeordnete, Leyla Güven, mit Disziplinarmaßnahmen belegt, weil sie zusammen mit acht anderen Insassinnen im Elazığ-Frauengefängnis ein kurdisches Lied gesungen und einen traditionellen kurdischen Tanz aufgeführt hatte. Gegen die neun Insassinnen wurde deswegen ein Disziplinarverfahren eingeleitet und ein einmonatiges Verbot von Telefongesprächen und Familienbesuchen verhängt (Duvar 30.8.2021).

Isolationshaft

Die Einzelhaft wird durch das Strafvollzugsgesetz geregelt, das eine Vielzahl von Handlungen festlegt, die mit Einzelhaft disziplinarisch geahndet werden können. Das Gesetz legt außerdem eine Obergrenze von 20 Tagen Einzelhaft fest. Das CPT betonte allerdings, dass diese Höchstdauer überhöht ist, und nicht mehr als 14 Tage für ein bestimmtes Vergehen betragen sollte (DIS 31.3.2021, S. 26). Zur vermehrten Verhängung der Einzelhaft kommt es in den 14 F-Typ-, 13 Hochsicherheits- und fünf S-Typ-Gefängnissen (İHD 6.2022, S. 21). Bei der türkischen Menschenrechtsvereinigung (İHD) machten 2020 die Beschwerden hinsichtlich der Verhängung der Einzelhaft rund 11 % aller Gefängnisbeschwerden aus. Laut der türkischen NGO CİSST gibt es Fälle, in denen die Isolationshaft die gesetzlichen 20 Tage überschritten hat. Die İHD merkte an, dass Isolationshaft über Monate hinweg gegen Untersuchungshäftlinge verhängt werden kann, wenn gegen sie ein Verfahren läuft, welches eine erschwerte lebenslängliche Haftstrafe nach sich zieht. Darüber hinaus betrachtet es die İHD als Isolation, wenn Gefangene, einschließlich der zu schwerer lebenslanger Haft Verurteilten, in Hochsicherheitsgefängnissen des Typs F keine Gemeinschaftsräume nutzen dürfen bzw. nur für eine Stunde pro Woche (DIS 31.3.2021, S. 26). In einigen Gefängnissen wurden verschiedene Gruppen von Gefangenen ohne rechtliche Begründung in Einzelzellen verlegt. In einigen Fällen wurden sogar Gefangene mit einem ärztlichen Gutachten, dem zufolge sie nicht in Einzelhaft untergebracht werden können, in EinPersonen-Zellen gesperrt (CİSST 26.3.2021, S. 25) Betroffen von der Isolationshaft sind auch Mitglieder sexueller Minderheiten. Es ist möglich, dass LGBT-Häftlinge aufgrund ihrer Identität unabhängig von ihrer Verurteilung jahrelang in Isolation gehalten werden. In einigen Gefängnissen werden Mitglieder sexueller Minderheiten, entgegen ihren Forderungen, in Einzelzellen untergebracht (CİSST 26.3.2021, S. 48). Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele Häftlinge sich in der Türkei in Isolationshaft befinden oder wie viele sich das Leben genommen haben, doch nach Schätzungen der Experten sollen etwa 3.000 Personen von Isolationshaft betroffen sein (DW 7.5.2019). Im Mai 2021 forderte das Europäische Parlament „die Türkei auf, alle Isolationshaft und die Inhaftierung in inoffiziellen Haftanstalten zu beenden“ (EP 19.5.2021).

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Die Covid-19-Pandemie verschärfte die Situation in den Gefängnissen, da die Überbelegung es schwierig machte, die Infektionen unter den auf engem Raum lebenden Gefangenen zu kontrollieren. Nach Angaben der türkischen Generaldirektion für Gefängnisse und Haftanstalten meldeten 55 von 372 Gefängnissen COVID-19-Fälle (OMCT 2022).

Im Jahr 2021 starben mindestens 175 Gefangene an den Folgen von COVID-19. Aus den eingelangten Ansuchen schloss die Menschenrechtsvereinigung İHD, dass die Haftbedingungen für die Pandemie nicht geeignet waren und keine hygienischen und gesunden Bedingungen für die Gefangenen geschaffen wurden. Darüber hinaus führten die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu einer Entrechtung der Inhaftierten. Regelmäßige Untersuchungen und Behandlungen kranker Gefangener, einschließlich solcher in kritischem Zustand, wurden unterbrochen. Gefangene, die in regelmäßigen Abständen einen Arzt aufsuchen oder regelmäßig Medikamente einnehmen mussten, standen vor ernsthaften Problemen (İHD 6.2022, S. 27).

Angesichts des hohen Risikos der Ausbreitung von COVID-19 in überfüllten Gefängnissen verabschiedete das Parlament Mitte April 2020 eine Novellierung des Strafvollzugsgesetzes, die die Freilassung von bis zu 90.000 Gefangenen vorsah. Über 65.000 Personen profitierten mit Stand Juli 2020 von dieser neuen Bestimmung. Sie schloss jedoch nebst Schwerverbrechern, Sexualstraftätern und Drogen-Delinquenten eine sehr große Zahl von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Politikern, Anwälten und anderen Personen aus, die nach Prozessen im Rahmen der weit gefassten Anti-Terror-Gesetze inhaftiert wurden oder ihre Strafe verbüßen (EC 6.10.2020, S. 32; vgl. DFAT 10.9.2020). Angesichts des hohen Risikos der Ausbreitung von COVID-19 in überfüllten Gefängnissen verabschiedete das Parlament Mitte April 2020 eine Novellierung des Strafvollzugsgesetzes, die die Freilassung von bis zu 90.000 Gefangenen vorsah. Über 65.000 Personen profitierten mit Stand Juli 2020 von dieser neuen Bestimmung. Sie schloss jedoch nebst Schwerverbrechern, Sexualstraftätern und Drogen-Delinquenten eine sehr große Zahl von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Politikern, Anwälten und anderen Personen aus, die nach Prozessen im Rahmen der weit gefassten Anti-Terror-Gesetze inhaftiert wurden oder ihre Strafe verbüßen (EC 6.10.2020, S. 32; vergleiche DFAT 10.9.2020).

Quellen:
3Sat (6.5.2023): Die Ära Erdoğan am Ende? - Die Türkei zwischen Hoffnung und Verzweiflung, https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/die-tuerkei-zwischen-hoffung-und-verzweiflung-100.html, Zugriff 17.5.2023
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 19.8.2022
ABC-TGM - Adalet Bakanlığı Ceza ve Tevkifevleri Genel Müdürlüğü [Ministerium für Justiz und Inneres und Generaldirektion für Gefängnisse und Haftanstalten] [Türkei] (5.5.2023): Genel Bilgi [Allgemeine Informationen], https://cte.adalet.gov.tr/Home/SayfaDetay/cik-genel-bilgi, 17.5.2023
Ahval (25.10.2020): Turkey’s prisons are punishing Kurdish prisoners with high translation fees,ht tps://ahvalnews.com/kurd/turkeysprisons-are-punishing-kurdish-prisoners-high-translation-fees, Zugriff 22.2.2022
Bianet (7.1.2022): ‘1,941 arrested, convicted children in Turkey with their rights, needs disregarded’, https://bianet.org/english/humanrights/255877-1-941-arrested-convicted-children-in-turkey-wit h-their-rights-needs-disregarded, Zugriff 1.2.2022
CİSST – Ceza İnfaz Sisteminde Sivil Toplum Derneği – Civil Society in the Penal SystemAssociation (6.2022): Juvenile Prisoners: Conditions of Imprisonment and Execution Procedures, https://cisst. org.tr/reports/juvenile-prisoners/, 22.5.2023
CİSST – Ceza İnfaz Sisteminde Sivil Toplum Derneği – Civil Society in the Penal SystemAssociation (26.3.2021): Annual Report 2019, https://cisst.org.tr/reports/annual-report-on-prisons-2021/, Zugirff 22.5.2023
CoE – Council of Europe [Aebi, Marcelo F., Tiago, Mélanie M.] (30.3.2021): SPACE I - 2020 – Council of Europe Annual Penal Statistics, https://wp.unil.ch/space/files/2021/04/210330_FinalR eport_SPACE_I_2020.pdf, Zugriff 22.2.2022 CoE – Council of Europe [Aebi, Marcelo F., Tiago, Mélanie M.] (30.3.2021): SPACE römisch eins - 2020 – Council of Europe Annual Penal Statistics, https://wp.unil.ch/space/files/2021/04/210330_FinalR eport_SPACE_I_2020.pdf, Zugriff 22.2.2022
CoE-CPT – Council of Europe – European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (5.8.2020): Report to the Turkish Government on the visit to Turkey carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 6 to 17 May 2019 [CPT/Inf (2020) 24], https: //rm.coe.int/16809f20a1, Zugriff 22.2.2022
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pdf, Zugriff 22.2.2022 DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (31.3.2021): Turkey: Prison conditions, https://ww w.ecoi.net/en/file/local/2048256/Turkey+Prison+conditions+FINAL.pdf, Zugriff 22.2.2022
DTJ - Deutsch Türkisches Journal (4.12.2020): Der komplizierte Fall von Selahattin Demirtaş, https://dtj-online.de/der-komplizierte-fallvon-selahattin-demirtas/, Zugriff 17.5.2023
Duvar (30.8.2021): Imprisoned former HDP deputy, eight others given disciplinary penalty for Kurdish song, https://www.duvarenglish.com/imprisoned-former-hdp-deputy-eight-others-given-d isciplinary-penalty-for-kurdish-song-news-58657, Zugriff 22.2.2022
Duvar (18.2.2021): Turkish inmates’ children not given milk, regular daycare in prison, https://www. duvarenglish.com/turkish-inmateschildren-not-given-milk-regular-daycare-in-prison-news-562 99, Zugriff 23.2.2022
Duvar (23.11.2020): Women inmates in Turkey’s Van report notebooks being seized for containing Kurdish-language writing, https://www.duvarenglish.com/women-inmates-in-turkeys-van-report-n otebooks-being-seized-for-containing-kurdish-languagewriting-news-55167, Zugriff 22.2.2022
DW – Deutsche Welle (23.6.2019): Turkey: Babies behind bars, https://www.dw.com/en/turkey-b abies-behind-bars/a-49320769, Zugriff 22.2.2022
DW – Deutsche Welle (7.5.2019): Türkei: Die Folter der Einsamkeit, https://www.dw.com/de/t%C3 %BCrkei-die-folter-der-einsamkeit/a48636986, Zugriff 22.2.2022
EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 3.11.2022 EC – European Commission (6.10.2020): Turkey 2020 Report [SWD (2020) 355 final], https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/turkey_report_2020.pdf, Zugriff 22.2.2022
EP - Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 29.6.2022
EP - Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 22.2.2022 FP - Foreign Policy (8.8.2021): ‘We Fell Off the Face of the Earth’ - Opposition politicians are disappearing into Turkey’s massive new prison system, https://foreignpolicy.com/2021/08/08/turke y-prison-complex-erdogan/, Zugriff 1.2.2022
ICPR - Institute for Crime & Justice Policy Research (12.2022): World Prison Brief data - Turkey, https://www.prisonstudies.org/country/turkey, Zugriff 28.4.2023
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association (6.11.2022): Human Rights Association 2021 Report on Human Rights Violations in Turkey, https://ihd.org.tr/en/wp-content/uploads/2022/ 11/SR2022_2021-Turkey-Violations-Report.pdf, Zugriff 22.11.2022
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association (2.8.2022): Submission of the Human Rights Association / İHD (Turkey) to the Office of the Special Rapporteur on Violence against Women, Its Causes and Consequences, https://ihd.org.tr/en/wp-content/uploads/2022/08/IHD-S ubmission_Violence-againstWomen_UN-SR-on-VaW.pdf, Zugriff 18.8.2022
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association (6.2022): İHD 2021 Prisons Report, https://ihd.org.tr/en/wpcontent/uploads/2022/07/sr202207_%C4%B0HD-2021PrisonsReport.pdf, Zugriff 22.8.2022
İHD – İnsan Hakları Derneği – Human Rights Association (23.10.2020): Report on Rights Violations in the Prisons of the Marmara Region, Third Quarter 2020 (July-August-September 2020), https: //ihd.org.tr/en/wp-content/uploads/2020/10/20201023_TemmuzAgustosEylul2020_MarmaraHapi shaneRaporu-Eng.pdf, Zugriff 22.5.2023
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 3.10.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 28.4.2023
OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (21.9.2022): Türkiye needs to strengthen effective torture prevention measures, UN experts find, https://www.ohchr.or g/en/press-releases/2022/09/turkiye-needs-strengthen-effective-tortureprevention-measures-u n-experts, Zugriff 19.1.2023
OMCT – World Organisation Against Torture (2022): Briefing note on the situation of prisons and prisoners in Turkey, https://www.omct.org/site-resources/files/Brief_Situation-of-Prisons-in-Turke y_ENG.pdf, Zugriff 19.8.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (15.3.2022): Number of inmates exceeds 309,000 in Turkish prisons, https://stockholmcf.org/number-of-inmates-exceeds-309000-in-turkish-prisons/, Zugriff 23.3.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (12.10.2021): 345 children under the age of 6 in prison with their mothers in Turkey: report, https://stockholmcf.org/345-children-under-the-age-of-6-in-priso n-with-their-mothers-in-turkey-report/, Zugriff 1.2.2021
SCF – Stockholm Center for Freedom (5.4.2021): „I don’t want him to die in prison,“ says spouse of lymphoma patient imprisoned over Gülen links, https://stockholmcf.org/i-dont-want-him-to-die-i n-prison-says-spouse-of-lymphoma-patient-imprisoned-over-gulen-links/, Zugriff 22.2.2022
SCF – Stockholm Center for Freedom (26.11.2020): Prison administration bans Kurdish publications and notebooks, https://stockholmcf.org/prison-administration-bans-kurdish-publications-and -notebooks/, Zugriff 22.2.2022
TOHAV – Foundation for Society and Legal Studie/ CİSST – Civil Society in the Penal System Association/ ÖHD – Lawyers for Freedom Association (7.2019): The Human Rights situation in prisons - Universal Periodic Review - Turkey – 2020, https://uprdoc.ohchr.org/uprweb/downloadfi le.aspx?filename=7486&file=CoverPage, Zugriff 22.2.2022
UKHO – United Kingdom Home Office [Großbritannien] (10.2019): Report of a Home Office FactFinding Mission Turkey: Kurds, the HDP and the PKK; Conducted 17. Juni to 21. Juni 2019, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2020297/TURKEY_FFM_REPORT_2019.odt, Zugriff 22.2.2022
UNILCRIM/CoE - Université de Lausanne - Ecole des sciences criminelles/ Council of Europe (6.4.2022): Prisons and Prisoners in Europe 2021: Key Findings of the SPACE I report, https: //wp.unil.ch/space/files/2023/04/230420_Key-Findings-SPACE-I_Prisons-and-Prisonersin-Europ e-2021.pdf, Zugriff 22.5.2023 UNILCRIM/CoE - Université de Lausanne - Ecole des sciences criminelles/ Council of Europe (6.4.2022): Prisons and Prisoners in Europe 2021: Key Findings of the SPACE römisch eins report, https: //wp.unil.ch/space/files/2023/04/230420_Key-Findings-SPACE-I_Prisons-and-Prisonersin-Europ e-2021.pdf, Zugriff 22.5.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/03/415610_ TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugirff 28.3.2023

Religionsfreiheit und religiöse Minderheiten

Letzte Änderung: 26.06.2023

Die Türkei definiert sich zwar als säkularer Staat, dessen Verfassung die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die Religionsausübung garantiert und Diskriminierung aus religiösen Gründen verbietet (USDOS 15.5.2023), de facto besteht jedoch keine Trennung von Religion und Staat (BMZ 10.2020). Das Land ist von der jahrzehntelangen kemalistischen Tradition geprägt mit der Vision einer hom*ogenen türkischen Gesellschaft sunnitischen Glaubens, wo der Existenz religiöser Minderheiten praktisch kein Platz eingeräumt wurde (ÖB 30.11.2022, S. 23; vgl. BMZ 10.2020). Um die von Minderheiten möglicherweise ausgehende Bedrohung gering zu halten, sollten nach dieser Denkweise Nichtmuslime bzw. Muslime nicht-sunnitischen Glaubens nicht über solide rechtliche Strukturen verfügen (ÖB 30.11.2022, S. 23). Der Staat beansprucht das Monopol auf die Gestaltung und Kontrolle des religiösen Lebens (BMZ 10.2020). Die Türkei definiert sich zwar als säkularer Staat, dessen Verfassung die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die Religionsausübung garantiert und Diskriminierung aus religiösen Gründen verbietet (USDOS 15.5.2023), de facto besteht jedoch keine Trennung von Religion und Staat (BMZ 10.2020). Das Land ist von der jahrzehntelangen kemalistischen Tradition geprägt mit der Vision einer hom*ogenen türkischen Gesellschaft sunnitischen Glaubens, wo der Existenz religiöser Minderheiten praktisch kein Platz eingeräumt wurde (ÖB 30.11.2022, S. 23; vergleiche BMZ 10.2020). Um die von Minderheiten möglicherweise ausgehende Bedrohung gering zu halten, sollten nach dieser Denkweise Nichtmuslime bzw. Muslime nicht-sunnitischen Glaubens nicht über solide rechtliche Strukturen verfügen (ÖB 30.11.2022, S. 23). Der Staat beansprucht das Monopol auf die Gestaltung und Kontrolle des religiösen Lebens (BMZ 10.2020).

Die Regierung schränkt weiterhin die Rechte nicht-muslimischer religiöser Minderheiten ein, insbesondere derjenigen, die nach der Auslegung des Lausanner Vertrags von 1923 durch die Regierung nicht anerkannt werden. Anerkannt sind nur armenisch-apostolische und griechischorthodoxe Christen sowie Juden (USDOS 15.5.2023; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 23). Andere religiöse Minderheiten, wie zum Beispiel Aleviten, Baha’i, Protestanten, römische Katholiken oder Syrisch-Orthodoxe, sind ohne Status. Davon unabhängig kommt zudem im türkischen Recht keiner nicht-muslimischen Religionsgemeinschaft als solcher Rechtspersönlichkeit zu (ÖB 30.11.2022, S. 23). Religionsgemeinschaften können nur indirekt im Wege von Stiftungen (vakıf), die von Privatpersonen gegründet werden, rechtlich tätig werden. Das System der „vakıf“ geht auf das Osmanische Reich zurück und wurde durch den Vertrag von Lausanne und diverse Stiftungsgesetze über die Zeit verfestigt. Derzeit gibt es 167 solcher Stiftungen, darunter 77 griechisch-orthodoxe, 54 armenisch-orthodoxe, 19 jüdische, zehn syrisch-orthodoxe, drei chaldäisch-katholische, zwei bulgarisch-orthodoxe und jeweils eine georgisch-orthodoxe und türkisch-orthodoxe (Stand: August 2022). Da die Regierung seit 2013 keine neue Wahlregelung für diese Stiftungen erlässt, können die Mitglieder der Stiftungsräte nicht bestellt werden. In der Praxis wird dadurch das Tätigwerden der nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften massiv erschwert (ÖB 30.11.2022, S. 23; vgl. Bianet 12.4.2022, DFAT 10.9.2020). Nach türkischer Lesart können sich nur die vom Lausanner Vertrag erfassten drei [oben erwähnten] ethno-religiöse Gemeinschaften auf ihre religiösen Stiftungen (vakıf) stützen. Die restlichen Religionsgruppen können sich ebenfalls, wenn sie die verwaltungsrechtlichen Vorgaben erfüllen, als Stiftung oder als Verein organisieren (AA 28.7.2022, S. 11). Die Regierung schränkt weiterhin die Rechte nicht-muslimischer religiöser Minderheiten ein, insbesondere derjenigen, die nach der Auslegung des Lausanner Vertrags von 1923 durch die Regierung nicht anerkannt werden. Anerkannt sind nur armenisch-apostolische und griechischorthodoxe Christen sowie Juden (USDOS 15.5.2023; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 23). Andere religiöse Minderheiten, wie zum Beispiel Aleviten, Baha’i, Protestanten, römische Katholiken oder Syrisch-Orthodoxe, sind ohne Status. Davon unabhängig kommt zudem im türkischen Recht keiner nicht-muslimischen Religionsgemeinschaft als solcher Rechtspersönlichkeit zu (ÖB 30.11.2022, S. 23). Religionsgemeinschaften können nur indirekt im Wege von Stiftungen (vakıf), die von Privatpersonen gegründet werden, rechtlich tätig werden. Das System der „vakıf“ geht auf das Osmanische Reich zurück und wurde durch den Vertrag von Lausanne und diverse Stiftungsgesetze über die Zeit verfestigt. Derzeit gibt es 167 solcher Stiftungen, darunter 77 griechisch-orthodoxe, 54 armenisch-orthodoxe, 19 jüdische, zehn syrisch-orthodoxe, drei chaldäisch-katholische, zwei bulgarisch-orthodoxe und jeweils eine georgisch-orthodoxe und türkisch-orthodoxe (Stand: August 2022). Da die Regierung seit 2013 keine neue Wahlregelung für diese Stiftungen erlässt, können die Mitglieder der Stiftungsräte nicht bestellt werden. In der Praxis wird dadurch das Tätigwerden der nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften massiv erschwert (ÖB 30.11.2022, S. 23; vergleiche Bianet 12.4.2022, DFAT 10.9.2020). Nach türkischer Lesart können sich nur die vom Lausanner Vertrag erfassten drei [oben erwähnten] ethno-religiöse Gemeinschaften auf ihre religiösen Stiftungen (vakıf) stützen. Die restlichen Religionsgruppen können sich ebenfalls, wenn sie die verwaltungsrechtlichen Vorgaben erfüllen, als Stiftung oder als Verein organisieren (AA 28.7.2022, S. 11).

Das Gesetz verbietet Sufi- und andere religiös-soziale Orden (tarikat) sowie Logen (tekke oder zaviye), obgleich die Regierung diese Einschränkungen im Allgemeinen nicht vollstreckt (USDOS 15.5.2023). Formal seit den Zwanziger-Jahren verboten, als etwa 1925 alle Derwischhäuser geschlossen wurden, organisieren sich die Anhänger des Sufismus in Vereinen und geben ihr Wissen legal, beispielsweise an Universitäten, weiter. An der staatlichen Universität Istanbul etwa besteht ein eigener Lehrstuhl samt Master-Studienlehrgang für Sufismus (DF 19.2.2018).

In der Türkei ist das individuelle Recht, zu glauben, nicht zu glauben und seinen Glauben zu wechseln, gesetzlich geschützt. Es gibt jedoch weit verbreitete Berichte über Druck in der Familie, am Arbeitsplatz und im sozialen Umfeld, insbesondere auf Personen, die eine andere Religion, einen anderen Glauben oder eine andere Weltanschauung als den Islam haben - einschließlich der Angst, diskriminiert zu werden. Für Atheisten, Konvertiten zum Christentum, Aleviten und Angehörige nicht-muslimischer Minderheiten sind diese Erfahrungen weit verbreitet. Die rechtlichen Instrumente zur Wiedergutmachung von diesbezüglichen Rechtsverletzungen sind nicht effektiv (NHC 11.9.2020, S. 10). Das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit schließt das Recht ein, die eigene Religion oder Weltanschauung zu verbreiten. Aktivitäten, die darauf abzielen, die eigene Religion zu verbreiten, werden allerdings oft mit Misstrauen betrachtet. Sie werden schnell als „missionarische Aktivitäten“ bezeichnet und fallen als solche nicht in den Geltungsbereich des Rechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit (NHC-FBI 19.4.2022, S. 37).

Blasphemie ist nach dem Strafgesetzbuch verboten, das die „Erregung von Hass und Feindseligkeit“ unter Strafe stellt, einschließlich öffentlicher Respektlosigkeit gegenüber religiösen Überzeugungen. Das Gesetz bestraft beleidigende Äußerungen gegenüber Wertvorstellungen, die von einer Religion als heilig betrachtet werden. Die Beleidigung einer Religion wird mit sechs Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis sanktioniert. Die Störung des Gottesdienstes einer religiösen Gruppe wird mit ein bis drei Jahren, die Beschädigung religiösen Eigentums mit drei Monaten bis zu einem Jahr und die Zerstörung religiösen Eigentums mit ein bis vier Jahren Gefängnis bestraft. Da es illegal ist, Gottesdienste an Orten abzuhalten, die nicht als Gebetsstätten registriert sind, gelten diese gesetzlichen Verbote in der Praxis nur für anerkannte religiöse Gruppen (USDOS 15.5.2023). Die Türkei machte nicht nur vom entsprechenden Artikel des Strafgesetzbuchs Gebrauch, sondern gehört auch zu den Top-10-Ländern der Welt, in denen Fälle von angeblicher Blasphemie durch die Nutzung sozialer Medien verfolgt werden. Beispielsweise kündigte die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft 2022 eine Untersuchung gegen Spotify, einen schwedischen Musikstreamingdienst, an, nachdem Beschwerden eingegangen waren, dass die Namen bestimmter Playlists „religiöse Werte“ und Staatsbeamte beleidigten. - Im Jänner 2022 machte die türkische Popsängerin Sezen Aksu Schlagzeilen, nachdem sie einen Clip eines fünf Jahre alten Liedes von sich auf YouTube geteilt hatte. Das Lied erregte in den sozialen Medien große Aufmerksamkeit und löste bei mehreren Regierungsvertretern Kritik aus, weil der Text die religiösen Figuren Adam und Eva als „ignorant“ bezeichnete. Nach dem Freitagsgebet in jenem Monat warnte Präsident Erdoğan, ohne Aksu namentlich zu nennen, dass „niemand gegen seine Heiligkeit Adam sprechen darf. Wenn es sein muss, ist es unsere Pflicht, diese Zungen herauszureißen. Niemand kann gegen unsere Mutter Eva sprechen. Es ist unsere Pflicht, diejenigen, die gegen sie sprechen, auf ihren Platz zu verweisen.“ Regierungsnahe Juristen erstatteten gegen die Sängerin Anzeige, die staatliche Religionsbehörde Diyanet und die Rundfunkbehörde RTÜK griffen ebenfalls ein (USCIRF 12.2022, S. 3; vgl. NZZ 1.2.2022). Blasphemie ist nach dem Strafgesetzbuch verboten, das die „Erregung von Hass und Feindseligkeit“ unter Strafe stellt, einschließlich öffentlicher Respektlosigkeit gegenüber religiösen Überzeugungen. Das Gesetz bestraft beleidigende Äußerungen gegenüber Wertvorstellungen, die von einer Religion als heilig betrachtet werden. Die Beleidigung einer Religion wird mit sechs Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis sanktioniert. Die Störung des Gottesdienstes einer religiösen Gruppe wird mit ein bis drei Jahren, die Beschädigung religiösen Eigentums mit drei Monaten bis zu einem Jahr und die Zerstörung religiösen Eigentums mit ein bis vier Jahren Gefängnis bestraft. Da es illegal ist, Gottesdienste an Orten abzuhalten, die nicht als Gebetsstätten registriert sind, gelten diese gesetzlichen Verbote in der Praxis nur für anerkannte religiöse Gruppen (USDOS 15.5.2023). Die Türkei machte nicht nur vom entsprechenden Artikel des Strafgesetzbuchs Gebrauch, sondern gehört auch zu den Top-10-Ländern der Welt, in denen Fälle von angeblicher Blasphemie durch die Nutzung sozialer Medien verfolgt werden. Beispielsweise kündigte die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft 2022 eine Untersuchung gegen Spotify, einen schwedischen Musikstreamingdienst, an, nachdem Beschwerden eingegangen waren, dass die Namen bestimmter Playlists „religiöse Werte“ und Staatsbeamte beleidigten. - Im Jänner 2022 machte die türkische Popsängerin Sezen Aksu Schlagzeilen, nachdem sie einen Clip eines fünf Jahre alten Liedes von sich auf YouTube geteilt hatte. Das Lied erregte in den sozialen Medien große Aufmerksamkeit und löste bei mehreren Regierungsvertretern Kritik aus, weil der Text die religiösen Figuren Adam und Eva als „ignorant“ bezeichnete. Nach dem Freitagsgebet in jenem Monat warnte Präsident Erdoğan, ohne Aksu namentlich zu nennen, dass „niemand gegen seine Heiligkeit Adam sprechen darf. Wenn es sein muss, ist es unsere Pflicht, diese Zungen herauszureißen. Niemand kann gegen unsere Mutter Eva sprechen. Es ist unsere Pflicht, diejenigen, die gegen sie sprechen, auf ihren Platz zu verweisen.“ Regierungsnahe Juristen erstatteten gegen die Sängerin Anzeige, die staatliche Religionsbehörde Diyanet und die Rundfunkbehörde RTÜK griffen ebenfalls ein (USCIRF 12.2022, S. 3; vergleiche NZZ 1.2.2022).

Der Blasphemie-Paragraph dient vornehmlich als politisches Instrument zur Verfolgung all jener, die den staatlichen Institutionen und deren Vertretern kritisch gegenüber stehen. Außerdem scheint es in der Rechtspraxis laut der türkischen NGO Initiative für Religionsfreiheit - İnanç Özgürlüğü Girişimi so zu sein, dass die Anwendung von Artikel 216 Absatz 3 durch die Behörden weitgehend auf Fälle beschränkt ist, die den Islam betreffen, und nicht die äquivalenten Beleidigungen von religiösen Minderheiten (USCIRF 12.2022, S. 1f.). Nach einer Flut von Strafverfolgungen zwischen 2014 und 2016 - darunter von Journalisten, die 2016 französische Charlie-Hebdo-Karikaturen des Propheten Mohammad nachgedruckt haben - ist in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang der Beschwerden, Strafverfolgungen und Verurteilungen zu verzeichnen (DFAT 10.9.2020).

Das Strafgesetzbuch verbietet es, religiösen Führern während der Ausübung ihres Amtes die Regierung oder die Gesetze des Staates „zu tadeln oder zu verunglimpfen“. Darauf stehen Gefängnisstrafen von bis zu einem Jahr, im Falle einer Aufstachelung zur Missachtung des Gesetzes sogar von bis zu drei Jahren (USDOS 15.5.2023).

Das Amt für Religionsangelegenheiten (Diyanet), eine durch die Verfassung eingerichtete staatliche Institution, regelt und koordiniert religiöse Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Islam. Laut Gesetz hat das Diyanet den Auftrag, den Glauben, die Praktiken und die moralischen Grundsätze des Islams zu ermöglichen und zu fördern - wobei der Schwerpunkt auf dem sunnitischen Islam liegt - die Öffentlichkeit über religiöse Fragen aufzuklären und Moscheen zu verwalten. Das Diyanet ist verwaltungstechnisch unter dem Büro des Staatspräsidenten angesiedelt. Der Leiter des Diyanet wird vom Staatspräsidenten ernannt und von einem 16-köpfigen Rat verwaltet, der von Klerikern und den theologischen Fakultäten der Universitäten gewählt wird. Obwohl das Gesetz nicht vorschreibt, dass alle Mitglieder des Rates sunnitische Muslime sein müssen, ist dies in der Praxis der Fall. (USDOS 15.5.2023). Während das Diyanet alle Angelegenheiten bezüglich der Ausübung des Islams verwaltet, ist die Generaldirektion für Stiftungen (Vakiflar) für alle anderen Religionen zuständig (DFAT 10.9.2020).

In der Türkei sind laut Regierungsangaben 99 % der Bevölkerung muslimischen Glaubens, inklusive Aleviten. Aus den im Jahr 2021 veröffentlichten Meinungsumfragen des Forschungs- und Meinungsforschungsunternehmens KONDA Research and Consultancy geht hervor, dass sich etwa 88 % als sunnitische Muslime bezeichnen, 6 % als Nichtgläubige, 4 % als Aleviten und die restlichen 2 % in der Kategorie „Sonstige“. Die Aleviten-Stiftung geht jedoch davon aus, dass 25 bis 31 % der Bevölkerung Aleviten sind. 4 % der Muslime sind laut eigener Schätzung schiitische Jafari (USDOS 15.5.2023; vgl. BMZ 10.2020). Die nicht-muslimischen Gruppen konzentrieren sich überwiegend in Istanbul und anderen großen Städten sowie im Südosten des Landes. Präzise Zahlen gibt es hierzu nicht. Laut Eigenangaben sind ungefähr 90.000 Mitglieder der Armenisch-Apostolischen Kirche, 25.000 römisch-katholische Christen und 12.000-16.000 Juden. Darüber hinaus gibt es 25.000 syrisch-orthodoxe Christen und ca. 10.000 Baha’i. Die Zahl der ostorthodoxen Christen ist im Laufe des Jahres 2022 deutlich auf über 150.000 gestiegen, was vor allem auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen ist, der zu einem Zustrom von schätzungsweise 60.000 Russen und 40.000 Ukrainern führte. Zur ostorthodoxen Bevölkerung gehören auch weniger als 2.500 ethnisch griechisch-orthodoxe Christen und eine kleine, unbestimmte Anzahl bulgarischorthodoxer und georgisch-orthodoxer Christen. Zu den anderen Gruppen gehören schätzungsweise 7.000 bis 10.000 Mitglieder protestantischer und evangelikaler christlicher Konfessionen; 5.000 Mitglieder der Zeugen Jehovas; schätzungsweise 2.000 bis 3.500 armenische Katholiken; weniger als 3.000 chaldäische Christen; und weniger als 1.000 Jesiden (USDOS 15.5.2023). In der Türkei sind laut Regierungsangaben 99 % der Bevölkerung muslimischen Glaubens, inklusive Aleviten. Aus den im Jahr 2021 veröffentlichten Meinungsumfragen des Forschungs- und Meinungsforschungsunternehmens KONDA Research and Consultancy geht hervor, dass sich etwa 88 % als sunnitische Muslime bezeichnen, 6 % als Nichtgläubige, 4 % als Aleviten und die restlichen 2 % in der Kategorie „Sonstige“. Die Aleviten-Stiftung geht jedoch davon aus, dass 25 bis 31 % der Bevölkerung Aleviten sind. 4 % der Muslime sind laut eigener Schätzung schiitische Jafari (USDOS 15.5.2023; vergleiche BMZ 10.2020). Die nicht-muslimischen Gruppen konzentrieren sich überwiegend in Istanbul und anderen großen Städten sowie im Südosten des Landes. Präzise Zahlen gibt es hierzu nicht. Laut Eigenangaben sind ungefähr 90.000 Mitglieder der Armenisch-Apostolischen Kirche, 25.000 römisch-katholische Christen und 12.000-16.000 Juden. Darüber hinaus gibt es 25.000 syrisch-orthodoxe Christen und ca. 10.000 Baha’i. Die Zahl der ostorthodoxen Christen ist im Laufe des Jahres 2022 deutlich auf über 150.000 gestiegen, was vor allem auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen ist, der zu einem Zustrom von schätzungsweise 60.000 Russen und 40.000 Ukrainern führte. Zur ostorthodoxen Bevölkerung gehören auch weniger als 2.500 ethnisch griechisch-orthodoxe Christen und eine kleine, unbestimmte Anzahl bulgarischorthodoxer und georgisch-orthodoxer Christen. Zu den anderen Gruppen gehören schätzungsweise 7.000 bis 10.000 Mitglieder protestantischer und evangelikaler christlicher Konfessionen; 5.000 Mitglieder der Zeugen Jehovas; schätzungsweise 2.000 bis 3.500 armenische Katholiken; weniger als 3.000 chaldäische Christen; und weniger als 1.000 Jesiden (USDOS 15.5.2023).

Während ein Großteil der Bevölkerung an den von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) geförderten Werten des sozialen Konservativismus und der religiösen Frömmigkeit festhält, gibt es auch einen großen Teil der Bevölkerung, der Religion in erster Linie als Privatsache betrachtet. Zu dieser Gruppe gehören Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Lebensstilen, wobei der Säkularismus der wichtigste gemeinsame Nenner ist. Sie fühlen sich durch staatliche Maßnahmen im Sinne einer Islamisierung zunehmend marginalisiert (NL-MFA 31.10.2019). 3 % bezeichnen sich mittlerweile als Atheisten - 2008 waren es nur 1 % - und 2 % als nicht gläubig (AM 9.1.2019). Der Prozentsatz derjenigen, die sich als Muslime verstehen, sank dagegen von 55 % auf 51 %, was im Widerspruch zu den offiziell kolportierten 99 % steht. Allerdings sehen sich viele soziologisch und kulturell als Muslime, ohne religiös zu sein. Schätzungen zu Folge gelten 60 % als praktizierende Muslime (DW 9.1.2019).

Kritiker werfen der AKP vor, sunnitische Muslime zu bevorzugen, und verweisen auf die Umgestaltung des Bildungssystems, welches den islamischen Unterricht in säkularen Schulen begünstigt und den Aufstieg religiöser Schulen gefördert hat. Die AKP baute auch das Direktorat für religiöse Angelegenheiten aus und nutzte diese Institution als Kanal für politische Klientelpolitik. Neben anderen Funktionen nutzt die Partei das Direktorat, um regierungsfreundliche Predigten in Moscheen in der Türkei sowie in Ländern, in denen die türkische Diaspora präsent ist, zu verbreiten (FH 10.3.2023, B4). Seit ihrer Machtübernahme hat die AKP-Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die ihre Sicht des Islams und der Gesellschaft widerspiegeln. Dazu gehört die Anpassung der Lehrpläne, um Themen wie Darwins Evolutionstheorie auszuschließen. Darüber hinaus versucht die Regierung, den Alkoholkonsum zu reduzieren, indem sie hohe Steuern einführt und Werbung für Alkohol verbietet. Die Regierung fördert auch sog. „nationale und spirituelle Werte“ durch die von ihr kontrollierten Medien und unterstützt die islamische Zivilgesellschaft mit Ressourcen. Bereits 2010 hob die AKP-Regierung das von einigen türkischen Frauen als diskriminierend empfundene Verbot des Tragens eines Kopftuches auf, wenn sie in staatlichen Einrichtungen arbeiten oder studieren wollen (NL-MFA 31.10.2019). Das Kopftuch ist das einzige religiöse Symbol, das für Beamte oder Schüler in Grund-, Mittel- oder Oberschulen erlaubt ist. Andere religiöse Symbole wie die Kippa, das Kreuz oder der Zulfikar [Symbol von Schiiten, Aleviten und Alawiten] sind hingegen nicht erlaubt (NHC-FBI 19.4.2022, S. 39).

Neben der Rhetorik gegen Minderheitengruppen geben die aggressive Kampagne seitens der Regierung und der Medien gegen Israel im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt sowie ein antiwestlicher, insbesondere gegen Europa gerichtetes Islamophobie-Narrativ Anlass zu Besorgnis. Das Zusammenspiel dieser Tendenzen begünstigt eine gegenüber religiösen Minderheiten feindliche Stimmung, die auch in Hassreden in sozialen Medien Ausdruck findet - von den Justizbehörden oft als Ausdruck freier Meinungsäußerung toleriert - und ermutigt implizit zu Gewalt und Aggression (ÖB 30.11.2022, S. 24). Hierzu stellte das Europäische Parlament im Juni 2022 „mit Besorgnis fest, dass noch immer Hetze und Hassverbrechen gegen religiöse Minderheiten, hauptsächlich Aleviten, Christen und Juden, gemeldet werden und dass die einschlägigen Ermittlungen ergebnislos bleiben“ (EP 7.6.2022, S. 13, Pt. 19).

Im Jahr 2021 waren die Bedingungen für die Religionsfreiheit in der Türkei nach wie vor schlecht, ohne dass sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr verbessert hätte. Viele Religionsgemeinschaften sahen sich weiterhin mit bürokratischen Hindernissen konfrontiert, die die Ausübung ihrer Religion verhinderten oder ernsthaft einschränkten. Insbesondere weigerte sich die Regierung weiterhin, religiösen Gruppen die Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen. Ebenso unternahm die Regierung keine Schritte zur Wiedereröffnung der Theologischen Schule von Halki (ChalkiSeminar), einem Seminar des Ökumenischen Patriarchats der Ost-orthodoxen Kirche. Durch die Nachlässigkeit der Regierung gegenüber Vandalismus und sogenannte „Schatzsucher“ wurden religiöse Stätten ernsthaft beschädigt oder zerstört (USCIRF 4.2021, S. 62f.).

Es kommt immer wieder zu Hassverbrechen, inklusive solcher Äußerungen seitens Regierungsvertreter und Politiker, auch der Opposition (BMZ 10.2020), die sich gegen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften und deren Gotteshäuser, zugehörige Einrichtungen, religiöse/spirituelle Führer und Mitglieder richten, und diese Straftaten bleiben zumal ungestraft. Die derzeitige Gesetzgebung ist unzureichend, um gegen Hassverbrechen vorzugehen. Die Straftaten werden weder ausreichend gemeldet noch von den Behörden ausreichend erfasst (NHCFBI 19.4.2022, S. 37).

Die antisemitische Rhetorik in Printmedien und in sozialen Medien hält an (USDOS 20.3.2023, S.90). Laut einem Bericht der armenischen Hrant-Dink-Stiftung über Hassreden gab es mehrere Hundert Fälle anti-semitischer Rhetorik in der Presse, in denen Juden als gewalttätig, verschwörerisch und als Feinde des Landes dargestellt wurden (USDOS 30.3.2021, S. 68).

Die Zahl der Religionsschulen, die den sunnitischen Islam fördern, ist unter AKP-Regierungszeit gestiegen (NL-MFA 31.10.2019). Der staatliche Unterricht umfasst einen verpflichtenden Religionsunterricht, wobei sich die Regierung auch mit Ende 2022 weiterhin nicht an ein Urteil des EGMR aus dem Jahr 2013 gehalten hat, wonach der von der Regierung verordnete verpflichtende Religionsunterricht an öffentlichen Schulen gegen die Bildungsfreiheit verstößt (USDOS 15.5.2023). Der Religionsunterricht an staatlichen Schulen ist ausschließlich sunnitisch-hanafitisch. Das Erziehungsministerium hat die Freistellungsmöglichkeit für alle nicht-muslimischen Schüler (nicht nur für jene im Lausanner Vertrag genannten) 2009 offiziell eingeräumt, vorausgesetzt, die entsprechende Religionszugehörigkeit ist im Personenstandsregister eingetragen. Seit 2016 erscheint die Religionszugehörigkeit nicht mehr im Personalausweis, wird aber weiterhin im Personenstandsregister verpflichtend erfasst und ist für die Verwaltung und die Polizei einsehbar. Die Freistellung von alevitischen Kindern vom obligatorischen Religionsunterricht muss in der Regel auf dem Klageweg erstritten werden, da sie im Register als Muslime erfasst werden. Für Nichtgläubige besteht keine Möglichkeit zur Freistellung (BMZ 10.2020). Atheisten, Agnostiker, Baha’i, Jesiden, Hindus, Buddhisten, Aleviten, andere nicht-sunnitische Muslime oder diejenigen, die den Abschnitt „Religion“ auf ihrem nationalen Personalausweis [vor 2016] leer gelassen haben, werden selten vom Religionsunterricht befreit (USDOS 15.5.2023).

Das Verfassungsgericht entschied im April 2022, dass der obligatorische Religionsunterricht gegen die Religionsfreiheit verstößt, und bestätigte damit die beiden früheren Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), welcher die Türkei wegen des Prinzips und des Inhalts des obligatorischen Religionsunterrichts kritisiert hatte (AM 12.4.2022; vgl. Bianet 11.4.2022). Das Verfassungsgericht entschied im April 2022, dass der obligatorische Religionsunterricht gegen die Religionsfreiheit verstößt, und bestätigte damit die beiden früheren Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), welcher die Türkei wegen des Prinzips und des Inhalts des obligatorischen Religionsunterrichts kritisiert hatte (AM 12.4.2022; vergleiche Bianet 11.4.2022).

Aleviten und Nicht-Muslime werden in Schulen und im öffentlichen Sektor systematisch diskriminiert (FH 10.3.2023, F4; vgl. AA 28.7.2022, S. 11). Mit Ausnahme wissenschaftlicher Einrichtungen sind Angehörige nicht-muslimischer Religionsgemeinschaften nur in Einzelfällen im öffentlichen Dienst zu finden, aber nicht in der Armee (ÖB 30.11.2022, S. 26). Ende Oktober 2021 wurde erstmals in der Geschichte der Republik ein der armenischen Gemeinde zugehöriger Kandidat zum Verfahren für die Ausbildung zum Distriktgouverneur zugelassen. Und Mitte August 2022 erfolgte seine Ernennung zum Distriktgouverneur von Babadağ/Denizli. Früher bestehende Bestimmungen, welche die Aufnahme von Minderheitenangehörigen in den Staatsdienst auch rechtlich eingeschränkt hatten, wurden in der Zwischenzeit zwar aufgehoben, doch werden sie als gelebte Praxis weiterhin beachtet. Im Wissen, dass eine Bewerbung aussichtslos wäre, bemühen sich Angehörige, etwa der christlichen Minderheiten, inzwischen meist gar nicht mehr um eine Aufnahme. - Im türkischen Parlament zählt die Republikanische Volkspartei (CHP) einen und die Demokratische Partei der Völker (HDP) zwei christliche Abgeordnete in ihren Reihen (ÖB 30.11.2022, S. 26). Aleviten und Nicht-Muslime werden in Schulen und im öffentlichen Sektor systematisch diskriminiert (FH 10.3.2023, F4; vergleiche AA 28.7.2022, S. 11). Mit Ausnahme wissenschaftlicher Einrichtungen sind Angehörige nicht-muslimischer Religionsgemeinschaften nur in Einzelfällen im öffentlichen Dienst zu finden, aber nicht in der Armee (ÖB 30.11.2022, S. 26). Ende Oktober 2021 wurde erstmals in der Geschichte der Republik ein der armenischen Gemeinde zugehöriger Kandidat zum Verfahren für die Ausbildung zum Distriktgouverneur zugelassen. Und Mitte August 2022 erfolgte seine Ernennung zum Distriktgouverneur von Babadağ/Denizli. Früher bestehende Bestimmungen, welche die Aufnahme von Minderheitenangehörigen in den Staatsdienst auch rechtlich eingeschränkt hatten, wurden in der Zwischenzeit zwar aufgehoben, doch werden sie als gelebte Praxis weiterhin beachtet. Im Wissen, dass eine Bewerbung aussichtslos wäre, bemühen sich Angehörige, etwa der christlichen Minderheiten, inzwischen meist gar nicht mehr um eine Aufnahme. - Im türkischen Parlament zählt die Republikanische Volkspartei (CHP) einen und die Demokratische Partei der Völker (HDP) zwei christliche Abgeordnete in ihren Reihen (ÖB 30.11.2022, S. 26).

Rechtliche Hindernisse hinsichtlich der Konversion, etwa ein Übertritt zum Christentum, bestehen nicht. Allerdings werden Konvertiten in der Folge oft von ihren Familien bzw. ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt (AA 28.7.2022, S. 11; vgl. BMZ 10.2020) oder am Arbeitsplatz gemieden (USDOS 12.5.2021). Religiöse Missionstätigkeit ist seit 1991 nicht mehr verboten (BMZ 10.2020). Nach wie vor begegnet die große muslimische Mehrheit sowohl der Hinwendung zu einem anderen als dem muslimischen Glauben als auch jeglicher Missionierungstätigkeit mit großem Misstrauen (AA 28.7.2022, S. 11). Rechtliche Hindernisse hinsichtlich der Konversion, etwa ein Übertritt zum Christentum, bestehen nicht. Allerdings werden Konvertiten in der Folge oft von ihren Familien bzw. ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt (AA 28.7.2022, S. 11; vergleiche BMZ 10.2020) oder am Arbeitsplatz gemieden (USDOS 12.5.2021). Religiöse Missionstätigkeit ist seit 1991 nicht mehr verboten (BMZ 10.2020). Nach wie vor begegnet die große muslimische Mehrheit sowohl der Hinwendung zu einem anderen als dem muslimischen Glauben als auch jeglicher Missionierungstätigkeit mit großem Misstrauen (AA 28.7.2022, S. 11).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 29.8.2022
AM – Al Monitor (12.4.2022): Turkey’s top court rules compulsory religion courses violate rights, https://www.almonitor.com/originals/2022/04/turkeys-top-court-rules-compulsory-religion-cours es-violate-rights, Zugriff 19.4.2022
AM – Al Monitor (9.1.2019): Turks losing trust in religion under AKP, https://www.al-monitor.com/p ulse/originals/2019/01/turkeybecoming-less-religious-under-akp.html, Zugriff 1.3.2022
BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (10.2020): Zweiter Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit, https: //www.auswaertigesamt.de/blob/2410402/9e394a9928461b6c4ac0d4368b7a26af/201028-z weiter-bericht-der-bundesregierung-zur-weltweiten-lage-derreligionsfreiheit-data.pdf, Zugriff 3.5.2022
Bianet (12.4.2022): Why Turkey’s minorities not able to elect their community leaders for nine years?, https://bianet.org/english/minorities/260380-why-turkey-s-minorities-not-able-to-elect-the ir-community-leaders-for-nine-years, Zugriff 23.11.2022
Bianet (11.4.2022): Compulsory religion class violates ECHR, Constitutional Court rules, https: //bianet.org/english/law/260286-turkeys-compulsory-religion-class-violates-echr-constitutional-c ourt-rules, Zugriff 19.4.2022
DF - Deutschlandfunk (19.2.2018): Mystik in der Türkei - Eine Frau leitet einen Sufi-Orden, https: //www.deutschlandfunk.de/mystik-in-der-tuerkei-eine-frau-leitet-einen-sufi-orden-100.html, Zugriff 11.5.2022
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pdf, Zugriff 1.3.2022
DW – Deutsche Welle (9.1.2019): Zahl der Atheisten in Erdogans Türkei steigt, https://www.dw.c om/de/zahl-der-atheisten-in-erdoganst%C3%BCrkei-steigt/a-46992921, Zugriff 1.3.2022
EP - Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.europarl .europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 29.6.2022
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 27.4.2023
NHC-FBI - Norwegian Helsinki Committee’s Freedom of Belief Initiative [Yıldırım, Mine] (19.4.2022): An Appeal to Move Forward from Aspirations to Actions - Monitoring Report on the Right to Freedom of Religion or Belief in Turkey, https://inancozgurlugugirisimi.org/wpcontent/uploads/2022/04/iog -monitoring-report-on-forb-2022-en.pdf, 9.5.2022
NHC – Norwegian Helsinki Committee (11.9.2020): Pursuing Rights and Equality: Monitoring Report on the Right to Freedom of Religion or Belief in Turkey, https://www.nhc.no/content/uploads/2 020/09/Report_Turkey_ENG_web.pdf, Zugriff 1.3.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (31.10.2019): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.rijksoverheid.nl/binaries/rijksoverheid/documenten /ambtsberichten/2019/10/31/algemeen-ambtsbericht-turkije-oktober-2019/Turkije++October+201 9.pdf, Zugriff 1.3.2022 NZZ - Neue Zürcher Zeitung (1.2.2022): Kulturkampf in der Türkei: Die türkische Pop-Königin ist unantastbar – auch für Erdogan, https://www.nzz.ch/podcast/sezen-aksu-erdogans-kulturkampf-n zz-akzent-ld.1667345, Zugriff 27.4.2023
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 27.4.2023
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom: Country [USA] (12.2022): Charges for Blasphemy and „Insulting Religious Values“, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2022-12/2022%20Turke y%20Charges%20for%20Blasphemy%20and%20Insulting%20Religious%20Values%20v2.pdf, Zugriff 27.4.2023 USCIRF – US Commission on International Religious Freedom: Country [USA] (4.2022): Annual Report 2022, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2022-04/2022%20USCIRF%20Annual%2 0Report_1.pdf, Zugriff 9.5.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/03/415610_ TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 27.4.2023
USDOS – US Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Turkey (Türkiye), https://www.ecoi.net/de/dokument/2091933.html, Zugriff 19.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Turkey, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051585.html, Zugriff 1.3.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Turkey, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/TURKEY-2020-HUM AN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 1.3.2022

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 26.06.2023

Die türkische Verfassung sieht nur eine einzige Nationalität für alle Bürger und Bürgerinnen vor. Sie erkennt keine nationalen oder ethnischen Minderheiten an, mit Ausnahme der drei, primär über die Religion definierten, nicht-muslimischen Gruppen, nämlich der Armenisch-Apostolische und Griechisch-Orthodoxen Christen sowie der Juden. Andere nationale oder ethnische Minderheiten wie Assyrer, Dschafari [zumeist schiitische Aseris], Jesiden, Kurden, Araber, Roma, Tscherkessen und Lasen dürfen ihre sprachlichen, religiösen und kulturellen Rechte nicht vollständig ausüben (USDOS 20.3.2023, S. 85).

Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es folgende ethnische Gruppen: Kurden (ca. 13-15 Mio.), Roma (zwischen 2 und 5 Mio.), Tscherkessen (rund 2 Mio.), Bosniaken (bis zu 2 Mio.), Krim-Tataren (1 Mio.), Araber [ohne Flüchtlinge] (vor dem Syrienkrieg 800.000 bis 1 Mio.), Lasen (zwischen 50.000 und 500.000), Georgier (100.000) sowie Uiguren (rund 50.000) und andere Gruppen in kleiner und schwer zu bestimmender Anzahl (AA 28.7.2022, S. 10). Dazu kommen noch, so sie nicht als religiöse Minderheit gezählt werden, Jesiden, Griechen, Armenier (60.000), Juden (weniger als 20.000) und Assyrer (25.000) vorwiegend in Istanbul und ein kleinerer Teil hiervon (3.000) im Südosten (MRGI 6.2018b).

Trotz der Tatsache, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Bürgerrechte haben und obwohl jegliche Diskriminierung aufgrund kultureller, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit geächtet ist, herrschen weitverbreitete negative Einstellungen gegenüber Minderheitengruppen (BS 23.2.2022, S. 7). Bis heute gibt es im Nationenverständnis der Türkei keinen Platz für eigenständige Minderheiten. Der Begriff „Minderheit“ (im Türkischen „azınlık“) ist negativ konnotiert. Diese Minderheiten wie Kurden, Aleviten und Armenier werden auch heute noch als „Spalter“, „Vaterlandsverräter“ und als Gefahr für die türkische Nation betrachtet. Mittlerweile ist sogar die Geschäftsordnung des türkischen Parlaments dahin gehend angepasst worden, dass die Verwendung der Begriffe „Kurdistan“, „kurdische Gebiete“ und „Völkermord an den Armeniern“ im Parlament verboten ist, mit einer hohen Geldstrafe geahndet wird und Abgeordnete dafür aus Sitzungen ausgeschlossen werden können (bpb 17.2.2018). Im Juni 2022 verurteilte das Europäische Parlament „die Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten, wozu auch das Verbot der gemäß der Verfassung der Türkei nicht als ”Muttersprache“ eingestuften Sprachen von Gruppen wie der kurdischen Gemeinschaft in der Bildung und in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zählt” (EP 7.6.2022, S. 18, Pt. 30). Trotz der Tatsache, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Bürgerrechte haben und obwohl jegliche Diskriminierung aufgrund kultureller, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit geächtet ist, herrschen weitverbreitete negative Einstellungen gegenüber Minderheitengruppen (BS 23.2.2022, S. 7). Bis heute gibt es im Nationenverständnis der Türkei keinen Platz für eigenständige Minderheiten. Der Begriff „Minderheit“ (im Türkischen „azınlık“) ist negativ konnotiert. Diese Minderheiten wie Kurden, Aleviten und Armenier werden auch heute noch als „Spalter“, „Vaterlandsverräter“ und als Gefahr für die türkische Nation betrachtet. Mittlerweile ist sogar die Geschäftsordnung des türkischen Parlaments dahin gehend angepasst worden, dass die Verwendung der Begriffe „Kurdistan“, „kurdische Gebiete“ und „Völkermord an den Armeniern“ im Parlament verboten ist, mit einer hohen Geldstrafe geahndet wird und Abgeordnete dafür aus Sitzungen ausgeschlossen werden können (bpb 17.2.2018). Im Juni 2022 verurteilte das Europäische Parlament „die Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten, wozu auch das Verbot der gemäß der Verfassung der Türkei nicht als ”Muttersprache“ eingestuften Sprachen von Gruppen wie der kurdischen Gemeinschaft in der Bildung und in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zählt” (EP 7.6.2022, S. 18, Pt. 30).

Das Gesetz erlaubt den Bürgern private Bildungseinrichtungen zu eröffnen, um Sprachen und Dialekte, die traditionell im Alltag verwendet werden, zu unterrichten. Dies unter der Bedingung, dass die Schulen den Bestimmungen des Gesetzes über die privaten Bildungsinstitutionen unterliegen und vom Bildungsministerium inspiziert werden. Das Gesetz erlaubt die Wiederherstellung einstiger nicht-türkischer Ortsnamen von Dörfern und Siedlungen und gestattet es politischen Parteien sowie deren Mitgliedern, in jedweder Sprache ihren Wahlkampf zu führen sowie Informationsmaterial zu verbreiten. In der Praxis wird dieses Recht jedoch nicht geschützt (USDOS 20.3.2023, S. 85f.).

Hassreden und Drohungen gegen Minderheiten bleiben ein ernsthaftes Problem (EC 12.10.2022, S. 43). Dazu gehören auch Hass-Kommentare in den Medien, die sich gegen nationale, ethnische und religiöse Gruppen richten (EC 6.10.2020, S. 40). Von Hassreden und Übergriffen sind insbesondere auch Aleviten und Nicht-Muslime betroffen (FH 10.3.2023, D2). Laut einem Bericht der Hrant Dink Stiftung zu Hassreden in der Presse wurden den Minderheiten konspirative, feindliche Gesinnung und Handlungen sowie andere negative Merkmale zugeschrieben. 2019 beobachtete die Stiftung alle nationalen sowie 500 lokale Zeitungen. 80 verschiedene ethnische und religiöse Gruppen waren Ziele von über 5.500 Hassreden und diskriminierenden Kommentaren in 4.364 Artikeln und Kolumnen. Die meisten betrafen Armenier (803), Syrer (760), Griechen (747) bzw. (als eigene Kategorie) Griechen der Türkei und/oder Zyperns (603) sowie Juden (676) (HDF 3.11.2020).

Im Jahr 2020 waren insbesondere Armenier öffentlichen Verunglimpfungen ausgesetzt, da die türkische Regierung das aserbaidschanische Militär bei seiner militärischen Offensive gegen ethnische armenische Kräfte in Berg-Karabach unterstützte (FH 2.2022, D2; vgl. USCIRF 12.2021, S. 4). Vertreter der armenischen Minderheit berichten über eine Zunahme von Hassreden und verbalen Anspielungen, die sich gegen die armenische Gemeinschaft richteten, auch von hochrangigen Regierungsvertretern. Das armenische Patriarchat hat anonyme Drohungen rund um den Tag des armenischen Gedenkens erhalten. Staatspräsident Erdoğan bezeichnete den armenischen Parlamentsabgeordneten, Garo Paylan, als „Verräter“, weil dieser im Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht hatte, der die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern gefordert hatte (USDOS 20.3.2023, S. 87). Im Jahr 2020 waren insbesondere Armenier öffentlichen Verunglimpfungen ausgesetzt, da die türkische Regierung das aserbaidschanische Militär bei seiner militärischen Offensive gegen ethnische armenische Kräfte in Berg-Karabach unterstützte (FH 2.2022, D2; vergleiche USCIRF 12.2021, S. 4). Vertreter der armenischen Minderheit berichten über eine Zunahme von Hassreden und verbalen Anspielungen, die sich gegen die armenische Gemeinschaft richteten, auch von hochrangigen Regierungsvertretern. Das armenische Patriarchat hat anonyme Drohungen rund um den Tag des armenischen Gedenkens erhalten. Staatspräsident Erdoğan bezeichnete den armenischen Parlamentsabgeordneten, Garo Paylan, als „Verräter“, weil dieser im Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht hatte, der die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern gefordert hatte (USDOS 20.3.2023, S. 87).

Die Regierung hat die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen in anderen Sprachen als Türkisch nicht legalisiert. Gesetzliche Beschränkungen für den muttersprachlichen Unterricht in Grund- und weiterführenden Schulen blieben in Kraft (EC 12.10.2022, S. 45). Im April 2021 erklärte der Bildungsminister, dass türkischen Bürgern an keiner Bildungseinrichtung eine andere Sprache als Türkisch als Muttersprache unterrichtet werden darf (EC 19.10.2021, S. 41). An den staatlichen Schulen werden fakultative Kurse in Kurdisch und Tscherkessisch angeboten, ebenso wie Universitätsprogramme in Kurdisch, Zazaki,Arabisch,Assyrisch und Tscherkessisch. Allerdings wirkt die limitierte Aufnahme oder gar das Fehlen von Fachlehrern einschränkend auf die Möglichkeiten eines Unterrichts von Minderheitensprachen. Die erweiterten Befugnisse der Gouverneure und die willkürliche Zensur haben sich weiterhin negativ auf Kunst und Kultur der Minderheiten ausgewirkt, die bereits durch die COVID-19-Pandemie beeinträchtigt wurden (EC 12.10.2022, S. 45).

Mit dem 4. Justizreformpaket wurde 2013 per Gesetz die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch (vor allem Kurdisch) vor Gericht und in öffentlichen Ämtern (Krankenhäusern, Postämtern, Banken, Steuerämtern etc.) ermöglicht (ÖB 30.11.2022; S. 28).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 29.8.2022
bpb – Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (17.2.2018): Die Türkei im Jahr 2017/2018, https://web.archive.org/web/20180220015658/http://www.bpb.de/internation ales/europa/tuerkei/253187/die-tuerkei-im-jahr-20172018, Zugriff 15.5.2023 [Originallink funktioniert nicht mehr] BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/ file/local/2069612/country_report_2022_TUR.pdf, Zugriff 21.3.2022
EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 3.11.2022
EC – European Commission (19.10.2021): Turkey 2021 Report [SWD (2021) 290 final], https: //ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/document/download/892a5e42-448a-47b8-bf62-b22 d52c4ba26_en, Zugriff 25.2.2022 EC – European Commission (6.10.2020): Turkey 2020 Report [SWD (2020) 355 final], https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/turkey_report_2020.pdf, Zugriff 25.2.2022
EP – Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 29.6.2022
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 5.5.2023
FH – Freedom House (2.2022): Freedom in the World 2022 – Turkey, https://freedomhouse.org/c ountry/turkey/freedom-world/2022, Zugriff 28.2.2022
HDF – Hrant Dink Foundation (3.11.2020): Hate Speech and Discriminatory Discourse in Media 2019 Report, https://hrantdink.org/attachments/article/2728/Hate-Speech-and-Discriminatory-Dis course-in-Media-2019.pdf, Zugriff 25.2.2022 MRGI – Minority Rights Group International (6.2018b): World Directory of Minorities and Indigenous Peoples, Turkey, http://minorityrights.org/country/turkey/, Zugriff 25.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 26.4.2023 USCIRF – US Commission on International Religious Freedom: Country [USA] (12.2021): Update: Turkey; Religious Freedom in Turkey in 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069569/2021+Tu rkey+Country+Update.pdf, Zugriff 27.4.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/03/415610_ TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugirff 26.4.2023

Kurden

Letzte Änderung: 26.06.2023

Obwohl offizielle Zahlen nicht verfügbar sind, schätzen internationale Beobachter, dass sich rund 15 Millionen türkische Bürger als Kurden identifizieren. Die kurdische Bevölkerung konzentriert sich auf Südost-Anatolien, wo sie die Mehrheit bildet, und auf Nordost-Anatolien, wo sie eine bedeutende Minderheit darstellt. Ein signifikanter kurdischer Bevölkerungsanteil ist in Istanbul und anderen Großstädten anzutreffen. In den letzten Jahrzehnten ist etwa die Hälfte der kurdischen Bevölkerung der Türkei in die West-Türkei ausgewandert, sowohl um dem bewaffneten Konflikt zu entkommen, als auch auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die Ost- und Südost-Türkei sind historisch gesehen weniger entwickelt als andere Teile des Landes, mit niedrigeren Einkommen, höheren Armutsraten, weniger Industrie und weniger staatlichen Investitionen. Die kurdische Bevölkerung ist sozio-ökonomisch vielfältig. Während viele sehr arm sind, vor allem in ländlichen Gebieten und im Südosten, wächst in städtischen Zentren eine kurdische Mittelschicht, vor allem im Westen der Türkei (DFAT 10.9.2020, S. 20).

Die kurdische Volksgruppe ist in sich politisch nicht hom*ogen. Unter den nicht im Südosten der Türkei lebenden Kurden, insbesondere den religiösen Sunniten, gibt es viele Wähler der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP). Umgekehrt wählen vor allem in den Großstädten Ankara, Istanbul und Izmir auch viele liberal bis links orientierte ethnische Türken die pro-kurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) (ÖB 30.11.2022, S. 27). Im kurdisch geprägten Südosten besteht nach wie vor eine erhebliche Spaltung der Gesellschaft zwischen den religiösen Konservativen und den säkularen linken Elementen der Bevölkerung. Als, wenn auch beschränkte, inner-kurdische Konkurrenz zur linken HDP besteht die islamistisch-konservative Partei der Freien Sache (Hür Dava Partisi - kurz: Hüda-Par), die für die Einführung der Schari’a eintritt. Zwar unterstützt sie wie die HDP die kurdische Autonomie und die Stärkung des Kurdischen im Bildungssystem, unterstützt jedoch politisch Staatspräsident Erdoğan, wie beispielsweise bei den letzten Präsidentschaftswahlen. Das Verhältnis zwischen der HDP bzw. der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Hüda-Par ist feindselig. Im Oktober 2014 kam es während der Kobane-Proteste letztmalig zu Gewalttätigkeiten zwischen PKK-Sympathisanten und Anhängern der Hüda-Par, wobei Dutzende von Menschen getötet wurden (NL-MFA 31.10.2019).

Dennoch wird der Krieg der Regierung gegen die PKK zur Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen gegen kurdische Bürgerinnen und Bürger herangezogen, darunter das Verbot kurdischer Feste. Gegen kurdische Schulen und kulturelle Organisationen, von denen viele während der Friedensgespräche eröffnet wurden, wird seit 2015 ermittelt oder sie wurden geschlossen (FH 10.3.2023, F4).

Die kurdischen Gemeinden sind überproportional von den Zusammenstößen zwischen der PKK und den Sicherheitskräften betroffen. Die Behörden verhängten Ausgangssperren von unterschiedlicher Dauer in bestimmten städtischen und ländlichen Gebieten und ordneten in einigen Gebieten „besondere Sicherheitszonen“ an, um Operationen zur Bekämpfung der PKK zu erleichtern, wodurch der Zugang für Besucher und in einigen Fällen sogar für Einwohner eingeschränkt wurde.

Teile der Provinz Hakkari und ländliche Teile der Provinz Tunceli blieben die meiste Zeit des Jahres (2022) „besondere Sicherheitszonen“ (USDOS 20.3.2023, S. 29, 85). Die Situation im Südosten ist trotz eines verbesserten Sicherheitsumfelds nach wie vor schwierig. Die Regierung setzte ihre Sicherheitsoperationen vor dem Hintergrund der wiederholten Gewaltakte der PKK fort (EC 12.10.2022, S. 5). [Anm.: für weiterführende Informationen siehe Kapitel „Sicherheitslage“ und Unterkapitel „Terroristische Gruppierungen: PKK – Partiya Karkerên Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans)“]

Das Europäische Parlament zeigte sich in seiner Entschließung vom 7.6.2022 „über die Lage der Kurden im Land und die Lage im Südosten der Türkei mit Blick auf den Schutz der Menschenrechte, der Meinungsfreiheit und der politischen Teilhabe; [und war] besonders besorgt über zahlreiche Berichte darüber, dass Strafverfolgungsbeamte, als Reaktion auf mutmaßliche und vermeintliche Sicherheitsbedrohungen im Südosten der Türkei, Häftlinge foltern und misshandeln; [und] verurteilt[e], dass im Südosten der Türkei prominente zivilgesellschaftliche Akteure und Oppositionelle in Polizeigewahrsam genommen wurden“ (EP 7.6.2022, S. 18, Pt. 30). Im Jahr davor zeigte sich das EP zudem besorgt „über die Einschränkungen der Rechte von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, die sich mit der kurdischen Frage befassen, sowie über den anhaltenden Druck auf kurdische Medien, Kultur- und Sprachinstitutionen und Ausdrucksformen im ganzen Land, der eine weitere Beschneidung der kulturellen Rechte zur Folge hat“, und, „dass diskriminierende Hetze und Drohungen gegen Bürger kurdischer Herkunft nach wie vor ein ernstes Problem ist“ (EP 10.5.2021, S. 16f, Pt. 44). Laut EP ist insbesondere die anhaltende Benachteiligung kurdischer Frauen besorgniserregend, die zusätzlich durch Vorurteile aufgrund ihrer ethnischen und sprachlichen Identität verstärkt wird, wodurch sie in der Wahrnehmung ihrer bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Rechte noch stärker eingeschränkt werden (EP 10.5.2021, S. 17, Pt. 44).

Kurdische und pro-kurdische NGOs sowie politische Parteien sind weiterhin bei der Ausübung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt. Hunderte von kurdischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und kurdischsprachigen Medien wurden 2016 und 2017 nach dem Putschversuch per Regierungsverordnung geschlossen (USDOS 20.3.2023, S. 85) und die meisten blieben es auch (EC 12.10.2022, S. 18, 45). Im April 2021 hob das Verfassungsgericht jedoch eine Bestimmung des Notstandsdekrets auf, das die Grundlage für die Schließung von Medien mit der Begründung bildete, dass letztere eine „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ darstellten (2016). Das Verfassungsgericht hob auch eine Bestimmung auf, die den Weg für die Beschlagnahmung des Eigentums der geschlossenen Medien ebnete (EC 12.10.2022, S. 18; vgl. CCRT 8.4.2021) Kurdische und pro-kurdische NGOs sowie politische Parteien sind weiterhin bei der Ausübung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt. Hunderte von kurdischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und kurdischsprachigen Medien wurden 2016 und 2017 nach dem Putschversuch per Regierungsverordnung geschlossen (USDOS 20.3.2023, S. 85) und die meisten blieben es auch (EC 12.10.2022, S. 18, 45). Im April 2021 hob das Verfassungsgericht jedoch eine Bestimmung des Notstandsdekrets auf, das die Grundlage für die Schließung von Medien mit der Begründung bildete, dass letztere eine „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ darstellten (2016). Das Verfassungsgericht hob auch eine Bestimmung auf, die den Weg für die Beschlagnahmung des Eigentums der geschlossenen Medien ebnete (EC 12.10.2022, S. 18; vergleiche CCRT 8.4.2021)

Die sehr weit gefasste Auslegung des Kampfes gegen den Terrorismus und die zunehmenden Einschränkungen der Rechte von Journalisten, politischen Gegnern, Anwaltskammern und Menschenrechtsverteidigern, die sich mit der kurdischen Frage befassen, geben laut Europäischer Kommission wiederholt Anlass zur Sorge (EC 12.10.2022, S. 18). Journalisten, die für kurdische Medien arbeiten, werden unverhältnismäßig oft ins Visier genommen (HRW 14.1.2020). So wurden beispielsweise am 16.6.2022 16 kurdischen Journalistinnen und Journalisten, die eine Woche zuvor in Diyarbakır festgenommen worden waren, nach Gerichtsbeschluss in ein Gefängnis gebracht, vier weitere wurden unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Medienschaffenden wurden unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der verbotenen Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK) [Dachorganisation der PKK] sowie Terrorpropaganda verhaftet. Ihnen wird vorgehalten, Sendungen für kurdische Fernsehsender im Ausland produziert sowie Interviews mit der KCK-Führung genutzt zu haben, um Anweisungen von diesen zu verbreiten (BAMF 20.6.2022, S. 11; vgl. VOA 11.6.2022; ÖB 30.11.2022, S. 22f.). Im Gegensatz hierzu entschied das Verfassungsgericht im Juli 2021, dass die Schließung der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem per Notstandsdekret im Zuge des Putsches vom Sommer 2016 das verfassungsmäßige Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzte. Ein türkisches Gericht hatte am 16.8.2016 die Schließung der Tageszeitung mit der Begründung angeordnet, dass diese eine Propagandaquelle der PKK sei (Ahval 4.7.2021). Kurdisch-sprachige Medien sind seit Ende des Friedensprozesses 2015 bzw. nach dem Putschversuch 2016 vermehrt staatlichem Druck ausgesetzt. Zahlreiche kurdischsprachige Medien wurden verboten (AA 28.7.2022, S. 10). Die sehr weit gefasste Auslegung des Kampfes gegen den Terrorismus und die zunehmenden Einschränkungen der Rechte von Journalisten, politischen Gegnern, Anwaltskammern und Menschenrechtsverteidigern, die sich mit der kurdischen Frage befassen, geben laut Europäischer Kommission wiederholt Anlass zur Sorge (EC 12.10.2022, S. 18). Journalisten, die für kurdische Medien arbeiten, werden unverhältnismäßig oft ins Visier genommen (HRW 14.1.2020). So wurden beispielsweise am 16.6.2022 16 kurdischen Journalistinnen und Journalisten, die eine Woche zuvor in Diyarbakır festgenommen worden waren, nach Gerichtsbeschluss in ein Gefängnis gebracht, vier weitere wurden unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Medienschaffenden wurden unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der verbotenen Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK) [Dachorganisation der PKK] sowie Terrorpropaganda verhaftet. Ihnen wird vorgehalten, Sendungen für kurdische Fernsehsender im Ausland produziert sowie Interviews mit der KCK-Führung genutzt zu haben, um Anweisungen von diesen zu verbreiten (BAMF 20.6.2022, S. 11; vergleiche VOA 11.6.2022; ÖB 30.11.2022, S. 22f.). Im Gegensatz hierzu entschied das Verfassungsgericht im Juli 2021, dass die Schließung der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem per Notstandsdekret im Zuge des Putsches vom Sommer 2016 das verfassungsmäßige Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzte. Ein türkisches Gericht hatte am 16.8.2016 die Schließung der Tageszeitung mit der Begründung angeordnet, dass diese eine Propagandaquelle der PKK sei (Ahval 4.7.2021). Kurdisch-sprachige Medien sind seit Ende des Friedensprozesses 2015 bzw. nach dem Putschversuch 2016 vermehrt staatlichem Druck ausgesetzt. Zahlreiche kurdischsprachige Medien wurden verboten (AA 28.7.2022, S. 10).

Zur Verfolgung kurdischer Journalisten siehe auch das Kapitel: Meinungs- und Pressefreiheit / Internet

Veranstaltungen oder Demonstrationen mit Bezug zur Kurden-Problematik und Proteste gegen die Ernennung von Treuhändern (anstelle gewählter kurdischer Bürgermeister) werden unter dem Vorwand der Sicherheitslage verboten (EC 19.10.2021, S. 36f). Diejenigen, die abweichende Meinungen zu den Themen äußern, die das kurdische Volk betreffen, werden in der Türkei seit Langem strafrechtlich verfolgt (AI 26.4.2019). Bereits öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den Kurdengebieten der Südost-Türkei kann bei entsprechender Auslegung den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen (AA 28.7.2022, S. 9). Festnahmen von kurdischen Aktivisten und Aktivistinnen geschehen regelmäßig, so auch 2022, anlässlich der Demonstrationen bzw. Feierlichkeiten zum Internationalen Frauentag (WKI 22.3.2022), zum kurdischen Neujahrsfest Newroz (Rudaw 22.3.2022) und am 1. Mai (WKI 3.5.2022).

Kurden in der Türkei sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit sowohl offiziellen als auch gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Umfang und Form dieser Diskriminierung hängen von der geografischen Lage und den persönlichen Umständen ab. Kurden in der West-Türkei sind nicht mit dem gleichen Risiko konfliktbezogener Gewalt konfrontiert wie im Südosten. Viele Kurden, die nicht politisch aktiv sind, und diejenigen, die die Regierungspartei AKP unterstützen, sind in die türkische Gesellschaft integriert und identifizieren sich mit der türkischen Nation. Menschenrechtsbeobachter berichten jedoch, dass einige Kurden in der West-Türkei zögern, ihre kurdische Identität preiszugeben, etwa durch die Verwendung der kurdischen Sprache in der Öffentlichkeit, aus Angst, eine gewalttätige Reaktion zu provozieren. Im Südosten sind diejenigen, die in kurdischen politischen oder zivil-gesellschaftlichen Organisationen tätig sind (oder als solche aktiv wahrgenommen werden), einem höheren Risiko ausgesetzt als nicht politisch tätige Personen. Obwohl Kurden an allen Aspekten des öffentlichen Lebens, einschließlich der Regierung, des öffentlichen Dienstes und des Militärs, teilnehmen, sind sie in leitenden Positionen traditionell unterrepräsentiert. Einige Kurden, die im öffentlichen Sektor beschäftigt sind, berichten von einer Zurückhaltung bei der Offenlegung ihrer kurdischen Identität aus Angst vor einer Beeinträchtigung ihrer Aufstiegschancen (DFAT 10.9.2020, S. 21).

Übergriffe

Es kommt immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen, denen manche eine anti-kurdische Dimension zuschreiben (NL-MFA 2.3.2022, S. 43). Im Juli 2021 veröffentlichten 15 Rechtsanwaltskammern eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie die rassistischen Zwischenfälle gegen Kurden verurteilten und eine dringende und effektive Untersuchung der Vorfälle forderten. Solche Fälle würden zunehmen und seien keinesfalls isolierte Fälle, sondern würden durch die Rhetorik der Politiker angefeuert (ÖB 30.11.2021, S. 27; vgl. Bianet 22.7.2021). Auch im Jahr 2022 berichteten Medien immer wieder von Maßnahmen und Gewaltakten gegen Menschen, die im öffentlichen Raum Kurdisch sprachen oder als Kurden wahrgenommen wurden ÖB 30.11.2022, S. 27). Es kommt immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen, denen manche eine anti-kurdische Dimension zuschreiben (NL-MFA 2.3.2022, S. 43). Im Juli 2021 veröffentlichten 15 Rechtsanwaltskammern eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie die rassistischen Zwischenfälle gegen Kurden verurteilten und eine dringende und effektive Untersuchung der Vorfälle forderten. Solche Fälle würden zunehmen und seien keinesfalls isolierte Fälle, sondern würden durch die Rhetorik der Politiker angefeuert (ÖB 30.11.2021, S. 27; vergleiche Bianet 22.7.2021). Auch im Jahr 2022 berichteten Medien immer wieder von Maßnahmen und Gewaltakten gegen Menschen, die im öffentlichen Raum Kurdisch sprachen oder als Kurden wahrgenommen wurden ÖB 30.11.2022, S. 27).

Beispiele: Im Mai 2020 wurde ein zwanzigjähriger Kurde in einem Park in Ankara erstochen, vermeintlich weil er kurdische Musik spielte (NL-MFA 18.3.2021, S. 47f.). Anfang September 2020 wurde eine Gruppe von 16 kurdisch-stämmigen Saisonarbeitern aus Mardin bei der Haselnussernte gefilmt, wie sie von acht Männern tätlich angegriffen wurden (France24 15.9.2021; vgl. NL-MFA 18.3.2021, S. 48). Entgegen den Betroffenen haben die türkischen Behörden einen ethnischen Kontext der Vorfälle bestritten (NL-MFA 18.3.2021, S. 47f.; France24 15.9.2021). Regierungskritiker verzeichneten im Juli 2021 innerhalb von zwei Wochen vier Übergriffe auf kurdische Familien und Arbeiter, inklusive eines Toten bei einem Vorfall in Konya (Duvar 22.7.2021). So wurden laut der HDP-Abgeordneten, Ayşe Sürücü, eine Gruppe kurdischer Landarbeiter in der Provinz Afyonkarahisar von einem nationalistischen Mob physisch angegriffen, weil sie kurdisch sprachen. Sieben Personen, darunter zwei Frauen, mussten in Folge ins Krankenhaus (HDP 21.7.2021; vgl. TP 20.7.2021). Im September 2021 wurde das Haus von kurdischen Landarbeitern in Düzce von einem Mob umstellt, der ein Fenster einschlug und die Kurden aufforderte, zu gehen, da hier keine Kurden geduldet seien. Nach Angaben der Opfer stellte sich die Polizei auf die Seite der Angreifer und schloss den Fall ab (WKI 28.9.2021). Im Februar 2022 brachte die HDP den Vorfall einer vermeintlich rassistischen Attacke einer Gruppe von 30 Personen auf drei kurdische Studenten auf dem Campus der Akdeniz-Universität in der Provinz Beispiele: Im Mai 2020 wurde ein zwanzigjähriger Kurde in einem Park in Ankara erstochen, vermeintlich weil er kurdische Musik spielte (NL-MFA 18.3.2021, S. 47f.). Anfang September 2020 wurde eine Gruppe von 16 kurdisch-stämmigen Saisonarbeitern aus Mardin bei der Haselnussernte gefilmt, wie sie von acht Männern tätlich angegriffen wurden (France24 15.9.2021; vergleiche NL-MFA 18.3.2021, S. 48). Entgegen den Betroffenen haben die türkischen Behörden einen ethnischen Kontext der Vorfälle bestritten (NL-MFA 18.3.2021, S. 47f.; France24 15.9.2021). Regierungskritiker verzeichneten im Juli 2021 innerhalb von zwei Wochen vier Übergriffe auf kurdische Familien und Arbeiter, inklusive eines Toten bei einem Vorfall in Konya (Duvar 22.7.2021). So wurden laut der HDP-Abgeordneten, Ayşe Sürücü, eine Gruppe kurdischer Landarbeiter in der Provinz Afyonkarahisar von einem nationalistischen Mob physisch angegriffen, weil sie kurdisch sprachen. Sieben Personen, darunter zwei Frauen, mussten in Folge ins Krankenhaus (HDP 21.7.2021; vergleiche TP 20.7.2021). Im September 2021 wurde das Haus von kurdischen Landarbeitern in Düzce von einem Mob umstellt, der ein Fenster einschlug und die Kurden aufforderte, zu gehen, da hier keine Kurden geduldet seien. Nach Angaben der Opfer stellte sich die Polizei auf die Seite der Angreifer und schloss den Fall ab (WKI 28.9.2021). Im Februar 2022 brachte die HDP den Vorfall einer vermeintlich rassistischen Attacke einer Gruppe von 30 Personen auf drei kurdische Studenten auf dem Campus der Akdeniz-Universität in der Provinz

Antalya auf die Tagesordnung des Parlaments (Duvar 23.2.2022). Im September 2022 wurde eine kurdische Familie, die im Dorf Arpadere in der westlichen Provinz Aydın ein Haus kaufen wollte, bei einem, von manchen Quellen als rassistisch eingestuften, Angriff der Dorfbewohner schwer misshandelt. Die Polizei reagierte nicht auf den Frauen-Notruf KADES, der von einem weiblichen Familienmitglied aktiviert wurde (Duvar 13.9.2022; vgl. Bianet 13.9.2022). Antalya auf die Tagesordnung des Parlaments (Duvar 23.2.2022). Im September 2022 wurde eine kurdische Familie, die im Dorf Arpadere in der westlichen Provinz Aydın ein Haus kaufen wollte, bei einem, von manchen Quellen als rassistisch eingestuften, Angriff der Dorfbewohner schwer misshandelt. Die Polizei reagierte nicht auf den Frauen-Notruf KADES, der von einem weiblichen Familienmitglied aktiviert wurde (Duvar 13.9.2022; vergleiche Bianet 13.9.2022).

Verwendung der kurdischen Sprache

Kinder mit kurdischer Muttersprache können Kurdisch im staatlichen Schulsystem nicht als Hauptsprache erlernen. Nur 18 % der kurdischen Bevölkerung beherrschen ihre Muttersprache in Wort und Schrift (ÖB 30.11.2022, S. 28). Optionale Kurse in Kurdisch werden an öffentlichen staatlichen Schulen weiterhin angeboten, ebenso wie Universitätsprogramme in Kurdisch (Kurmanci und Zazaki). Die bisherigen Bemühungen gewählter Gemeindevertretungen, die Schaffung von Sprach- und Kultureinrichtungen in diesen Provinzen zu fördern, blieben allerdings erfolglos. Kurdische Kultur- und Sprachinstitutionen, kurdische Medien und zahlreiche Kunsträume bleiben größtenteils geschlossen, wie schon seit dem Putschversuch 2016, was zu einer weiteren Einschränkung der kulturellen Rechte beitragt (EC 12.10.2022; S. 43). In diesem Zusammenhang problematisch ist die geringe Zahl an Kurdisch-Lehrern (ÖB 30.11.2022, S. 28) - So wurden 2019 lediglich 59 Kurdisch-Lehrer an staatliche Schulen eingestellt (Bianet 21.2.2022) - sowie deren Verteilung, oft nicht in den Gebieten, in denen sie benötigt werden.

Zu hören ist auch von administrativen Problemen an den Schulen. Zudem wurden staatliche Subventionen für Minderheitenschulen wesentlich gekürzt (ÖB 30.11.2022, S. 28). Außerdem können Schüler erst ab der fünften bis einschließlich der achten Klasse einen Kurdischkurs wählen, der zwei Stunden pro Woche umfasst (Bianet 21.2.2022). Privater Unterricht in kurdischer Sprache ist auf dem Papier erlaubt. In der Praxis sind jedoch die meisten, wenn nicht alle privaten Bildungseinrichtungen, die Unterricht in kurdischer Sprache anbieten, auf Anordnung der türkischen Behörden geschlossen (NL-MFA 18.3.2021, S. 46). Dennoch startete die HDP 2021 eine neue Kampagne zur Förderung des Erlernens der kurdischen Sprache (AM 9.11.2021). Im Schuljahr 20212022 haben 20.265 Schülerinnen und Schüler einen kurdischen Wahlpflichtkurs gewählt, teilte das Bildungsministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage mit. Im Rahmen des Kurses „Lebendige Sprachen und Dialekte“ werden die Schüler in den kurdischen Dialekten Kurmanci und Zazaki unterrichtet (Bianet 21.2.2022). Auch angesichts der nahenden Wahlen 2023 wurde die Kampagne selbst von kurdischen und nicht-kurdischen Führungskräften der AKP und überraschenderweise vom Gouverneur von Diyarbakır, von dem man erwartet, dass er in solchen Fragen neutral bleibt, da er die staatliche Bürokratie vertritt, nachdrücklich unterstützt (SWP 19.4.2022).

Seit 2009 gibt es im staatlichen Fernsehen einen Kanal mit einem 24-Stunden-Programm in kurdischer Sprache. 2010 wurde einem neuen Radiosender in Diyarbakir, Cağrı FM, die Genehmigung zur Ausstrahlung von Sendungen in den kurdischen Dialekten Kurmanci und Zaza/Zazaki erteilt. Insgesamt gibt es acht Fernsehkanäle, die ausschließlich auf Kurdisch ausstrahlen, sowie 27 Radiosender, die entweder ausschließlich auf Kurdisch senden oder kurdische Programme anbieten (ÖB 30.11.2022, S. 28). Allerdings wurden mit der Verhängung des Ausnahmezustands im Jahr 2016 viele Vereine, private Theater, Kunstwerkstätten und ähnliche Einrichtungen, die im Bereich der kurdischen Kultur und Kunst tätig sind, geschlossen (İBV 7.2021, S. 8), bzw. wurden ihnen Restriktionen hinsichtlich der Verwendung des Kurdischen auferlegt (K24 10.4.2022). Beispiele von Konzertabsagen wegen geplanter Musikstücke in kurdischer Sprache sind ebenso belegt wie das behördliche Vorladen kurdischer Hochzeitssänger zum Verhör, weil sie angeblich „terroristische Lieder“ sangen. - So wurde das Konzert von Pervin Chakar, eine weltweit bekannte, kurdische Sopranistin von der Universität in ihrer Heimatstadt Mardin abgesagt, weil die Sängerin ein Stück in kurdischer Sprache in ihr Repertoire aufgenommen hatte. Aus dem gleichen Grund wurde ein Konzert der weltberühmten kurdischen Sängerin Aynur Dogan in der Stadt Derince in der Westtürkei im Mai 2022 von der dort regierenden AKP abgesagt. Der kurdische Folksänger

Mem Ararat konnte Ende Mai 2022 in Bursa nicht auftreten, nachdem das Büro des Gouverneurs sein Konzert mit der Begründung gestrichen hatte, es würde die „öffentliche Sicherheit“ gefährden (AM 10.8.2022; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 28). Im Bezirk Mersin Akdeniz wurde im April 2022 ein Lehrer von der Schule verwiesen, weil er mit seinen Schülern Kurdisch und Arabisch sprach und sie ermutigte, sich für kurdische Wahlkurse anzumelden (K24 10.4.2022). Infolgedessen wurde er nicht nur strafversetzt, sondern auch von der Schulaufsichtsbehörde mit einer Geldbuße belangt (Duvar 30.4.2022). Und im Jänner 2023 teilte der Parlamentsabgeordnete der HDP, Ömer Faruk Gergerlioğlu, mit, dass zwei Mitglieder der kurdischen Musikgruppe Hevra festgenommen wurden, weil sie auf Kurdisch auf einem vom HDP-Jugendrat organisierten Konzert in Darıca nahe Istanbul gesungen haben (Duvar 23.1.2023). Mem Ararat konnte Ende Mai 2022 in Bursa nicht auftreten, nachdem das Büro des Gouverneurs sein Konzert mit der Begründung gestrichen hatte, es würde die „öffentliche Sicherheit“ gefährden (AM 10.8.2022; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 28). Im Bezirk Mersin Akdeniz wurde im April 2022 ein Lehrer von der Schule verwiesen, weil er mit seinen Schülern Kurdisch und Arabisch sprach und sie ermutigte, sich für kurdische Wahlkurse anzumelden (K24 10.4.2022). Infolgedessen wurde er nicht nur strafversetzt, sondern auch von der Schulaufsichtsbehörde mit einer Geldbuße belangt (Duvar 30.4.2022). Und im Jänner 2023 teilte der Parlamentsabgeordnete der HDP, Ömer Faruk Gergerlioğlu, mit, dass zwei Mitglieder der kurdischen Musikgruppe Hevra festgenommen wurden, weil sie auf Kurdisch auf einem vom HDP-Jugendrat organisierten Konzert in Darıca nahe Istanbul gesungen haben (Duvar 23.1.2023).

Geänderte Gesetze haben die ursprünglichen kurdischen Ortsnamen von Dörfern und Stadtteilen wieder eingeführt. In einigen Fällen, in denen von der Regierung ernannte Treuhänder demokratisch gewählte kurdische HDP-Bürgermeister ersetzt haben, wurden diese jedoch wieder entfernt (DFAT 10.9.2020, S. 21; vgl. TM 17.9.2020). Geänderte Gesetze haben die ursprünglichen kurdischen Ortsnamen von Dörfern und Stadtteilen wieder eingeführt. In einigen Fällen, in denen von der Regierung ernannte Treuhänder demokratisch gewählte kurdische HDP-Bürgermeister ersetzt haben, wurden diese jedoch wieder entfernt (DFAT 10.9.2020, S. 21; vergleiche TM 17.9.2020).

Der private Gebrauch der kurdischen Sprache ist seit Anfang der 2000er-Jahre keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt (AA 28.7.2022, S. 10). 2013 wurde per Gesetz die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch, somit vor allem Kurdisch, vor Gericht und in öffentlichen Ämtern und Einrichtungen (Krankenhäusern, Postämtern, Banken, Steuerämtern etc.) ermöglicht (ÖB 30.11.2022, S. 28). 2013 kündigte die türkische Regierung im Rahmen einer Reihe von Reformen ebenfalls an, dass sie das Verbot des kurdischen Alphabets aufheben und kurdische Namen offiziell zulassen würde. Doch ist die Verwendung spezieller kurdischer Buchstaben (X, Q, W, Î, Û, Ê) weiterhin nicht erlaubt, wodurch Kindern nicht der korrekte kurdische Name gegeben werden kann (Duvar 2.2.2022). Das Verfassungsgericht sah im diesbezüglichen Verbot durch ein lokales Gericht jedoch keine Verletzung der Rechte der Betroffenen (Duvar 25.4.2022). Der private Gebrauch der kurdischen Sprache ist seit Anfang der 2000er-Jahre keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt (AA 28.7.2022, S. 10). 2013 wurde per Gesetz die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch, somit vor allem Kurdisch, vor Gericht und in öffentlichen Ämtern und Einrichtungen (Krankenhäusern, Postämtern, Banken, Steuerämtern etc.) ermöglicht (ÖB 30.11.2022, S. 28). 2013 kündigte die türkische Regierung im Rahmen einer Reihe von Reformen ebenfalls an, dass sie das Verbot des kurdischen Alphabets aufheben und kurdische Namen offiziell zulassen würde. Doch ist die Verwendung spezieller kurdischer Buchstaben (römisch zehn, Q, W, Î, Û, Ê) weiterhin nicht erlaubt, wodurch Kindern nicht der korrekte kurdische Name gegeben werden kann (Duvar 2.2.2022). Das Verfassungsgericht sah im diesbezüglichen Verbot durch ein lokales Gericht jedoch keine Verletzung der Rechte der Betroffenen (Duvar 25.4.2022).

Einige Universitäten bieten Kurse in kurdischer Sprache an. Vier Universitäten hatten Abteilungen für die kurdische Sprache. Jedoch wurden zahlreiche Dozenten in diesen Instituten, sowie Tausende weitere Universitätsangehörige aufgrund von behördlichen Verfügungen entlassen, sodass die Programme nicht weiterlaufen konnten. Im Juli 2020 untersagte das Bildungsministerium die Abfassung von Diplomarbeiten und Dissertationen auf Kurdisch (USDOS

30.3.2021, S. 71). Obgleich von offizieller Seite die Verwendung des Kurdischen im öffentlichen Bereich teilweise gestattet wird, berichteten die Medien auch im Jahr 2021 immer wieder von Gewaltakten, mitunter mit Todesfolge, gegen Menschen, die im öffentlichen Raum Kurdisch sprachen oder als Kurden wahrgenommen wurden (ÖB 30.11.2021, S. 27).

In einem politisierten Kontext kann die Verwendung des Kurdischen zu Schwierigkeiten führen. So wurde die ehemalige Abgeordnete der pro-kurdischen HDP, Leyla Güven, disziplinarisch bestraft, weil sie zusammen mit acht anderen Insassinnen im Elazığ-Frauengefängnis ein kurdisches Lied gesungen und einen traditionellen kurdischen Tanz aufgeführt hatte. Gegen die neun Insassinnen wurde wegen des kurdischen Liedes und Tanzes ein einmonatiges Verbot von Telefonaten und Familienbesuchen verhängt. Laut Güvens Tochter wurden die Insassinnen bestraft, weil sie in einer unverständlichen Sprache gesungen und getanzt hätten (Durvar 30.8.2021). Auch außerhalb von Haftanstalten kann das Singen kurdischer Lieder zu Problemen mit den Behörden führen. - Ende Jänner 2022 wurden vier junge Straßenmusiker in Istanbul von der Polizei wegen des Singens kurdischer Lieder verhaftet und laut Medienberichten in Polizeigewahrsam misshandelt. Meral Danış Beştaş, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der HDP, sang während einer Pressekonferenz im Parlament dasselbe Lied wie die Straßenmusiker aus Protest gegen das Verbot kurdischer Lieder durch die Polizei (TM 1.2.2022). Und im April nahm die Polizei in Van einen Bürger fest, nachdem sie ihn beim Singen auf Kurdisch ertappt hatte. Nachdem der Mann sich geweigert hatte, der Polizei seinen Personalausweis auszuhändigen, wurde er schwer geschlagen und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt (Duvar 26.4.2022).

Siehe auch das Unterkapitel: „Opposition“ und bezüglich kurdischer Gefängnisinsassen das Kapitel: „Haftbedingungen“

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 23.8.2022
Ahval (4.7.2021): Pro-Kurdish newspaper closure violated constitutional rights, says Turkey’s top court, https://ahvalnews.com/ozgurgundem/pro-kurdish-newspaper-closure-violated-constitutio nal-rights-says-turkeys-top-court, Zugriff 25.2.2022
AI – Amnesty International: Weathering the storm (26.4.2019): Defending human rights in Turkey’s climate of fear [EUR 44/8200/2018], https://www.ecoi.net/en/file/local/1430738/1226_1524726749 _eur4482002018english.PDF, Zugriff 25.2.2022
AM – Al Monitor (10.8.2022): Kurdish diva brokenhearted but resolute in face of language discrimination in Turkey, https://www.almonitor.com/originals/2022/08/kurdish-diva-brokenhearted-resol ute-face-language-discrimination-turkey, Zugriff 23.8.2022 AM – Al Monitor (9.11.2021): Turkey’s Kurds revive fight for language rights, https://www.al-monit or.com/originals/2021/11/turkeyskurds-revive-fight-language-rights, Zugriff 20.4.2022
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.6.2022): Briefing Notes, KW 25, Verhaftungen von Journalistinnen und Journalisten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlag en/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnoteskw25-2022.pdf?__blob =publicationFile&v=2, Zugriff 22.6.2022
Bianet (13.9.2022): Kurdish family attacked in Aydın, https://m.bianet.org/english/human-rights/26 7097-kurdish-family-attacked-inaydin, Zugirff26.4.2023
Bianet (21.2.2022): More than 20,000 students choose Kurdish language classes in Turkey, https: //bianet.org/english/education/258034-more-than-20-000-students-choose-kurdish-language-cla sses-in-turkey, Zugriff 20.4.2022 Bianet (22.7.2021): 15 bar associations condemn racist attacks against Kurds in Turkey, https: //m.bianet.org/english/human-rights/247531-15-bar-associations-condemn-racist-attacks-against -kurds-in-turkey, Zugriff 8.2.2022
CCRT – The Constitutional Court of the Republic of Turkey [Türkei] (8.4.2021): Constitutionality Review - Press Release concerning the Decision Annulling the Provision Enabling the Closure of Media Outlets Associated with Organisations Found Established to Pose a Threat to the National Security, https://www.anayasa.gov.tr/en/news/constitutionality-review/press-release-concerning-t he-decisionannulling-the-provision-enabling-the-closure-of-media-outlets-associated-with-organ isations-found-established-to-pose-a-threat-tothe-national-security/, Zugriff 25.2.2022
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pdf, Zugriff 25.2.2022
Duvar (23.1.2023): Kurdish music group members detained after playing for concert organized by HDP, https://www.duvarenglish.com/kurdish-music-group-members-detained-after-playing-for-c oncert-organized-by-hdp-news-61719, Zugriff 10.3.2023
Duvar (13.9.2022): Kurdish family battered in racist attack in western Turkey, https://www.duva renglish.com/kurdish-family-batteredin-racist-attack-in-western-turkey-news-61266, Zugriff 26.4.2023
Duvar (30.4.2022): Turkey’s Education Ministry fines teacher for speaking Kurdish, Arabic with students, https://www.duvarenglish.com/turkeys-education-ministry-fines-teacher-for-speaking-k urdish-arabic-with-students-news-60833, Zugriff 23.8.2022
Duvar (26.4.2022): Turkish police detain citizen for singing in Kurdish in eastern Van, https://www. duvarenglish.com/turkish-policedetain-citizen-for-singing-in-kurdish-in-eastern-van-news-60825, Zugriff 23.8.2022
Duvar (25.4.2022): Turkish top court finds no violation in banning letter ’w’ from Kurdish names, https://www.duvarenglish.com/turkishtop-court-finds-no-violation-in-banning-letter-w-from-kurdi sh-names-news-60823, Zugriff 26.4.2022 Duvar (23.2.2022): Racist mob attacks Kurdish students at university premises in southern Turkey, https://www.duvarenglish.com/racist-mob-attacks-kurdish-students-at-university-premises-in-sou thern-turkey-news-60447, Zugriff 25.2.2022
Duvar (2.2.2022): Ban on Kurdish alphabet leads to problems for people bearing Kurdish names in Turkey, https://www.duvarenglish.com/ban-on-kurdish-alphabet-leads-to-problems-for-peopl e-bearing-kurdish-names-in-turkey-news-60279, Zugriff 25.2.2022
Duvar (30.8.2021): Imprisoned former HDP deputy, eight others given disciplinary penalty for Kurdish song, https://www.duvarenglish.com/imprisoned-former-hdp-deputy-eight-others-given-d isciplinary-penalty-for-kurdish-song-news-58657, Zugriff 25.2.2022
Duvar (22.7.2021): Four racist attacks on Kurds reported in Turkey over two weeks, https://www. duvarenglish.com/four-racist-attackson-kurds-reported-in-turkey-over-two-weeks-news-58262, Zugriff 25.2.2022
EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 3.11.2022
EC – European Commission (19.10.2021): Turkey 2021 Report [SWD (2021) 290 final], https: //ec.europa.eu/neighbourhoodenlargement/document/download/892a5e42-448a-47b8-bf62-b22 d52c4ba26_en, Zugriff 25.2.2022
EP – Europäisches Parlament (7.6.2022): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über die Türkei (2021/2250(ΙΝΙ)), https://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0222_DE.pdf, Zugriff 29.6.2022
EP – Europäisches Parlament (19.5.2021): Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2021 zu den Berichten 2019–2020 der Kommission über die Türkei, https://www.europarl.eur opa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0243_DE.pdf, Zugriff 25.2.2022
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 27.4.2023
France24 (15.9.2020): Attacks on Kurdish seasonal workers in Turkey highlight continued racism, https://observers.france24.com/en/20200915-attacks-kurdish-seasonal-workers-turkey-highlight -continued-racism, Zugriff 25.2.2022 HDP – Peoples’ Democratic Party – Representation in Europe (21.7.2021): HDP blames government for racist attack on Kurdish seasonal workers, https://hdpeurope.eu/2021/07/hdp-blames-g overnment-for-racist-attack-on-kurdish-seasonal-workers/, Zugriff 25.2.2022
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Turkey, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2022684.html, Zugriff 25.2.2022
İBV – İsmail Beşikçi Foundation (7.2021): Me Di Dil Da Heye Narek Ku Disojit Seqerê/ Monitoring Work on Rights Violations against Kurdish Artists specific to Musicians, https://www.ismailbesikciv akfi.org/uploads/files/KURDISHARTISTS_ENG.pdf.pdf, Zugriff 23.8.2022
K24 – Kurdistan 24 (10.4.2022): Teacher expelled for speaking Kurdish in Turkey, https://www.kurdistan24.net/en/story/27935-Teacher-expelled-for-speaking-Kurdish-in-Turkey, Zugriff 23.8.2022
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 3.10.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (18.3.2021): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documents/reports/2021/03/18/general-c ountry-of-origin-informationreport-turkey/vertaling-aab-turkije.pdf, Zugriff 25.2.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (31.10.2019): General Country of Origin Information ReportTurkey, https://www.rijksoverheid.nl/binaries/rijksoverheid/documenten /ambtsberichten/2019/10/31/algemeen-ambtsbericht-turkije-oktober-2019/Turkije++October+201 9.pdf, Zugriff 25.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 26.4.2023 ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2021): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2067409/TUER_%C3%96BBericht_2021-11.pdf, Zugriff 8.2.2022 Rudaw (22.3.2022): Hundreds of Kurds arrested in Iran, Turkey during Newroz celebrations, https: //www.rudaw.net/english/middleeast/22032022?fbclid=IwAR11yAYHEAYZ1t1EQTpCA0Y4FlJJf wUP93FS0j7znYHnYEUQrPGSdjQ6VYE, Zugriff 8.8.2022
SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik [Yeğen, Mesut] (19.4.2022): Erdoğan and the Turkish Opposition Revisit the Kurdish Question, https://www.cats-network.eu/publication/erdogan-and-t he-turkish-opposition-revisit-the-kurdish-question, Zugriff 20.4.2022
TM – Turkish Minute (1.2.2022): Police ban on Kurdish music in İstanbul street sparks Kurdish music frenzy, https://www.turkishminute.com/2022/02/01/ice-ban-on-kurdish-music-in-istanbul-str eet-sparks-kurdish-music-frenzy/, Zugriff 10.8.2022
TM – Turkish Minute (17.9.2020): Turkey removes signs in Kurdish as racist attacks on Kurds surge, https://www.turkishminute.com/2020/09/17/turkey-removes-signs-in-kurdish-as-racist-attacks-o n-kurds-surge/, Zugriff 25.2.2022 TP – Turkish Purge (20.7.2021): Nationalist mob attacks agricultural workers for speaking Kurdish in public, https://turkeypurge.com/nationalist-mob-attack-agricultural-workers-for-speaking-kurdi sh-in-public, Zugriff 25.2.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/03/415610_ TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugirff 26.4.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Turkey, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/TURKEY-2020-HUM AN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 25.2.2022 VOA – Voice of America (11.6.2022): Police Detain 20 Kurdish Journalists in Turkey Over Alleged Terror Links, https://www.voanews.com/a/police-detain-20-kurdish-journalists-in-turkey-over-alleg ed-terror-links-/6613073.html, Zugriff 11.8.2022 WKI – Washington Kurdish Institute (3.5.2022): Kurdistan’s Weekly Brief May 3, 2022, https: //dckurd.org/2022/05/03/kurdistansweekly-brief-may-3-2022/, Zugriff 8.8.2022
WKI - Washington Kurdish Institute (22.3.2022): Kurdistan’s Weekly Brief March 22, 2022,https: //dckurd.org/2022/03/22/kurdistansweekly-brief-march-22-2022/, Zugriff 8.8.2022
WKI – Washington Kurdish Institute (28.9.2021): Kurdistan’s Weekly Brief September 28, 2021 – Turkey, https://dckurd.org/2021/09/28/kurdistans-weekly-brief-september-28-2021/, Zugriff 25.2.2022

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Die Roma-Gemeinschaften wurden von der COVID-19-Pandemie besonders hart getroffen (USDOS 20.3.2023, S. 87). Die Covid-19-Pandemie verschärfte bestehende strukturelle Probleme der Roma in der Türkei. Aufgrund der Wirtschaftskrise und der massiven Teuerungswelle brachte auch das Ende der pandemie-bedingten Einschränkungen keine Erleichterung für die Roma-Gemeinschaften, deren Großteil in tiefer Armut lebt (ÖB 30.11.2022, S. 29). Die Regierung unternahm wenig, um die Gemeinschaften wirtschaftlich zu unterstützen. Vertreter der Gemeinschaft berichteten, dass einige Familien ihre Wohnungen und Versorgungseinrichtungen verloren haben und von Dienstleistungen abgeschnitten wurden, weil sie ihre Rechnungen aufgrund von COVID-19 nicht bezahlen konnten (USDOS 20.3.2023, S. 87).

Auswirkungen des Erdbebens vom Februar 2023

Einen Monat nach den beiden katastrophalen Erdbeben, die die südliche Türkei und Syrien heimgesucht hatten, waren mehr als 850.000 Kinder nach wie vor vertrieben, nachdem sie aus ihren beschädigten oder zerstörten Häusern flüchten mussten. Allein in der Türkei benötigten 2,5 Millionen Kinder dringend humanitäre Hilfe (UNICEF 6.3.2023). Der Zugang zu Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wasser und Unterkünften war die wichtigste Herausforderung nach dem Erdbeben, wobei Kinder häufig am stärksten gefährdet waren. Berichten zufolge schliefen mehrere Kinder im Freien oder lebten in improvisierten Lagern. Die Auswirkungen des Erdbebens auf die Schulbildung der Kinder sind eine zusätzliche Sorge. Kinder in den betroffenen Gemeinden haben aufgrund der obligatorischen Schulschließungen keinen Zugang mehr zu Bildung. Schließlich hat das Erdbeben die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Kinder ausgebeutet und missbraucht werden. Besonders Kinder, die von ihren Familien getrennt wurden oder sich in einer unsicheren Situation befinden, sind anfällig für Ausbeutung. Es wird in dem Zusammenhang über Fälle von Kinderhandel und Kinderarbeit berichtet (KRF 20.2.2023).

Viele Türken waren empört über die Stellungnahme von Diyanet, der staatlichen Körperschaft für religiöse Angelegenheiten, wonach Adoptiveltern ihre Adoptivkinder heiraten dürfen. Anlass war der Umstand, dass Tausende Kinder durch die Erdbeben zu Waisen geworden waren. Diyanet begründete dies damit, wonach im Islam eine Adoption nicht vorgesehen sei, und folglich diese Kinder vom Erbe ausgeschlossen wären. Allerdings wiesen die Kritiker, insbesondere Anwälte, darauf hin, dass das türkische Zivilrecht sehr wohl die Adoption von Kindern sowie die folgliche Erbberechtigung dieser vorsieht. Ehen zwischen Adoptiveltern und Adoptivkindern hingegen verbietet das türkische Gesetz (AM 22.2.2023).

Nach der Erdbebenkatastrophe nahm die Kritik an der Einlieferung von Kindern und Jugendlichen, die möglicherweise Waisen wurden, in Wohnheime islamischer Orden zu. Die türkische Zeitung „Birgün“ berichtet, dass mehr als 2.000 Kinder in der Kleinstadt Menzil, dem Zentrum des MenzilOrdens, untergebracht worden waren. Der Orden verbreitete auf seinen sozialen Medien Videos, wie die Kinder das „Tekbir“-Zeichen radikaler Muslime machten. Die Deutsche Welle hatte zuvor nachgewiesen, dass neun Minderjährige mit dem Wissen der staatlichen Religionsbehörde in Sakarya in ein Wohnheim des radikalen Ismail-Agas-Ordens untergebracht worden waren, wo sie eine Koranschule besuchten (FAZ 9.3.2023).

Hinsichtlich Kindern und Minderjährigen in Gefängnissen siehe den Abschnitt zu Kindern und Minderjährigen im Kapitel Haftbedingungen. Informationen zu Roma-Kindern finden sich in einem eigenen Abschnitt im Unterkapitel Roma.

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 29.8.2022
AM – Al Monitor (22.2.2023): Uproar in Turkey as religious body greenlights marriage with quake orphans, https://www.almonitor.com/originals/2023/02/uproar-turkey-religious-body-greenlights -marriage-quakeorphans?utm_medium=email&utm_campaign=daily%2022223%20February%20 22%202023%20327&utm_content=daily%2022223%20February%2022%202023%20327+CID_2 4469e56457f94035c0107c2bd51a823&utm_source=campmgr&utm_term=Uproar%20in%20Turk ey%20as%20religious%20body%20green%20lights%20marriage%20with%20quake%20orphans, Zugriff 28.2.2023 AM - Al Monitor (23.11.2022): Deepening poverty fuels mass school dropout in Turkey, https: //www.al-monitor.com/originals/2022/11/deepening-poverty-fuels-mass-school-dropout-turkey, Zugriff 20.12.2022
ARD – Das Erste (25.10.2020): Türkei: Kinderarbeit geduldet, https://www.daserste.de/informatio n/politikweltgeschehen/weltspiegel/sendung/tuerkei-kinderarbeit-landwirtschaft-100.html, Zugriff 23.2.2022 BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.4.2023): Briefing Notes, KW 14/2023, Anstieg von Kindesmissbrauchsfällen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw14-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 6.4.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.7.2021): Briefing Notes, KW 27/2021, Einsatz von Kindersoldaten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde/Inf ormationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw272021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 23.2.2022
BirGün (27.6.2022): Cinsel istismardan 16 bin mahkûmiyet [16.000 Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs], https://www.birgun.net/haber/cinsel-istismardan-16-bin-mahkumiyet-393369, Zugriff 12.8.2022
DFAT – Department of ForeignAffairs and Trade [Australien] (10.9.2020): DFAT Country Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038892/country-information-report-turkey.pdf, Zugriff 23.2.2022
Duvar (29.6.2022): Over 16,000 people convicted of child sex abuse last year in Turkey, https: //www.duvarenglish.com/over-16000people-convicted-of-child-sex-abuse-last-year-in-turkey-n ews-60977, Zugriff 12.8.2022
Duvar (11.6.2021): At least 513 child laborers died in last eight years in Turkey: Report, https: //www.duvarenglish.com/at-least-513child-laborers-died-in-last-eight-years-in-turkey-report-new s-57799, Zugriff 23.2.2022
Duvar (7.6.2021): Ministry report reveals worrying extent of child labor in Turkey, https://www.duva renglish.com/ministry-reportreveals-worrying-extent-of-child-labor-in-turkey-news-57742, Zugriff 23.2.2022
EC – European Commission (12.10.2022): Türkiye 2022 Report [SWD (2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 4.11.2022
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (9.3.2023): Sorge um die Kinder im Erdbebengebiet, https: //www.faz.net/aktuell/politik/ausland/waisen-bei-islamischen-orden-kinder-im-erdbebengebiet-1 8736636.html, Zugriff 29.3.2023 FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (15.12.2022): Hat ein armes Kind keine Rechte?, https: //www.faz.net/aktuell/feuilleton/brief-aus-istanbul-wie-die-jugend-in-der-tuerkei-ins-elend-faellt-1 8533974.html, Zugriff 20.12.2022
ILO – International Labour Organization (5.3.2021): ILO’s Programme on the Elimination of Child Labour in Turkey (2021-2025), https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---europe/---ro-geneva/ ---ilo-ankara/documents/publication/wcms_774757.pdf, Zugriff 23.2.2022
KRF - KidsRights Foundation (20.2.2023): Turkey and Syria earthquake: the consequences on children, https://www.kidsrights.org/news/turkey-and-syria-earthquake-the-consequences-on-chi ldren/, Zugriff 29.3.2023

MEE – Middle East Eye (1.7.2021): US places Turkey on list of countries implicated in use of child soldiers, https://www.middleeasteye.net/news/turkey-list-countries-implicated-child-soldiers-unite d-states, Zugriff 23.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (10.2019): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2019349/TUER_%C3%96B+Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 23.2.2022
OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (27.7.2022): United Nations Special Rapporteur on Violence against women and girls, its causes and consequences, Reem Alsalem; Official visit to Türkiye 18 - 27 July 2022, https://www.ohchr.org/sites/default/files/docu ments/issues/women/sr/2022-0727/SR-VAW-preliminary-findings-EN.docx, Zugriff 18.8.2022
UNICEF - United Nations Children’s Fund (6.3.2023): One month on, more than 850,000 children remain displaced by deadly earthquakes in southern Türkiye and Syria, https://www.unicef.org/tur kiye/en/press-releases/one-month-more-850000-childrenremain-displaced-deadly-earthquakes -southern-t%C3%BCrkiye, Zugriff 29.3.2023
USDOL – US Department of Labor [USA] (28.9.2022): 2020 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Turkey, https://www.ecoi.net/de/dokument/2082822.html, Zugriff 14.12.2022
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/ 03/415610_TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 24.4.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (1.7.2021): Briefing with Senior State Department Official On the Release of the 2021 Trafficking in Persons (TIP) Report, https://www.state.go v/briefing-with-senior-state-department-official-on-the-release-of-the-2021trafficking-in-persons -tip-report/, Zugriff 23.2.2022

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 28.06.2023

Art. 23 der Verfassung garantiert die Bewegungsfreiheit im Land, das Recht zur Ausreise sowie das für türkische Staatsangehörige uneingeschränkte Recht zur Einreise. Die Bewegungsfreiheit kann nach dieser Bestimmung jedoch begrenzt werden, um Verbrechen zu verhindern (ÖB 30.11.2022, S. 10; vgl. USDOS 20.3.2023, S.57). So ist die Bewegungsfreiheit generell in einigen Regionen und für Gruppen, die von der Regierung mit Misstrauen behandelt werden, eingeschränkt. Im Südosten der Türkei ist die Bewegungsfreiheit aufgrund des Konflikts zwischen der Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans - PKK limitiert (FH 10.3.2023, G1). Die Behörden sind befugt, die Bewegungsfreiheit Einzelner innerhalb der Türkei einzuschränken. Artikel 23, der Verfassung garantiert die Bewegungsfreiheit im Land, das Recht zur Ausreise sowie das für türkische Staatsangehörige uneingeschränkte Recht zur Einreise. Die Bewegungsfreiheit kann nach dieser Bestimmung jedoch begrenzt werden, um Verbrechen zu verhindern (ÖB 30.11.2022, S. 10; vergleiche USDOS 20.3.2023, S.57). So ist die Bewegungsfreiheit generell in einigen Regionen und für Gruppen, die von der Regierung mit Misstrauen behandelt werden, eingeschränkt. Im Südosten der Türkei ist die Bewegungsfreiheit aufgrund des Konflikts zwischen der Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans - PKK limitiert (FH 10.3.2023, G1). Die Behörden sind befugt, die Bewegungsfreiheit Einzelner innerhalb der Türkei einzuschränken.

Die Provinz-Gouverneure können zum Beispiel Personen, die verdächtigt werden, die öffentliche Ordnung behindern oder stören zu wollen, den Zutritt oder das Verlassen bestimmter Orte in ihren Provinzen für eine Dauer von bis zu 15 Tagen verbieten (ÖB 30.11.2022, S. 6; vgl. USDOS 20.3.2023, S. 57). Die Provinz-Gouverneure können zum Beispiel Personen, die verdächtigt werden, die öffentliche Ordnung behindern oder stören zu wollen, den Zutritt oder das Verlassen bestimmter Orte in ihren Provinzen für eine Dauer von bis zu 15 Tagen verbieten (ÖB 30.11.2022, S. 6; vergleiche USDOS 20.3.2023, S. 57).

Es ist gängige Praxis, dass Richter ein Ausreiseverbot gegen Personen verhängen, gegen die strafrechtlich ermittelt wird, oder gegen Personen, die auf Bewährung entlassen wurden. Eine Person muss also nicht angeklagt oder verurteilt werden, um ein Ausreiseverbot zu erhalten (MFANL 18.3.2021, S. 27f). Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, inwieweit eine Person, die das negative Interesse der türkischen Behörden auf sich gezogen hat, das Land legal verlassen kann, oder eben nicht, während ein Strafverfahren noch anhängig ist. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an (NL-MFA 2.3.2022, S. 27). Mitunter wird sogar gegen Parlamentarier ein Ausreiseverbot verhängt. - So wurde im März 2022 auf richterliches Geheiß dem HDPAbgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu die Ausreise untersagt und sein Reisepass im Rahmen der gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen eingezogen (Duvar 10.3.2022). Und Ende Dezember wurde, ebenfalls gegen einen HDP-Parlamentarier, eine Reisesperre verhängt. Zeynel Özen, der zudem schwedischer Staatsbürger und Mitglied des Harmonisierungsausschusses der Europäischen Union ist, wurde auf Anweisung des Innenministers am Flughafen Istanbul ohne Begründung die Ausreise verweigert (MedyaNews 26.12.2022; vgl. Duvar26.12.2022). Es ist gängige Praxis, dass Richter ein Ausreiseverbot gegen Personen verhängen, gegen die strafrechtlich ermittelt wird, oder gegen Personen, die auf Bewährung entlassen wurden. Eine Person muss also nicht angeklagt oder verurteilt werden, um ein Ausreiseverbot zu erhalten (MFANL 18.3.2021, S. 27f). Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, inwieweit eine Person, die das negative Interesse der türkischen Behörden auf sich gezogen hat, das Land legal verlassen kann, oder eben nicht, während ein Strafverfahren noch anhängig ist. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an (NL-MFA 2.3.2022, S. 27). Mitunter wird sogar gegen Parlamentarier ein Ausreiseverbot verhängt. - So wurde im März 2022 auf richterliches Geheiß dem HDPAbgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu die Ausreise untersagt und sein Reisepass im Rahmen der gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen eingezogen (Duvar 10.3.2022). Und Ende Dezember wurde, ebenfalls gegen einen HDP-Parlamentarier, eine Reisesperre verhängt. Zeynel Özen, der zudem schwedischer Staatsbürger und Mitglied des Harmonisierungsausschusses der Europäischen Union ist, wurde auf Anweisung des Innenministers am Flughafen Istanbul ohne Begründung die Ausreise verweigert (MedyaNews 26.12.2022; vergleiche Duvar26.12.2022).

Es ist gang und gäbe, dass insbesondere Personen mit Auslandsbezug, die sich nicht in Untersuchungshaft befinden, mit einer parallel zum Ermittlungsverfahren unter Umständen mehrere Jahre dauernden Ausreisesperre belegt werden. Hunderte EU-Bürger, darunter viele Österreicher, sind von dieser Maßnahme ebenso betroffen wie Tausende türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat (ÖB 30.11.2022, S. 10). Das deutsche Auswärtige Amt, antwortend auf eine parlamentarische Anfrage, gab im Juni 2022 an, dass 104 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit an der Ausreise gehindert wurden. 55 hätten sich wegen „Terror“Vorwürfen in Haft befunden, und gegen 49 weitere wäre eine Ausreisesperre verhängt worden (FR 11.6.2022).

Mitunter wird ein Ausreiseverbot ausgesprochen, ohne dass die betreffende Person davon weiß. In diesem Fall erfährt sie es erst bei der Passkontrolle zum Zeitpunkt der Ausreise, woraufhin höchstwahrscheinlich ein Verhör folgt. So wie z. B. Strafverfahren und Strafen werden auch Ausreiseverbote im sog. Allgemeinen Informationssammlungssystem (Genel Bilgi Toplama Sistemi GBT) erfasst. Die Justizbehörden und der Sicherheitsapparat, einschließlich Polizei und Gendarmerie, haben Zugriff auf das GBT. Wenn ein Zollbeamter am Flughafen die Identitätsnummer der betreffenden Person in das GBT eingibt, wird ersichtlich, dass das Gericht ein Ausreiseverbot verhängt hat. Unklar ist hingegen, ob ein Ausreiseverbot auch im sog. Nationalen Justizinformationssystem (Ulusal Yargi Ağı Bilişim Sistemi - UYAP) und im e-devlet (e-GovernmentPortal) aufscheint und somit dem Betroffenen bzw. seinem Anwalt zugänglich und offenkundig wäre. Die Polizei und die Gendarmerie können eine Person auch auf andere Weise daran hindern, das Land legal zu verlassen, indem sie in der internen Datenbank, genannt PolNet, ohne Wissen eines Richters einschlägige Anmerkungen zur betreffenden Person einfügen. Solche Notizen können den Zoll darauf aufmerksam machen, dass die betreffende Person das Land nicht verlassen darf. Auf diese Weise kann eine Person an einem Flughafen angehalten werden, ohne dass ein Ausreiseverbot im GBT registriert wird (MFA-NL 18.3.2021, S. 27f).

Die Regierung beschränkt weiterhin Auslandsreisen von Bürgern, die unter Terrorverdacht stehen oder denen Verbindungen zur Gülen-Bewegung oder zum gescheiterten Putschversuch 2016 vorgeworfen werden. Das gilt auch für deren Familienangehörige. Medienschaffende, Menschenrechtsverteidiger und andere, die mit politisch motivierten Anklagen konfrontiert sind. Sie werden oft unter „gerichtliche Kontrolle“ gestellt, bis das Ergebnis ihres Prozesses vorliegt. Dies beinhaltet häufig ein Verbot, das Land zu verlassen. Die Behörden hindern auch einige türkische Doppel-Staatsbürger aufgrund eines Terrorismusverdachts daran, das Land zu verlassen, was dazu führt, dass manche das Land illegal verlassen. Ausgangssperren, die von den lokalen Behörden als Reaktion auf die militärischen Operationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verhängt wurden, und die militärische Operation des Landes in Nordsyrien schränkten die Bewegungsfreiheit ebenfalls ein (USDOS 20.3.2023, S. 57f.).

Nach dem Ende des zweijährigen Ausnahmezustands widerrief das Innenministerium am 25.7.2018 die Annullierung von 155.350 Pässen, die in erster Linie Ehepartnern sowie Verwandten von Personen entzogen worden waren, die angeblich mit der Gülen-Bewegung in Verbindung standen (HDN 25.7.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, TM 25.7.2018). Trotz der Rücknahme der Annullierung konnten etliche Personen keine gültigen Pässe erlangen. Die Behörden blieben eine diesbezügliche Erklärung schuldig. Am 1.3.2019 hoben die Behörden die Passsperre von weiteren 51.171 Personen auf (TM 1.3.2019; vgl. USDOS 30.3.2021, S. 45), gefolgt von weiteren 28.075 im Juni 2020 (TM 22.6.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, S. 45). Das türkische Verfassungsgericht hat Ende Juli 2019 eine umstrittene Verordnung aufgehoben, die nach dem Putschversuch eingeführt worden war, und mit der die türkischen Behörden auch die Pässe von Ehepartnern von Verdächtigen für ungültig erklären konnten, auch wenn keinerlei Anschuldigungen oder Beweise für eine Straftat vorlagen. Die Praxis war auf breite Kritik gestoßen und als Beispiel für eine kollektive Bestrafung und Verletzung der Bewegungsfreiheit angeführt worden (TM 26.7.2019). Nach dem Ende des zweijährigen Ausnahmezustands widerrief das Innenministerium am 25.7.2018 die Annullierung von 155.350 Pässen, die in erster Linie Ehepartnern sowie Verwandten von Personen entzogen worden waren, die angeblich mit der Gülen-Bewegung in Verbindung standen (HDN 25.7.2018; vergleiche USDOS 13.3.2019, TM 25.7.2018). Trotz der Rücknahme der Annullierung konnten etliche Personen keine gültigen Pässe erlangen. Die Behörden blieben eine diesbezügliche Erklärung schuldig. Am 1.3.2019 hoben die Behörden die Passsperre von weiteren 51.171 Personen auf (TM 1.3.2019; vergleiche USDOS 30.3.2021, S. 45), gefolgt von weiteren 28.075 im Juni 2020 (TM 22.6.2020; vergleiche USDOS 30.3.2021, S. 45). Das türkische Verfassungsgericht hat Ende Juli 2019 eine umstrittene Verordnung aufgehoben, die nach dem Putschversuch eingeführt worden war, und mit der die türkischen Behörden auch die Pässe von Ehepartnern von Verdächtigen für ungültig erklären konnten, auch wenn keinerlei Anschuldigungen oder Beweise für eine Straftat vorlagen. Die Praxis war auf breite Kritik gestoßen und als Beispiel für eine kollektive Bestrafung und Verletzung der Bewegungsfreiheit angeführt worden (TM 26.7.2019).

Das Verfassungsgericht entschied Ende Jänner 2022, dass die massenhafte Annullierung der Pässe von Staatsbediensteten nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 rechtswidrig war. Das Gericht stellte fest, dass einige Regelungen des Notstandsdekrets Nr. 7086 vom 6.2.2018 verfassungswidrig sind, unter anderem mit der Begründung, wonach die Vorschriften, die vorsehen, dass die Pässe der aus dem öffentlichen Dienst Entlassenen eingezogen werden, die Reisefreiheit des Einzelnen über das Maß hinaus einschränken, welches die Situation des Notstandes erfordern würde. Überdies wurde dem Verfassungsgericht nach das durch die Verfassung garantierte Recht der Unschuldsvermutung verletzt (Duvar 29.1.2022).

Bei der Einreise in die Türkei besteht allgemeine Personenkontrolle. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. Bei Einreise wird überprüft, ob ein Eintrag im Fahndungsregister besteht oder Ermittlungs- bzw. Strafverfahren anhängig sind. An Grenzübergängen können Handy, Tablet, Laptop usw. von Reisenden ausgelesen werden, um insbesondere regierungskritische Beiträge, Kommentare auf Facebook, WhatsApp, Instagram etc. festzustellen, die wiederum in Maßnahmen wie z. B. Vernehmung, Festnahme, Strafanzeige usw. münden können. In Fällen von Rückführungen gestatten die Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier. Türkische Staatsangehörige dürfen nur mit einem gültigen Pass das Land verlassen. Die illegale Ein- und Ausreise ist strafbar (AA 28.7.2022, S. 23, 26).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 29.8.2022
Duvar (26.12.2022): International travel ban imposed on HDP MP, https://www.duvarenglish.com/i nternational-travel-ban-imposedon-hdp-mp-news-61648, Zugriff 29.12.2022
Duvar (10.3.2022): HDP MP Gergerlioğlu files objection against int’l travel ban, seizure of passport, https://www.duvarenglish.com/hdp-mp-omer-faruk-gergerlioglu-files-objection-against-intl-trave l-ban-seizure-of-passport-news-60577, Zugriff 29.12.2022 Duvar (29.1.2022): Turkey’s top court rules passport cancellation for sacked civil servants unconstitutional, https://www.duvarenglish.com/turkeys-top-court-rules-passport-cancellation-for-sacke d-civil-servants-unconstitutional-news-60256, Zugriff 8.2.2022
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Turkey, https://freedomhouse.org /country/turkey/freedom-world/2023, Zugriff 12.5.2023
FR – Frankfurter Rundschau (11.6.2022): Gefangen in der Türkei: Mehr als 100 Deutsche dürfen nicht ausreisen, https://www.fr.de/politik/gefangen-erdogan-tuerkei-viele-deutsche-duerfen-nicht -zurueck-deutschland-pkk-91604026.html, Zugriff 11.8.2022
HDN – Hürriyet Daily News (25.7.2018): Turkish Interior Ministry reinstates 155,350 passports, http://www.hurriyetdailynews.com/turkish-interior-ministry-reinstates-155-350-passports-135000, Zugriff 16.10.2019
MedyaNews (26.12.2022): Turkey imposes travel ban on Kurdish-Alevi lawmaker, https://medyan ews.net/turkey-imposes-travel-banon-kurdish-alevi-lawmaker/, Zugriff 29.12.2022
NL-MFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (2.3.2022): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078792/general-country-of-o rigin-information-report-turkey-march-2022.pdf,Zugriff 3.10.2022 NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (18.3.2021): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/r eports/2021/03/18/general-country-of-origin-information-reportturkey/vertaling-aab-turkije.pdf, Zugriff 16.11.2021
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 30.3.2023 TM – Turkish Minute (22.6.2020): Turkey removes passport restrictions for 28,000 more citizens, https://www.turkishminute.com/2020/06/22/turkey-removes-passport-restrictions-for-28000-mor e-citizens/, Zugriff 11.12.2020
TM – Turkish Minute (26.7.2019): Top court cancels regulation used to revoke passports of suspects’ spouses, https://www.turkishminute.com/2019/07/26/top-court-cancels-regulation-used-to-revok e-passports-of-suspects-spouses/, Zugriff 16.10.2019
TM – Turkish Minute (1.3.2019): Turkey lifts restrictions on more than 50,000 passports, https:

//www.turkishminute.com/2019/03/01/turkey-lifts-restrictions-on-more-than-50000-passports/, Zugriff 16.10.2019

TM – Turkish Minute (25.7.2018): Turkey removes restrictions from 155,350 passports, https: //www.turkishminute.com/2018/07/25/turkey-removes-restrictions-from-155350-passports/, Zugriff 16.10.2019

USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/03/415610_ TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugirff 30.3.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Turkey, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/TURKEY-2020-HUM AN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.4.2021
USDOS – United States Department of State [USA] (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Turkey, https://www.ecoi.net/en/document/2004277.html, Zugriff 16.10.2019

Auswirkungen der Erdbeben vom Februar 2023

Nach Inspektion von 70 % der von den Beben betroffenen Gebäude waren laut türkischen Regierungsstellen 412.000 Wohneinheiten in 118.000 Gebäuden eingestürzt oder mussten vollständig abgerissen werden (BAMF 27.2.2023, S.12). Während Anfang März 2023 die türkische Katastrophenschutzbehörde AFAD von fast zwei Millionen evakuierten Personen sprach (AFAD 1.3.2023), gab UNHCR Ende April bekannt, dass zu diesem Zeitpunkt 2,8 Millionen Menschen in Zelten und 107.000 Personen in Containern untergebracht waren (SC/UNHCR 4.5.2023).

Quellen:
AFAD - Afet ve Acil Durum Yönetimi Başkanlığı [Türkei] (1.3.2023): BASIN BÜLTENi - KAHRAMANMARAŞ’TA MEYDANAGELEN DEPREMLERHK. – 36 [Pressemitteilung - Über das Erdbeben in Kahramanmaraş - 36], https://www.afad.gov.tr/kahramanmarasta-meydana -gelen-depremler-hk-36, Zugriff 21.3.2023 [übersetzt mittels technischer Hilfsmittel] BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (27.2.2023): Briefing Notes, KW 9, HumanitäreLage nach den Erdbeben, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho*rde /Informationszentrum/Entscheiderbrief/2023/entscheiderbrief-02-2023.pdf?__blob=publicationFile &v=2, 28.2.2023 EC – EuropeanCommission (12.10.2022): Türkiye2022 Report [ SWD(2022) 333 final], https: //neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/ccedfba1-0ea4-4220-9f94-ae5 0c7fd0302_en?filename=T%C3%BCrkiye%20Report%202022.pdf, Zugriff 4.11.2022
EC – EuropeanCommission (29.5.2019): Turkey 2019 Report [ SWD(2019) 220 final], https: //www.ecoi.net/en/file/local/2010472/20190529-turkey-report.pdf, Zugriff 3.3.2022
IDMC (2022): Displacement Monitoring Centre: Republic of Türkiye - Displacement Data, https: //www.internaldisplacement.org/countries/t%C3%BCrkiye#internal-displacement, 15.5.2023
IDMC – Internal Displacement Monitoring Centre (31.12.2021): Figures Analysis 2021 - Republic of Türkiye - Displacement associated with Conflict and Violence, https://www.internal-displacement.org/sites/default/files/figures-analysis-2021-tur.pdf, Zugriff 15.5.2023
IDMC – Internal Displacement Monitoring Centre (5.2019): Turkey: Figure Analysis – Displacement Related to Conflict and Violence, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008301/GRID+2019+-+Confli ct+Figure+Analysis+-+TURKEY.pdf, Zugriff 3.3.2022
NL-MFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (18.3.2021): General Country of Origin Information Report Turkey, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/r eports/2021/03/18/general-country-of-origin-information-reportturkey/vertaling-aab-turkije.pdf, Zugriff 3.3.2022
RO - Report vor Ort (31.12.2021): Diyarbakır: Die Folgen des innertürkischen Krieges, https: //report-vor-ort.de/diyarbakir-die-folgen-des-innertuerkischen-krieges/#Politischer_Volkermord, Zugriff 21.3.2023
SC/UNHCR - Shelter Cluster/ UN High Commissioner for Refugees (4.5.2023): Shelter Sector Türkiye - Information brief Shelter Sector No. 1 - 28/04/2023, https://reliefweb.int/report/turkiye/s helter-sector-turkiye-information-brief-shelter-sector-no-1-28042023, Zugriff 15.5.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2023/03/415610_ TU%CC%88RKIYE-2022-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugirff 30.3.2023

Grundversorgung / Wirtschaft

Letzte Änderung: 28.06.2023

Das starke Wirtschaftswachstum des Vorjahres mit 11,4 % hat sich 2022 halbiert. Die Wachstumsaussichten für 2023 haben sich auch infolge der Erdbebenkatastrophe eingetrübt, aktuell (Stand April 2023) wird mit einem Wachstum von 2,8 % des BIP gerechnet (WKO 4.2023, S.4).

Denn in wichtigen Absatzmärkten der türkischen Exporteure wie der Europäischen Union und den USA wird 2023 ein Konjunkturabschwung erwartet. Die reale Kaufkraft ist gesunken. Die positiven Effekte auf den Konsum durch die deutliche Senkung des Leitzinses seit September 2021 von 19 auf 9 % werden durch die horrende Inflation gedämpft. Die Konsumentenpreise legten im Oktober 2022 um durchschnittlich 86 % zu. Die meisten Unternehmen reagieren mit Gehaltserhöhungen, die die Einbußen aber nur abfedern. Neben der Inflation führt der stark schwankende Wechselkurs der türkischen Lira (TL) zu hoher Unsicherheit. Die Bevölkerung flüchtet in Gold, Devisen, Aktien, Kryptowährung, Grundstücke oder Immobilien. Die Verschuldung der Bevölkerung ist bereits hoch. Die Auslandsschulden sowohl der Unternehmen als auch des Staates geben Anlass zur Sorge. Die Währungsreserven sind niedrig und die Banken verfügen über geringe Einlagen (GTAI 30.11.2022). Während die offizielle Inflationsrate Ende 2022 bei rund 85 % lag, bezifferte das unabhängige Wirtschaftsinstitut „Ena Grup“ die Teuerung bei knapp über 170 % (FR 23.12.2022). Besonders waren Lebensmittel von der Preissteigerung betroffen (Duvar 23.10.2022; vgl. AM 3.11.2022). Umfragen zeigten, dass die Türken die Inflation weit höher einschätzten, als die offiziellen Daten wiedergeben (Duvar 23.10.2022). Die Talfahrt der türkischen Lira setzte sich auch 2022 fort. Erhielt man im März 2021 für einen Euro noch 8,8 Lira, so stand der Wechselkurs im März 2023 bei 21,16 Lira für 1 Euro (WKO 4.2023, S. 4). Denn in wichtigen Absatzmärkten der türkischen Exporteure wie der Europäischen Union und den USA wird 2023 ein Konjunkturabschwung erwartet. Die reale Kaufkraft ist gesunken. Die positiven Effekte auf den Konsum durch die deutliche Senkung des Leitzinses seit September 2021 von 19 auf 9 % werden durch die horrende Inflation gedämpft. Die Konsumentenpreise legten im Oktober 2022 um durchschnittlich 86 % zu. Die meisten Unternehmen reagieren mit Gehaltserhöhungen, die die Einbußen aber nur abfedern. Neben der Inflation führt der stark schwankende Wechselkurs der türkischen Lira (TL) zu hoher Unsicherheit. Die Bevölkerung flüchtet in Gold, Devisen, Aktien, Kryptowährung, Grundstücke oder Immobilien. Die Verschuldung der Bevölkerung ist bereits hoch. Die Auslandsschulden sowohl der Unternehmen als auch des Staates geben Anlass zur Sorge. Die Währungsreserven sind niedrig und die Banken verfügen über geringe Einlagen (GTAI 30.11.2022). Während die offizielle Inflationsrate Ende 2022 bei rund 85 % lag, bezifferte das unabhängige Wirtschaftsinstitut „Ena Grup“ die Teuerung bei knapp über 170 % (FR 23.12.2022). Besonders waren Lebensmittel von der Preissteigerung betroffen (Duvar 23.10.2022; vergleiche AM 3.11.2022). Umfragen zeigten, dass die Türken die Inflation weit höher einschätzten, als die offiziellen Daten wiedergeben (Duvar 23.10.2022). Die Talfahrt der türkischen Lira setzte sich auch 2022 fort. Erhielt man im März 2021 für einen Euro noch 8,8 Lira, so stand der Wechselkurs im März 2023 bei 21,16 Lira für 1 Euro (WKO 4.2023, S. 4).

Die Arbeitslosigkeit im Land ist hoch (GTAI 30.11.2022), obschon sie 2022 leicht zurückging war. Im November 2022 verzeichnete das Statistikamt 10,2 % statt 12 % (2021) Arbeitslose und 17,8 % Jugendarbeitslosigkeit (2021: 21,4 %). Die Erwerbstätigenquote lag bei 54,1 % (WKO 4.2023, S. 5). Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ging für 2023 in ihrer Berechnung von einer Arbeitslosenrate bei den über 15-Jährigen von 9,9 % aus, wobei sie bei Frauen mit 12,5 % etwas, und besonders in der Altersgruppe der 15 bis 24-Jährigen mit 18,8 % deutlich höher ausfiel (ILO 2023). Eine immer größere Abwanderung junger, desillusionierter Türken, die sagen, dass sie ihr Land vorerst aufgegeben haben, zeichnet sich ab (FP 27.1.2023). Eine Umfrage der KonradAdenauer-Stiftung vom Sommer 2021 unter über 3.200 türkischen Jugendlichen ergab, dass fast 73 % „gerne in einem anderen Land leben würden“. 62,8 % der Befragten sahen ihre Zukunft in der Türkei nicht positiv (KAS 15.2.2022).

Laut einer in den türkischen Medien zitierten Studie des internationalen Meinungsforschungsinstituts IPSOS befanden sich im Juni 2022 90 % der Einwohner in einer Wirtschaftskrise bzw. kämpften darum, über die Runden zu kommen, da sich die Lebensmittel- und Treibstoffpreise in den letzten Monaten mehr als verdoppelt hatten. Alleinig 37 % gaben an, dass sie „sehr schwer“ über die Runden kommen (TM 8.6.2022). Unter Berufung auf das Welternährungsprogramm (World Food Programme-WFP) der Vereinten Nationen berichteten Medien ebenfalls Anfang Juni 2022, dass 14,8 der 82,3 Millionen Einwohner der Türkei unter unzureichender Nahrungsmittelversorgung litten, wobei allein innerhalb der letzten drei Monate zusätzlich 410.000 Personen hinzukamen, welche hiervon betroffen waren (GCT 8.6.2022; vgl. Duvar 7.6.2022, TM 7.6.2022). Laut einer in den türkischen Medien zitierten Studie des internationalen Meinungsforschungsinstituts IPSOS befanden sich im Juni 2022 90 % der Einwohner in einer Wirtschaftskrise bzw. kämpften darum, über die Runden zu kommen, da sich die Lebensmittel- und Treibstoffpreise in den letzten Monaten mehr als verdoppelt hatten. Alleinig 37 % gaben an, dass sie „sehr schwer“ über die Runden kommen (TM 8.6.2022). Unter Berufung auf das Welternährungsprogramm (World Food Programme-WFP) der Vereinten Nationen berichteten Medien ebenfalls Anfang Juni 2022, dass 14,8 der 82,3 Millionen Einwohner der Türkei unter unzureichender Nahrungsmittelversorgung litten, wobei allein innerhalb der letzten drei Monate zusätzlich 410.000 Personen hinzukamen, welche hiervon betroffen waren (GCT 8.6.2022; vergleiche Duvar 7.6.2022, TM 7.6.2022).

Die Armutsgrenze in der Türkei ist im Jänner 2023 auf 28.875 Lira [Anm.: 1 Euro war Ende April 2023 fast 21,5 Lira wert.] ge stiegen, mehr als das Dreifache des Mindestlohns (8.506 Lira), wie Daten desTürkischen Gewerkschaftsbundes (Türk-İş) zeigen. - Die Armutsgrenze gibt an, wie viel Geld eine vierköpfige Familie benötigt, um sich ausreichend und gesund zu ernähren, und deckt auch die Ausgaben für Grundbedürfnisse wie Kleidung, Miete, Strom, Wasser, Verkehr, Bildung und Gesundheit ab. - Die Hungerschwelle, die den Mindestbetrag angibt, der erforderlich ist, um eine vierköpfige Familie im Monat vor dem Hungertod zu bewahren, lag im Jänner 2023 bei 8.864 Lira. Damit lag der Mindestlohn bereits im Jänner 2023 unter der Hungerschwelle für eine vierköpfige Familie (Duvar 30.1.2023).

Präsident Erdoğan hat den Mindestlohn ab dem 1.1.2023 auf 8.500 Türkische Lira netto von zuvor 5.500 TL angehoben. Allerdings kritisierten sowohl die Gewerkschaften als auch die Opposition die Anhebung als zu gering, auch weil 60 % aller Arbeitenden nur den Mindestlohn verdienen (FR 23.12.2022). Mit der Steigerung um rund 55 % ist die Mindestlohnerhöhung weit unter der offiziell verkündeten Inflationsrate von rund 84 %. Private Unternehmen sind allerdings nicht verpflichtet, eine Lohnerhöhung von 55 % durchzuführen, solange die Löhne nicht unter dem Mindestlohn liegen. Laut inoffiziellen Quellen beträgt die tatsächliche Inflation sogar über 170 %. Laut dem türkischen Arbeitnehmerbund betragen aber die durchschnittlichen Lebenserhaltungskosten einer Familie mit zwei Kindern durchschnittlich 25.365 Lira, und die Lebenserhaltungskosten für eine einzelne Person machen 10.170 Lira aus. Diese Zahlen variieren jedoch auch stark nach dem Standort. In Metropolen wie Istanbul, Ankara oder Izmir sind die erwähnten Zahlen weniger realistisch, da hier die Lebenshaltungskosten noch höher geschätzt werden (WKO 10.3.2023).

Die Krise bedeutet für viele Türken Schwierigkeiten zu haben, sich Lebensmittel im eigenen Land leisten zu können. Der normale Bürger kann sich inzwischen Milch- und Fleischprodukte nicht mehr leisten: Diese werden nicht mehr für jeden zu haben sein, so Semsi Bayraktar, Präsident des Türkischen Verbandes der Landwirtschaftskammer. Die Türkei befindet sich mit 69 % an fünfter Stelle auf der Liste der globalen Lebensmittel-Inflation (DW 13.4.2023).

Laut amtlicher Statistik lebten bereits 2019, also vor der COVID-19-Krise, 17 der damals 81 Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze. 21,5 % aller Familien galten als arm (AM 27.1.2021). Unter den OECD-Staaten hat die Türkei einen der höchsten Werte hinsichtlich der sozialen Ungleichheit und gleichzeitig eines der niedrigsten Haushaltseinkommen. Während im OECDDurchschnitt die Staaten 20 % des Brutto-Sozialproduktes für Sozialausgaben aufbringen, liegt der Wert in der Türkei unter 13 %. Die Türkei hat u. a. auch eine der höchsten Kinderarmutsraten innerhalb der OECD. Jedes fünfte Kind lebt in Armut (OECD 2019).

Die Ausgaben für Sozialleistungen betragen lediglich 12,1 % des BIP. In vielen Fällen sorgen großfamiliäre Strukturen für die Sicherung der Grundversorgung (ÖB 30.11.2022, S. 41). In Zeiten wirtschaftlicher Not wird die Großfamilie zur wichtigsten Auffangstation. Gerade die Angehörigen der ärmeren Schichten, die zuletzt aus ihren Dörfern in die Großstädte zogen, reaktivieren nun ihre Beziehungen in ihren Herkunftsdörfern. In den dreimonatigen Sommerferien kehren sie in ihre Dörfer zurück, wo zumeist ein Teil der Familie eine kleine Subsistenzwirtschaft aufrechterhalten hat (Standard 25.7.2022). NGOs, die Bedürftigen helfen, finden sich vereinzelt nur in Großstädten (ÖB 30.11.2022, S. 41).

Quellen:
AM – Al Monitor (3.11.2022): Turkish inflation hits 85.5% as doubts linger over official data, https: //www.al-monitor.com/originals/2022/11/turkish-inflation-hits-855-doubts-linger-over-official-data, Zugriff 7.11.2022
AM –Al Monitor (27.1.2021): COVID-19 pandemic expands poverty in Turkey, https://www.al-m onitor.com/originals/2021/01/turkeypandemic-pandemic-expands-poverty-high-inflation.html, Zugriff 24.2.2022
Duvar (30.1.2023): Turkish hunger threshold surpasses minimum wage in first month of 2023, https://www.duvarenglish.com/turkishhunger-threshold-surpasses-minimum-wage-in-first-month -of-2023-news-61738, Zugriff 25.4.2023
Duvar (23.10.2022): ‘People’s inflation’ for basic goods at 177 percent in Turkey, https://www.du varenglish.com/peoples-inflation-forbasic-goods-at-177-percent-in-turkey-news-61461, Zugriff 25.10.2022
Duvar (7.6.2022): 14.8 million people in Turkey suffer from undernourishment: UN report, https: //www.duvarenglish.com/148-millionpeople-in-turkey-suffer-from-undernourishment-un-report-n ews-60908, Zugriff 15.6.2022
DW – Deutsche Welle (13.4.2023): Türkei vor der Wahl: Fleisch für viele Menschen unerschwinglich, https://www.dw.com/de/t%C3%Bcrkei-vor-der-wahl-fleisch-f%C3%Bcr-viele-menschen-unersch winglich/a-65299835, Zugriff 25.4.2023
FP - Foreign Policy (27.1.2023): Erdogan’s Turkey Faces a Growing Exodus Ahead of Elections, https://foreignpolicy.com/2023/01/27/turkey-elections-erdogan-exodus-population-migration/, Zugriff 21.3.2023 FR - Frankfurter Rundschau (23.12.2022): Erdogan hebt Mindestlohn in der Türkei an – Inflation steigt weiter, https://www.fr.de/politik/tuerkei-mindestlohn-erdogan-wirtschafts-krise-inflation-wae hrung-91993135.html, Zugriff 29.12.2022 GCT – Greek City Times (8.6.2022): Malnutrition in Turkey explodes as Erdoğan escalates war rhetoric against Greece, https://greekcitytimes.com/2022/06/08/malnutrition-in-turkey-erdogan/, Zugriff 15.6.2022
GTAI – Germany Trade and Invest (30.11.2022): Wirtschaftswachstum ist mit Risiken behaftet, https://www.gtai.de/de/trade/tuerkei/wirtschaftsumfeld/wirtschaftswachstum-ist-mit-risiken-behaf tet-247908#toc-anchor--3, Zugriff 21.3.2023
KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (15.2.2022): Jugendstudie Türkei 2021, https://www.kas.de/de/ web/tuerkei/publikationen/einzeltitel/-/content/jugendstudie-tuerkei-2021-2, Zugriff 24.2.2022 ILO - International Labour Organization (2023): ILOSTAT explorer – Türkiye, https://www.ilo.org/sh inyapps/bulkexplorer35/?lang=en&segment=indicator&id=UNE_2EAP_SEX_AGE_RT_A, Zugriff 25.4.2023
OECD – Organisation for Economic Cooperation and Development (2019): Society at a Glance 2019: OECD Social Indicators, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/soc_glance-2019-en.pdf? expires=1573813322&id=id&accname=guest&checksum=2EE74228759055A97295ED4460FC22 E0, Zugriff 24.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 21.4.2023 Standard (25.7.2022): Türkei lernt, mit Inflationsraten jenseits der 100 Prozent zu leben, https: //www.derstandard.at/story/2000137723848/tuerkei-lernt-mit-inflationsratenjenseits-der-100-pro zent-zu-leben?ref=loginwall_articleredirect, Zugriff 16.8.2022
TM – Turkish Minute (8.6.2022): 90 percent of Turks struggling to make ends meet amid economic crisis: poll, https://www.turkishminute.com/2022/06/08/rcent-of-turks-struggling-to-make-ends-m eet-amid-economic-crisis-poll/, Zugriff 15.6.2022
TM – Turkish Minute (7.6.2022): 14.8 million Turks suffer from insufficient food consumption, UN data show, https://www.turkishminute.com/2022/06/07/illion-turks-suffer-from-insufficient-food-c onsumption-un-data-show/, Zugriff 15.6.2022
WKO - Wirtschaftskammer Österrreich (4.2023): AUSSENWIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT TÜRKEI, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/tuerkei-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.3.2023
WKO - Wirtschaftskammer Österrreich (10.3.2023): Mindestlohn ab 1.1.2023 um 55 % höher Lebenshaltungskosten steigen weiter, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/mindestlohn-a b-2023-55-prozent-hoeher.html, Zugriff 21.4.2023

Sozialbeihilfen / -versicherung

Letzte Änderung: 28.06.2023

Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294, über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität und Nr. 5263, zur Organisation und den Aufgaben der Generaldirektion für Soziale Hilfe und Solidarität, gewährt (AA 28.7.2022, S. 21). Die Hilfeleistungen werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftung für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yardımlaşma ve Dayanişma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind (AA 14.6.2019). Anspruchsberechtigt sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können (AA 28.7.2022, S. 21).

Sozialhilfe im österreichischen Sinne gibt es keine. Auf Initiative des Ministeriums für Familie und Sozialpolitik gibt es aber 43 Sozialprogramme (2019), welche an bestimmte Bedingungen gekoppelt sind, die nicht immer erfüllt werden können, wie z. B. Sachspenden: Nahrungsmittel, Schulbücher, Heizmaterialien etc.; Kindergeld: einmalige Zahlung, die sich nach der Anzahl der Kinder richtet und 300 TL für das erste, 400 TL für das zweite, 600 TL für das dritte Kind beträgt; für hilfsbedürftige Familien mit Mehrlingen: Kindergeld für die Dauer von 24 Monaten über monatlich 150 TL, wenn das pro Kopf Einkommen der Familie 1.416 TL nicht übersteigt; finanzielle Unterstützung für Schwangere: sog. „Milchgeld“ in einmaliger Höhe von 315 TL (bei geleisteten Sozialversicherungsabgaben durch den Ehepartner oder vorherige Erwerbstätigkeit der Mutter selbst); Wohnprogramme; Einkommen für Behinderte und Altersschwache zwischen 1.124 TL und 1.687 TL je nach Grad der Behinderung. Zudem existiert eine Unterstützung in der Höhe von 3.340 TL für Personen, die sich um Schwerbehinderte zu Hause kümmern (Grad der Behinderung von mindestens 50 % sowie Nachweis der Erforderlichkeit von Unterstützung im Alltag). Witwenunterstützung: Jede Witwe hatte 2022 monatlich Anspruch auf 875 TL (Auszahlung alle zwei Monate) aus dem Sozialhilfe- und Solidaritätsfonds der Regierung. Der Maximalbetrag für die Witwenrente beträgt mittlerweile 18.975 TL. Zudem gibt es die Witwenrente, die sich nach dem Monatseinkommen des verstorbenen Ehepartners richtet (maximal 75 % des Bruttomonatsgehalts des verstorbenen Ehepartners, jedoch maximal 4.500 TL) (ÖB 30.11.2022, S. 42).

Das Sozialversicherungssystem besteht aus zwei Hauptzweigen, nämlich der langfristigen Versicherung (Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung) und der kurzfristigen Versicherung (Berufsunfälle, berufsbedingte und andere Krankheiten, Mutterschaftsurlaub) (SGK 2016a). Das türkische Sozialversicherungssystem finanziert sich nach der Allokationsmethode durch Prämien und Beiträge, die von den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und dem Staat geleistet werden. Für die arbeitsplatzbezogene Unfall- und Krankenversicherung inklusive Mutterschaft bezahlt der unselbstständig Erwerbstätige nichts, der Arbeitgeber 2 %; für die Invaliditäts- und Pensionsversicherung beläuft sich der Arbeitnehmeranteil auf 9 % und der Arbeitgeberanteil auf 11 %. Der Beitrag zur allgemeinen Krankenversicherung beträgt für die Arbeitnehmer 5 % und für die Arbeitgeber 7,5 % (vom Bruttogehalt). Bei der Arbeitslosenversicherung zahlen die Beschäftigten 1 % vom Bruttolohn (bis zu einem Maximum) und die Arbeitgeber 2 %, ergänzt um einen Beitrag des Staates in der Höhe von 1 % des Bruttolohnes (bis zu einem Maximumwert) (SGK 2016b; vgl. SSA 9.2018). Das Sozialversicherungssystem besteht aus zwei Hauptzweigen, nämlich der langfristigen Versicherung (Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung) und der kurzfristigen Versicherung (Berufsunfälle, berufsbedingte und andere Krankheiten, Mutterschaftsurlaub) (SGK 2016a). Das türkische Sozialversicherungssystem finanziert sich nach der Allokationsmethode durch Prämien und Beiträge, die von den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und dem Staat geleistet werden. Für die arbeitsplatzbezogene Unfall- und Krankenversicherung inklusive Mutterschaft bezahlt der unselbstständig Erwerbstätige nichts, der Arbeitgeber 2 %; für die Invaliditäts- und Pensionsversicherung beläuft sich der Arbeitnehmeranteil auf 9 % und der Arbeitgeberanteil auf 11 %. Der Beitrag zur allgemeinen Krankenversicherung beträgt für die Arbeitnehmer 5 % und für die Arbeitgeber 7,5 % (vom Bruttogehalt). Bei der Arbeitslosenversicherung zahlen die Beschäftigten 1 % vom Bruttolohn (bis zu einem Maximum) und die Arbeitgeber 2 %, ergänzt um einen Beitrag des Staates in der Höhe von 1 % des Bruttolohnes (bis zu einem Maximumwert) (SGK 2016b; vergleiche SSA 9.2018).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 29.8.2022
AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (14.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, https://www.ecoi.net/en/file/local/2011504/Ausw%C3%A4rtiges_Am t%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T %C3%Bcrkei_%28Stand_Mai_2019%29%2C_14.06.2019.pdf, Zugriff 24.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 6.4.2023
SGK – Sosyal Güvenlik Kurumu – Anstalt für Soziale Sicherheit [Türkei] (2016a): Das Türkische Soziale Sicherheitssystem, http://web.archive.org/web/20220302125002/http://www.sgk.gov.tr/w ps/portal/sgk/de/detail/das_turkische, Zugriff 11.5.2023 [Der Originallink ist inaktiv]
SGK – Sosyal Güvenlik Kurumu – Anstalt für Soziale Sicherheit [Türkei] (2016b): Financing of Social Security, http://www.sgk.gov.tr/wps/portal/sgk/en/detail/social_security_system/social_secu rity_system, Zugriff 11.5.2023 [Der Originallink ist inaktiv] SSA – Social Security Administration [USA] (9.2018): Social Security Programs Throughout the World: Europe, 2018: Turkey, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/europe /turkey.html, Zugriff 28.6.2022

Arbeitslosenunterstützung

Letzte Änderung: 28.06.2023

Im Falle von Arbeitslosigkeit gibt es für alle Arbeiter und Arbeiterinnen Unterstützung, auch für diejenigen, die in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, in staatlichen und in privaten Sektoren tätig sind (IOM 2019). Arbeitslosengeld wird maximal zehn Monate lang ausbezahlt, wenn zuvor eine ununterbrochene, angemeldete Beschäftigung von mindestens 120 Tagen bestanden hat und nachgewiesen werden kann. Die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten vier Monate und beträgt 40 % des Durchschnittslohns der letzten vier Monate, maximal jedoch 80 % des Bruttomindestlohns. Die Leistungsdauer richtet sich danach, wie viele Tage lang der Arbeitnehmer in den letzten drei Jahren Beiträge entrichtet hat (İŞKUR 2022; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 41). Im Falle von Arbeitslosigkeit gibt es für alle Arbeiter und Arbeiterinnen Unterstützung, auch für diejenigen, die in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, in staatlichen und in privaten Sektoren tätig sind (IOM 2019). Arbeitslosengeld wird maximal zehn Monate lang ausbezahlt, wenn zuvor eine ununterbrochene, angemeldete Beschäftigung von mindestens 120 Tagen bestanden hat und nachgewiesen werden kann. Die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten vier Monate und beträgt 40 % des Durchschnittslohns der letzten vier Monate, maximal jedoch 80 % des Bruttomindestlohns. Die Leistungsdauer richtet sich danach, wie viele Tage lang der Arbeitnehmer in den letzten drei Jahren Beiträge entrichtet hat (İŞKUR 2022; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 41).

Nach Erhöhung des Mindestlohns im Juli 2022 beträgt der Mindestarbeitslosenbetrag derzeit 2.568 TL (rund € 141), der Maximalbetrag 5.123 TL (rund € 283) (ÖB 30.11.2022, S. 41). - Auf das Arbeitslosengeld werden keine Steuern oder Abzüge erhoben, mit Ausnahme der Stempelsteuer (İŞKUR 2022). Personen, die 600 Tage lang Zahlungen geleistet haben, haben Anspruch auf 180 Tage Arbeitslosengeld. Bei 900 Tagen beträgt der Anspruch 240 Tage, und bei 1.080 Beitragstagen macht der Anspruch 300 Tage aus (IOM 8.2022; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 41f., İŞKUR 2022). Nach Erhöhung des Mindestlohns im Juli 2022 beträgt der Mindestarbeitslosenbetrag derzeit 2.568 TL (rund € 141), der Maximalbetrag 5.123 TL (rund € 283) (ÖB 30.11.2022, S. 41). - Auf das Arbeitslosengeld werden keine Steuern oder Abzüge erhoben, mit Ausnahme der Stempelsteuer (İŞKUR 2022). Personen, die 600 Tage lang Zahlungen geleistet haben, haben Anspruch auf 180 Tage Arbeitslosengeld. Bei 900 Tagen beträgt der Anspruch 240 Tage, und bei 1.080 Beitragstagen macht der Anspruch 300 Tage aus (IOM 8.2022; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 41f., İŞKUR 2022).

Quellen:
IOM – International Organization for Migration (8.2022): Länderinformationsblatt Türkei 2022, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS%202022%20T%C3%BCrkei%20DE.pdf, Zugriff 16.12.2022
IOM – International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Türkei 2019, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Turkey_DE.pdf, Zugriff 24.2.2022
İŞKUR - Türkiye İş Kurumu (2022): Unemployment Benefit, https://www.iskur.gov.tr/en/job-seeke r/unemploymentinsurance/unemployment-benefit/, Zugriff 16.8.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 30.3.2023

Pension

Letzte Änderung: 28.06.2023

Pensionen gibt es für den öffentlichen und den privaten Sektor. Kosten: Eigenbeteiligungen werden an die Anstalt für Soziale Sicherheit (SGK) entrichtet, weitere Kosten entstehen nicht. Wenn der Begünstigte dieAnforderungen erfüllt, erhält er eine monatliche Pension entsprechend der Höhe der Prämienzahlung.

Berechtigung:

•Staatsbürger über 18 Jahre

•Türken, die ihre Arbeit im Ausland nachweisen können (bis zu einem Jahr Arbeitslosigkeit ist anrechenbar)

•Ehepartner und Bürger ohne Beruf über 18 Jahren können eine Rente erhalten, wenn sie ihre Prämien für den gesamten oder einen Teil ihres Auslandsaufenthaltes in einer Fremdwährung an SGK, Bağkur [Selbständige] oder Emekli Sandığı [Beamte] gezahlt haben.

Voraussetzungen:

•Anmelden bei der Sozialversicherung SGK.

•Hausfrauen müssen sich bei Bağkur anmelden.

•Antrag an die Sozialversicherung, an welche sie ihre Beiträge gezahlt haben, innerhalb von zwei Jahren nach der Rückkehr.

Personen älter als 65 Jahre, Menschen mit Behinderungen über 18 und Personen mit Verwandten unter 18 Jahren mit Behinderungen, für die sie die gesetzliche Vormundschaft übernehmen, können eine regelmäßige monatliche Zahlung erhalten. Unmittelbare Familienmitglieder von Versicherten, die nach ihrer Pensionierung verstorben sind und/oder mindestens zehn Jahre gearbeitet haben, haben Anspruch auf Witwen- oder Waisenhilfe. Wenn der/die Verstorbene länger als fünf Jahre gearbeitet hat, haben seine/ihre Kinder unter 18 Jahren, Kinder in der Sekundarschule unter 20 Jahren und Kinder, die unter 25 Jahre alt sind und an einer Hochschule eingeschrieben sind, Anspruch auf Waisenhilfe (IOM 8.2022).

Die Alterspension (Yaşlılık aylığı) ist der durchschnittliche Monatsverdienst des Versicherten multipliziert mit dem Rückstellungssatz. Der durchschnittliche Monatsverdienst ist der gesamte Lebensverdienst des Versicherten dividiert durch die Summe der Tage der gezahlten Beiträge, multipliziert mit 30. Der Rückstellungssatz beträgt 2 % für jede 360-Tage-Beitragsperiode (aliquot reduziert für Zeiträume von weniger als 360 Tagen), bis zu 90 %. Eine Sonderberechnung gilt, wenn die Erstversicherung vor dem 1.10.2008 erfolgte (SSA 9.2018).

Kurz vor dem Jahreswechsel 2022/2023 hat Präsident Erdoğan das Mindestalter für die Pension aufgehoben und damit mehr als zwei Millionen Bürgern die Möglichkeit gegeben, sofort in den Ruhestand zu treten. Bislang galt in der Türkei ein Mindestalter von 60 Jahren für Männer und 58 für Frauen (ZO 29.12.2022). Ab Mitte Jänner 2023 zählt nur noch die gearbeitete Zeit: 7.200 Tage berechtigen dann zum Pensionseintritt. Allerdings arbeiten viele Pensionisten trotzdem weiter, da die Pension nicht zum Leben reicht. Über zwei Mio. Türken würden in den Genuss der neuen Regelung kommen (ARD 2.1.2023).

Nachdem bereits Anfang Jänner eine 30-prozentige Erhöhung der Gehälter und Pensionen der Staatsdiener sowie eine Erhöhung der Mindestpension von 3.500 auf 5.500 Lira (ca. 293 Euro) für die erste Hälfte des Jahres 2023 angekündigt wurde (DS 4.1.2023; vgl. HDN 4.1.2023), bewilligte Präsident Erdoğan kurz vor den Wahlen eine weitere Gehaltserhöhung von 45 % für 700.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Der Mindestlohn im öffentlichen Dienst steigt damit auf 15.000 Lira (knapp 700 Euro). Die Pensionen für Veteranen und Angehörige von Terroropfern sollen zudem um 10 % Prozent erhöht werden (FAZ 9.5.2023; vgl. DS 9.5.2023). Zudem kündigte Erdoğan eine Erhöhung der eigentlichen Beamtengehälter, die sich automatisch auf deren Pensionen auswirken, auf mindestens 22.000 Lira an (PRT 11.5.2023). Nachdem bereits Anfang Jänner eine 30-prozentige Erhöhung der Gehälter und Pensionen der Staatsdiener sowie eine Erhöhung der Mindestpension von 3.500 auf 5.500 Lira (ca. 293 Euro) für die erste Hälfte des Jahres 2023 angekündigt wurde (DS 4.1.2023; vergleiche HDN 4.1.2023), bewilligte Präsident Erdoğan kurz vor den Wahlen eine weitere Gehaltserhöhung von 45 % für 700.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Der Mindestlohn im öffentlichen Dienst steigt damit auf 15.000 Lira (knapp 700 Euro). Die Pensionen für Veteranen und Angehörige von Terroropfern sollen zudem um 10 % Prozent erhöht werden (FAZ 9.5.2023; vergleiche DS 9.5.2023). Zudem kündigte Erdoğan eine Erhöhung der eigentlichen Beamtengehälter, die sich automatisch auf deren Pensionen auswirken, auf mindestens 22.000 Lira an (PRT 11.5.2023).

Die türkischen Pensionisten gehören zu den ärmsten der Welt. Das Pensionsniveau in der Türkei liegt bei knapp 22 % des Wertes der nationalen Armutsgrenze, was bedeutet, dass die Pension nicht ausreicht, um Altersarmut zu verhindern (ILO 2021 S. 56f).

Quellen:
ARD-aktuell / tagesschau.de (2.1.2023): Erdogans Rentengeschenk, https://www.tagesschau.de/ ausland/asien/erdogan-schafftrenteneintrittsalter-ab-101.html, Zugriff 13.2.2023
DS - Daily Sabah (9.5.2023): Türkiye hikes state worker wages by 45% ahead of key elections, https://www.dailysabah.com/business/economy/turkiye-hikes-state-worker-wages-by-45-ahead-o f-key-elections, Zugriff 11.5.2023 DS - Daily Sabah (4.1.2023): Türkiye hikes wages of active, retired civil servants by 30%: Erdoğan, https://www.dailysabah.com/business/economy/turkiye-hikes-wages-of-active-retired-civil-serva nts-by-30-erdogan, Zugriff 13.2.2023
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (9.5.2023): Erdogan verteilt Wahlkampfgeschenke, https: //www.faz.net/aktuell/politik/ausland/wahlen-in-der-tuerkei-erdogan-verteilt-wahlkampfgeschenk e-18881364.html, Zugriff 11.5.2023
HDN - Hürriyet Daily News (4.1.2023): Erdoğan adds 5 percent to civil servants’ wage, pensions, https://www.hurriyetdailynews.com/erdogan-adds-5-percent-to-civil-servants-wage-pensioners-1 79869, Zugriff 13.2.2023
ILO – International Labour Organization (2021): World Social Protection Report 2020–22: Social Protection at the Crossroads – in Pursuit of a Better Future, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/ public/---dgreports/---dcomm/--publ/documents/publication/wcms_817572.pdf, Zugriff 9.2.2022
IOM – International Organization for Migration (8.2022): Länderinformationsblatt Türkei 2022, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS%202022%20T%C3%BCrkei%20DE.pdf, Zugriff 16.12.2022
PRT - President of the Republic of Turkey (11.5.2023): „Lowest public servant salary will approximate TL22 thousand“, https://www.tccb.gov.tr/en/news/542/147134/-lowest-public-servant-salar y-will-approximate-tl22-thousand-, Zugriff 11.5.2023 SSA – Social Security Administration [USA] (9.2018): Social Security Programs Throughout the World: Europe, 2018: Turkey, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/europe /turkey.html, Zugriff 30.3.2023
ZO - Zeit Online (29.12.2022): Türkei schafft Mindestalter für Altersrente ab, https://www.zeit.de/ politik/ausland/2022-12/receptayyip-erdogan-alter-rente-tuerkei-aufgehoben?utm_referrer=https %3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fthema%2Ftuerkei, Zugriff 13.2.2023

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 28.06.2023

Mit der Gesundheitsreform 2003 wurde das staatlich zentralisierte Gesundheitssystem umstrukturiert und eine Kombination der „Nationalen Gesundheitsfürsorge“ und der „Sozialen Krankenkasse“ etabliert. Eine universelle Gesundheitsversicherung wurde eingeführt. Diese vereinheitlichte die verschiedenen Versicherungssysteme für Pensionisten, Selbstständige, Unselbstständige etc.. Die staatliche türkische Sozialversicherung gewährt den Versicherten eine medizinische Grundversorgung, die eine kostenlose Behandlung in den staatlichen Krankenhäusern miteinschließt. Bei Arzneimitteln muss jeder Versicherte (Pensionisten ausgenommen) grundsätzlich einen Selbstbehalt von 10 % tragen. Viele medizinische Leistungen, wie etwa teure Medikamente und moderne Untersuchungsverfahren, sind von der Sozialversicherung jedoch nicht abgedeckt. Die Gesundheitsreform gilt als Erfolg, denn 90 % der Bevölkerung sind mittlerweile versichert. Zudem sank infolge der Reform die Müttersterblichkeit bei der Geburt um 70 %, die Kindersterblichkeit um Zwei-Drittel. Sofern kein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, beträgt der freiwillige Mindestbetrag für die allgemeine Krankenversicherung 3 % des Bruttomindestlohnes. Personen ohne reguläres Einkommen müssen ca. € 10 pro Monat einzahlen. Der Staat übernimmt die Beitragszahlungen bei Nachweis eines sehr geringen Einkommens (weniger als € 150/Monat) (ÖB 30.11.2022, S. 42f.).

Überdies sind folgende Personen und Fälle von jeder Vorbedingung für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten befreit: Personen unter 18 Jahren, Personen, die medizinisch eine andere Person als Hilfestellung benötigen, Opfer von Verkehrsunfällen und Notfällen, Situationen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, ansteckende Krankheiten mit Meldepflicht, Schutzund präventive Gesundheitsdienste gegen Substanz-Missbrauch und Drogenabhängigkeit (SGK 2016c).

Erklärtes Ziel der Regierung ist es, das Gesundheitsversorgungswesen neu zu organisieren, indem sogenannte Stadtkrankenhäuser überwiegend in größeren Metropolen des Landes errichtet werden (MPI-SR 3.2021). Mit Stand März 2021 waren 13 Stadtkrankenhäuser in Betrieb. Die Finanzierung ist in der Öffentlichkeit nach wie vor sehr umstritten, da sie auf öffentlich-privaten Partnerschaften beruht, es insbesondere an Transparenz fehlt und die Staatskasse durch dieses Vorhaben enorm belastet wird (MPI-SR 3.2021). Der private Krankenhaussektor spielt schon jetzt eine wichtige Rolle. Landesweit gibt es 562 private Krankenhäuser mit einer Kapazität von 52.000 Betten. Mit der Inbetriebnahme der Krankenhäuser ergibt sich ein großer Bedarf an Krankenhausausstattung, Medizintechnik und Krankenhausmanagement. Dies gilt auch für medizinische Verbrauchsmaterialien. Die Regierung und die Projektträger bemühen sich zwar, einen möglichst großen Teil des Bedarfs von lokalen Produzenten zu beziehen, dennoch wird die Türkei zum Teil auf internationale Hersteller angewiesen sein (MPI-SR 20.6.2020).

Die medizinische Primärversorgung ist flächendeckend ausreichend. Die sekundäre und postoperationelle Versorgung sind dagegen verbesserungswürdig. In den großen Städten sind Universitätskrankenhäuser und große Spitäler nach dem neusten Stand eingerichtet. Mangelhaft bleibt das Angebot für die psychische Gesundheit (ÖB 30.11.2022, S. 43). Trotzdem hat sich das staatliche Gesundheitssystem in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert - vor allem in ländlichen Gegenden sowie für die arme, (bislang) nicht krankenversicherte Bevölkerung. Auch wenn Versorgungsdefizite - vor allem in ländlichen Provinzen - bei der medizinischen Ausstattung und im Hinblick auf die Anzahl von Ärzten bzw. Pflegern bestehen, sind landesweit Behandlungsmöglichkeiten für alle Krankheiten gewährleistet, insbesondere auch bei chronischen Erkrankungen wie Krebs, Niereninsuffizienz (Dialyse), Diabetes, AIDS, psychiatrischen Erkrankungen und Drogenabhängigkeit (AA 28.7.2022, S. 21).

Die Behandlung psychischer Erkrankungen erfolgt überwiegend in öffentlichen Institutionen. Bei der Behandlung sind zunehmend private Kapazitäten und ein steigender Standard festzustellen. Innerhalb der staatlichen Krankenhäuser gibt es 45 therapeutische Zentren für Alkohol- und Drogenabhängige für Erwachsene (AMATEM) mit insgesamt 732 Betten in 33 Provinzen. Zusätzlich gibt es noch sieben weitere sog. Behandlungszentren für Drogenabhängigkeit von Kindern und Jugendlichen (ÇEMATEM) mit insgesamt 100 Betten. Bei der Schmerztherapie und Palliativmedizin bestehen Defizite. Allerdings versorgt das Gesundheitsministerium alle öffentlichen Krankenhäuser mit Morphium. Zudem können Hausärzte bzw. deren Krankenpfleger diese Schmerzmittel verschreiben und Patienten in Apotheken auf Rezept derartige Schmerzmittel erwerben. Es gibt zwei staatliche Onkologiekrankenhäuser in Ankara und Bursa unter der Verwaltung des türkischen Gesundheitsministeriums. Nach jüngsten offiziellen Angaben gibt es darüber hinaus 33 Onkologiestationen in staatlichen Krankenhäusern mit unterschiedlichen Behandlungsverfahren. Eine AIDS-Behandlung kann in 93 staatlichen Hospitälern wie auch in 68 Universitätskrankenhäusern durchgeführt werden. In Istanbul stehen zudem drei, in Ankara und Ízmir jeweils zwei private Krankenhäuser für eine solche Behandlung zur Verfügung (AA 28.7.2022, S. 22).

Der Gesundheitssektor gehört zu den Branchen, welche am stärksten von der Abwanderung ins Ausland betroffen sind. Nach Angaben des türkischen Ärzteverbandes (TTB) ist die Zahl der abwandernden Mediziner besonders in den letzten vier Jahren explodiert. Während im Jahr 2012 insgesamt nur 59 von ihnen ins Ausland gingen, kehrten zwischen 2017 und 2021 fast 4.400 Ärzte dem Land den Rücken (FNS 31.3.2022a). TTB-Generalsekretär Vedat Bulut erklärte, dass im Jahr 2021 1.405 Ärzte ins Ausland gingen, während die Prognose für 2022 bei 2.500 lag. Etwa 55 % von ihnen sind Fachärzte (Duvar 23.5.2022). Eine der Hauptursachen für die Abwanderung, nebst der Wirtschaftskrise, ist die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Ärztinnen und Ärzten. Die türkische Ärztekammer meldete im Jahr 2020 insgesamt fast 12.000 Fälle von Gewalt gegen medizinisches Fachpersonal, darunter auch mehrere Todesfälle (FNS 31.3.2022a).

Um vom türkischen Gesundheits- und Sozialsystem profitieren zu können, müssen sich in der Türkei lebende Personen bei der türkischen Sozialversicherungsbehörde (Sosyal Güvenlik Kurumu - SGK) anmelden. Gesundheitsleistungen werden sowohl von privaten als auch von staatlichen Institutionen angeboten. Sofern Patienten bei der SGK versichert sind, sind Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern kostenlos. Private Versicherungen können, je nach Umfang und Deckung, hohe Behandlungskosten übernehmen. Innerhalb der SGK sind Impfungen, Laboruntersuchungen zur Diagnose, medizinische Untersuchungen, Geburtsvorbereitung und Behandlungen nach der Schwangerschaft sowie Notfallbehandlungen kostenlos. Der Beitrag für die Inanspruchnahme der allgemeinen Krankenversicherung (GSS) hängt vom Einkommen des Leistungsempfängers ab - ab 150,12 TL für Inhaber eines türkischen Personalausweises (IOM 8.2022). 2021 hatten insgesamt circa 1,5 Millionen Personen eine private Zusatzkrankenversicherung. Dabei handelt es sich überwiegend um Polizzen, die Leistungen bei ambulanter und stationärer Behandlung abdecken, wobei nur eine geringe Zahl (rund 178.000) für ausschließlich stationäre Behandlungen abgeschlossen sind (MPI-SR 3.2021, S. 15).

Rückkehrende mit einer Aufenthaltserlaubnis, die dauerhaft (seit mindestens einem Jahr) in der Türkei leben und keine Krankenversicherung nach den Rechtsvorschriften ihres Heimatlandes haben, müssen eine monatliche Pflichtgebühr entrichten. Die Begünstigten müssen sich registrieren lassen und die Versicherungsprämie für mindestens 180 Tage im Voraus bezahlen, damit sie in den Genuss des Sozialversicherungssystems bzw. der Gesundheitsversorgung zu kommen. Die Versicherung tritt automatisch in Kraft, und die Begünstigten können das System auch nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben noch weitere sechs Monate in Anspruch nehmen. Die Versicherung muss mindestens 60 Tage vor der Diagnose abgeschlossen worden sein. - Rückkehrende können sich über Sozialversicherungsämter im ganzen Land anmelden (IOM 8.2022).

Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Juni 2022), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2078231/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_ abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_T%C3%BCrkei_%28Stand_Juni_2022%29_28. 07.2022.pdf, Zugriff am 29.8.2022
Duvar (23.5.2022): Top Turkish medical group: Seven doctors going abroad every day, https: //www.duvarenglish.com/no-monkeypox-cases-detected-in-turkey-health-ministry-news-60868, Zugriff 25.5.2022 FNS – Friedrich-Naumann-Stiftung (31.3.2022a): Brain-Drain: Die Abwanderung türkischer Ärztinnen und Ärzte, https://www.freiheit.org/de/tuerkei/brain-drain-die-abwanderung-turkischer-aerztin nen-undaerzte?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Newsletter+2021-12-08T17%3A03%3A25%2B01%3A00, Zugriff 6.4.2022
IOM – International Organization for Migration (8.2022): Länderinformationsblatt Türkei 2022, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS%202022%20T%C3%BCrkei%20DE.pdf, Zugriff 16.12.2022
MPI-SR - Max-Planck-Institut für Sozialrecht [Hekimler, Alpay] (3.2021): Social Law Report No. 4/2021 - Sozialrechtliche Entwicklungen in der Türkei Berichtszeitraum: April 2020 – März 2021, https://www.mpisoc.mpg.de/fileadmin/user_upload/data/Sozialrecht/Publikationen/Schriftenreihen /Social_Law_Reports/SLR_4_2021__T%C3%BCrkei.pdf, Zugriff 9.2.2022
MPI-SR - Max-Planck-Institut für Sozialrecht [Hekimler, Alpay] (20.6.2020): Entwicklungen der Sozialpolitik und Sozialgesetzgebung in der Türkei Berichtszeitraum: Januar 2019 – April 2020, https://www.mpisoc.mpg.de/fileadmin/user_upload/data/Sozialrecht/Publikationen/Schriftenreihen /Social_Law_Reports/SLR_5_2020_T%C3%BCrkei__final.pdf, Zugriff 24.2.2022
ÖB – Österreichische Botschaft – Ankara [Österreich] (30.11.2022): Asylländerbericht Türkei, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2087260/TUER_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 6.4.2023
SGK – Sosyal Güvenlik Kurumu – Anstalt für Soziale Sicherheit [Türkei] (2016c): Universal Health Insurance, http://www.sgk.gov.tr/wps/portal/sgk/en/detail/universal_health_ins, Zugriff 12.9.2022

[Link ist z.Z. nicht verfügbar. Die Daten sind bei Bedarf bei der Staatendokumentation einsehbar.]

Behandlung nach Rückkehr

Letzte Änderung: 29.06.2023

Die türkischen Behörden unterhalten eine Reihe von Datenbanken, die Informationen für Einwanderungs- und Strafverfolgungsbeamte bereitstellen. Das „Allgemeine Informationssammlungssystem“ (Ulusal Yargi Ağı Bilişim Sistemi - UYAP), das Informationen über Haftbefehle, frühere Verhaftungen, Reisebeschränkungen, Wehrdienstaufzeichnungen und den Steuerstatus liefert, ist in den meisten Flug- und Seehäfen des Landes verfügbar. Ein separates Grenzkontroll-Informationssystem, das von der Polizei genutzt wird, sammelt Informationen über frühere Ankünfte und Abreisen. Das Direktorat, zuständig für die Registrierung von Justizakten, führt Aufzeichnungen über bereits verbüßte Strafen. Das „Zentrale Melderegistersystem“ (MERNIS) verwaltet Informationen über den Personenstand (DFAT 10.9.2020, S. 49).

Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht oder ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Im anschließenden Verhör durch einen Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten wird der Festgenommene mit den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen konfrontiert. In der Regel wird ein Anwalt hinzugezogen. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter. Bei der Befragung durch den Richter ist der Anwalt ebenfalls anwesend. Wenn aufgrund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise ebenfalls festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt (AA 24.8.2020, S. 27).

Personen, die für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oder eine mit der PKK verbündete Organisation tätig sind/waren, müssen in der Türkei mit langen Haftstrafen rechnen. Das gleiche gilt auch für die Tätigkeit in/für andere Terrororganisationen wie die Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C), die türkische Hisbollah [Anm.: auch als kurdische Hisbollah bekannt, und nicht mit der schiitischen Hisbollah im Libanon verbunden], al-Qa’ida, den Islamischen Staat (IS) etc. Seit dem Putschversuch 2016 werden Personen, die mit dem Gülen-Netzwerk in Verbindung stehen, in der Türkei als Terroristen eingestuft. Nach Mitgliedern der Gülen-Bewegung, die im Ausland leben, wird zumindest national in der Türkei gefahndet; über Sympathisanten werden (eventuell nach Vernehmungen bei der versuchten Einreise) oft Einreiseverbote verhängt (ÖB 30.11.2022, S. 40). Das türkische Außenministerium sieht auch die syrisch-kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) bzw. die Volksverteidigungseinheiten (YPG) als Teilorganisationen der als terroristisch eingestuften PKK (TR-MFA o.D.). Die PYD bzw. ihr militärischer Arm, die YPG, sind im Unterschied zur PKK seitens der EU nicht als terroristische Organisationen eingestuft (EU 24.2.2023).

Öffentliche Äußerungen, auch in sozialen Netzwerken, Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten, Beerdigungen etc. im Ausland, bei denen Unterstützung für kurdische Belange geäußert wird, können strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie als Anstiftung zu separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden.

Aus bekannt gewordenen Fällen ist zu schließen, dass solche Äußerungen, auch das bloße Liken eines fremden Beitrages in sozialen Medien, und Handlungen (z. B. die Unterzeichnung einer Petition) zunehmend zu Strafverfolgung und Verurteilung führen und sogar als Indizien für eine Mitgliedschaft in einer Terrororganisation herangezogen werden. Für die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen reicht hierfür ggf. bereits die Mitgliedschaft in bestimmten Vereinen oder die Teilnahme an oben aufgeführten Arten von Veranstaltungen aus (AA 28.7.2022, S. 15). Auch nichtöffentliche Kommentare können durch anonyme Denunziation an türkische Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden (AA 24.3.2023). Es sind zudem Fälle bekannt, in denen Türken, auch Doppelstaatsbürger, welche die türkische Regierung in den Medien oder in sozialen Medien kritisierten, bei der Einreise in die Türkei verhaftet oder unter Hausarrest gestellt wurden, bzw. über sie ein Reiseverbot verhängt wurde (NL-MFA 31.10.2019, S. 52; vgl. AA 24.3.2023). LautAngaben von Seyit Sönmez von der Istanbuler Rechtsanwaltskammer sollen an den Flughäfen Tausende Personen, Doppelstaatsbürger oder Menschen mit türkischen Wurzeln, verhaftet oder ausgewiesen worden sein, und zwar wegen „Terrorismuspropaganda“, „Beleidigung des Präsidenten“ und „Aufstachelung zum Hass in der Öffentlichkeit“. Hierbei wurden in einigen Fällen die Mobiltelefone und die Konten in den sozialen Medien an den Grenzübergängen behördlich geprüft. So etwas Problematisches vorgefunden wird, werden in der Regel Personen ohne türkischen Pass unter dem Vorwand der Bedrohung der Sicherheit zurückgewiesen, türkische Staatsbürger verhaftet und mit einem Ausreiseverbot belegt (SCF 7.1.2021; vgl. Independent 5.1.2021). Auch Personen, die in der Vergangenheit ohne Probleme ein- und ausreisen konnten, können bei einem erneuten Aufenthalt aufgrund zeitlich weit zurückliegender oder neuer Tatvorwürfe festgenommen werden (AA 24.3.2023). Aus bekannt gewordenen Fällen ist zu schließen, dass solche Äußerungen, auch das bloße Liken eines fremden Beitrages in sozialen Medien, und Handlungen (z. B. die Unterzeichnung einer Petition) zunehmend zu Strafverfolgung und Verurteilung führen und sogar als Indizien für eine Mitgliedschaft in einer Terrororganisation herangezogen werden. Für die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen reicht hierfür ggf. bereits die Mitgliedschaft in bestimmten Vereinen oder die Teilnahme an oben aufgeführten Arten von Veranstaltungen aus (AA 28.7.2022, S. 15). Auch nichtöffentliche Kommentare können durch anonyme Denunziation an türkische Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden (AA 24.3.2023). Es sind zudem Fälle bekannt, in denen Türken, auch Doppelstaatsbürger, welche die türkische Regierung in den Medien oder in sozialen Medien kritisierten, bei der Einreise in die Türkei verhaftet oder unter Hausarrest gestellt wurden, bzw. über sie ein Reiseverbot verhängt wurde (NL-MFA 31.10.2019, S. 52; vergleiche AA 24.3.2023). LautAngaben von Seyit Sönmez von der Istanbuler Rechtsanwaltskammer sollen an den Flughäfen Tausende Personen, Doppelstaatsbürger oder Menschen mit türkischen Wurzeln, verhaftet oder ausgewiesen worden sein, und zwar wegen „Terrorismuspropaganda“, „Beleidigung des Präsidenten“ und „Aufstachelung zum Hass in der Öffentlichkeit“. Hierbei wurden in einigen Fällen die Mobiltelefone und die Konten in den sozialen Medien an den Grenzübergängen behördlich geprüft. So etwas Problematisches vorgefunden wird, werden in der Regel Personen ohne türkischen Pass unter dem Vorwand der Bedrohung der Sicherheit zurückgewiesen, türkische Staatsbürger verhaftet und mit einem Ausreiseverbot belegt (SCF 7.1.2021; vergleiche Independent 5.1.2021). Auch Personen, die in der Vergangenheit ohne Probleme ein- und ausreisen konnten, können bei einem erneuten Aufenthalt aufgrund zeitlich weit zurückliegender oder neuer Tatvorwürfe festgenommen werden (AA 24.3.2023).

Festnahmen, Strafverfolgung oderAusreisesperre erfolgten des Weiteren vielfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien, vermehrt auch aufgrund des Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung. Hierfür wurden bereits mehrjährige Haftstrafen verhängt (AA 24.3.2023).

Es ist immer wieder zu beobachten, dass Personen, die in einem Naheverhältnis zu einer im Ausland befindlichen, in der Türkei insbesondere aufgrund des Verdachts der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation bekanntlich gesuchten Person stehen, selbst zum Objekt strafrechtlicher Ermittlungen werden. Dies betrifft auch Personen mit Auslandsbezug, darunter Österreicher und EU-Bürger, sowie türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland, die bei der Einreise in die Türkei überraschend angehalten und entweder in Untersuchungshaft verbracht oder mit einer Ausreisesperre belegt werden. Generell ist dabei jedoch nicht eindeutig feststellbar, ob diese Personen tatsächlich lediglich aufgrund ihres Naheverhältnisses zu einer bekannten gesuchten Person gleichsam in „Sippenhaft“ genommen werden, oder ob sie aufgrund eigener Aktivitäten im Ausland (etwa in Verbindung mit der PKK oder der Gülen-Bewegung) ins Visier der türkischen Strafjustiz geraten sind (ÖB 30.11.2022, S. 10).

Abgeschobene türkische Staatsangehörige werden von der Türkei rückübernommen. Das Verfahren ist jedoch oft langwierig (ÖB 30.11.2022, S. 40). Probleme von Rückkehrern infolge einer Asylantragstellung im Ausland sind nicht bekannt (DFAT 10.9.2020, S. 50; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 40). Nach Artikel 23 der türkischen Verfassung bzw. § 3 des türkischen Passgesetzes ist die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet, wenn zweifelsfrei der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit vorliegt. Drittstaatenangehörige werden gemäß ICAO-[International Civil Aviation Organization] Praktiken rückübernommen. Die Türkei hat zudem, u. a. mit Syrien, ein entsprechendes bilaterales Abkommen unterzeichnet (ÖB 30.11.2022, S. 45). Die ausgefeilten Informationsdatenbanken der Türkei bedeuten, dass abgelehnte Asylbewerber wahrscheinlich die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich ziehen, wenn sie eine Vorstrafe haben oder Mitglied einer Gruppe von besonderem Interesse sind, einschließlich der Gülen-Bewegung, kurdischer oder oppositioneller politischer Aktivisten, oder sie Menschenrechtsaktivisten, Wehrdienstverweigerer oder Deserteure sind (DFAT 10.9.2020, S. 50; vgl. NLMFA 18.3.2021, S. 71). Anzumerken ist, dass die Türkei keine gesetzlichen Bestimmungen hat, die es zu einem Straftatbestand machen, im Ausland Asyl zu beantragen (NL-MFA 18.3.2021, S. 71). Abgeschobene türkische Staatsangehörige werden von der Türkei rückübernommen. Das Verfahren ist jedoch oft langwierig (ÖB 30.11.2022, S. 40). Probleme von Rückkehrern infolge einer Asylantragstellung im Ausland sind nicht bekannt (DFAT 10.9.2020, S. 50; vergleiche ÖB 30.11.2022, S. 40). Nach Artikel 23 der türkischen Verfassung bzw. Paragraph 3, des türkischen Passgesetzes ist die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet, wenn zweifelsfrei der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit vorliegt. Drittstaatenangehörige werden gemäß ICAO-[International Civil Aviation Organization] Praktiken rückübernommen. Die Türkei hat zudem, u. a. mit Syrien, ein entsprechendes bilaterales Abkommen unterzeichnet (ÖB 30.11.2022, S. 45). Die ausgefeilten Informationsdatenbanken der Türkei bedeuten, dass abgelehnte Asylbewerber wahrscheinlich die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich ziehen, wenn sie eine Vorstrafe haben oder Mitglied einer Gruppe von besonderem Interesse sind, einschließlich der Gülen-Bewegung, kurdischer oder oppositioneller politischer Aktivisten, oder sie Menschenrechtsaktivisten, Wehrdienstverweigerer oder Deserteure sind (DFAT 10.9.2020, S. 50; vergleiche NLMFA 18.3.2021, S. 71). Anzumerken ist, dass die Türkei keine gesetzlichen Bestimmungen hat, die es zu einem Straftatbestand machen, im Ausland Asyl zu beantragen (NL-MFA 18.3.2021, S. 71).

Gülen-Anhänger, gegen die juristisch vorgegangen wird, bekommen im Ausland von der dort zuständigen Botschaft bzw. dem Generalkonsulat keinen Reisepass ausgestellt (VB 1.3.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, S. 25). Sie erhalten nur ein kurzfristiges Reisedokument, damit sie in die Türkei reisen können, um sich vor Gericht zu verantworten. Sie können auch nicht aus der Staatsbürgerschaft austreten. Die Betroffenen können nur über ihre Anwälte in der Türkei erfahren, welche juristische Schritte gegen sie eingeleitet wurden, aber das auch nur, wenn sie in die Akte Einsicht erhalten, d. h., wenn es keine geheime Akte ist. Die meisten, je nach Vorwurf, können nicht erfahren, ob gegen sie ein Haftbefehl besteht oder nicht (VB 1.3.2022). Gülen-Anhänger, gegen die juristisch vorgegangen wird, bekommen im Ausland von der dort zuständigen Botschaft bzw. dem Generalkonsulat keinen Reisepass ausgestellt (VB 1.3.2022; vergleiche USDOS 20.3.2023, S. 25). Sie erhalten nur ein kurzfristiges Reisedokument, damit sie in die Türkei reisen können, um sich vor Gericht zu verantworten. Sie können auch nicht aus der Staatsbürgerschaft austreten. Die Betroffenen können nur über ihre Anwälte in der Türkei erfahren, welche juristische Schritte gegen sie eingeleitet wurden, aber das auch nur, wenn sie in die Akte Einsicht erhalten, d. h., wenn es keine geheime Akte ist. Die meisten, je nach Vorwurf, können nicht erfahren, ob gegen sie ein Haftbefehl besteht oder nicht (VB 1.3.2022).

Eine Reihe von Vereinen (oft von Rückkehrern selbst gegründet) bieten spezielle Programme an, die Rückkehrern bei diversen Fragen wie etwa der Wohnungssuche, Versorgung etc. unterstützen sollen. Zu diesen Vereinen gehören unter anderem:

•Rückkehrer Stammtisch Istanbul, Frau Çiğdem Akkaya, LinkTurkey, E-Mail info@link-tur key.com

•Die Brücke, Frau Christine Senol, Email: info@bruecke-istanbul.org, http://bruecke-istan bul.com/

TAKID, Deutsch-Türkischer Verein für kulturelle Zusammenarbeit, ÇUKUROVA/ADANA, EMail: almankulturadana@yahoo.de, www.takid.org (ÖB 30.11.2022, S. 41).

II.2. Beweiswürdigungrömisch II.2. Beweiswürdigung

Hinsichtlich der Beurteilung der gesetzlichen Mitwirkungs- bzw. Darlegungsverpflichtung der Partei ergeben sich aus der Judikatur insbes. folgende beachtliche Leitlinien:

Beweislast:

Der EGMR hat in seinem Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, (u.a.) ausgeführt, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege, gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide, im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei.

Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. die Ausführungen in VwGH Rn. 23 des zu Ra 2016/18/0137 ergangenen Erkenntnisses; 03.09.2020, Ra 2020/19/0221).Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen vergleiche die Ausführungen in VwGH Rn. 23 des zu Ra 2016/18/0137 ergangenen Erkenntnisses; 03.09.2020, Ra 2020/19/0221).

Nach der Judikatur des EGMR ist es Sache der beschwerdeführenden Partei über Nachfrage „Beweise“ vorzubringen, die zeigen können, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, sie würden im Fall der Vollstreckung der angefochtenen Maßnahme einem realen Risiko ausgesetzt,, die einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden, wobei dem ein gewisser Grad an Spekulation innewohnen kann und keine „eindeutigen Beweise“ für die Behauptung einer verbotenen Behandlung zu erbringen sind (vgl. zB uva EGMR Paposhvili gg. Belgien, 13.12.2016, Bsw. 41738/10).Nach der Judikatur des EGMR ist es Sache der beschwerdeführenden Partei über Nachfrage „Beweise“ vorzubringen, die zeigen können, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, sie würden im Fall der Vollstreckung der angefochtenen Maßnahme einem realen Risiko ausgesetzt,, die einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden, wobei dem ein gewisser Grad an Spekulation innewohnen kann und keine „eindeutigen Beweise“ für die Behauptung einer verbotenen Behandlung zu erbringen sind vergleiche zB uva EGMR Paposhvili gg. Belgien, 13.12.2016, Bsw. 41738/10).

Erhöhte Mitwirkungsverpflichtung der Partei:

Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

Dies entspricht auch der sich insbes. aus § 15 AsylG ergebenden Mitwirkungsverpflichtung sowie aus der Verfahrensförderungspflicht des § 39 Abs 2a AVG, wonach jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann.Dies entspricht auch der sich insbes. aus Paragraph 15, AsylG ergebenden Mitwirkungsverpflichtung sowie aus der Verfahrensförderungspflicht des Paragraph 39, Absatz 2 a, AVG, wonach jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann.

Glaubhaftmachung:

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist - abgesehen vom Fall einer Wahrunterstellung (vgl. dazu etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0032, Rn. 13) - die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Asylwerbers zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt unter Berücksichtigung der vom EuGH judizierten unionsrechtlichen Anforderungen (vgl. EuGH 25.1.2018, C-473/16 und EuGH 4.10.2018, C-56/17, Fathi). Erst danach erfolgt die Prognoseentscheidung gemäß §§3, 8 AsylG 2005, ob mit dem als glaubhaft erachteten Vorbringen eine wohl begründete Furcht vor Verfolgung oder reale Gefahr der Verletzung maßgeblicher Rechtsgüter des Asylwerbers glaubhaft gemacht wird (vgl. zur Prognoseentscheidung VwGH 8.9.2016, Ra 2015/20/0217, mwN; vgl. zu der dabei vorzunehmenden einzelfallbezogenen Beurteilung VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).Nach der Rechtsprechung des VwGH ist - abgesehen vom Fall einer Wahrunterstellung vergleiche dazu etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0032, Rn. 13) - die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Asylwerbers zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt unter Berücksichtigung der vom EuGH judizierten unionsrechtlichen Anforderungen vergleiche EuGH 25.1.2018, C-473/16 und EuGH 4.10.2018, C-56/17, Fathi). Erst danach erfolgt die Prognoseentscheidung gemäß §§3, 8 AsylG 2005, ob mit dem als glaubhaft erachteten Vorbringen eine wohl begründete Furcht vor Verfolgung oder reale Gefahr der Verletzung maßgeblicher Rechtsgüter des Asylwerbers glaubhaft gemacht wird vergleiche zur Prognoseentscheidung VwGH 8.9.2016, Ra 2015/20/0217, mwN; vergleiche zu der dabei vorzunehmenden einzelfallbezogenen Beurteilung VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt vergleiche zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).

Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff). Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv vergleiche Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff).

Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach – uU auch durch Suggestion Dritter (vgl. zB „Die 12 ‚Verbote‘ in der Vernehmung“, https://www.sgipt.org/forpsy/aussage0.htm#Die 12 'Verbote', mwN) beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwartet, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. „Folgenberücksichtigung“, siehe oben zitierte Quelle; vgl auch UNHCR Handbuch, Dez. 2011, B/2/f Auswanderer aus wirtschaftlichen Motiven im Unterschied zu Flüchtlingen).Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach – uU auch durch Suggestion Dritter vergleiche zB „Die 12 ‚Verbote‘ in der Vernehmung“, https://www.sgipt.org/forpsy/aussage0.htm#Die 12 'Verbote', mwN) beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwartet, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. „Folgenberücksichtigung“, siehe oben zitierte Quelle; vergleiche auch UNHCR Handbuch, Dez. 2011, B/2/f Auswanderer aus wirtschaftlichen Motiven im Unterschied zu Flüchtlingen).

Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich somit insbes.:

dass die Ermittlungspflicht der Behörde / des BVwG grds. durch die (auf Nachfrage) vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067);

ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN);ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen vergleiche VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN);

nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Beurteilung eines „gar nicht erstatteten Vorbringens“ mitunter sogar auch zu einer vom VwGH wahrzunehmenden Rechtsverletzung führen (vgl. zB VwGH 9.9.2010, 2007/20/0558 bis 0560; 10.08.2018, Ra 2018/20/0314); nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Beurteilung eines „gar nicht erstatteten Vorbringens“ mitunter sogar auch zu einer vom VwGH wahrzunehmenden Rechtsverletzung führen vergleiche zB VwGH 9.9.2010, 2007/20/0558 bis 0560; 10.08.2018, Ra 2018/20/0314);

die allgemeine Behauptung von Verfolgungs- bzw. Gefährdungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).die allgemeine Behauptung von Verfolgungs- bzw. Gefährdungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen vergleiche VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

Eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat kann eine Glaubhaftmachung einer konkreten, individuell gegen die beschwerdeführende Partei gerichteten Verfolgung bzw. Bedrohung nicht ersetzen (vgl VwGH 29.08.2023, Ra 2023/19/0290 mwN).Eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat kann eine Glaubhaftmachung einer konkreten, individuell gegen die beschwerdeführende Partei gerichteten Verfolgung bzw. Bedrohung nicht ersetzen vergleiche VwGH 29.08.2023, Ra 2023/19/0290 mwN).

Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd Paragraph 15, AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.

Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.

Nach der Judikatur des VwGH sind grds. weder die Behörde noch das VwG verpflichtet, einer asylwerbenden Person im Wege eines Vorhaltes zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden sind, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu ihrem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihr aus diesem Grund eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 29.01.2021, Ra 2021/14/0011; 28.06.2018, Ra 2017/19/0447, mwN).Nach der Judikatur des VwGH sind grds. weder die Behörde noch das VwG verpflichtet, einer asylwerbenden Person im Wege eines Vorhaltes zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden sind, die im Rahmen der gemäß Paragraph 45, Absatz 2, AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu ihrem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihr aus diesem Grund eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen vergleiche VwGH 29.01.2021, Ra 2021/14/0011; 28.06.2018, Ra 2017/19/0447, mwN).

Ad 1.1.1 Identität und Herkunftsstaat:

Das BFA stellte die Identität der bP aufgrund der Vorlage ihres türkischen Personalausweises fest.

Da dem Bundesverwaltungsgericht selbst kein herkunftsstaatliches, mit einem Lichtbild versehenes Identitätsdokument im Original vorlag, schließt sich das Gericht den Feststellungen des BFA an. Gleiches gilt in Bezug auf Herkunft, die Volksgruppenzugehörigkeit und Konfession der bP, zumal sich diesbezüglich keine gegenteiligen Anhaltspunkte im Beschwerdeverfahren ergaben.

Ad 1.1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnissen vor der Ausreise:

Diese ergeben sich plausibel aus den in diesen Punkten lebensnahen, persönlichen Angaben im Verfahren. Gegenteilige Anhaltspunkte ergaben sich für das BVwG nicht.

Ad 1.1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

Dies ergibt sich plausibel aus den in diesen Punkten lebensnahen, persönlichen Angaben im Verfahren. Gegenteilige Anhaltspunkte ergaben sich für das BVwG nicht.

Ad 1.1.4. Ausreisemodalitäten:

Dies ergibt sich plausibel aus den in diesen Punkten lebensnahen, gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen.

Gegenteilige Anhaltspunkte ergaben sich für das BVwG nicht.

Ad 1.1.5. Aktueller Gesundheitszustand:

Dieser gründet unstrittig auf den glaubhaften Angaben der bP im Verfahren vor dem BFA und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Ad 1.1.6. Aktuelles Privatleben / Familienleben in Österreich

Dies ergibt sich plausibel aus ihren persönlichen Angaben in den Einvernahmen, den von ihr vorgelegten Bescheinigungsmitteln sowie der Einsichtnahme in die amtlichen Datenbanken.

Ad 1.1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet


Ad a) Betreffend ihrer persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

Gem. § 15 Abs 1 Z1 AsylG hat eine asylwerbende Person im Verfahren alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte „wahrheitsgemäß“ darzulegen. Hier ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die bP in zentralen Punkten dieser Verpflichtung nicht nachkam, wie sich aus nachfolgenden Ausführungen deutlich ergibt.Gem. Paragraph 15, Absatz eins, Z1 AsylG hat eine asylwerbende Person im Verfahren alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte „wahrheitsgemäß“ darzulegen. Hier ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die bP in zentralen Punkten dieser Verpflichtung nicht nachkam, wie sich aus nachfolgenden Ausführungen deutlich ergibt.

Das BFA legte im Rahmen der Beweiswürdigung zusammengefasst dar, dass sich die zentrale Ausreisemotivation der bP im Wesentlichen in der Darlegung von wirtschaftlichen Gründen erschöpft habe. Eine aktuelle, gegen die bP gerichtete Verfolgung habe sich daraus nicht ableiten lassen.

Diese Argumentation ist aus den Angaben der bP aus der Einvernahme beim BFA durchaus nachvollziehbar. Dort gibt sie etwa an: „[…]Ich muss für meine Familie sorgen, mein Vater ist verstorben. Sie kommen alleine nicht durch und sind in einer schweren Situation. Ich habe dann gesehen, dass ich in der Türkei, wenn ich dort bleibe, nichts erreichen kann und habe mich gezwungen gefühlt zu flüchten.[…]“.

Auch aus der Frage, ob es ein spezielles, fluchtauslösendes Ereignis gegeben habe, ergab sich keine konkrete Gefährdung der bP:

„Ja, als Erdogans Partei wieder gewonnen hatte. Alle die religiös sind, währen ihn halt und das wirt ausgenutzt. Auf die jüngere Generation kommt eine schlimme Zukunft zu. Ich konnte das nicht ertragen, und bin weggegangen. Ein Student, der sein Studium absolviert hat, würde niemals illegal gehen, wenn es eine andere Möblichkeit gibt.“

Die vom BFA dargelegten wirtschaftlichen Motive für die Antragstellung werden auch aus weiteren Angaben der bP bestätigt die das Bundesamt auch in der Beweiswürdigung aufgreift. So habe sie durchaus auch eine legale Zuwanderung nach Europa mittels „Arbeitsvisum“ (AS 330) überlegt, diese jedoch auf Grund der damit verbundenen Kosten wieder verworfen und stattdessen für die Zuwanderung den Weg über das Asylverfahren gewählt. Sie hätte auch überlegt in Deutschland zu studieren, dies aber wegen der hohen Kosten von 17.000 Euro wieder verworfen.

Das Bundesamt führte auch richtig aus, dass der Umstand, dass die bP legal ausreiste ein Indiz dafür ist, dass die türkischen Behörden auch kein (strafrechtliches) Verfolgungsinteresse an ihr hätten.

Zutreffend führe die Behörde auch aus, dass sich aus der Schilderung des bisherigen Lebens der bP, insbesondere auch der genossenen überdurchschnittlichen Bildung und der Berufstätigkeit, keine Situation ergebe, die auf eine relevante Diskriminierung wegen der Zugehörigkeit zu den Kurden hinweisen würde. Sie habe zeitnahe der Ausreise einen Universitätsabschluss erlangt und auch in diesem Bereich als Bautechnikerauch schon gearbeitet. Sie habe zuvor schon in einer Teppichfabrik Arbeit gefunden.

Weiters stellte die Behörde auch richtig fest, dass es der Berichtslage nach in Einzelfällen wegen der Zugehörigkeit zu den Kurden zu Repressalien kommen könne, aber die bP kein derartiges Persönlichkeitsprofil habe um hier im Falle der Rückkehr in relevanter Weise einer Gefährdung zu unterliegen. Eine Gruppenverfolgung von Kurden sei nicht gegeben.

Die vom BFA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Wesentlichen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anzunehmen braucht, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Paragraph 45, AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen vergleiche zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

Sofern in der Beschwerde moniert wird, dass das BFA verpflichtet gewesen wäre, die bP näher dazu zu befragen, weswegen sie in der Türkei keine Möglichkeit gehabt habe, als freier Mensch zu leben, ist auszuführen, dass der bP in der Einvernahme vor dem BFA mehrfach die Gelegenheit gegeben wurde, ihr Fluchtvorbringen darzulegen:

„F: Wurden Sie jemals polizeilich gesucht, wird nach Ihnen gefahndet oder wurden Sie behördlich verfolgt?

[…]

F: Weshalb suchen Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie nun bitte möglichst ausführlich Ihre Flucht- und Asylgründe!

[…]

F: Hat es ein spezielles, fluchtauslösendes Ereignis gegeben?

[….]“.

In diesem Zusammenhang wurde von der bP kein konkretes Vorbringen erstattet, aus dem eine individuelle Gefährdung ihrer Person erkennbar wäre. Vielmehr wurde die Frage nach einer behördlichen Verfolgung sogar explizit verneint und auch sonst kein Sacherhalt vorgebracht, aus dem Gegenteiliges hervorgehen würde.

Daher erschließt sich auch nicht, was sich aus einer näheren bzw. ergänzenden Befragung der bP zu der Äußerung, sie habe in der Türkei keine Möglichkeit gehabt habe, als freier Mensch zu leben, noch ergeben sollte und wurde auch in der Beschwerde nichts Näheres dazu ausgeführt.

Das allgemeine Behauptung der bP, aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit „asylrelevanter Verfolgung“ zu unterliegen, kann wie auch bereits vom BFA ausgeführt wurde, nicht als zutreffend erachtet werden.

Glaubhaft ist, dass Kurden in der Türkei verschiedensten Diskriminierungen ausgesetzt sein können und wird insbesondere auch die teils prekäre Situation exponierter Vertreter der kurdischen Opposition nicht in Abrede gestellt. Im gegenständlichen Fall ist jedoch eine derart exponierte Stellung der bP in der kurdischen Gesellschaft nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang wird auf die entsprechenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten verwiesen.

In der Beschwerde wird noch Folgendes ausgeführt: „Feststeht jedenfalls, dass sollte die türkische Regierung Informationen darüber erhalten, dass der BF […] durch den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz den türkischen Staat in Misskredit gebracht hat, er […] jedenfalls damit rechnen müsste umgehend am Flughafen festgenommen und inhaftiert zu werden“.

Hierzu wurden keine näheren Ausführungen von Substanz getätigt und ergibt sich eine entsprechende Gefahr weder aus dem Vorbringen der bP, noch aus den gegenständlich herangezogenen Länderfeststellungen.

Im Ergebnis ist es der bP mit deren Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist sie dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass die bP entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihr dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.

Ad b) Betreffend ihrer aktuellen, persönlichen Versorgungssituation mit Lebensnotwendigem (insb. Lebensmittel, Unterkunft) im Herkunftsstaat:

Das BFA führte zur persönlichen Versorgungssituation der bP im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei zusammengefasst aus, dass aufgrund der bisherigen Möglichkeit der Bestreitung ihres Lebensunterhaltes, ihrer verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte und Arbeitsfähigkeit keine existenzbedrohende Notlage für sie anzunehmen sei. Der bP sei es daher (allenfalls unter Inanspruchnahme einer finanziellen Rückkehrhilfe) möglich, sich binnen kurzer Zeit eine gesicherte, wenn auch allenfalls bescheidene Existenz in der Türkei aufzubauen.

Dem wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten und ergaben sich auch aus der aktuellen Berichtslage keine diesbezüglichen, über die bloße Möglichkeit hinausgehenden, allgemeinen und exzeptionellen Umstände hinsichtlich der allgemeinen Versorgungslage in der Türkei.

Ad c) Betreffend ihrer aktuellen Versorgungssituation im Hinblick der notwendigen Erlangung medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat:

Die bP brachte weder vor dem BFA noch in der Beschwerde vor, dass sie im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgungslage konkret Gefahr liefe, allenfalls keine erforderliche medizinische Behandlung in der Türkei erlangen zu können. Es kam nicht hervor, dass sie einer COVID-19 Risikogruppe angehöre oder aktuell krank sei.

Abgesehen davon ergeben sich auch aus der aktuellen Berichtslage keine diesbezüglichen, über die bloße Möglichkeit hinausgehenden, allgemeinen und exzeptionellen Umstände betreffend die medizinische Versorgungslage in der Türkei.

Ad 1.1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die bP ist den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) im Zuge der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Zudem hat die Behörde schon in ihrem Verfahren dazu das Parteiengehör gewahrt und wurde dazu keine Stellungnahme abgegeben.

3. Rechtliche Beurteilung

Ad A)

Nichtzuerkennung des Status als asylberechtigte Person

§ 3 AsylGParagraph 3, AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oderdem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2.der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (Paragraph 5, BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.(4b) In einem Familienverfahren gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer eins, gilt Absatz 4, mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.Flüchtling im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon – wie in ähnlicher beschriebenen Weise – betroffen ist. Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Artikel 9, Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15, Absatz 2, EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon – wie in ähnlicher beschriebenen Weise – betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren. Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Artikel 6, Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113). Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist vergleiche zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat vergleiche VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Nach Ansicht des BVwG sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es der bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Ausreisemotivation und vorgebrachten Rückkehrbefürchtung glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Nichtglaubhaftmachung wird hier ausdrücklich auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen.

Auch die allgemeine Lage ist im Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für die bP mit ihrem sich aus den Feststellungen ergebenen Persönlichkeitsprofil eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Zu einer (asylrelevanten) Gefährdung der bP aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit ist auszuführen, dass auch allgemeine Diskriminierungen, wie etwa soziale Ächtung oder gesellschaftliche Nachteile für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen können. Zur pauschalen Situation der Kurden in der Türkei ist festzuhalten, dass sich diese entsprechend der Länderberichte aktuell derart gestaltet, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner, eine relevante Intensität erreichenden, Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sind. Vereinzelte staatliche Aktionen oder solche von Einzelpersonen richten sich gegen Institutionen und Personen, denen ein Naheverhältnis zur PKK unterstellt wird. Auch Personen in gehobener Stellung könnten Ziel dieser Aktionen werden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein derartiges Interesse gerade an der Person der bP haben sollten, wurden nicht glaubhaft vorgebracht. Insbesondere wurde im gesamten Verfahren kein Sachverhalt vorgebracht, aus dem sich ergeben würde, dass es sich bei der bP um eine exponierte Person handeln würde. Im Lichte dessen kann das Vorbringen der bP sowohl zur allgemeinen Situation der Kurden in der Türkei als auch zur allgemeinen Sicherheitslage in der Türkei, zu keiner maßgeblichen Gefährdung ihrer Person führen.

Allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, können für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind dahingehend hinzunehmen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft im Heimatland eines Asylwerbers für sich allein nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun (VwGH 31.01.2002, Zl. 2000/20/0358). So hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise im Erkenntnis vom 23.06.1998, Zl. 96/20/0144, ausgesprochen, dass die bloße Zugehörigkeit türkischer Staatsangehöriger zur Volksgruppe der Kurden samt der damit einhergehenden Diskriminierung noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung bilden.Allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, können für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre vergleiche VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind dahingehend hinzunehmen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft im Heimatland eines Asylwerbers für sich allein nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun (VwGH 31.01.2002, Zl. 2000/20/0358). So hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise im Erkenntnis vom 23.06.1998, Zl. 96/20/0144, ausgesprochen, dass die bloße Zugehörigkeit türkischer Staatsangehöriger zur Volksgruppe der Kurden samt der damit einhergehenden Diskriminierung noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung bilden.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen ist, ist davon auszugehen, dass der bP keine Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung iSd GFK dar. Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (vgl. VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen ist, ist davon auszugehen, dass der bP keine Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung iSd GFK dar. Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat vergleiche VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Nichtzuerkennung des Status als subsidiär schutzberechtigte Person

§ 8 AsylG Paragraph 8, AsylG

(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1.der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2.dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Absatz eins, oder aus den Gründen des Absatz 3, oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß Paragraph 9, Absatz 2, vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.(5) In einem Familienverfahren gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer 2, gilt Absatz 4, mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß Paragraph 9, Absatz eins und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

Art. 2 EMRK lautet: Artikel 2, EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“Artikel 3, EMRK lautet: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050) ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche zB VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050) ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Artikel 3, EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. Der EuGH hat dazu festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt (...) ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region ‚allein durch ihre Anwesenheit‘ im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn. 35). Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hiebei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37). Diesen Ausnahmecharakter betonte der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite, Rn.30.Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. Der EuGH hat dazu festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt (...) ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region ‚allein durch ihre Anwesenheit‘ im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" vergleiche EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn. 35). Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hiebei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37). Diesen Ausnahmecharakter betonte der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite, Rn.30.

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen vergleiche zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, jeweils mwN). Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt vergleiche VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, jeweils mwN).

Dass der Eintritt künftiger ungewisser Ereignisse bloß nicht ausgeschlossen werden kann, wird der Annahme einer realen Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung nicht gerecht (VwGH am 19.01.2022, Ra 2021/20/0209).Dass der Eintritt künftiger ungewisser Ereignisse bloß nicht ausgeschlossen werden kann, wird der Annahme einer realen Gefahr („real risk“) einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung nicht gerecht (VwGH am 19.01.2022, Ra 2021/20/0209).

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Gefährdung:

Die von der bP vorgebrachte Gefährdung wurde, so, wie von ihr dargelegt und soweit dem Entscheidungsrelevanz zukommt, als nicht glaubhaft bzw. nicht wahrscheinlich erachtet.

Andere persönliche Gefährdungen, die ihrer Einschätzung nach, aus maßgeblicher aktueller Sicht, gegen eine Rückkehr sprechen könnten, brachte die bP angesichts der offenen Fragestellung in der Verhandlung selbst nicht vor, weshalb es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich eines aktuell „gar nicht erstatteten Vorbringens“ somit keiner weiteren Auseinandersetzung bedurfte (vgl. zB VwGH 9.9.2010, 2007/20/0558 bis 0560; 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).Andere persönliche Gefährdungen, die ihrer Einschätzung nach, aus maßgeblicher aktueller Sicht, gegen eine Rückkehr sprechen könnten, brachte die bP angesichts der offenen Fragestellung in der Verhandlung selbst nicht vor, weshalb es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich eines aktuell „gar nicht erstatteten Vorbringens“ somit keiner weiteren Auseinandersetzung bedurfte vergleiche zB VwGH 9.9.2010, 2007/20/0558 bis 0560; 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Abgesehen davon, ergibt sich bei ganzheitlicher Bewertung der möglichen Gefahren, unter Berücksichtigung der festgestellten persönlichen Situation der bP in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Herkunftsstaat nicht, dass gerade für sie eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Gefahr bestünde, wegen der Sicherheitslage bei einer Rückkehr einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die bP im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

Dies wäre nur dann der Fall, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, und stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat vorliegen. Dies wäre dann der Fall, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH v. 01.03.2018, Ra 2017/19/0425).Dies wäre nur dann der Fall, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, und stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat vorliegen. Dies wäre dann der Fall, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Artikel 2, oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH v. 01.03.2018, Ra 2017/19/0425).

Im gegenständlichen Fall ist es der bP nicht gelungen, ihre vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte. Im gegenständlichen Fall ist es der bP nicht gelungen, ihre vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftigen Erkrankungen dargelegt, weshalb sich daraus kein Rückkehrhindernis ergibt. Es kam nicht hervor, dass sie einer COVID-19-Risikogruppe angehören würde und hat sie auch diesbezüglich im Falle der Rückkehr in Bezug auf die Pandemie keine konkrete, sie persönlich treffende entscheidungsrelevante Gefährdungslage vorgebracht. Es kam nicht hervor, dass sie diesbezüglich schlechter gestellt wäre als die übrige Bevölkerung in der Türkei.

Die bP hat vor dem BFA auch nicht substantiiert vorgebracht, dass sie im Falle einer aktuellen Rückkehr, insbesondere hinsichtlich der Erlangung von Lebensmittel oder Unterkunft, Probleme erwarten würde. Dabei äußerte sie insbesondere nicht, dass sie selbst hinsichtlich der Lebensbedingungen in Bezug auf die Erlangung von Lebensnotwendigem, wie etwa Nahrungsmittel oder Unterkunft, Probleme erwarten würde. Gerade bei solchen Umständen, die in der persönlichen Sphäre des zu bewerteten Staat aufgewachsenen und sozialisierten Fremden liegen, kommt der persönlichen Aussage dazu besondere Bedeutung zu.

Hinsichtlich der Grundversorgung in ihrem Herkunftsstaat kann der Berichtslage nach nicht von einer allgemeinen lebensbedrohenden Notlage gesprochen werden, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK indizieren würde.Hinsichtlich der Grundversorgung in ihrem Herkunftsstaat kann der Berichtslage nach nicht von einer allgemeinen lebensbedrohenden Notlage gesprochen werden, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Artikel 3, EMRK indizieren würde.

Bei der bP handelt es sich zudem um einen jungen, ngesunden, arbeitsfähigen Mann mit mehrjähriger Schul- bzw. Universitätsbildung, welcher vor der Ausreise aus der Türkei erwerbstätig war. Die bP wurde in der Türkei geboren, ist dort sozialisiert, spricht Türkisch und verfügt nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte (Mutter, Schwester und weitere Verwandte). Daher ist in Zusammenhang mit der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht ersichtlich, weshalb gerade bei der bP eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende exzeptionelle Gefahr bestünde, dass sie im Falle einer Rückkehr in eine aussichtslose und damit Art. 3 EMRK relevante Lage geraten sollte. Bei der bP handelt es sich zudem um einen jungen, ngesunden, arbeitsfähigen Mann mit mehrjähriger Schul- bzw. Universitätsbildung, welcher vor der Ausreise aus der Türkei erwerbstätig war. Die bP wurde in der Türkei geboren, ist dort sozialisiert, spricht Türkisch und verfügt nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte (Mutter, Schwester und weitere Verwandte). Daher ist in Zusammenhang mit der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht ersichtlich, weshalb gerade bei der bP eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende exzeptionelle Gefahr bestünde, dass sie im Falle einer Rückkehr in eine aussichtslose und damit Artikel 3, EMRK relevante Lage geraten sollte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fordert das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), was gegenständlich nicht vorliegt.Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fordert das Prüfungskalkül des Artikel 3, EMRK für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), was gegenständlich nicht vorliegt.

Es wäre der bP zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. ihrer Verwandtschaft oder Hilfsorganisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer 'Schatten- oder Nischenwirtschaft' stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.

Ergänzend ist anzuführen, dass auch eine Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in der Türkei gewährt werden kann.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein „reales Risiko“, dass es derzeit durch die Rückführung der bP in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein „reales Risiko“, dass es derzeit durch die Rückführung der bP in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status als subsidiär Schutzberechtigter zu gewähren.

Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen / Rückkehrentscheidung

§ 10 AsylG Erlassung einer aufenthaltsbeendenden MaßnahmeParagraph 10, AsylG Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1.der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,
2.der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, zurückgewiesen wird,
3.der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4.einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5.einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 vorliegt.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

Zu prüfen ist nunmehr gem. Abs 2 leg cit von Amts wegen, ob der bP ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zukommtZu prüfen ist nunmehr gem. Absatz 2, leg cit von Amts wegen, ob der bP ein Aufenthaltstitel gem. Paragraph 57, AsylG zukommt

§ 57 AsylG Aufenthaltsberechtigung besonderer SchutzParagraph 57, AsylG Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1.wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2.zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3.wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.(3) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 2, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.(4) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 3, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen wäre, kam nicht hervor.Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. Paragraph 57, AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen wäre, kam nicht hervor.

Da sich die bP nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihr auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.Da sich die bP nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihr auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. Paragraph 57, AsylG zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. Paragraph 10, Absatz 2, AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.

Dem zur Folge hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 1 FPG [Rückkehrentscheidung] gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2). Dem zur Folge hat das Bundesamt gemäß Paragraph 52, Absatz eins, FPG [Rückkehrentscheidung] gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2).

Gemäß Abs. 2 leg cit hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z2) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.Gemäß Absatz 2, leg cit hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z2) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die bP ist Staatsangehörige der Türkei und keine begünstigte Drittstaatsangehörige. Es kommt ihr auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs 2 FPG die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen. Die bP ist Staatsangehörige der Türkei und keine begünstigte Drittstaatsangehörige. Es kommt ihr auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher ist gegenständlich gem. Paragraph 52, Absatz 2, FPG die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.

Rückkehrentscheidung

Das BFA hat gegenständlich entschieden, dass zur Erreichung von in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Interessen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten sei.Das BFA hat gegenständlich entschieden, dass zur Erreichung von in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Interessen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten sei.

In der Beschwerde wird dagegen im Wesentlichen vorgebracht, dass zwischen der bP und ihrem Schwager eine Familienbeziehung iSd Art. 8 EMRK bestehe. Zudem verstoße die Rückkehrentscheidung gegen das Privatleben der bP in Österreich. In der Beschwerde wird dagegen im Wesentlichen vorgebracht, dass zwischen der bP und ihrem Schwager eine Familienbeziehung iSd Artikel 8, EMRK bestehe. Zudem verstoße die Rückkehrentscheidung gegen das Privatleben der bP in Österreich.

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme: Gemäß Paragraph 52, FPG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 BFA-VGParagraph 9, BFA-VG

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen: (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.der Grad der Integration,

5.die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)Anmerkung, Absatz 4, aufgehoben durch Artikel 4, Ziffer 5,, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 56 aus 2018,)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraphen 52, Absatz 4, in Verbindung mit 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 4, FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß Paragraph 53, Absatz 3, FPG vorliegen. Paragraph 73, Strafgesetzbuch (StGB), Bundesgesetzblatt Nr. 60 aus 1974, gilt.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und FamilienlebensArtikel 8, EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

Für die Beurteilung, ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt, wird auf die im Erkenntnis des BVwG v. 16.01.2019, L504 1314867-3, dargestellte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen.Für die Beurteilung, ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Artikel 8, EMRK vorliegt, wird auf die im Erkenntnis des BVwG v. 16.01.2019, L504 1314867-3, dargestellte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen.

Ob eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei obliegt es dem Fremden integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245). Ob eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei obliegt es dem Fremden integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, geltend zu machen vergleiche etwa VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245).

Nicht näher substantiierte – bloße – Behauptungen können keine maßgebliche Verstärkung der Interessen des Fremden dartun (vgl. etwa VwGH 24.9.2009, 2009/18/0294).Nicht näher substantiierte – bloße – Behauptungen können keine maßgebliche Verstärkung der Interessen des Fremden dartun vergleiche etwa VwGH 24.9.2009, 2009/18/0294).

Die bP verfügt über die festgestellten familiären bzw. privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

Da die Rückkehrentscheidung einen Eingriff in das Recht auf Privat- bzw. Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen an einem Verbleib mit den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendung, somit, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.Da die Rückkehrentscheidung einen Eingriff in das Recht auf Privat- bzw. Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen an einem Verbleib mit den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendung, somit, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich insbesondereIm vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK legitime Ziele, nämlich insbesondere

die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist;

die Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen

Unter Zugrundelegung der Abwägungskriterien und der Ermittlungsergebnisse (einschließlich der Beschwerdeangaben) ergibt sich Folgendes:

Für die bP spricht im Wesentlichen, dass sie strafrechtlich unbescholten ist und bei ihrem Cousin und dessen Familie in gemeinsamen Haushalt lebt und von diesem finanzielle unterstützt wird.

Gegen die bP spricht, dass sie nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist. Dieses gegen die öffentliche Ordnung, konkret die geregelte Zuwanderung von Fremden, widersprechende Verhalten stellt auf Grund der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz gem. §§ 120 Abs 1 iVm Abs 7, 31 FPG bei Strafmündigen auch eine Verwaltungsübertretung dar, die von der Landespolizeidirektion als Strafbehörde zu ahnden ist.Gegen die bP spricht, dass sie nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist. Dieses gegen die öffentliche Ordnung, konkret die geregelte Zuwanderung von Fremden, widersprechende Verhalten stellt auf Grund der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz gem. Paragraphen 120, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 7,, 31 FPG bei Strafmündigen auch eine Verwaltungsübertretung dar, die von der Landespolizeidirektion als Strafbehörde zu ahnden ist.

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es im Sinne des § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG grds. maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich (spätestens nach Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz durch das Bundesamt) die bP ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175). Daran kann auch eine allenfalls lange Dauer eines Rechtsmittelverfahrens, mag den Fremden daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034). Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG grds. maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich (spätestens nach Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz durch das Bundesamt) die bP ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175). Daran kann auch eine allenfalls lange Dauer eines Rechtsmittelverfahrens, mag den Fremden daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit kann von einem Fremden, welcher sich integrieren möchte, vorausgesetzt werden und vermag dies die privaten Interessen nicht sonderlich verstärken und kann auch die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung der bP als Facharbeiter in einer Zimmerei angesichts ihres zu diesem Zeitpunkt unsicheren Aufenthaltes nichts daran ändern.

Hinsichtlich der familiären Anknüpfungspunkte der bP zu ihrem Cousin ist auszuführen, dass die bP mit diesem erst seit ihrer Einreise nach Österreich und ihrer Asylantragstellung in gemeinsamen Haushalt lebt und die Unsicherheit eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich in evidenter Weise klar sein musste. Der Schwager der bP ist überdies seit 2001 mit Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet gemeldet, sodass zumindest zwischen 2001 und der Einreise der bP nach Österreich der Kontakt allenfalls in (Video)Telefonaten, Nachrichten oder gelegentlichen Besuchen bestanden haben kann und ist nicht ersichtlich, wieso dies nach einer Rückkehr der bP in die Türkei nicht auch wieder so möglich sein sollte. Ebenso ist die vorgebrachte finanzielle Unterstützung durch den Cousin auch bei einer Rückkehr der bP in die Türkei weiterhin möglich.

Bei der Interessensabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ein diesbezügliches Vorbringen hat freilich im Rahmen der Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr – letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden [die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188 mwN).Bei der Interessensabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ein diesbezügliches Vorbringen hat freilich im Rahmen der Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr – letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden [die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188 mwN).

Die bP hat sich im Verhältnis zu ihrem Alter nur für sehr kurze Zeit (3 Monate) im Bundesgebiet aufgehalten. Sie wurde in der Türkei sozialisiert und hat dort bei weitem ihr überwiegendes Leben verbracht. Sie verfügt dort auch über Familienangehörige. Von einer Entwurzelung kann daher nicht gesprochen werden.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse – nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen insbesondere in Bezug auf den verwaltungsstrafrechtlich pönalisierten, nicht rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet, an der Aufenthaltsbeendigung der beschwerdeführenden Partei festzustellen, dass ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der beschwerdeführenden Partei schlichtweg unzumutbar machen würde, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Aufenthalts- bzw. Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren (vgl. zB. VwGH 25.02.2010, 2008/18/0332; 25.02.2010, 2008/18/0411; 25.02.2010, 2010/18/0016; 21.01.2010, 2009/18/0258; 21.01.2010, 2009/18/0503; 13.04.2010, 2010/18/0087; 30.04.2010, 2010/18/0111; 30.08.2011, 2009/21/0015), wobei bei der Rückkehrentscheidung mangels gesetzlicher Anordnung hier nicht auf das mögliche Ergebnis eines nach einem anderen Gesetz durchzuführenden (Einreise- bzw. Aufenthalts)Verfahrens Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 18.9.1995, 94/18/0376). Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Artikel 8, EMRK erkennen, die es der beschwerdeführenden Partei schlichtweg unzumutbar machen würde, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Aufenthalts- bzw. Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren vergleiche zB. VwGH 25.02.2010, 2008/18/0332; 25.02.2010, 2008/18/0411; 25.02.2010, 2010/18/0016; 21.01.2010, 2009/18/0258; 21.01.2010, 2009/18/0503; 13.04.2010, 2010/18/0087; 30.04.2010, 2010/18/0111; 30.08.2011, 2009/21/0015), wobei bei der Rückkehrentscheidung mangels gesetzlicher Anordnung hier nicht auf das mögliche Ergebnis eines nach einem anderen Gesetz durchzuführenden (Einreise- bzw. Aufenthalts)Verfahrens Bedacht zu nehmen ist vergleiche VwGH 18.9.1995, 94/18/0376).

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privatleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass einwanderungswillige Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung, allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen und in rechtskonformer Art und Weise vom Ausland aus ihren Antrag auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels stellen, sowie die Entscheidung auch dort abwarten, letztlich schlechter gestellt wären, als jene Fremde, welche, einer geordneten Zuwanderung widersprechend, genau zu diesen verpönten Mitteln greifen, um ohne jeden sonstigen anerkannten Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen bzw. zu legalisieren. Dies würde in letzter Konsequenz wohl zu einer unsachlichen Differenzierung der einwanderungswilligen Fremden untereinander führen (vgl. Estoppel-Prinzip bzw. auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007) und würde angesichts der Publizitätswirksamkeit der Asylentscheidungen wohl den Nachzieheffekt für andere einwanderungswillige Fremde in Richtung nicht rechtmäßiger Zuwanderung in Verbindung mit rechtsmißbräuchlicher Asylantragstellung verstärken.Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privatleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass einwanderungswillige Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung, allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen und in rechtskonformer Art und Weise vom Ausland aus ihren Antrag auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels stellen, sowie die Entscheidung auch dort abwarten, letztlich schlechter gestellt wären, als jene Fremde, welche, einer geordneten Zuwanderung widersprechend, genau zu diesen verpönten Mitteln greifen, um ohne jeden sonstigen anerkannten Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen bzw. zu legalisieren. Dies würde in letzter Konsequenz wohl zu einer unsachlichen Differenzierung der einwanderungswilligen Fremden untereinander führen vergleiche Estoppel-Prinzip bzw. auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007) und würde angesichts der Publizitätswirksamkeit der Asylentscheidungen wohl den Nachzieheffekt für andere einwanderungswillige Fremde in Richtung nicht rechtmäßiger Zuwanderung in Verbindung mit rechtsmißbräuchlicher Asylantragstellung verstärken.

Seit der Beschwerdeerhebung wurden überdies keine neuen Umstände vorgebracht, die ein schutzwürdiges Privat- oder Familienleben der bP in Österreich ergeben würden. Da es sich hierbei um Fakten handeln würde, die ihrer persönlichen Sphäre entspringen, besteht diesbezüglich eine besondere Mitwirkung und zudem gem. § 15 AsylG auch eine unverzügliche Mitteilungspflicht der bP. Seit der Beschwerdeerhebung wurden überdies keine neuen Umstände vorgebracht, die ein schutzwürdiges Privat- oder Familienleben der bP in Österreich ergeben würden. Da es sich hierbei um Fakten handeln würde, die ihrer persönlichen Sphäre entspringen, besteht diesbezüglich eine besondere Mitwirkung und zudem gem. Paragraph 15, AsylG auch eine unverzügliche Mitteilungspflicht der bP.

Die Rückkehrentscheidung greift somit nicht in die durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte ein, weshalb diese von der belangten Behörde zu Recht erlassen wurde.Die Rückkehrentscheidung greift somit nicht in die durch Artikel 8, EMRK gewährleisteten Rechte ein, weshalb diese von der belangten Behörde zu Recht erlassen wurde.

Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des Paragraph 50, FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3). Gemäß Paragraph 50, FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, EMRK oder Artikel 3, EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Absatz eins,), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Absatz 2,) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Absatz 3,).

Im gegenständlichen Fall sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in die Türkei unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlicher Beschwerde nicht schlüssig dargelegt. Im gegenständlichen Fall sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß Paragraph 52, Absatz 9, in Verbindung mit Paragraph 50, FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in die Türkei unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlicher Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung / Keine Frist für die freiwillige Ausreise

Das Bundesamt hat von seinem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht und gem. § 18 Abs 1 z4 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil die bP im Wesentlichen keine konkreten Verfolgungsgründe vorgebracht hat, sondern wirtschaftliche Motive ausschlaggebend waren. Weiters führte die Behörde dazu auch aus, dass die bP im Falle der Rückkehr auch keiner relevanten Gefährdung unterliegt und hier die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenrechtes erforderlich ist. Das Bundesamt hat von seinem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht und gem. Paragraph 18, Absatz eins, z4 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil die bP im Wesentlichen keine konkreten Verfolgungsgründe vorgebracht hat, sondern wirtschaftliche Motive ausschlaggebend waren. Weiters führte die Behörde dazu auch aus, dass die bP im Falle der Rückkehr auch keiner relevanten Gefährdung unterliegt und hier die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenrechtes erforderlich ist.

Das Bundesamt hat im Folgenden auch zu Recht keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht nämlich eine solche Frist nicht, im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gem. § 68 AVG sowie, - wie hier – wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gem. § 18 BFA-VG durchführbar wird.Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG besteht nämlich eine solche Frist nicht, im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gem. Paragraph 68, AVG sowie, - wie hier – wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gem. Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.

Das BVwG hat nach Vorlage des Verwaltungsaktes samt Beschwerde amtswegig – ein Antragsrecht der bP besteht der Rechtslage nach nicht - mit rk. Beschluss vom 14.12.2023 entschieden, dass der Beschwerde gem. § 18 Abs 5 BFA-VG nicht die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen war.Das BVwG hat nach Vorlage des Verwaltungsaktes samt Beschwerde amtswegig – ein Antragsrecht der bP besteht der Rechtslage nach nicht - mit rk. Beschluss vom 14.12.2023 entschieden, dass der Beschwerde gem. Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG nicht die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen war.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt Paragraph 24, VwGVG.

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom BFA vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte.

Die hier maßgeblichen Beweismittel – die Niederschriften - bilden vollen Beweis iSd § 15 AVG. Das BFA hat die Nichtglaubhaftmachung nicht konkret auf den persönlichen Eindruck gestützt, sondern in nachvollziehbarer Weise im Wesentlichen auf den Inhalt der Aussagen der Partei. Die hier maßgeblichen Beweismittel – die Niederschriften - bilden vollen Beweis iSd Paragraph 15, AVG. Das BFA hat die Nichtglaubhaftmachung nicht konkret auf den persönlichen Eindruck gestützt, sondern in nachvollziehbarer Weise im Wesentlichen auf den Inhalt der Aussagen der Partei.

Das BFA hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.

In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt. In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in Paragraph 20, BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

In eindeutigen Fällen wie diesem, bei dem bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für die Abwägung nach Art 8 EMRK auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052). In eindeutigen Fällen wie diesem, bei dem bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für die Abwägung nach Artikel 8, EMRK auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052).

Das BVwG hat alle von der bP für sich ins Treffen geführten Angaben und Bescheinigungsmittel zur Darlegung ihrer Integration, welche sie beim BFA und in der Beschwerde tätigte, der Abwägung bzw. rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Auf Grund ihrer gesetzlich auferlegten Mitwirkungsverpflichtung (§ 15 AsylG) und Verfahrensförderungspflicht iSd § 39 Abs 2a AVG, hatte sie schon beim BFA bzw. spätestens in der Beschwerde oder einer allfälligen Beschwerdeergänzung ihr Vorbringen „vollständig“ zu erstatten bzw. im Falle von Änderungen unverzüglich nachzureichen.Das BVwG hat alle von der bP für sich ins Treffen geführten Angaben und Bescheinigungsmittel zur Darlegung ihrer Integration, welche sie beim BFA und in der Beschwerde tätigte, der Abwägung bzw. rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Auf Grund ihrer gesetzlich auferlegten Mitwirkungsverpflichtung (Paragraph 15, AsylG) und Verfahrensförderungspflicht iSd Paragraph 39, Absatz 2 a, AVG, hatte sie schon beim BFA bzw. spätestens in der Beschwerde oder einer allfälligen Beschwerdeergänzung ihr Vorbringen „vollständig“ zu erstatten bzw. im Falle von Änderungen unverzüglich nachzureichen.

Persönliche Eindrücke des Entscheiders, wie etwa Sympathie/Antipathie, sind kein Abwägungskriterium für die Beurteilung der Integration und bedarf es dazu somit keiner Verhandlung.

Alle anderen, für diese Entscheidung maßgeblichen sachlich, objektivierbaren Kriterien für die Integration, auch in sprachlicher Hinsicht, liegen, wie bereits angeführt, auf Grund der Aktenlage und der Beschwerdeangaben offen und werden seitens des BVwG nicht in Zweifel gezogen, sie sind somit unstreitig.

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt als hinreichend geklärt erachtet werden und eine Verhandlung entfallen konnte.

Ad B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

RIS - L504 2282614-1 - Entscheidungstext (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Lilliana Bartoletti

Last Updated:

Views: 6168

Rating: 4.2 / 5 (53 voted)

Reviews: 92% of readers found this page helpful

Author information

Name: Lilliana Bartoletti

Birthday: 1999-11-18

Address: 58866 Tricia Spurs, North Melvinberg, HI 91346-3774

Phone: +50616620367928

Job: Real-Estate Liaison

Hobby: Graffiti, Astronomy, Handball, Magic, Origami, Fashion, Foreign language learning

Introduction: My name is Lilliana Bartoletti, I am a adventurous, pleasant, shiny, beautiful, handsome, zealous, tasty person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.